Erklärung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale
Wie die Workers Revolutionary Party den Trotzkismus verraten hat 1973 – 1985

Der Vierte Kongress, März 1979

Die vom Vierten Kongress der Revolutionary Party verabschiedete Politik bildete den Höhepunkt von vier Jahren ultralinker Dummheiten, die die Basis der Partei in der Gewerkschaft und der Arbeiterbewegung erschüttert hatten. Als die Delegierten zusammenkamen, war die britische Bourgeoisie unter dem Schock über die Offensive der Arbeiterklasse im vergangenen Winter überzeugt, die Callaghan-Regierung habe die Lage nicht mehr unter Kontrolle. Sie bereitete sich daher auf einen parlamentarischen Putsch vor, um die Sozialdemokraten aus dem Amt zu jagen und die rechteste Tory-Regierung der Nachkriegszeit an die Macht zu bringen. Der Vierte Kongress nahm davon überhaupt keine Notiz. Stattdessen legten Healy und Banda ein Dokument vor, das die verbissene Kampagne der WRP zum Sturz der Labour-Regierung verherrlichte.

Seitenlang widmeten sich die Perspektiven des Vierten Kongresses der Rechtfertigung der Parteipolitik seit 1975. Sie wiederholten jeden nur möglichen Fehler, den Trotzki 1931 und 32 im Kampf gegen den Stalinismus der „Dritten Periode“ analysiert hatte.

Da hieß es in dem Dokument:

Die Labour-Führer stützen sich nicht länger auf die Arbeiterklasse. Seit fast drei Jahren herrscht die Regierung nicht mit Zustimmung der Arbeiterklasse, sondern stützt sich auf die reaktionärsten Elemente in den Parteien der Tories, der Liberalen, der schottischen Nationalisten und der Ulster-Unionisten im Inland und auf die Rückendeckung durch die europäischen und US-Bankiers im Ausland.

... Das Weiterbestehen der Labour-Torso-Regierung birgt für die Arbeiterklasse große Gefahren, denn es vertuscht die Verschwörung durch Armee, Polizei und die Rechten. (Die politische und wirtschaftliche Weltkrise, der Aufbau der WRP und der Kampf um die Macht, S. 29-30)

Jeder Satz verriet die völlige Fehlorientierung der WRP-Führung. Zu behaupten, die Sozialdemokratie stütze sich nicht auf die Arbeiterklasse, hieß, ihre geschichtlichen Ursprünge zu verkennen und ihre besondere politische Funktion zu missachten. Mehr als in jedem anderen europäischen Land geht die Sozialdemokratie in Großbritannien auf die Gewerkschaftsbewegung zurück. Dass ihre Führer als politische Agenten der herrschenden Klasse arbeiten, haben Marxisten schon lange erkannt. Deshalb wird die Labour-Party wissenschaftlich als eine bürgerliche Arbeiterpartei definiert. Der Wert dieser Definition besteht darin, dass sie die Widersprüche aufzeigt, die das politische Leben der Arbeiterklasse beherrschen, und dass sie die Revolutionäre auf den Kampf hin orientiert, die Massen von der Labour Party loszureißen. Mit ihrer schlichten Behauptung, die Labour Party stütze sich auf die Tories, wich die WRP dem Wesen der Sache aus: in Wirklichkeit stützte sich die Bourgeoisie auf die Labour-Politiker. Die WRP stellte die politische Wirklichkeit und damit auch die Taktik der Partei auf den Kopf.

Nur drei Wochen später brachten die Tories ein Misstrauensvotum ein, um Neuwahlen zu erzwingen, gerade weil sie jegliches Vertrauen in die Fähigkeit der Labour Party verloren hatten, die Arbeiterklasse zurückzuhalten. Doch der Vierte Kongress plapperte munter:

Nur ein entschlossener Kampf der Arbeiterklasse unter Führung der Workers Revolutionary Party kann diese Torso-Labour-Regierung zu Fall bringen und der britischen Arbeiterklasse eine sozialistische Perspektive bieten.

Die Erfahrung der Arbeiterklasse und unserer Partei beweist, dass kein wirksamer Kampf gegen die Tories möglich ist, ohne dass eine unversöhnliche Kampagne gegen die Bedrohung durch die Regierung geführt wird – und gegen all diejenigen, die sich mit der Callaghan-Regierung abgefunden haben und dies hinter einer Fassade von Protesten und reformistischen Aufrufen zum Ausschluss von Healey und Callaghan verstecken. (Ebd. S. 33)

Der politische Kern dieses Wortgeklingels bestand in kleinbürgerlichem Pessimismus und einem Kniefall vor der Labour-Bürokratie. Daraus folgt, dass es unmöglich ist, innerhalb der Labour Party und der Gewerkschaften gegen die rechten Führer zu kämpfen, indem man die Arbeiterklasse mobilisiert. Hierin liegt der Schlüssel zum Verständnis des Klasseninhalts der WRP-Politik. Ihre Kampagne zum Sturz der Labour-Regierung gründete sich nicht auf die wachsende Militanz der Arbeiterklasse und ihre Feindseligkeit gegen den Reformismus, sondern vielmehr auf die zunehmende Frustration und Enttäuschung des Kleinbürgertums über die Sozialdemokratie. Der Aufruf nach Neuwahlen war daher ein zum Scheitern verurteilter Versuch, den Kampf gegen den Reformismus in der Arbeiterbewegung zu umgehen. Stattdessen sollte das soziale Gewicht des Kleinbürgertums in einer Aktion zum Einsatz kommen, die unweigerlich auf einen nationalen Volksentscheid über die Labour-Regierung hinauslaufen würde.

Die Politik der WRP war mit hoffnungslosen Widersprüchen durchsetzt. Erst schrie sich Healy heiser, die Arbeiter sollten die Labour-Regierung stürzen, weil diese sich, wie er behauptete, auf die Tories stütze. Dann aber hieß es in der Resolution des Vierten Kongresses:

Im Falle von Neuwahlen wird die WRP zwar eigene Kandidaten aufstellen, andererseits aber ohne zu zögern den einfachen Labour-Mitgliedern einen gemeinsamen Kampf vorschlagen, um die Tories und Liberalen fern zu halten. (ebd. S. 32)

Healy erklärte niemals, warum dieser aufwendige Umweg über Wahlen nötig war, um einen Kampf gegen die Sozialdemokratie zu führen! Warum wurden einem Wahlkampf derart wundersame Heilkräfte zugeschrieben? Ebenso wenig erklärte Healy, warum die Partei einen gemeinsamen Kampf anbieten sollte, um die Tories fern zu halten, wenn sich die Labour Party doch gerade auf die Tories stützte!

Weiter, warum bestand Healy darauf, die Neuwahlen unter der bestehenden Labour-Führung durchzuführen – aus der ausdrücklichen Opposition der WRP gegen „reformistische Aufrufe zum Ausschluss von Healey und Callaghan“ konnte man keinen anderen Schluss ziehen. (ebd. S. 33)

Diese Politik erwies sich als eine grobe Fehleinschätzung – ein politisches Abenteuer an Defätismus, wie man es nicht mehr erlebt hatte, seit Shachtman vorschlug, Hitler zu benutzen, um die Regierung der UdSSR zu ändern. Die Forderung der WRP zum Sturz der Labour-Regierung passte zu den Perspektiven der Tories, die die Stimmung des Kleinbürgertums richtig einschätzten und Ende März die Auflösung des Parlaments erzwangen.