Trotz ihrer Schlüsselrolle im Balkankrieg hat die Öffentlichkeit wenig über die politischen Ziele der Befreiungsarmee des Kosovo, der Ushtria Clirimtare e Kosoves (UCK) erfahren. Dennoch verlangen der US-Kongreß und die albanische Regierung, daß die NATO sie bewaffnet, ausbildet und finanziert, damit sie ihre Militäroperationen im Kosovo ausdehnen kann.
Soweit die Medien überhaupt berichten, wird die UCK als Befreiungsbewegung dargestellt, die die albanisch-stämmigen Menschen im Kosovo aus dem Griff Slobodan Milosevics' befreien will. Dabei vertritt die UCK wie alle anderen Milizen, die im letzten Jahrzehnt auf dem Balkan aus dem Boden geschossen sind, ein Programm des ethnischem Separatismus. Sie strebt die Abtrennung der serbischen Provinz Kosovo vom Rest Jugoslawiens und die Verdrängung der Serben, Montenegriner und anderer Minderheiten an. Langfristig verfolgt sie das Ziel eines ethnisch reinen Großalbanien, das das heutige Albanien, das Kosovo und die von Albanern bewohnten Gebiete Mazedoniens und Montenegros umfaßt.
Die großalbanische Vision geht sowohl auf den fremdenfeindlichen Nationalismus des Stalinisten Enver Hoxha, der in der Nachkriegszeit Albanien regierte, als auch auf die Ideologie des albanischen Marionettenregimes zurück, das die italienischen Faschisten und die deutschen Nazis im Zweiten Weltkrieg eingesetzt hatten.
Weit davon entfernt, eine "Befreiungsbewegung" zu sein, hat die UCK vieles mit den von den USA unterstützten Contras von El Salvador gemein, und auch mit den islamisch fundamentalistischen Mujaheddin, die mit Hilfe der CIA in den achtziger Jahren gegen die von der Sowjetunion installierte Regierung Afghanistans kämpften. Während die Clinton-Regierung die UCK bisher noch nicht öffentlich unterstützt hat, wiesen zahlreiche Journalisten darauf hin, daß die CIA und der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) an deren Aufbau und Finanzierung beteiligt waren. Darüber hinaus stützt sich die UCK - wie auch die Contras und die Mujaheddin - stark auf Drogen-Schmuggel und -Handel, um ihre Militäroperationen zu finanzieren. [1]
Seit ihrer Gründung in den frühen neunziger Jahren verfolgte die UCK die Strategie, Repressionsakte der jugoslawischen Armee und Polizei gegen die albanische Bevölkerung im Kosovo zu provozieren, um mittels der so geschaffenen "humanitären Katastrophe" die USA und andere Großmächte zum militärischen Eingreifen auf ihrer Seite zu bewegen. Diese Strategie deckte sich mit den Zielen der Vereinigten Staaten selbst - die jugoslawische Föderation aufzusplittern und eine permanente Militärpräsenz in der geopolitisch lebenswichtigen Balkanregion einzurichten. So hat die Übereinstimmung der Interessen von USA und UCK schließlich den NATO-Angriffskrieg gegen Serbien hervorgebracht.
Im vergangenen Jahr ist die UCK von einer kleinen, unkoordinierten Gruppe bewaffneter Guerrillas zu einer beachtlichen Kampftruppe angewachsen, die mit hochentwickelten Waffen ausgerüstet ist. Ihre Bedeutung für die USA wurde im Februar und März während der Verhandlungen von Rambouillet deutlich, als die UCK mit spezieller Unterstützung der US-Außenministerin Madeleine Albright nicht nur erstmals dabei war, sondern sogar mit ihrem Führer Hashim Thaci den Delegationsleiter der Kosovaren stellte.
Der Aufstieg des ethnischen Nationalismus
Die heutige Krise im Kosovo ist entstanden, als das ehemalige Jugoslawien in den späten achtziger und frühen neunziger Jahren auseinanderbrach und der IWF und die Weltbank durch ihre "strukturellen Anpassungsprogramme" eine tiefe Wirtschaftskrise anheizten. Die wachsende wirtschaftliche Katastrophe - steigende Inflation und grassierende Arbeitsplatzzerstörung - löste eine Welle von Streiks und Kämpfen der jugoslawischen Arbeiterklasse aus. Um den bedrohlichen Klassenkämpfen entgegenzuwirken und ihre eigene Position zu halten, schürten frühere stalinistische Bürokraten und nationalistische Demagogen in jeder einzelnen ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik nationalistische Ressentiments und wetteiferten um die Hilfe verschiedener imperialistischer Mächte.
Im Propagandakrieg der internationalen Presse stehen Milosevic und der serbische Nationalismus für das Böse schlechthin, die UCK und ihr groß-albanischer Nationalismus werden jedoch ignoriert oder wohlwollend geduldet. In der Tat zeigt jedoch schon eine flüchtige Analyse der letzten zwanzig Jahre, daß serbische Militanz und albanischer Nationalismus als zwei Seiten ein und desselben Prozesses sozialer und wirtschaftlicher Zerstörung entstanden sind. Diese ärmste und wirtschaftlich rückständigste Region Jugoslawiens nahm viele spätere politische Entwicklungen in den fortgeschrittenen Republiken vorweg und beschleunigte sie.
