EU-Weißbuch verabschiedet: Verteidigungsausgaben sollen um 800 Milliarden Euro erhöht werden

Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas spricht während einer Medienkonferenz über das Weißbuch zur Zukunft der europäischen Verteidigung und den ReArm Europe Plan am 19. März 2025 in Brüssel [AP Photo/Virginia Mayo]

Die Europäische Kommission veröffentlichte letzte Woche ihr Gemeinsames Weißbuch für die europäische Verteidigungsbereitschaft 2030. In dem Dokument, das am Donnerstag bei einem Treffen der Staatschefs des Europäischen Rates angenommen wurde, wird eine Erhöhung der EU-Militärausgaben um schwindelerregende 800 Milliarden Euro gefordert, um Europa auf einen Krieg mit hoher Intensität gegen Russland, eine der großen Atommächte, vorzubereiten.

Dieser undemokratische und militärisch selbstmörderische Kurs wird zu einer scharfen Konfrontation mit der europäischen Arbeiterklasse führen. Laut einer Umfrage der Eurasia Group vom letzten Jahr lehnen 89 Prozent der Einwohner Westeuropas die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine zum Kampf gegen Russland ab. Die Entscheidung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, die Erhöhung der Militärausgaben mit Sparmaßnahmen im Sozialbereich, darunter eine massive Rentenkürzung im Jahr 2023, zu finanzieren, löste überwältigenden Widerstand und Massenstreiks der Bevölkerung aus.

Dennoch missachtet die EU die öffentliche Meinung und verkündet eine massive Erhöhung der Militärausgaben, die nur durch verheerende Sozialkürzungen zu Lasten der Arbeiter und der Jugend finanziert werden könnte. Sie äußert sich begeistert über die immense Erhöhung der EU-Militärausgaben während des Nato-Kriegs gegen Russland in der Ukraine und entwirft einen Rahmen für die Verdoppelung der Militärausgaben und so genannten „militärischen Investitionen“ in Waffen und Ausrüstung in den nächsten vier Jahren.

In dem Weißbuch heißt es stolz: „Seit 2021 sind die Verteidigungsausgaben der [EU]-Mitgliedsstaaten um mehr als 31 Prozent gestiegen und haben im Jahr 2024 1,9 Prozent des gemeinsamen BIP der EU oder 326 Milliarden Euro erreicht. Speziell die Verteidigungsinvestitionen im Jahr 2024 haben die beispiellose Summe von 102 Milliarden Euro erreicht, fast doppelt so viel wie im Jahr 2021... Auf der Grundlage von Projektionen einer schrittweisen Erhöhung könnten die Verteidigungsinvestitionen in den nächsten vier Jahren mindestens 800 Milliarden Euro erreichen.“

Das Weißbuch legt fünf grundlegende Mechanismen zur Erhöhung der Militärausgaben dar:

  • Ein Darlehensprogramm mit dem Titel „Security and Action for Europe“ (SAFE), das EU-Mitgliedsstaaten Kredite in Höhe von 150 Milliarden Euro zur Finanzierung ihrer Militärausgaben gewährt.
  • Die Anwendung der „Nationalen Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts“, die den EU-Staaten Haushaltsdefizite von über drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erlaubt, sofern die daraus resultierende Staatsverschuldung zur Finanzierung des Militärs verwendet wird. Im Weißbuch wird behauptet, dadurch könnten „zusätzliche Verteidigungsausgaben von bis zu 1,5 Prozent des BIP mobilisiert werden“.
  • Der Einsatz von Mitteln der EU-„Kohäsionspolitik“, die normalerweise den ärmeren EU-Staaten vorbehalten sind und für wichtige Infrastrukturmaßnahmen oder das Bildungswesen verwendet werden sollen, um stattdessen die Verteidigungsausgaben zu erhöhen.
  • Der Einsatz der Europäischen Investitionsbank zur Finanzierung des Baus von Hightech-Waffen wie Drohnen, von Weltraumwaffen und Cyberkriegsführung.
  • Die „Mobilisierung von Privatkapital“, darunter Maßnahmen wie die Inanspruchnahme von Guthaben der Sparkonten privater EU-Bürger, um sie für Investitionen in Waffenhersteller zu verwenden.

