Perspektive

Merz-Klingbeil-Regierung schafft Bürgergeld ab

Am Freitag vor Weihnachten hat auch der Bundestag dem Merz-Klingbeil-Haushalt seinen Segen gegeben. Damit ist eine Politik eingeleitet, die Sozialausgaben kürzt und abschafft und prekäre Arbeit ausweitet, um Aufrüstung und Krieg und die Bereicherung der Reichen zu finanzieren.

Armut in Deutschland - Flaschensammler in Berlin [Photo by Sascha Kohlmann / flickr / CC BY-SA 2.0]

Es ist die Politik, die die AfD gefordert hat. Im Bundestag kreischte Alice Weidel: „Herr Bundeskanzler, schaffen Sie endlich dieses Bürgergeld ab!“ Dieser Forderung der AfD ist letzte Woche eine SPD-Ministerin nachgekommen: Am 17. Dezember gab Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) den Kabinettsbeschluss bekannt, dem zufolge das Bürgergeld abgeschafft und durch die „Neue Grundsicherung“ ersetzt wird. Der Bundestag wird voraussichtlich im Januar darüber entscheiden

Die „Neue Grundsicherung“ geht künftig mit harten Sanktionen, Kürzungen und verschärften Zumutbarkeitsregeln einher: Wird ein Termin beim Jobcenter versäumt, sollen die Bezüge für drei Monate um 30 Prozent gekürzt werden, was etwa 150 Euro weniger im Monat ausmacht (der Grundsicherungssatz für alleinstehende Erwachsene liegt derzeit bei 563 Euro im Monat). Bei weiteren Versäumnissen werden die Leistungen weiter gestaffelt gekürzt. Schon nach dem dritten Verstoß können sie bis auf Null reduziert werden.

Ersatzlos gestrichen wird auch die Karenzzeit, die bisher eine Schonfrist von einem Jahr einräumte, in der man ein bescheidenes Vermögen (max. 40.000 Euro) noch nicht bis zum letzten Pfennig aufbrauchen musste. Die Idee war bisher, den Betroffenen mehr Luft für die Jobsuche zu gewähren, ohne sie sofort zum Umzug in eine billigere Wohnung oder anderen gravierenden Maßnahmen zu zwingen. Auch diese Regel ist jetzt hinfällig.

Von den Verschärfungen sind rund 5,5 Millionen Leistungsbeziehende betroffen. Längerfristig bedrohen diese Angriffe aber sehr viel mehr Arbeiterinnen und Arbeiter. In der aktuellen Situation des beschleunigten Arbeitsplatzabbaus, v.a. in der Auto- und Zulieferindustrie, geben diese Beschlüsse einer Regierung die nötigen Instrumente an die Hand, um Arbeitslose regelrecht zu erpressen: Unter dem Damoklesschwert der Sanktionen werden entlassene Kolleginnen und Kollegen so rasch wie möglich auch schlecht bezahlte, prekäre Jobs annehmen müssen.

Dies hat wiederum längerfristig eine Verschlechterung der sozialen Lage zur Folge, denn wie soll man da privat für seine Rente ansparen? Und gerade die Rente ist das nächste Ziel, das die Regierung ins Visier nimmt. Noch macht die Rente mit 20 Prozent der Bundesmittel den größten Einzelposten im Haushalt aus. Jetzt hat die Regierung eine Kommission eingesetzt, die bis zum Juni 2026 grundlegende „Reformen“ ausarbeitet.

Im Wesentlichen geht es darum, die Altersvorsorge von der Umlagerente auf die Kapitalrente und private Vorsorge umzustellen. Kurz vor Weihnachten hat Finanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) dazu einen Vorschlag für ein neues, privates Vorsorgesystem vorgestellt, das die Regierung staatlich fördern will. Klingbeil behauptete: „Wir wollen eine private Altersvorsorge für alle: Für alle Generationen und für alle Einkommen.“ Aber das Ziel einer Umstellung auf Kapitalrente wird zwangsläufig den Graben zwischen Reich und Arm weiter vertiefen.

Auch bei der Gesundheitsversorgung und Pflege wird weiter gekürzt. So steigen zum Jahreswechsel die Zusatzbeiträge für die Krankenkassen. Gleichzeitig wird durch Einsparungen von 1,8 Milliarden Euro bei den Krankenhäusern die Versorgung verschlechtert. Trotz steigender Preise setzt die Regierung bei allen Sozialleistungen den Rotstift an und setzt eine Nullrunde durch.

