IKVI
Das IKVI verteidigt den Trotzkismus 1982–1986

Brief von Cliff Slaughter an Peter Schwarz

30. Januar 1986

Lieber Genosse!

Ich entnehme Deinem Brief vom Dezember 1985, dass das Internationale Komitee Dich in meiner Abwesenheit zu seinem Sekretär ernannt hat. Deswegen richte ich diesen Brief an Dich. (Ich kann die gleichzeitige Entscheidung, über die Du mich informiertest, nicht verstehen, dass nämlich die Suspendierung der WRP nicht notwendigerweise meine Entfernung als Sekretär nach sich zog.)

Ich verlange, dass Du dem kommenden Sonderkongress des IK, (der vor dem 1. März stattfinden soll, um darüber zu befinden, ob die WRP weiterhin als Mitglied betrachtet wird oder nicht) meinen Rücktritt als Sekretär vorlegst, eine Verantwortlichkeit, in die ich auf dem 10. Kongress im Januar 1985 wiedergewählt worden war. Dies sind meine Gründe:

1. Die Perspektiven und Entscheidungen des zehnten Kongresses sind im Kampf gegen Healy, seine Politik und seine Praktiken durch objektive Entwicklungen nachhaltig verurteilt worden. Kein Kommunist kann sie akzeptieren.

2.Anstatt einen Kongress mit neuen Perspektivdokumenten und einer Analyse der Spaltung in der WRP und im IK vorzubereiten, hat das IK eine Konferenz einberufen, auf der der Mehrheitsführung der WRP der Prozess gemacht werden soll. IK-Mitglieder haben als Sprecher für eine Minderheit in der WRP eingegriffen, um diesen Angriff voranzutreiben.

3. Der Kampf, Healy zu entlarven und auszuschließen, hat unwiderlegbar gezeigt, dass kommunistische Prinzipien von der WRP und vom IK verraten worden sind und dass die Behauptung, die Kontinuität der Vierten Internationale bewahrt zu haben, das Gegenteil der Wahrheit ist. Nur der Kampf, diese Lüge zu entlarven, kann die Grundlage der Kontinuität mit Trotzki und der Gründungskonferenz von 1938 sein.

Die internationale Arbeit des IK und seiner Sektionen war unter der Führung von Healy auf drei Bereiche konzentriert: a) Healys sogenanntes „Kadertraining“ und sein „dialektischer Materialismus“; b) Beziehungen mit nationalen Befreiungsbewegungen und bürgerlich nationalen Regierungen in den arabischen Ländern und im Iran; und c) „Sicherheit und die Vierte Internationale“.

Jeder dieser Bereiche war das Produkt von Healy, seinem subjektiven Idealismus und Opportunismus. Die drei sind untrennbar miteinander verbunden.

Healys Politik kann nicht verstanden, negiert und überwunden werden, ohne das zu verstehen und die Verantwortung für das, was geschehen ist, und für das was getan werden muss, um es zu überwinden, zu akzeptieren.

Das „Kadertraining“ war nichts weiter als eine Ausbeutung und ein Missbrauch Hunderter junger Männer und Frauen, die in die Bewegung eintraten, weil sie Kommunisten sein wollten, aber zu antitheoretischen und antimarxistischen Funktionären und/oder Opfern von Healys reaktionärer Politik und seiner physischen Missbräuche „ausgebildet“ wurden.

Die von Healy entwickelte „Dialektik“ war eine subjektivistische (nicht eine hegelianische) und individualistische Mystifikation, die das Ziel hatte, diese Beziehung in einem Regime durchzusetzen, das immer brutaler wurde und dadurch jede Entwicklung des Marxismus durch kommunistische Beziehungen zwischen Genossen und zwischen der Partei und der Arbeiterklasse behinderte.

