Am Freitagmorgen endet der zweitägige Warnstreik bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG). Es war bereits der vierte Warnstreik in der laufenden Tarifverhandlung. Die Kampfbereitschaft der über 16.000 Beschäftigten ist groß. Viele der etwa Fünf- bis Sechstausend, die sich auf der Streikkundgebung vor dem Roten Rathaus in Berlin-Mitte versammelt hatten, machten ihre Entschlossenheit deutlich, die Forderung nach 750 Euro mehr im Monat plus Schichtzulagen in vollem Umfang durchzusetzen.
Nach Jahren der Reallohnsenkung liegen die Einkommen beim größten deutschen Verkehrsbetrieb im Vergleich mit allen anderen vergleichbaren Verkehrsunternehmen an letzter Stelle, und das in der Hauptstadt mit extremer Verkehrsdichte, wachsendem Arbeitsstress und unbezahlbaren Mieten. Dazu kommt, dass die miserablen Einkommen und schlechten Arbeitsbedingungen dazu führen, dass immer mehr Beschäftigte abwandern und die Situation immer schlimmer wird.
Viele Streikende forderten die Einleitung einer Urabstimmung zur Durchführung eines unbefristeten Vollstreiks. Ein Busfahrer sagte gegenüber der WSWS: „Ich sag‘ mal so: Ein Vollstreik ist jetzt ein Muss.“ Er betonte, dass von der Entscheidung Vollstreik oder nicht die Zukunft von Verdi bei der BVG abhänge. Es werde sich jetzt zeigen, „ob die Gewerkschaften überhaupt noch etwas taugen. Passiert das nicht, ist das Vertrauen zu den Gewerkschaften endgültig dahin. Dann können sie niemanden mehr überzeugen.“ Ein anderer Busfahrer betonte: „Die Stimmung unter den Kollegen ist klasse und streikfreudig gewesen.“
Auf der letzten Sitzung der Tarifkommission in der vergangenen Woche wurde offiziell von einer Streikbereitschaft von 95,29 Prozent der BVG-Beschäftigten berichtet.
Doch die Verdi-Verhandlungskommission unter Leitung von Jeremy Arndt, der gleichzeitig stellvertretender BVG-Aufsichtsratsvorsitzender ist und enge Kontakte zur Unternehmensleitung und den Senatsparteien unterhält, arbeitet auf einen faulen Kompromiss hin. Arndt sprach schon nach der letzten Verhandlungsrunde von Fortschritten, obwohl die fünfte Verhandlung im Ergebnis keine Verbesserung gebracht hat. Zwar wurde die Laufzeit von 30 auf 24 Monate reduziert und die Lohnerhöhung von 225 auf 240 Euro monatlich erhöht, doch gleichzeitig wurde das Weihnachtsgeld reduziert und die Arbeitszeit verlängert – ein reines Nullsummen-Spiel.
Auf der gestrigen Kundgebung und in Gesprächen mit Medienvertretern brachte Arndt nun eine andere Möglichkeit ins Spiel, um einen unbefristeten Vollstreik zu verhindern. Er sprach plötzlich über Schlichtung. In Medienberichten wird deutlich, dass hinter dem Rücken der Streikenden und während Verdi-Funktionäre auf Kundgebungen noch radikale Töne anschlagen, offenbar bereits mit der Unternehmensleitung über die Modalitäten einer Schlichtung gesprochen wird.
Die Berliner Zeitung wirft die Frage auf: „Wäre eine Schlichtung durch unabhängige Fachleute für den BVG-Tarifkonflikt eine Möglichkeit?“ Das Blatt weist darauf hin, dass es der erste Tarifstreit im größten Landesunternehmen wäre, bei dem ein solches Verfahren durchgeführt würde. Verhandlungsführer Arndt reagiere „abwartend“.
Die Berliner zitiert ihn mit den Worten: „Über eine Schlichtung müssten wir intern erst mal diskutieren.“ Sein Funktionärskollege von Stubenrauch äußert sich ähnlich: „Eine Schlichtung sehe ich jetzt noch nicht, da wir ja noch verhandeln.“ Soll heißen: Wenn die BVG heute – oder in den nächsten Tagen – die Verhandlungen als gescheitert erklärt, erst dann stehe die Frage der Schlichtung an.
Die Berliner zitiert dann einen anderen Verdi-Funktionär, der nicht namentlich genannt werden will und schreibt, er zeige sich „offen für diese Art der Streitbeilegung“. Sie zitiert den Unbekannten mit den Worten: „ Eine Schlichtung wäre denkbar. Stellt sich nur die Frage, wer aus Gesellschaft und Politik infrage kommt ... Gregor Gysi eventuell.“
Der Verdi-Ausverkauf und das verlogene Doppelspiel der Gewerkschaft wird hier schon sichtbar. Während Arndt gegenüber der streikenden Belegschaft noch von Urabstimmung über Vollstreik spricht, wird gleichzeitig sehr konkret die personelle Besetzung der Schlichtung geplant und vorbereitet – wohl wissend, dass während der Schlichtung „Friedenspflicht“ herrscht.
Der unbekannte „Verdi-Mann“ ist sich über die explosive Stimmung unter den BVG-Beschäftigten bewusst und betrachtet die Schlichtung als Streikblockade. Die Berliner zitiert ihn ausführlich: „Wir stellen fest, dass die Erwartungen sehr hoch sind. Ich weiß, dass alle Kollegen auf einen unbefristeten Streik hinfiebern und den Laden richtig brennen sehen wollen.“ Das habe nicht nur damit zu tun, dass Berlin im Ranking der 18 Nahverkehrs-Tarifverträge in Deutschland auf Platz 18 steht, was den Einstiegslohn für Fahrer anbelangt. Die Auseinandersetzung um den Mantel-Tarifvertrag, der vor allem die Arbeitsbedingungen regelt, habe 2024 „ suboptimale Ergebnisse“ erbracht – zum Beispiel bei den Aufenthaltszeiten an den Endstellen, die als Pausen wichtig sind.