Trotz ihres Reichtums an mineralischen Rohstoffen ist im Kosovo extensive Landwirtschaft vorherrschend, es hat wenig Industrie und eine ärmliche Infrastruktur. 1979 wurde hier der höchste Analphabetismus registriert: 31,5 Prozent der über Zehnjährigen konnten nicht lesen und schreiben. Das Pro-Kopf-Einkommen lag gerade bei 795 US-Dollar, während der Durchschnitt für ganz Jugoslawien 2.635 US-Dollar betrug. Als die Preise für ihre wenigen Produkte fielen, geriet die Provinz mit über neunzig Prozent ihres Finanzbedarfs in die Abhängigkeit jugoslawischer und ausländischer Banken. Die Arbeitslosigkeit stieg von 19 Prozent im Jahr 1971 auf 27,5 Prozent im Jahr 1981 und erreichte 1989 gigantische 57 Prozent.
1981 wurde das Kosovo drei Monate lang von Protesten und Streiks erschüttert, die buchstäblich die Provinz lahmlegten, ehe der Widerstand von den Panzern jugoslawischer Sicherheitskräfte zermalmt wurde. Die Proteste gingen von Studenten der Universität Pristina aus und richteten sich gegen unmittelbare Mißstände wie Überfüllung, miserables Essen und Unterkunft; aber sie wurden durch albanisch-nationalistische Extremisten in eine chauvinistische Richtung gelenkt. Die jugoslawische Verfassung von 1974 hatte dem Kosovo ein großes Maß an Autonomie zugestanden, es verfügte über eigene politische, finanzielle, juristische und kulturelle Einrichtungen. Die albanische Sprache war allgemein in Gebrauch. Doch nun wurde in den Demonstrationszügen der Ruf nach einer "Republik Kosovo" und einem "vereinigten Albanien" laut; im Kosovo lebende Serben und Montenegriner wurden angegriffen und geschlagen, ihre Häuser und Geschäfte verbrannt, ihre Läden geplündert.
Als die Proteste erstickt waren, folgten Verhaftungen und Säuberungen durch den Bund der Kommunisten, die Regierungspartei Jugoslawiens. Während der nächsten acht Jahre wurden Tausende ins Gefängnis geworfen und Hunderte mußten Schule, Universität oder Arbeitsplatz aufgeben. Diese Unterdrückung nährte den wachsenden Haß der illegalen albanischen Gruppen im Kosovo und in der albanischen Diaspora, die besonders in Deutschland und der Schweiz beträchtlich ist.
Es entstanden mehrere politische Fraktionen, die sich am stalinistischen Regime von Enver Hoxha in Albanien orientierten und seine mit albanischem Chauvinismus versetzten maoistischen Phrasen aufnahmen. Diese Gruppen beteiligten sich an unterschiedlichen Protestaktionen: sie verunstalteten Regierungsgebäude, Denkmäler und serbische Friedhöfe, verteilten regierungsfeindliche Literatur und führten in einigen Fällen isolierte Terroranschläge auf jugoslawische Regierungsmitglieder im Kosovo und in Europa aus.
Der Aufstieg des serbischen Nationalismus in den späten achtziger Jahren war unmittelbar mit den zunehmenden Spannungen im Kosovo und der wachsenden Angst der serbischen Minderheit in dieser Provinz verbunden. Viele Serben und Montenegriner fühlten sich benachteiligt, weil die Autonomie von 1974 Sprachregelungen und eine Beschäftigungspolitik enthielt, welche die albanische Bevölkerung begünstigte. Nun waren Serben und Montenegriner zusätzlich mit einer wachsenden Agitation von Seiten der albanischen Separatisten konfrontiert, welche versuchten, das Kosovo trotz der langjährigen historischen und kulturellen Verbindungen von Serbien abzutrennen.
Von 1986 an forderten serbische Kosovaren ein Eingreifen Belgrads. Im April 1987 stattete der neue Präsident der serbischen kommunistischen Partei, Slobodan Milosevic, dem Kosovo zwei Besuche ab, die sich als Wendepunkt erweisen sollten. Bis dahin war Milosevic durch keinerlei Äußerungen über das Kosovo aufgefallen, was den Unwillen der serbischen Nationalisten erregt hatte. Aber nun, nachdem er sich bei seinem ersten Besuch mit lokalen Parteiführern getroffen hatte, stellte er bald fest, daß er Unterstützung gewinnen konnte, wenn er in populistischer Manier den Ärger der Serben im Kosovo ausbeutete. Nur vier Tage später kehrte er in die Provinz zurück, wo seine politischen Handlanger bereits fieberhaft Versammlungen und Demonstrationen organisierten, rief unter hysterischen "Slobo! Slobo!"-Rufen die Serben dazu auf, im Kosovo zu bleiben und erklärte: "Niemand darf es noch einmal wagen, euch zu schlagen".
