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Socialist Equality Party (Sri Lanka)
Die historischen und internationalen Grundlagen der Socialist Equality Party (Sri Lanka)

Die Gründung der Lanka Sama Samaja Party

3.1. Die Lanka Sama Samaja Party (LSSP) wurde im Dezember 1935 in Sri Lanka (damals Ceylon) von Mitgliedern von Jugendvereinigungen gegründet, die die beschränkte Verfassungsreform von 1931 ablehnten, durch die ein gewählter Staatsrat geschaffen wurde, der die britische Kolonialverwaltung beraten sollte. Die Jugendvereinigungen waren inspiriert von der Massenbewegung für die Unabhängigkeit in Indien und forderten nicht nur ein Ende der britischen Herrschaft, sondern wandten sich angesichts des Elends, das durch die Große Depression verursacht wurde, auch dem Sozialismus zu.

3.2. Die Jugendligen verankerten sich unter Arbeitern und der armen Landbevölkerung. Sie kämpften gegen die Kontrolle, die A.E. Goonesinha über die Gewerkschaftsbewegung in Colombo hatte. Dabei hatten sie ihren größten Erfolg in dem Streik in den Webereien und Spinnereien in Wellawatte. Goonesinha hatte in den 1920er Jahren bedeutende Gewerkschaftskämpfe geführt, war aber in den 1930er Jahren angesichts der Massenarbeitslosigkeit zum Streikbrecher und Anhänger von Immigrantenfeindlichkeit und antitamilischem Rassismus geworden. 1934 begannen die Jugendvereinigungen eine großangelegte Kampagne, um den Opfern einer Malariaepidemie zu helfen, die, zusammen mit der Unterernährung durch sinkende Einkommen und Missernten zu 100.000 Toten führte.

3.3. Von Anfang an waren in der LSSP verschiedenste Elemente zusammengeschlossen. Sie wurde vor dem Hintergrund wachsender Reaktion in Europa gegründet: 1933 war in Deutschland Hitler an die Macht gekommen; das war das Ergebnis der kriminellen Politik Stalins und der Komintern. Deren ultralinke Position der „dritten Periode“, die sie 1928 angenommen hatte, hatte die deutsche Arbeiterklasse gespalten und gelähmt. Trotzki hatte sich für eine Einheitsfront aus KPD und SPD eingesetzt, statt letztere, wie es die stalinistische Politik tat, als „Sozialfaschisten“ zu brandmarken. Die Taktik der Einheitsfront beruhte auf gemeinsamen Aktionen zum Erreichen konkreter Ziele, ohne dabei politische Programme, Parolen oder Transparente zu vermischen. Ihr Zweck war es, die Stärke der Arbeiterklasse gegen die Nazis und ihre Sturmabteilungen zu mobilisieren und gleichzeitig die Perfidie der SPD-Führung zu enthüllen. Nachdem es in der Komintern nach der Machtergreifung der Nazis keine Kritik an Stalins Politik gab, kam Trotzki zu dem Schluss, dass die Arbeiterklasse eine neue Internationale gründen musste – die Vierte Internationale.

3.4. In der LSSP-Führung gab es eine Schicht brillanter junger Menschen, die in Amerika und Großbritannien studiert hatten. In der intellektuellen Stimmung, die die politischen Umwälzungen in Europa und der Welt hervorriefen, wurden sie stark von Trotzkis Schriften beeinflusst. Der einflussreichste von ihnen war Philip Gunawardena; er hatte in Amerika studiert, bevor er 1928 nach Großbritannien gezogen war. Er schloss sich der britischen KP an, wurde aber ausgeschlossen, da er Stalins Politik in Indien und China kritisierte. Weitere Mitglieder seines Kreises waren Colvin R. de Silva, Leslie Goonewardene, N.M. Perera und Vernon Gunasekere.

3.5. In der LSSP gab es jedoch auch Stalin-Sympathisanten und radikale bürgerliche Nationalisten. Diese gemischte Mitgliedschaft widerspiegelte sich in dem formlosen Programm der Partei. In ihrem Manifest erklärte sie, das grundlegende Ziel sei die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft durch „Verstaatlichung der Produktionsmittel, Verteilung und Austausch von Gütern.“ Es forderte die „Erlangung nationaler Unabhängigkeit“ und die „Abschaffung wirtschaftlicher und politischer Ungleichheit und Unterdrückung, die aus den Unterschieden zwischen Klassen, Herkunft, Kaste, Glauben und Geschlecht erwachsen.“ Aber das Programm wies die LSSP nicht als Partei der Arbeiterklasse aus und formulierte kein revolutionäres Programm für die Errichtung des Sozialismus. Es machte keine Versuche, die Probleme anzugehen, vor denen die internationale Arbeiterklasse stand, vor allem das Anwachsen des Stalinismus und seiner Verrätereien.

