Erklärung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale
Wie die Workers Revolutionary Party den Trotzkismus verraten hat 1973 – 1985

Alle Macht dem GLC!

Hatte der Kampf für Neuwahlen die Partei zwischen 1975 und 1979 in ein unfreiwilliges Instrument der Tory-Politik verwandelt, so wurde sie mit ihrer Kampagne für Community Councils zu einem bewussten Agenten sozialdemokratischen Verrats. Von nun an konzentrierte die WRP-Führung ihre gesamte Arbeit darauf, ihr gegen die Arbeiterklasse gerichtetes Bündnis mit Teilen der Labour Party und der Gewerkschaftsbürokratie zu entwickeln. Diese neue Linie wurde, nicht ganz reibungslos, im Januar 1981 aus der Taufe gehoben.

Als die Tories Kürzungen bei den sozialen Einrichtungen auf Stadt- und Bezirksebene forderten, mussten sich die Mitglieder des Bezirksrats von Lambeth unter Führung von Ted Knight entscheiden: Sie konnten entweder gegen die Regierung kämpfen und die sozialen Einrichtungen verteidigen, oder durch eine Erhöhung der Lokalsteuern auf Kosten der Arbeiterklasse der Konfrontation mit der Regierung ausweichen.

Die WRP sprach sich gegen eine Erhöhung der Lokalsteuern aus. In der News Line vom 7. Januar 1981 warnte ein Leitartikel unter der Überschrift „Macht nicht die Drecksarbeit“:

Bezirksräte, die im Kampf gegen die Kürzungen der Tories die Steuern erhöhen, spielen mit dem Feuer. Es ist nicht nur wirtschaftlich gesehen absurd – Steuererhöhungen können gar keinen Ausgleich schaffen –, es ist auch politischer Selbstmord.

Auch aus weiteren Gründen ist es gefährlich. Es bürdet die Last der Tory-Politik den Arbeiterfamilien auf, die jetzt schon durch die Arbeitslosigkeit und die völlig überzogenen Preise für Gas, Strom, Heizung und öffentliche Verkehrsmittel schwer gebeutelt sind.

Außerdem trifft es die Mittelklasse und verwandelt dadurch potentielle Verbündete gegen die Tories in bittere Feinde von Labour. Genau das wollen die Tories erreichen.

Aber am nächsten Tag, dem 8. Januar 1981, berichtete die News Line, Lambeth sei gezwungen gewesen, die Steuern zu erhöhen. Und am 9. Januar 1981 unterstützte sie im Leitartikel die Steuererhöhung:

Wenn der Bezirksrat keine Steuererhöhung beschlossen hätte, dann wäre er in eine große Pleite gesteuert, die Ratsmitglieder wären für ein Defizit von 11,2 Millionen Pfund haftbar gemacht worden und ein Zwangsverwalter der Regierung hätte die Geschäfte übernommen. Das hätte nur den Tories genutzt und furchtbare Folgen für Zukunft der Bezirke mit sich gebracht.

Sieben Jahre zuvor hatte die WRP eine revolutionäre Politik zur Verteidigung der sozialen Einrichtungen vertreten. Sie hatte erklärt:

Wohnraum, medizinische Versorgung und Schulbildung sind öffentliche Dienstleistungen, die den wichtigsten Reichtum des Landes bilden. Die Verstaatlichung des Bodens, der Bau- und Baustoffindustrie, der Banken und der Pharmaindustrie ist die einzige Grundlage, auf der diese Dienstleistungen ausgebaut werden können.

Die Schulden dieser unerlässlichen Einrichtungen an Banken und andere Gläubiger müssen sofort gestrichen werden. Labour-Stadträte müssen gezwungen werden, die Schulden für nichtig zu erklären und die notwendigen Sozialleistungen aufrechtzuerhalten. (WRP-Perspektiven, beschlossen am 1. August 1974)

Diese Politik wurde über Bord geworfen, um die Partei hinter die Reformisten von Lambeth zu bringen. Am 17. Januar 1981 brachte Healy eine 24seitige Sonderausgabe der News Line mit einer achtseitigen Beilage heraus, die dazu diente, die Mitglieder des Bezirksrats von Lambeth und Ted Knight mit Lob zu überschütten. Eine Erklärung der Redaktion rief zur Teilnahme an einer Konferenz zur „Krise der lokalen Regierungen“ auf, um „dem von Labour kontrollierten Bezirksrat von Lambeth volle Unterstützung zu geben“, der angeblich „einen richtigen und entschlossenen Standpunkt bezogen“ habe.

Die Phrasendrescher von der News Line griffen verschiedene revisionistische Organisationen an, die sich gegen die Steuererhöhung wehrten:

Die Mitglieder des Bezirksrats von Lambeth werden jederzeit zugeben, dass sie die Kürzungen der Tories nicht ständig durch Steuererhöhungen bezuschussen können. Politisch würden sie dafür teuer bezahlen, und wirtschaftlich ist es unmöglich.

Aber darum geht es hier nicht. In Lambeth geht es darum, ob man Konkurs anmeldet, von der Regierung aus dem Amt geworfen wird und Zwangsverwalter der Tories hereinlässt, oder ob man auf seinem Posten bleibt und gegen die Kürzungspolitik von Thatcher und Heseltine kämpft. ...

Wir sind nicht der Meinung, dass Lambeth oder irgend ein anderer Bezirksrat mit Labour-Mehrheit politischen Selbstmord begehen soll. Ihre Aufgabe besteht darin, im Amt zu bleiben und für eine Massenbewegung gegen die Tories und für die Einheit aller Bevölkerungsschichten des Bezirks gegen Thatchers Kürzungspolitik zu kämpfen. ...

