English
Socialist Equality Party
Die historischen und internationalen Grundlagen der Socialist Equality Party

Ein schändliches „Urteil“: Die Pablisten unterstützen die Vertuschung stalinistischer Verbrechen

166. Trotz der Beweise, die das IKVI zusammengetragen und veröffentlicht hatte, stellten sich alle opportunistischen und pablistischen Organisationen gegen die Untersuchung „Sicherheit und die Vierte Internationale“. Im September 1976 unterzeichnete praktisch jede Führungsgestalt in der pablistischen Bewegung ein so genanntes „Urteil“, in dem die Untersuchung zu „Sicherheit und die Vierte Internationale“ als „schamloses Konstrukt“ verunglimpft wurde. Gelfand sammelte Aussagen von SWP-Vertretern, die für die Veröffentlichung des „Urteils“ zuständig waren, und stellte fest, dass keiner der Unterzeichner die vom IKVI zusammengetragenen Beweise überhaupt geprüft hatte, bevor sie ihren Namen hergaben, um „Sicherheit und die Vierte Internationale“ zu verurteilen. Wiederholte Forderungen des Internationalen Komitees, eine formelle Untersuchungskommission einzurichten, um die Beweise zu sichten, blieben unbeantwortet. Politische Interessen spielten bei der Reaktion der Pablisten die entscheidende Rolle. Sie waren nicht interessiert, die Frage der Ermordung Trotzkis wieder aufzubringen und eine neue Generation von Arbeitern auf die Geschichte der stalinistischen Verbrechen hinzuweisen. Sie hatten auch nichts auszusetzen, als sich die SWP 1982 vor Gericht für den GPU-Agenten und Mörder Mark Zborowski einsetzte, der auf Gelfands Betreiben hin Fragen in Bezug auf die Infiltration der Socialist Workers Party beantworten sollte. Zborowski, der seinen Ruhestand in nicht unbescheidenen Verhältnissen in San Fransisco genoss, wandte sich gegen die Zwangsvorladung mit dem Argument, dass seine Zeugenaussage, die zur Enthüllung von Agenten innerhalb der SWP beitrüge, eine Verletzung des kurz zuvor erlassenen Gesetzes zum Schutz von Geheimdienstmitarbeitern (Intelligence Identities Protection Act) darstellen würde. Das Gericht folgte Zborowskis Einwänden.

167. In dem Vierteljahrhundert, das seit Abschluss der Untersuchung „Sicherheit und die Vierte Internationale“ vergangen ist, wurden zahlreiche Ergebnisse durch die Freigabe von offiziellen sowjetischen Dokumenten bestätigt. Die so genannten „Venona Papiere“ -dechiffrierte Akten aus sowjetischen Geheimdienstbeständen – haben definitiv nicht nur Caldwell sondern auch Robert Sheldon Harte – ein SWP-Mitglied, das als Leibwächter nach Mexiko geschickt worden war – als stalinistischen Agenten enttarnt. Als das IKVI belastende Informationen über Harte veröffentlichte, wurden auch diese von der SWP und den Pablisten zunächst als Verleumdung angeprangert. Die Bestätigung der Vorwürfe, die das IKVI erhoben hatte, führten nicht dazu, dass irgendeine pablistische Organisation ihre Verunglimpfung von „Sicherheit und die Vierte Internationale“ zurücknahm.

168. Einige weitere Tatsachen ergaben sich als Nebenprodukt aus der Sicherheitsuntersuchung. Es kam heraus, dass buchstäblich die gesamte zentrale Führung der Socialist Workers Party – wie auch eine Mehrheit ihres Politischen Komitees – das Carlton College besucht hatte, eine kleine liberale Hochschule für Geisteswissenschaften im Mittleren Westen. Es gab keine Hinweise darauf, dass die SWP in den Jahren von 1960 bis 1964 irgendeine systematische Arbeit am Carlton Collge durchgeführt hatte, in denen so viele Studierende, darunter Jack Barnes, der Partei beitraten und schnell an ihre Spitze aufstiegen. Ihre Verwandlung aus konservativen Studenten aus dem Mittleren Westen (Jack Barnes war Anhänger der Republikaner) in Führer einer angeblich revolutionären Organisation geschah über das Fair Play for Cuba Committee, das von FBI-Agenten durchsetzt war und von ihnen kontrolliert wurde. Die SWP-Führung konnte keine glaubhafte Erklärung für das Carlton College-Phänomen liefern.

