Perspektive

Bundestagswahl 2025: Wie der Kampf gegen Faschismus und Krieg geführt werden muss

Das Ergebnis der Bundestagswahl vom 23. Februar ist das Resultat einer tiefen politischen und gesellschaftlichen Krise, die zu explosiven Klassenauseinandersetzungen führen wird.

Das Wahlergebnis ist Ausdruck der enormen Wut auf die Kriegs- und Kürzungspolitik der Ampelkoalition, die die Rüstungsausgaben verdoppelt, die Ausgaben für Soziales, Bildung und Gesundheit zusammengestrichen und den Lebensstandard breiter Schichten durch steigende Preise und explodierende Mieten zerschlagen hat.

Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik hat eine amtierende Regierung so viele Stimmen verloren wie das Bündnis von SPD, Grünen und FDP. Insgesamt büßte es 19,5 Prozentpunkte ein, die FDP flog sogar aus dem Bundestag und die SPD erreichte mit 16,4 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis seit 1887, als die Partei unter Bismarcks Sozialistengesetz unterdrückt und verfolgt wurde.

Die CDU/CSU, die mit Friedrich Merz voraussichtlich den künftigen Bundeskanzler stellen wird, erreichte mit 28,5 Prozent ihr historisch zweitschlechtestes Ergebnis. Eine Neuauflage der „Großen Koalition“ von Union und SPD, wie sie derzeit vorbereitet wird, wäre die kleinste Koalition der bundesdeutschen Geschichte. Sie hätte nur 45 Prozent der Wähler hinter sich und verfügte nur deshalb über eine knappe Mehrheit der Abgeordneten, weil 14 Prozent für Parteien gestimmt haben, die an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert sind.

Eine Neuauflage der „Großen Koalition“ wird die Politik der Massenentlassungen, des Sozialkahlschlags und des Kriegs verschärfen, die zum vorzeitigen Ende der Ampelkoalition geführt hat. Dabei wird sie sich in wachsendem Maße auf die AfD stützen, die ihr Ergebnis mit 20,8 Prozent fast verdoppelt hat. 80 Jahre nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs ist damit eine faschistische Partei erstmals zweitstärkste Kraft im Bundestag. Die entscheidende Frage ist jetzt, wie der Kampf gegen Faschismus und Krieg geführt werden kann.

Im Wahlkampf hatten SPD, Grüne und CDU alles darangesetzt, die Empörung über ihre Kriegs- und Kürzungspolitik gegen die Schwächsten der Gesellschaft zu lenken und eine üble Hetze gegen Flüchtlinge veranstaltet. CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz paktierte sogar mit der AfD und verabschiedete gemeinsam mit den Faschisten einen Entschließungsantrag gegen Migranten.

Das Ergebnis war die Normalisierung und das Erstarken der AfD. Gleichzeitig konnte sich die AfD als Partei des kleinen Mannes und Gegnerin der Etablierten aufspielen, weil die Gewerkschaften jeden Kampf gegen Entlassungen und Sozialabbau systematisch unterdrückten und die Kriegspolitik der Regierung unterstützten. So stimmte die IG Metall zu Beginn des Wahlkampfs bei Volkswagen kampflos der Vernichtung von 35.000 Arbeitsplätzen und der Senkung der Löhne um bis zu 20 Prozent zu.

Unter diesen Bedingungen konnte die Wut über die soziale Katastrophe in Verzweiflung umschlagen und einen Nährboden für die AfD bilden. Vor allem im Osten Deutschlands, wo SPD, CDU und Linkspartei seit der Einführung des Kapitalismus eine soziale Katastrophe angerichtet haben, wurde die AfD mit 36,2 Prozent mit Abstand stärkste Kraft. Unter Arbeitern erhielt die Partei bundesweit 38 Prozent und damit mehr als doppelt so viel wie jede andere Partei.

Doch Flüchtlingshetze und soziale Demagogie können auf Dauer nicht verdecken, dass die AfD die Interessen der raffgierigsten Teile des Finanzkapitals vertritt. Auch in zahlreichen anderen Ländern werden faschistische Parteien an die Macht gebracht, um die demokratischen und sozialen Rechte der Arbeiterklasse und alle Hindernisse für die Bereicherung der Reichen zu zerschlagen – von Viktor Orbán in Ungarn über Giorgia Meloni in Italien und Geert Wilders in den Niederlanden bis zu Donald Trump in den USA.

Die AfD selbst erhielt im Wahlkampf massive Unterstützung von Elon Musk, dem reichsten Mann der Welt, der im Auftrag von US-Präsident Donald Trump einen beispiellosen sozialen Kahlschlag organisiert. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die AfD auch hier in die Regierung geholt wird. Ihre Verharmlosung der Nazis und ihr Hass auf Migranten stehen dem nicht im Wege; einziges Hindernis sind derzeit noch außenpolitische Differenzen in der EU- und der Ukrainefrage.