Es wäre hirnverbrannt und reaktionär, den Kampf in Lambeth jetzt abzubrechen, aber das wollen die Revisionisten, noch bevor der wirkliche Krieg begonnen hat.

Das war nichts weiter als die Stimme des parlamentarischen Kretinismus, der das Schicksal der Arbeiterklasse davon abhängig macht, ob die Posten von ein paar reformistischen Provinzpolitikern verteidigt werden.

Healy bemühte sich nicht, in seiner politischen Linie eine gewisse Ordnung zu halten. Noch vor zwei Jahren hatte er auf dem Sturz der Labour-Regierung beharrt, obwohl die WRP damals zugab, dass die Tories im Falle ihres Wahlsiegs heftige Angriffe gegen die Arbeiterklasse durchführen würden. Jetzt argumentierte derselbe Healy, dass es „hirnverbrannt und reaktionär“ wäre, wenn die Labour-Leute „politischen Selbstmord“ begingen ... dadurch, dass sie sich gegen die Tories auflehnen!

Am 19. Januar 1981 rief die News Line die Arbeiter in einem ganzseitigen Leitartikel auf: „Haltet zu den Bezirksräten von Lambeth.“ Wirklich schamlose Rechtfertigungen für die Labour-Räte wurden angeführt, und alle beschimpft, die sich gegen die Steuererhöhung wehrten. Angesichts dieser Hirnlosigkeit Healys verlor der Begriff „Revisionismus“ jede Bedeutung. Der Verrat der WRP verlieh kleinbürgerlichen Gruppierungen neue Größe:

Die Revisionisten, verfassen Resolutionen gegen Steuererhöhungen und verwandeln das ganze in eine moralische Frage. Am Samstag benutzten sie sie als Waffe gegen die Mitglieder des Bezirksrats von Lambeth, ohne auch nur im geringsten darüber nachzudenken, dass sich die objektive Situation grundlegend geändert hat, und es vor allem notwendig ist, von entscheidenden Stützpunkten wie Lambeth aus die Anti-Tory-Front aufzubauen.

Eine Erhöhung der Lokalsteuern kann das Problem nicht lösen, aber das hat der Bezirksrat von Lambeth auch niemals behauptet. Die Mehrheit im Bezirksrat hat jedoch völlig richtig gehandelt, als sie letzte Woche zusätzliche Steuern einführte, um die Fahne gegen Thatcher hochzuhalten und auf ihren gewählten Posten zu bleiben. ...

Wer alte Errungenschaften kampflos aufgibt, wird keine neuen erringen. Alle, die für eine solche Lösung eintreten, sind in Wirklichkeit, ‚Thatchers Leuteʻ und sprechen ‚ihreʻ Sprache. ...

Mit anderen Worten, hinter ihren verlogenen ‚linkenʻ Worten und ihrem Gerede von ‚militanter Oppositionʻ gegen die Tories legen sie es in Wirklichkeit mit aller Gewalt darauf an, Labour aus Lambeth hinauszuwerfen und die Tories hinein zu holen.

Die WRP benutzte hier die Rhetorik des Stalinismus, um ihren Opportunismus zu vertuschen und diejenigen zu beschimpfen, die sich den Sozialdemokraten widersetzten. Hier zeigte sich, dass die WRP bewusst in ein Anhängsel der Sozialdemokratie verwandelt wurde und endgültig vom Trotzkismus zum Zentrismus überging. 1981 war die WRP so weit, dass sie ausdrücklich den kapitalistischen Staat gegen die Arbeiterklasse verteidigte und mit Hinweis auf die Finanzprobleme der Regierungsbeamten sogar Angriffe auf die Arbeiterklasse rechtfertigte.

Dementsprechend warf die News Line am 20. Februar 1981 den Gegnern der Steuererhöhung vor, sie seien sich nicht klar darüber, „dass wir im Kapitalismus leben. Und zwar Kapitalismus im Stadium einer enormen Krise, in der die Rechte des Sozialstaates von einer ultra-reaktionären Tory-Regierung angegriffen werden“.

Dieser rechte Kurs stammte zwar ursprünglich von Healy persönlich, berührte aber eine Saite im Herzen einiger sozialdemokratischer Professoren, die seit Jahren in der WRP vor sich hin schnarchten – und ihre akademischen Gefilde nur verließen, um in Fraktionskriegen Healy gegen diejenigen zu unterstützen, die eine proletarische Linie vertraten. Zu denen, die sich am begeistertsten für die Verteidigung der Lambeth-Reformisten einsetzten, gehörte ausgerechnet Tom Kemp von der Universität von Hull. Er verglich die Gegner der Steuererhöhung mit den deutschen Stalinisten, die 1931 in dem berüchtigten „Roten Volksentscheid“ gemeinsam mit den Faschisten für den Sturz der sozialdemokratischen Regierung eingetreten waren. Pech, dass Kemp seinen Artikel nicht zwei Jahre früher geschrieben hatte.

Mitten in Kemps gequältem Artikel blitzt eine kurze Einsicht in die wirkliche Bedeutung der „Wende von Lambeth“ auf:

Dies verschafft der Workers Revolutionary. Party eine Gelegenheit, unter denjenigen Schichten der Arbeiterbewegung Ansehen zu gewinnen, die erst beginnen, sich vom Reformismus zu entfernen. In dieser Hinsicht erweitert und vertieft es die Beziehung zu den zentristischen Strömungen, die sehr schnell das überwinden können, was wir bisher als revisionistische Gefahren der Zukunft betrachteten.“ (News Line, 21. Februar 1981)