Vor weniger als zwei Wochen hatte die Bush-Regierung den Kongress aufgefordert, dem beispiellosen Plan zuzustimmen, mit öffentlichen Geldern in unbegrenzter Höhe die Hypotheken- und Finanzgiganten Fannie Mae und Freddie Mac zu retten. Jetzt hat auch der Senat den dafür notwendigen Gesetzen zugestimmt, die dann zur Unterschrift von Präsident Bush ans Weiße Haus geschickt werden.
Das vom Kongress verabschiedete Gesetz gibt dem Finanzminister die alleinige Befugnis Gelder der Steuerzahler bereitzustellen, um die beiden Unternehmen zu retten, die zwar von der Regierung gegründet wurden, sich aber in Privatbesitz befinden. Um die Rettungsaktion zu ermöglichen, hebt das Gesetz die Schuldenobergrenze der Regierung um 800 Milliarden Dollar auf 10,6 Billionen Dollar an. Das erhöht den Puffer zwischen dem Schuldenlimit und den augenblicklichen Schulden der Regierung auf 1,1 Billionen Dollar. Dieses Gesetz macht damit den Weg für Rettungsaktionen der Regierung zugunsten der Wall Street frei, die die 160-Milliarden-Dollar-Rettungsaktion für die Spar- und Darlehenskassen in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren im Vergleich verblassen lassen.
Das Repräsentantenhaus verabschiedete das Gesetz am letzten Donnerstag mit 272 zu 152 Stimmen, wobei 45 Republikaner und 227 Demokraten dafür stimmten. Die Abstimmung im Senat, die während einer seltenen Samstagssitzung stattfand, ergab 72 zu 13 Stimmen, wobei alle Demokratischen Senatoren dem Gesetz zustimmten.
Die außergewöhnliche Schnelligkeit, mit der diese Gesetze verabschiedet wurden, macht deutlich, dass die völlige Unterordnung des Kongresses und beider Parteien unter die amerikanische Finanzaristokratie eine grundlegende Tatsache des amerikanischen politischen Lebens ist. Wenn es um die lebenswichtigen Interessen der Wall Street geht, verschwindet das viel beklagte Patt im Kongress und beide Parteien stehen stramm, um mit ihren Stimmen die großen Finanzinstitute zu retten. (Siehe auch: "Rettung der Hypothekengiganten in den USA: Die Politik der Plutokratie")
Die Notfall-Maßnahmen zur Rettung angeschlagener Finanzinstitute wurden an ein Wohnungsbaugesetz der Demokraten angehängt, das seit Monaten im Kongress festhängt. Angesichts der Tatsache, dass Millionen von Amerikanern aufgrund von räuberischen und unverantwortlichen Kreditpraktiken der Hypothekengesellschaften und Banken ihr Haus verlieren, war der Kongress nicht in der Lage, wenigstens die Minimalhilfe zur Verfügung zu stellen, die im Gesetzentwurf der Demokraten vorgesehen ist,. Erst der Beinahe-Zusammenbruch von Fannie Mae und Freddie Mac, die Gläubiger oder Garanten für mehr als die Hälfte der Hypothekenschulden des Landes in Höhe von 12 Billionen Dollar sind, veranlasste den Kongress, das Immobiliengesetz zu verabschieden, an das die Rettungsaktion für die Kreditgeber angehängt wurde.
Das Vorgehen von Präsident Bush unterstreicht, dass hinter der Fassade der amerikanischen Demokratie eine Plutokratie hersscht. Bush hatte monatelang damit gedroht, gegen das Wohnungsbaugesetz sein Veto einzulegen. Er verwies dabei auf eine Verordnung, mit der den Staaten und Gemeinden Gelder in Höhe von 4 Milliarden Dollar zugewiesen werden, um zwangsversteigerte Häuser aufzukaufen und zu renovieren. Aber wenige Tage nach einer Diskussion mit Finanzminister Henry Paulson - dem ehemaligen Hauptgeschäftsführer von Goldman Sachs, dessen Vermögen auf Hunderte Millionen Dollar geschätzt wird - machte er einen Rückzieher und sagte zu, die kombinierte Wohnungsbau- und Fannie Mae/Freddie Mac-Rettungs-Gesetzgebung zu unterzeichnen.
Das Gesetz, das der Kongress verabschiedet hat, ist 694 Seiten lang. Sicherlich haben nur wenige, wenn überhaupt einige der Kongressmitglieder und Senatoren, die dafür gestimmt haben, den umfangreichen Text des Gesetzes gelesen. Die New York Times berichtete am Sonntag von einer "wenig beachteten Klausel" in diesem Gesetzestext, die der staatlichen Einlagenversicherung FDC (Federal Deposit Insurance Corporation) mehr Machtbefugnisse gibt, das Spar- und Darlehenssystem zu stützen. Sie erlaubt dem FDIC, "Überbrückungsinstitute" für bankrotte Spar- und Darlehenskassen wie die kalifornische IndyMac zu schaffen, die Anfang des Monats in Konkurs gegangen ist. Diese Klausel ist entsprechend den Befugnissen gestaltet, die es seit 1991 für bankrotte Banken gibt.