Die Beziehungen mit den nationalen Befreiungsbewegungen, besonders mit der PLO, wurden in wenig mehr als ein prinzipienloses Manöver verwandelt, um das IK/die WRP den bürgerlich nationalen Regierungen im Nahen Osten anzunähern. Die materiellen und politischen Beziehungen, die dadurch hergestellt wurden, stellten eine Zurückweisung der grundlegenden trotzkistischen Positionen der permanenten Revolution dar und führten zu offenem Verrat an der Arbeiterklasse.

Die Untersuchungen zu „Sicherheit und die Vierte Internationale“ führten zu einem hoffnungslos extravaganten und paranoiden Festbeißen an der Einzelfrage, „Agenten“ in der SWP der Vereinigten Staaten zu entlarven. Das geschah auf Kosten der völligen politischen und materiellen Verarmung des Kampfs gegen den Revisionismus, der so entscheidend für die Regenerierung der Vierten Internationale war und ist. Die „Untersuchung“ wurde materiell von der reaktionären Arbeit von IK- und WRP-Politik im Nahen Osten getragen. Die wirklichen theoretischen Fragen, die dieser Kampf beinhaltet, wurden zu Gunsten des Rückgriffs auf die Gerichte und der enorm teuren Verfolgung von Hinweisen auf „Agenten“ beiseite geschoben. Diese selben theoretischen Fragen wurden durch Healys „Dialektik“ eliminiert, in der jedes Jahr Hunderte in allen Sektionen des IK „ausgebildet“ wurden. Healys „Unfehlbarkeits“-Kult beherrschte alle diese Bereiche, während Genossen in diesem oder jenem Arbeitsbereich isoliert und von Healys engsten Verbündeten und Agenten mit Gerüchten und Ausspähung überzogen wurden.

Es ist eine Beleidigung der Intelligenz, ganz zu schweigen von der kommunistischen Bewegung und der gesamten Tradition und dem Kampf von Trotzki, zu behaupten, dass irgendeiner dieser Teile der Arbeit des IK unter Healy irgendwie rein und getrennt von den übrigen sei.

Das IK muss seine Verantwortung in diesen Fragen akzeptieren, und Individuen müssen das ebenso tun. Aus diesem Grund schlage ich der bevorstehenden Konferenz und dem IK meinen Rücktritt vor. Ich denke, es ist die Aufgabe jedes Mitglieds des Internationalen Komitees, seine eigene Verantwortung und seine eigene Position zu überdenken. Das Schauspiel, das diejenigen bieten, die jahrelang in diesem Komitee gesessen haben und auf dem zehnten Kongress mit Healy gestimmt haben und jetzt, im Jahre 1985, selbstgerecht über die „Suspendierung“ und sogar den Ausschluss der WRP abstimmen, ist vom Standpunkt von Kommunisten lächerlich, ja Ekel erregend. Sich vor der Arbeiterklasse mit der objektiven Wahrheit zu konfrontieren, ist der erste Test eines ehrlichen Kommunisten. Ich bestehe darauf, dass das IK meinen Brief über den Rücktritt als sein Sekretär in allen Sektionen bekannt macht.

Mit brüderlichen Grüßen

C. Slaughter

P.S.: Als ich im September die Bedeutung des Verrats klar wurde, der unter Healys Führung begangen worden war, ohne dass wir gegen diesen Verrat gekämpft hatten, erklärte ich dem ZK der WRP, dass ich jetzt als IK-Sekretär zurücktreten müsse. Es war Genosse North, der sagte – und damals stimmte ich zu – dass meine Position als Sekretär wichtig sei, um den internationalen Kampf gegen Healy und was er repräsentierte zu vollenden, ein Kampf, den wir damals teilten. Ich denke jetzt, dass das eine falsche Entscheidung war was die Erfahrung des Kampfs bewiesen hat. Ich stellte die Erhaltung eines Organs, dass sich IKVI nennt, höher als den Kampf, die grundlegende Suche nach der objektiven Wahrheit, auf der Trotzkis Internationale neu gegründet werden muss, bis zum Ende zu führen.