Doch während die AfD von den etablierten Parteien normalisiert und umarmt wird, wächst der Widerstand gegen die Faschisten. Das zeigte sich vor allem in den letzten Wochen des Wahlkampfs. Nachdem Merz Anfang Februar die sogenannte Brandmauer zur AfD niedergerissen hatte, gingen hunderttausende, überwiegend junge Menschen auf die Straße und protestierten gegen die AfD und den Rechtsruck des politischen Establishments.

Politisch profitierte davon eine Partei, die selbst maßgeblich zum Sozialabbau und zur Abschiebung von Flüchtlingen beigetragen hat und die über den plötzlichen Zustrom junger Mitglieder und Wähler selbst am meisten überrascht ist: Die Linke. Lag sie im Januar in den Umfragen noch bei 3 Prozent, erreichte sie bei der Wahl 8,8 Prozent und zog in Fraktionsstärke in den Bundestag ein. Unter jungen Wählern wurde sie mit 25 Prozent sogar stärkste Partei, und auch in Berlin erreichte sie mit 19,9 Prozent den Spitzenplatz.

Es gibt eine riesige Diskrepanz zwischen den Hoffnungen, die Jugendliche mit der Linkspartei verbinden, und dem, was sie tatsächlich ist. Erstere wollen den Faschisten entgegentreten, lehnen die Flüchtlingshetze ab und wollen vernünftige Einkommen und bezahlbare Mieten. Da Die Linke diese Themen als einzige Bundestagspartei überhaupt ansprach und ihre Wahlkampagne auf soziale Frage ausrichtete – Reichensteuern, Mindestlohn und Mietpreisbremse – fand sie Resonanz.

Aber die Linke hat kein Programm, dem Rechtsruck der Herrschenden entgegenzutreten. Sie verbreitet die Illusion, man könne diese durch eine Verbindung von parlamentarischer Opposition und Druck von der Straße zu einem Kurswechsel bewegen.

Der Linken-Vorsitzende Jan van Aken erklärte am Wahlabend, seine Partei sei „gesprächsbereit“, um mit der neuen Regierung etwa in Hinblick auf Gesetzesvorhaben zusammenzuarbeiten. „Man muss nicht unbedingt mitregieren, man kann auch aus der außerparlamentarischen Opposition relativ viel verändern und ziemlich viel gewinnen“, erklärte er und verwies auf seine Erfahrungen bei Greenpeace.

Die Linke will den Kapitalismus reformieren und nicht abschaffen. Doch das ist eine gefährliche Illusion. Die Rechtswendung der Herrschenden ist nicht einfach das Produkt einer falschen Politik, die durch etwas Druck korrigiert werden könnte. Die herrschende Klasse setzt überall auf Diktatur und Krieg, weil sie mit der tiefen Krise ihres Gesellschaftssystems konfrontiert ist. Wie im 20. Jahrhundert führt der Kapitalismus wieder zu Faschismus und Krieg. Am deutlichsten zeigt sich das in den USA.

Die Politik der kommenden Regierung wird vollständig von der internationalen Krise des Kapitalismus dominiert sein. Sie reagiert auf das Aufbrechen der Nato und Trumps Handelskriegsmaßnahmen, indem sie massiv aufrüstet und sich darauf vorbereitet, als „Führungsmacht“ Europas auf eigene Rechnung Krieg zu führen. Das wurde bereits am Wahlabend deutlich.

Merz sprach sich dafür aus, die Ukraine mit noch mehr Waffen zu versorgen. Zudem müsse die ganze Nato-Grenze zu Russland in den Blick genommen werden. Am Montag telefonierte Merz mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und lud ihn trotz des internationalen Haftbefehls nach Deutschland ein. Damit signalisierte er, dass er als Kanzler den Völkermord an den Palästinensern weiter unterstützen wird.

Medienberichten zufolge verhandeln Union und SPD darüber, noch vor Auflösung des alten Bundestags ein neues Sondervermögen zur Aufrüstung der Bundeswehr in Höhe von 200 Milliarden Euro zu verabschieden. Grünen-Chef Habeck erklärte, dass eine „eigenständige europäische Verteidigungsfähigkeit“ nun viel schneller vorangetrieben werden müsse. „Wir müssen jetzt wirklich im Sicherheitsbereich, militärischen, aber auch Spionageabwehr, Cybersecurity, aber auch im ökonomischen Bereich wirklich in die Hufe kommen und werden Unsummen von Geld brauchen.“

Diese „Unsummen“ sollen aus den Arbeitern herausgepresst werden. Massive Entlassungen und Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst, Kürzung von Renten und bei Bildung und Gesundheit sind längst geplant. Hinzu kommt ein Arbeitsplatzmassaker in der Industrie, mit der sich die Großkonzerne für den Handelskrieg rüsten. Das ist nicht mit Demokratie vereinbar, sondern erfordert den Aufbau einer Diktatur.