Das Gesetzespaket stellt außerdem 15 Milliarden Dollar an Steuererleichterungen im Zusammenhang mit Immobilien zur Verfügung, wovon ein Teil in eine 7.500-Dollar-Steuergutschrift für erstmalige Hauskäufer geht und der Rest an Wohnungsbauunternehmen und andere große Firmen. Es gibt laut Times noch andere Details, die "tief in diesem Gesetz versteckt sind", die besondere Vorteile für spezielle Unternehmensinteressen vorsehen. Die Times schreibt: "Es gibt eine Klausel, die ganz speziell auf Chrysler zugeschnitten ist, um sicherzustellen, dass Chrysler von einem Körperschaftssteuer-Anreiz profitieren kann, obwohl das Unternehmen jetzt die Struktur einer Beteiligungsgesellschaft hat und nicht einer Kapitalgesellschaft."
Der Rest des Gesetzes läuft auf ein Almosen für normale Hypothekennehmer hinaus. Das Gesetz enthält Klauseln, mit denen einigen Hunderttausend von Zwangsvollstreckung bedrohten Hausbesitzern, geholfen wird, die Hypotheken mit Hilfe einer staatlichen Versicherung zu etwas besseren Bedingungen umzuschulden. Wenn jeder, der einen Anspruch darauf hat, sich entscheidet, unter den neuen Bedingungen umzuschulden, dann wird nur ein Sechstel der 2,5 Millionen Hausbesitzer, die dieses Jahr wahrscheinlich von Zwangsvollstreckungen betroffen sind, davon profitieren. Aber von den 400 000, die einen Anspruch auf diese Regelung haben, wird wahrscheinlich nur ein Bruchteil Hilfe erhalten. Da darüber hinaus dem Versicherungsplan der Regierung zusätzliche Abgaben für Hausbesitzer gegenüberstehen, erwartet man, dass die tatsächlichen Ausgaben der Regierung unerheblich sein werden.
Der Kontrollausschuss des Kongresses schätzt, dass die Hilfe für Hausbesitzer in diesem Gesetz die Regierung im Verlauf der nächsten fünf bis sieben Jahre nur 2,5 Milliarden Dollar kosten wird. Diese Summe steht in krassem Gegensatz zu den im Grunde genommen unbegrenzten staatlichen Geldern, die den Finanzinstituten nach alleinigem Ermessen des Finanzministers zur Verfügung stehen.
Die Bundesregierung hat Fannie Mae und Freddie Mac 1938 bzw.1970 gegründet, um die Finanzierungsmöglichkeiten für Hausbesitzer zu erweitern. In den letzten Jahren wurden die Unternehmen zum Teil verdrängt, da der sekundäre Hypothekenmarkt wuchs. Aber Fannie und Freddie hatten immer noch einen Wettbewerbsvorteil, da der Markt annahm, dass ihre Verpflichtungen durch die Regierung abgedeckt seien, was ihnen ermöglichte, Geld zu niedrigeren Zinsen zu leihen. Trotz einer ganzen Reihe von Managementskandalen behielten die Unternehmen durch eine beeindruckende Lobbyarbeit ihre privilegierte Position.
Vor Paulsons Forderung nach staatlicher Hilfe vor zwei Jahren war die US-Regierung nicht ausdrücklich verpflichtet, Fannie Mae und Freddie Mac zu stützen. In einer Aussage vor dem Kongress im Oktober 2003 erklärte der frühere Finanzminister John Snow: "Wir sind nicht der Meinung, dass es eine staatliche Garantie" für die beiden Kreditgeber gibt. Er fügte hinzu: "Unserer Ansicht nach ist die Garantie keine Realität, sondern eine stillschweigende Annahme." Ungeachtet dessen, sind jetzt beide Parteien und alle Teile der Regierung den Unternehmen zu Hilfe geeilt.
Die rasche Verabschiedung des Gesetzes mit überwältigender Mehrheit unterstreicht die Tatsache, das sich beide Parteien bei der Unterstützung für die Wall Street einig sind, wobei die Demokraten in vielen Fällen vorpreschen, wenn es darum geht, mehr staatliche Gelder für in Schwierigkeiten geratene Finanzinstitute zu fordern. Direkt nach der Verabschiedung des Gesetzes im Senat erklärte der Demokratische Präsidentschaftskandidat Barack Obama seine vorbehaltlose Unterstützung für die unbegrenzten Rettungsaktionen für die Wall Street, für die Paulson und der Vorsitzende der Notenbank Bernanke eingetreten waren. Er erklärte dazu: "Ich denke, dass Bernanke eine sehr feste Hand hat und dass einige der Entscheidungen, die er getroffen hat, richtig waren."