Diese Angriffe auf die arbeitende Bevölkerung sind nur im Zusammenhang mit der allgemeinen Kriegspolitik und dem dritten deutschen Griff nach der Weltmacht zu verstehen. Um Deutschland und Europa „kriegstüchtig“ und geopolitisch handlungsfähig zu machen – vor allem gegen Russland, aber zunehmend auch im wachsenden Konflikt mit den USA –, hat die Bundesregierung mehrere „Sonderfonds“ geschaffen und verschuldet sich in Billionenhöhe. Für die Militärprojekte hat sie die Schuldenbremse ausgesetzt, um die massivste Aufrüstung der deutschen Armee seit Hitler zu finanzieren. Das Verteidigungsbudget steigt im nächsten Jahr auf 82,7 Mrd. Euro, einschließlich der Sondervermögen sogar auf 108 Milliarden. Das Ziel sind 3,5 Prozent des BIP (153 Milliarden Euro) allein bis 2029. Einschließlich der Investitionen in eine kriegstüchtige Infrastruktur sind es sogar fünf Prozent.

Doch für Bürgergeld und Renten ist angeblich kein Geld da. „Wir können uns den Sozialstaat nicht mehr leisten“, erklärte Merz schon vor einem halben Jahr. Dabei begünstigt sein Bundeshaushalt die Banken, Aktionäre und Superreichen, die von Steuersenkungen und Subventionen profitieren. So wird der Körperschaftssteuersatz, der Konzerne, Unternehmen und Banken betrifft, von aktuell 15 Prozent systematisch abgesenkt auf nur noch 10 Prozent in fünf Jahren. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg betrug diese Steuer einmal 65 Prozent, dann in der Nachkriegszeit bis 2008 lange 25 Prozent.

Der Kriegshaushalt von Merz und Klingbeil bedeutet für viele Millionen geringere Kaufkraft, erhöhte Existenzunsicherheit, wachsende Obdachlosigkeit und eine Verknappung von Gesundheits- und Pflegeleistungen. Besonders Ältere, Alleinerziehende, Pflegebedürftige, Geringverdiener, Langzeitarbeitslose und sehr viele Jugendliche sind betroffen. Sie sind mit einer politischen Agenda konfrontiert, die zu sozialer Verelendung, Krieg und Faschismus führt.

Die soziale Schere öffnet sich immer weiter, derzeit ist jedes fünfte Kind und jeder vierte junge Erwachsene in Deutschland armutsgefährdet. Die Tafeln registrieren eine deutliche Zunahme der Kinderarmut und haben Alarm geschlagen: Fast jede dritte Tafel-Kundin oder -Kunde ist jünger als 18 Jahre. Auch die Altersarmut steigt: Derzeit ist in Deutschland jeder fünfte Mensch über 75 Jahren von Armut betroffen.

Gleichzeitig mehrt sich am oberen Ende der Gesellschaft ein unfassbarer Reichtum. Laut dem neusten, obligatorischen Armutsbericht der Bundesregierung, der Anfang Dezember herauskam, besitzen die reichsten zehn Prozent mehr als die Hälfte, nämlich 54 Prozent des gesamten Vermögens; die untere Hälfte gerade mal drei Prozent. Die Ungleichheit verstärkt sich, und Deutschland weist die höchste Dichte an Milliardären Europas auf.

Die Polarisierung führt zu explosivem sozialem Widerstand sowohl gegen die soziale Verelendung als auch gegen die Aufrüstung. Wie schon in Frankreich, Italien, Griechenland, Belgien und anderswo wird sich die Arbeiterklasse gegen den sozialen Kahlschlag und die Kriegspolitik erheben. Heftige Klassenkämpfe stehen bevor.

Doch dieser Widerstand muss mit einem bewussten Verständnis und einer klaren Perspektive ausgestattet werden. Alle etablierten Parteien – von AfD bis Linkspartei – stehen hinter der Kriegsagenda. Sowohl die Grünen als auch Die Linke haben in den entscheidenden Abstimmungen den Sondervermögen zugestimmt und Merz den Rücken freigehalten, und in den Bundesländern setzen sie bei Abschiebungen und sozialen Angriffen AfD-Politik um. Die migrantenfeindliche Propaganda und rechte Politik werden genutzt, um die Arbeiterklasse zu spalten und zu schwächen. In den Betrieben sorgen Gewerkschaftsbürokratien und pseudolinke Organisationen dafür, dass die Wut und Kampfbereitschaft von Arbeiterinnen und Arbeiter unter Kontrolle bleibt.

Die Antwort kann nur in einer unabhängigen und internationalen Organisation der Arbeiterklasse auf sozialistischer Grundlage bestehen. Sie braucht unabhängige, demokratisch kontrollierte Aktionskomitees in den Betrieben, Stadtteilen, Schulen und Einrichtungen, die bereit sind, den Kampf gegen Sozialabbau und Krieg mit dem Kampf gegen Militarismus und Faschismus zu verbinden. Und sie braucht den Aufbau der Sozialistischen Gleichheitspartei und der Vierten Internationale als neue revolutionäre Führung der Arbeiterklasse.

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