3.6. Der Aufstieg der LSSP als radikale, antikoloniale, an den Werktätigen orientierte Partei war ein Ergebnis der wirtschaftlichen Rückständigkeit der srilankischen Kapitalistenklasse und ihrer politischen Unterwürfigkeit unter die Kolonialherrschaft. Selbst im Vergleich mit den indischen Kapitalisten, die in den Textil-, Jute-, Kohle- und Stahlindustrien führend waren, spielten die Kapitalisten in Sri Lanka nur eine geringe wirtschaftliche Rolle. Die Teeplantagen – die dominante und gewinnträchtigste Industrie – waren in britischen Händen. Die wichtigste Transport-Infrastruktur – Hafenanlagen und Bahnlinien – wurde mit britischem Kapital erbaut. Die srilankische Bourgeoisie füllte die weniger gewinnträchtigen Lücken in der kolonialen Wirtschaft. Sie häufte Kapital an, indem sie sich als Diener der Kolonialregierung verdingte. Sie baute Früchte für die Schnapsproduktion an und besaß Kautschuk- und Kokosnussplantagen und Graphitminen.

3.7. Die Politik folgte der Wirtschaft. Der Ceylon National Congress (CNC), der 1919 gegründet wurde, war eine blasse Nachahmung des Indian National Congress (INC), den die indische Bourgeoisie 1885 gegründet hatte. Doch während der INC schon 1907 Selbstverwaltung forderte und nach dem Ersten Weltkrieg zu diesem Ziel Massenkampagnen organisierte, war der CNC nur zu schüchternen Appellen für Verfassungsänderungen imstande. Der CNC hatte weit mehr mit den rückständigen indischen Kommunalorganisationen, wie der Muslim League (gegr. 1907) oder der All India Hindu Mahasabha (gegr. 1915) gemeinsam. Sofern er die britische Herrschaft überhaupt kritisierte, dann nur vom Standpunkt der Wahrung der Privilegien der traditionellen muslimischen und hinduistischen Eliten. Der CNC in Sri Lanka stützte sich auf die Rückkehr des Buddhismus unter den singhalesischen Eliten, die den tamilischen und muslimischen Minderheiten feindselig gegenüberstanden. 1921 zerbrach der CNC an kommunalistischen Streitigkeiten, da sich die Führung weigerte, die Forderung ihres Präsidenten, des bekannten Tamilenführers Ponnambalam Arunachalam nach einer Vertretung der Tamilen anzuerkennen. Die Organisationen der tamilischen und muslimischen Eliten Sri Lankas unterschieden sich nur dadurch vom CNC, dass sie noch unterwürfiger gegenüber der britischen Herrschaft waren.

3.8. Alle Teile der srilankischen Bourgeoisie hatten vor allem Angst davor, dass eine starke, kämpferische Arbeiterklasse entstand. Das Proletariat konzentrierte sich hauptsächlich in den Teeplantagen, auf die tamilischsprachige Arbeiter aus Südindien als Vertragsarbeiter geholt worden waren. Im Jahr 1921 gab es 500.000 Plantagenarbeiter bei einer Gesamtbevölkerung von 4,5 Millionen. In Colombo hatte sich außerdem ein städtisches Proletariat gebildet, vor allem in den Häfen, Eisenbahnwerkstätten und der wachsenden Industrie. In Indien versuchte der INC unter Mohandas Karamchand Gandhi begrenzt und streng kontrolliert die antikolonialen Stimmungen zu nutzen und gesellschaftlich-wirtschaftlichen Missstände der Massen anzuprangern, um die Briten zu Zugeständnissen zu bewegen. Der CNC in Sri Lanka forderte keine Unabhängigkeit von der britischen Herrschaft und führte keine öffentliche Kampagne für politische oder soziale Reformen. Seine organische Feindschaft gegenüber den Massen zeigte sich in seiner erbitterten Gegnerschaft gegen die Einführung des allgemeinen Wahlrechts, das die Donoughmore-Kommission der britischen Regierung im Rahmen der Verfassungsreform von 1931 empfohlen hatte.

3.9. Als sich die Intellektuellen In den 1930er Jahren durch die repressiven Bedingungen in Sri Lanka, die politischen Umwälzungen in Europa und die wachsende Kriegsgefahr radikalisierten, fanden ihre Ansichten im politischen Establishment von Colombo keine Ausdrucksmöglichkeit. Anders als in Indien gab es in Sri Lanka keine Kommunistische Partei. Die einzige Partei, die eine Basis in der Arbeiterklasse hatte, war die Labour Party, die 1928 von dem Gewerkschaftsfunktionär Goonesinha in Colombo unter Schirmherrschaft der britischen Labour Party gegründet wurde. Sie forderte weder die Unabhängigkeit, noch den Sozialismus und war dem Marxismus zutiefst feindselig gesonnen. Daher wurde die LSSP zur politischen Heimat verschiedener Tendenzen – denjenigen, die zum Trotzkismus neigten sowie militanten bürgerlichen Nationalisten und Reformern, für die sozialistische oder gar marxistische Phrasen nur ein notwendiges Mittel waren, um die Massen zu erreichen.