Die Linke hat dem nichts entgegenzusetzen, im Gegenteil. Wo immer sie Regierungsverantwortung übernommen hat, setzte sie keine sozialen Reformen, sondern die schlimmsten Angriffe auf die Rechte der Arbeiter durch. In Berlin sparte sie bei Löhnen, Bildung und Gesundheit wie keine andere Landesregierung. Ihr bisher einziger Ministerpräsident Bodo Ramelow hat in Thüringen gemessen an der Einwohnerzahl mehr Geflüchtete abgeschoben als jedes andere Bundesland.

Die gleichen Erfahrungen haben die griechischen Arbeiter mit der Schwesterpartei der Linken, Syriza gemacht und die spanischen mit Podemos. Vor die Alternative gestellt, dem Votum ihrer Wähler oder dem Diktat der internationalen Banken zu folgen, entschieden sie sich für letzteres – mit katastrophalen sozialen Folgen.

Besonders deutlich zeigt sich der wirkliche Standpunkt der Linken in der Kriegsfrage. Dort hat sie die Linie der Bundesregierung weitgehend übernommen. Auf ihrem letzten Parteitag verabschiedete sie sich offiziell von ihren bisherigen pazifistischen Phrasen, begrüßte Waffenlieferungen in die Ukraine und beschwor das „Selbstverteidigungsrecht Israels“.

Ohne den Kapitalismus zu stürzen, kann weder ein Problem gelöst noch ein katastrophaler Weltkrieg verhindert werden. Doch das lehnt die Linke ab. Ihre ganze Politik ist darauf ausgerichtet, die wachsende Mobilisierung gegen Krieg, Faschismus und soziale Ungleichheit durch fruchtlose Appelle an die Herrschenden zu lähmen und der Regierung unterzuordnen. Das ist das sicherste Rezept dafür, die Rechten weiter zu stärken.

Aus demselben Grund arbeitet Die Linke eng mit den bürokratischen Apparaten der Gewerkschaften zusammen, die jeden ernsthaften Arbeitskampf sabotieren und als „Sozialpartner“ der Konzerne und Regierungen den Arbeitsplatz- und Sozialabbau organisieren.

Um die Rechte in die Schranken zu weisen, müssen die Demonstrationen gegen die AfD, die Streiks im Öffentlichen Dienst und der Widerstand gegen Massenentlassungen in der Autoindustrie zum Ausgangspunkt einer breiten Mobilisierung gemacht werden, die den Kampf gegen Lohnkürzungen und soziale Angriffe mit dem Kampf gegen Krieg und Faschismus verbindet. Arbeiter können ihre Rechte nur verteidigen, wenn sie auch gegen die deutsche Unterstützung für den Völkermord in Gaza und gegen den Nato-Kriegsaufmarsch gegen Russland kämpfen.

Das erfordert, den lähmenden Einfluss der Gewerkschaften und der Linkspartei zu überwinden und eine unabhängige Bewegung von Arbeitern und Jugendlichen aufzubauen, die sich gegen die Wurzel der Barbarei richtet: den Kapitalismus. Sie müssen dem wachsenden Nationalismus und dem Krieg die internationale Einheit der Arbeiter entgegensetzen.

Für dieses Programm kämpft die Sozialistische Gleichheitspartei. In unserem Wahlaufruf zu den Bundestagswahlen schrieben wir:

Die internationale Arbeiterklasse ist eine gewaltige gesellschaftliche Kraft, die 3,5 Milliarden Menschen umfasst, 55 Prozent mehr als 1991. Sie schafft den ganzen gesellschaftlichen Reichtum und hat die gesamte Last von Krieg und Krise zu tragen. Nur wenn sie unabhängig ins politische Geschehen eingreift und die Gesellschaft revolutionär umgestaltet, indem sie die großen Banken und Konzerne enteignet und unter demokratische Kontrolle stellt, kann eine Katastrophe verhindert werden.

Der Kampf für dieses sozialistische Programm gewinnt jetzt entscheidende Bedeutung. Wir rufen alle Leser auf, sich als aktive Unterstützer der SGP zu registrieren. Lest die World Socialist Website, studiert ihr reichhaltiges historisches und politisches Material und werdet Mitglied der SGP.

Die SGP lädt alle Interessierten am Dienstag, den 4. März um 19 Uhr zu einer Online-Diskussion unter dem Titel „Bundestagswahl 2025: Wie der Kampf gegen Faschismus und Krieg geführt werden muss“ ein. Registriert Euch hier, um daran teilzunehmen.