Das verschleiernde Gerede von „Investitionen“ und „Kredite“ soll die Tatsache vertuschen, dass die EU ihre Aufrüstung mit Schulden finanzieren will und dass die Arbeiter diese Schulden bezahlen sollen. Militärausgaben unterscheiden sich grundlegend von Investitionen in Produktionskapazitäten wie eine Fabrik: Sie schaffen keinen neuen Reichtum. Die Kosten, die dem Staat durch den Bau von Drohnenbombern oder Lenkraketen und deren Einsatz auf dem Schlachtfeld entstehen, können entweder aus den Einkünften im Inland oder die Plünderung von neuen Einkünften im Ausland zurückgezahlt werden.

Die europäische Wirtschaft stagniert seit fast zwei Jahrzehnten, beginnend mit dem Wall-Street-Crash von 2008. Sie wurde durch wiederholte Bankenrettungen ausgeblutet, bei denen den Reichen Billionen Euro aus öffentlichen Geldern ausgehändigt wurden. Alle EU-Staaten sind hoch verschuldet, mehrere faktisch bankrott: Frankreichs Staatsverschuldung beträgt 110 Prozent des BIP, Spaniens 104 Prozent und Italiens 137 Prozent. Da die Regierungen der EU-Staaten Steuererhöhungen für die Kapitalisten ablehnen, werden ihre Militärausgaben durch die Plünderung der Arbeiter finanziert werden, entweder durch imperialistischen Krieg im Ausland oder durch Klassenkrieg im Inland.

Nachdem im Krieg Millionen von Ukrainern und hunderttausende Russen getötet oder verwundet wurden, ruft das Weißbuch die EU in makabrer Weise dazu auf, von der „Kriegserfahrung der Ukraine zu profitieren“. Die Ukraine wird kaltblütig als Testgebiet für den besten Einsatz moderner Technologien wie künstlicher Intelligenz für Drohnenmorde behandelt:

Die Ukraine nutzt heute ihre Erfahrungen an der Front, um ihre Ausrüstung ständig anzupassen und zu verbessern, so dass sie zum weltweit führenden Innovationslabor für Verteidigung und Technologie geworden ist. Engere Zusammenarbeit zwischen der ukrainischen und europäischen Rüstungsindustrie wird Wissenstransfers aus erster Hand in der Frage ermöglichen, wie Innovationen am besten genutzt werden können, um militärische Überlegenheit auf dem Schlachtfeld zu erreichen, u.a. bei einer rapiden Ausweitung der Produktion und der Aktualisierung bestehender Fähigkeiten...

Innovationen in der Drohnentechnologie diktieren bereits jetzt die Art und Weise, wie Schlachten geführt werden, und die Rolle der Robotik wird weiter zunehmen. Autonom fahrende Bodenfahrzeuge werden die führende Rolle bei frühen Kampfeinsätzen übernehmen. Diese Maschinen, die Aufklärung, direkte Angriffe und logistische Unterstützung leisten können, haben bereits Auswirkungen auf die Schlachtfelder. KI-gesteuerte Militärroboter sind noch im Anfangsstadium ihrer Entwicklung, und Europa hat ausreichend Gelegenheit, eine führende Rolle bei Roboterwaffen einzunehmen...

Das Weißbuch fordert, ausgehend von den bisherigen Erfahrungen im Ukrainekrieg, eine massive Erhöhung der Ausgaben der EU in sieben wichtigen Bereichen der Militärtechnologie. Dazu gehören: Luft- und Raketenabwehr, Artillerie und Langstrecken-Raketensysteme, Munitionsbestände, Drohnen- und Drohnenabwehrsysteme, Militärlogistik, Cyberkriegsführung, Lufttransport und „strategische Enabler“ wie weltraumgestützte Überwachung und Kriegsführung. Um sicherzustellen, dass diese Aufrüstung für Privatunternehmen profitabel ist, muss sie laut dem Weißbuch in großem Umfang erfolgen.