3.10. Aufgrund der extremen Klassenspannungen, die damals in Sri Lanka und weltweit herrschten, wurden die mutigsten und revolutionärsten Elemente, die sich an der Arbeiterklasse orientierten – die sogenannte Trotzkisten- oder T-Gruppe, zu Führern der LSSP erhoben. Colvin R. de Silva wurde der erste Präsident der LSSP, Leslie Goonewardene ihr erster Sekretär. Philip Gunawardena und N.M. Perera wurden im Februar 1936 in den Staatsrat gewählt. Sie nutzten ihre Position, um zu erklären, dass die LSSP sich gegen jede Unterstützung für Großbritannien im drohenden Weltkrieg ausspräche. Die LSSP gewann durch ihre entschlossene Verteidigung von Grundrechten und Lebensbedingungen gegen den brutalen Widerstand von Goonesinha und seinem Gewerkschaftsapparat Rückhalt in der Arbeiterklasse von Colombo. Da die bürgerlichen Parteien nicht einmal begrenzte Sozialreformen oder demokratische Rechte, geschweige denn die Freiheit von der Kolonialherrschaft forderten, und schon gar nicht dafür kämpften, fiel diese Aufgabe den Vertretern des Proletariats zu. Die LSSP setzte erfolgreich eine Reihe kleinerer Reformen durch, darunter Änderungen an dem repressiven System der Dorfobersten, die Benutzung der Landessprachen in den Gerichten und eine Arbeitslosenunterstützung.

3.11. Im Jahr 1937 sponserte die LSSP eine Tournee der bekannten Parteichefin der indischen Congress Socialist Party Kamaladevi Chattopadyaya, die in dem Park Galle Face Green in Colombo vor 35.000 Menschen sprach. Ein junger Australier namens Mark Bracegirdle, Pflanzerlehrling und LSSP-Mitglied, sprach zusammen mit ihr in den Plantagengebieten und prangerte die Ausbeutung der Arbeiter auf den Teeplantagen an. Als die Kolonialverwaltung versuchte, Bracegirdle auszuweisen, kam es zu einer Konfrontation zwischen David und Goliath, der LSSP und der Regierung, von der die ganze Insel erfasst wurde. Angesichts des überwältigenden Widerstandes der Bevölkerung, einem Erlass des Gouverneurs und einem Urteil des Obersten Gerichtshofs gegen die Abschiebung, mussten die Kolonialbehörden nachgeben. Die LSSP gewann dadurch stark an politischem Profil.

3.12. Aber die grundlegendsten Fragen, denen die LSSP gegenüberstand, hatten mit internationalen Ereignissen zu tun. Seit ihrer Gründung 1935 hatte die LSSP nicht öffentlich zu dem Kampf auf Leben und Tod zwischen Trotzki und seinen Mitdenkern gegen den Stalinismus und dem Aufbau der Vierten Internationale Stellung bezogen. Ihre einzige internationale Verbindung war die zur indischen Congress Socialist Party, die 1934 als lose Koalition innerhalb der indischen Kongresspartei gegründet wurde. Allerdings war die LSSP-Führung zwischen 1935 und 1939 immer stärker in Konflikt mit der stalinistischen Komintern geraten und musste sich mit den entscheidenden internationalen Fragen der Periode auseinandersetzen. Die sogenannte T-Gruppe war sehr beunruhigt über die Volksfrontpolitik, die Stalin angeordnet hatte, und die in den dreißiger Jahren zu verheerenden Niederlagen der auf einen Aufstand zusteuernden französischen Streikbewegung und der spanischen Revolution geführt hatte. Die „Volksfront“ war das genaue Gegenteil der Einheitsfront, die Trotzki für Deutschland gefordert hatte. Im Namen des Kampfs gegen den Faschismus und der Verteidigung der Demokratie, schloss man sich in einer gemeinsamen politischen Plattform mit Opportunisten und offen bürgerlichen Parteien zusammen. Dadurch wurde die Arbeiterklasse an Bourgeoisie, Privateigentum und den Staat gefesselt und daran gehindert, unabhängig revolutionär zu handeln. Im Rahmen der Volksfrontpolitik und ihrer Manöver mit den „demokratischen“ Mächten Frankreich und Großbritannien, ließ die Komintern ihre bisherige Forderung nach vollständiger Unabhängigkeit der Kolonien dieser Länder fallen und verriet so die antikoloniale Revolution.

3.13. Im privaten Rahmen lehnte die LSSP-Führung die monströsen Moskauer Schauprozesse ab, die von 1936 bis 1938 gegen die trotzkistische Bewegung gerichtet waren und auch als Vorwand für die systematische Ermordung von hunderttausenden Sozialisten dienten, darunter Führer der Bolschewiki, Kommandanten der Roten Armee, Wissenschaftler und Künstler – die besten Vertreter der Generation, die die Russische Revolution durchgeführt hatte. Die Führung der LSSP war auch stark von Trotzkis grundlegender Analyse des Stalinismus in seinem Buch Verratene Revolution: Was ist die Sowjetunion und wohin treibt sie? beeinflusst, das erstmals 1938 auf Englisch erhältlich war. Der entscheidende Punkt in der Wende der LSSP zum Trotzkismus und der Gründung einer Sektion der Vierten Internationalen in Indien und Sri Lanka war jedoch der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.