Als die Nachricht von einer möglichen Schlichtung bekannt wurde, reagierten viele Arbeiter sofort ablehnend. Ein Fahrer namens Orhan sagte gegenüber der WSWS: „Man müsste im gesamten Öffentlichen Dienst gegen die arbeiterfeindliche Schlichtung mobilisieren.“ Und ein junger Busfahrer fügte hinzu: „Ja, es war eine schöne Show mit viel Trara, aber wenn eine Schlichtung das jetzt beendet, war alles umsonst. Umso mehr sollten wir Arbeiter eigenständige Proteste und Streiks organisieren, die dem Schlichtungs-Mechanismus nicht unterliegen.“
Die jüngste Entwicklung zeigt, wie wichtig der Aufruf des Aktionskomitees Verkehrsarbeiter ist, den die WSWS vor wenigen Tagen veröffentlicht hat. Er beginnt mit den Worten:
Als Aktionskomitee Verkehrsarbeiter rufen wir dazu auf, die Warnstreiks zum Auftakt einer Rebellion gegen Verdis Hinhaltetaktik zu machen und einen unbefristeten Vollstreik durchzusetzen. Die Verdi-Führung betrachtet die begrenzten Streikaktionen als Teil eines abgekarteten Spiels, an dessen Ende ein Abschluss stehen soll, der mit unserer ursprünglichen Forderung nichts mehr zu tun hat. Ein solcher Ausverkauf muss verhindert werden!
Der Sprecher des Aktionskomitees Verkehrsarbeiter, Andy Niklaus – selbst Busfahrer und seit 34 Jahren bei der BVG – kommentierte die jüngste Entwicklung mit den Worten:
Dass jetzt plötzlich die Möglichkeit einer Schlichtung ins Spiel gebracht wird, macht erneut deutlich, dass Verdi unter allen Umständen einen unbefristeten Vollstreik verhindern will. Wir müssen dem sehr scharf entgegentreten und eine Schlichtung verhindern. Wenn die Verhandlungen als gescheitert erklärt werden, lautet die Antwort nicht Schlichtung, sondern Urabstimmung und Vollstreik. Die Verhandlungskommission hat kein Mandat und kein Recht, einer Schlichtung zuzustimmen.
Dabei ist auch wichtig, dass die BVG keine Schlichtung erzwingen kann, denn jede Seite kann sie ablehnen. Wenn also eine Schlichtung stattfindet, dann deshalb, weil Verdi sie will, um einen Vollstreik zu unterdrücken.
Der Vorschlag, Gregor Gysi von der Linkspartei zum Schlichter zu machen, ist besonders perfide. Hier bei der BVG haben wir mit der Linkspartei und Gysi schlimme Erfahrungen gemacht. Zu Beginn des so genannten rot-roten Senats aus SPD und Linke war Gysi Wirtschaftssenator und stellte die Weichen in Richtung massivem Sozialabbau. In enger Zusammenarbeit mit Verdi wurden die Löhne bei der BVG um mehr als zehn Prozent gesenkt und weitreichende Rationalisierungsmaßnahmen durchgesetzt.
Auch jetzt unterstützen Linkspartei und Gysi gemeinsam mit Verdi und den anderen Gewerkschaften das Billionen-Aufrüstungsprogramm und den damit verbundenen Sozialabbau.
Es ist deshalb sehr wichtig den direkten Zusammenhang zwischen unserem Tarifkampf und den schnellen politischen Veränderungen zu verstehen, die gegenwärtig stattfinden.
Schon im Aufruf des Aktionskomitees Verkehrsarbeiter hieß es:
Vor allem soll verhindert werden, dass wir einen unbefristeten Erzwingungsstreik für unsere Forderung führen. Der Senat und die Bundesregierung, die hinter dem BVG-Vorstand stehen, fürchten, dass ein solcher prinzipieller Arbeitskampf zum Auftakt für eine breite Mobilisierung aller Verkehrsarbeiter und Beschäftigten im öffentlichen Dienst sowie der gesamten Arbeiterklasse gegen sinkende Reallöhne und die Kriegspolitik der Regierung würde.
In dieser Situation müssen wir unsere Stärke und Streikkraft in vollem Umfang nutzen und einsetzen. Das ist in doppelter Hinsicht wichtig. Erstens ist unsere Forderung nach einer generellen Einkommenserhöhung von 750 Euro monatlich bei einer Laufzeit von 12 Monaten nach vielen Jahren der Reallohnsenkung das Minimum, um gegen die ständig steigenden Lebenshaltungskosten anzukämpfen. Zweitens ist ein unbefristeter Erzwingungsstreik ein deutliches Signal, dass wir nicht bereit sind die Kosten der Aufrüstung zu tragen und die neue Großmachtpolitik des deutschen Imperialismus zu finanzieren, die im vergangenen Jahrhundert schon zweimal die Welt in Flammen gesetzt hat.
Deshalb muss der von Verdi geplante Ausverkauf verhindert werden.
- Nein zur Schlichtung!
- Bereitet einen unbefristeten Streik vor!
- Kommt zum nächsten Online-Treffen des Aktionskomitees Verkehrsarbeiter!
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