Es fordert den „Erwerb von Fähigkeiten für eine Kriegsführung in hoher Intensität entsprechend den Kapazitätsprozessen der EU und der Nato... Der Ausbau der Produktionskapazitäten hängt davon ab, dass Unternehmen über einen stetigen Strom solider, über mehrere Jahre laufende Aufträge verfügen, um Investitionen in zusätzliche Produktionslinien zu steuern.“ Weiter fordert es die Vorhaltung großer „Verteidigungsindustrie-Bereitschaftspools“, bestehend aus Munition und Militärausrüstungen und Industriekapazitäten, damit diese schnell eingesetzt werden können, wenn der Krieg in der Ukraine auf ganz Europa übergreift.

Außerdem tritt es für den Aufbau eines „östlichen Grenzschildes“ ein, um „die Landaußengrenzen der EU zu Russland und Belarus gegen militärische und hybride Bedrohungen zu stärken. Dazu gehört eine umfassende Mischung aus physischen Barrieren, dem Aufbau von Infrastruktur und modernen Überwachungssystemen.“

Arbeiter und Jugendliche müssen aufgerüttelt werden. Was die EU vorbereitet, ist die größte europäische Aufrüstung und der größte europäische Krieg seit der Aufrüstung Deutschlands unter Hitler und dem Überfall der Nazis auf die Sowjetunion. Ein solcher Konflikt würde zu einer astronomisch hohen Zahl von Toten führen – noch bevor er zu einem Atomkrieg eskaliert. Er muss aufgehalten werden. Das erfordert in erster Linie die Zurückweisung der erfundenen Argumente der EU, die militärische Aufrüstung würde ihr durch die Bedrohung durch Russland und China aufgezwungen.

Dazu heißt es: „Das politische Gleichgewicht, das das Ende des Zweiten Weltkriegs und dann das Ende des Kalten Kriegs hervorgebracht hat, wurde empfindlich gestört. ... Wenn man zulässt, dass Russland seine Ziele in der Ukraine erreicht, werden sich seine territorialen Ambitionen darüber hinaus ausweiten. Russland wird in absehbarer Zukunft eine fundamentale Bedrohung für Europas Sicherheit bleiben... Autoritäre Staaten wie China versuchen zunehmend, ihre Autorität und Kontrolle über unsere Wirtschaft und Gesellschaft durchzusetzen.“

In Wirklichkeit waren die europäischen imperialistischen Mächte während der gesamten Ära nach dem Kalten Krieg und der Auflösung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie 1991 auf dem Kriegspfad. Egal ob in Rivalität zum US-Imperialismus oder in enger Zusammenarbeit mit ihm, haben sie zahlreiche Länder bombardiert, überfallen oder besetzt, darunter Jugoslawien, Afghanistan, Syrien, Libyen und Mali. Das derzeitige Militärprogramm der EU baut auf dieser blutigen Geschichte auf, einschließlich der provokativen Entscheidung der Nato, die ukrainischen Truppen an Russlands Grenzen mit Waffen zu überschwemmen, was im Jahr 2022 zu der reaktionären Invasion der Ukraine durch den Kreml geführt hat.

Der Kampf gegen militärische Aggression, Sozialabbau und Angriffe auf demokratische Rechte beginnt im eigenen Land. Die bevorstehenden Kämpfe der Arbeiterklasse gegen Sparpläne und Polizeistaatsgewalt in Europa müssen mit der Perspektive des Aufbaus einer sozialistischen Antikriegsbewegung in ganz Europa und international gegen die Pläne des europäischen Imperialismus für einen Dritten Weltkrieg bewaffnet werden.

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