169. Als die Untersuchung des Internationalen Komitees immer mehr belastende Beweise zu Hansens Agententätigkeit zu Tage förderte, nahm die Gegenkampagne der SWP und der Pablisten einen immer provokativeren Charakter an. Am 14. Januar 1977 fand in London eine öffentliche Veranstaltung der Pablisten und ihrer Anhänger statt, um „Sicherheit und die Vierte Internationale“ und insbesondere Gerry Healy zu verunglimpfen. Zur Versammlung sprachen unter anderem Ernest Mandel, Tariq Ali (Führer der britischen pablistischen Organisation), Pierre Lambert (Führer der OCI) und Tim Wohlforth. Vor dem Meeting sandte die Workers Revolutionary Party einen Brief an die Führer der pablistischen Organisationen und schlug die Einrichtung einer paritätischen Kommission vor, zusammengesetzt aus gleich vielen Mitgliedern des IKVI und des Vereinigten Sekretariats, um die durch die Untersuchung aufgedeckten Beweise zu sichten und zu bewerten. Der Brief blieb unbeantwortet und auf dem Treffen vom 14. Januar unerwähnt. Stattdessen nutzte man das Treffen gänzlich, um Schmähungen gegen Healy auszustoßen. Als Healy sich im Publikum erhob und das Wort verlangte, um auf die Angriffe zu antworten, wurde dies verweigert.

170. Obwohl die Pablisten mauerten, wurde die Untersuchung fortgesetzt. Im Mai 1977 fand das IKVI Sylvia Caldwell in einem Vorort von Chicago, wo sie ohne festen Wohnsitz auf einem Wohnwagenstellplatz lebte. Sie hatte nach ihrem Fortgang von der SWP wieder geheiratet (ihr erster Mann, der stalinistische Agent Zalmond Franklin, war 1958 gestorben) und hieß nun Sylvia Doxsee. Sie behauptete, sich nicht an ihre Zeit als SWP-Mitglied erinnern zu können, erklärte aber gleichzeitig, James P.Cannon sei kein besonders bedeutender Mann gewesen. Das IKVI veröffentlichte im Juni 1977Fotos von Doxsee und Teile des mit ihr geführten Interviews. Die SWP reagierte darauf mit einer öffentlichen Kampagne, die die Workers League als „gewalttätige“ Organisation hinstellen sollte. An der Spitze der Kampagne stand Hansen selbst, der einerseits vor den „tödlichen Folgen“ der Untersuchung für das Internationale Komitee warnte, andererseits schrieb: „Healys Anhänger sind durchaus in der Lage, physische Gewalt gegen andere Teile der Arbeiterbewegung auszuüben.“[104] Lange Zeit war es das übliche Vorgehen von Stalinisten gewesen, die trotzkistische Bewegung auch dann noch als „gewalttätig“ darzustellen, wenn sie selbst gewalttätige Angriffe gegen sie vorbereiteten. Vier Monate später, am 16. Oktober 1977, wurde Tom Henehan, ein führendes Mitglied der Workers League, in New York City erschossen, als er eine öffentliche Veranstaltung der Parteijugendorganisation Young Socialists beaufsichtigte. Er erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen. Der Mord an Henehan trug alle Züge eines professionellen Attentats: Er wurde von geübten Schützen durchgeführt, die die Räumlichkeiten der Veranstaltung betraten und ohne ersichtlichen Grund auf Henehan feuerten. Die New Yorker Presse stempelte den Angriff als „sinnlosen Mord“ ab, und die Polizei verweigerte jede weitere Untersuchung. Obwohl die zwei Mörder von Augenzeugen identifiziert werden konnten, unternahm die Polizei nichts, um sie festzunehmen. Die Untätigkeit der Polizei fand die Unterstützung der Pablisten, die weder über den Mord an Tom Henehan berichteten noch ihn verurteilten. Die Workers League führte eine unabhängige politische Kampagne, um öffentlich Druck für die Festnahme der Mörder zu erzeugen. Im Zuge dieser Kampagne unterschrieben zehntausende Arbeiter und Vertreter von Gewerkschaftsorganisationen, die ihrerseits Millionen Arbeiter repräsentierten, eine Petition mit der Forderung der Workers League. Schließlich gab die Polizei im Oktober 1980 diesem öffentlichen Druck nach und verhaftete die Mörder Angelo Torres und Edwin Sequinot. Ihr Prozess fand im Juli 1981 statt. Sie wurden für schuldig befunden und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Doch die Angeklagten verweigerten die Aussage und gaben keine Erklärung zu ihrer Tat ab.


[104]

Intercontinental Press, 20. Juni 1977 (Aus dem Englischen)