Milosevic benutzte die Kosovo-Frage, um seine Position zu festigen und einen parteiinternen Putsch zu lancieren, in dessen Verlauf er rivalisierende Partei- und Staatsführer durch andere ersetzte, die aus seiner eigenen Parteifraktion kamen. Im Februar 1989 widerrief er trotz ausgedehnter Proteste und Hungerstreiks kosovarischer Bergarbeiter die Autonomie des Kosovo und ergriff eine Reihe diskriminierender Maßnahmen gegen Kosovo-Albaner. Während der nächsten drei Jahre wurden Zehntausende entlassen, oftmals, weil sie sich geweigert hatten, einen Treueid zu unterschreiben. Albanisch-sprachiges Fernsehen, Radio und Tageszeitungen wurden abgeschafft. Schulen, in denen sich die Lehrer weigerten, nach dem "einheitlichen Lehrplan und Programm von Serbien" zu unterrichten, wurden geschlossen.
Kosovo und das Auseinanderbrechen Jugoslawiens
Die Vorgänge, mit denen sich Milosevic einen Namen machte, wurden in Slowenien, Kroatien und Bosnien kopiert. Die politischen Karrieristen kamen allenthalben zum Schluß, daß sie angesichts der wachsenden Unzufriedenheit über Arbeitslosigkeit und sinkenden Lebensstandard ihre Posten nur retten konnten, indem sie ein Klima von Angst und Schrecken im Umgang mit anderen ethnischen und religiösen Bevölkerungsgruppen schürten. Ähnliche Entwicklungen fanden in ganz Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion statt, als die stalinistischen Regime zusammenbrachen und frühere Bürokraten sich an die Macht drängten. Sie alle gründeten ihren Einfluß auf angeheizte nationalistische Ressentiments.
1989 wurde die Demokratische Liga des Kosovo (LDK) gegründet und hatte Ende 1990 nach eigenen Angaben etwa 700.000 albanisch-stämmige Mitglieder. Ihr Führer, Dr. Ibrahim Rugova, imitierte die "samtene Revolution", welche den Stückeschreiber Vaclav Havel in der Tschechoslowakei an die Macht gebracht hatte. Mit seinem Markenzeichen, dem seidenen Schal und der ungekämmten Erscheinung, trat Rugova, ein an der Sorbonne studierter Literaturkritiker, für passiven Widerstand gegen die jugoslawische Regierung ein, um Unabhängigkeit für das Kosovo zu erreichen. Wie Havel griff auch Rugova den Stalinismus von rechts an und trat für die Restauration des Kapitalismus und die Marktwirtschaft ein.
Im Lauf der nächsten fünf Jahre war die LDK, wie ähnliche Parteien in Slowenien, Kroatien und anderen jugoslawischen Republiken auch, auf der Suche nach einem mächtigen Bündnispartner, der bereit wäre, die Gründung eines unabhängigen Staates zu unterstützen. Rugova pilgerte von einer internationalen Konferenzen zur anderen, immer bemüht, zwischen den Großmächten zu manövrieren und voller Hoffnung auf politische Anerkennung und finanzielle Unterstützung.
Als Deutschland im Herbst 1991 Slowenien und Kroatien anerkannte, beschleunigte sich der Zerfall Jugoslawiens, und es kam zu erbitterten Kämpfen, als die verschiedenen ethnischen Gruppen plötzlich realisierten, daß sie durch richtige Grenzen statt wie bisher durch innerstaatliche Demarkationslinien von einander getrennt wurden. Mit Unterstützung der USA und anderer Großmächte folgten Bosnien-Herzegowina und danach Mazedonien. Aber weder die EU-Kommission noch die UNO befürworteten eine Unabhängigkeit des Kosovo, welches seit 1912 in der ganzen Welt als Teil Serbiens gegolten hatte. Im April 1992 wurde das Kosovo als Provinz Serbiens Teil der neuen Bundesrepublik Jugoslawien, die auch die Republik Montenegro einschloß. Wie das Kosovo blieb auch die Wojwodina eine Provinz Serbiens innerhalb des neuen jugoslawischen Staates.
Die LDK organisierte nun zusammen mit anderen kosovarischen Parteien Wahlen für eine selbst ernannte "Republik Kosovo". Die "Parallel"-Regierung mit Rugova an der Spitze organisierte ein Netz von Schulen und Gesundheitszentren mit albanischem Personal, das vorher entlassen worden war. Obwohl nur ein einziger Staat, nämlich Albanien, das Kosovo offiziell anerkannte, wurde Rugova dennoch im September 1992 von den internationalen Unterhändlern Lord Owen und Cyrus Vance zu weiteren Gesprächen empfangen. Bereits im Oktober 1992 begannen die Vorbereitungen auf eine US-Intervention im Kosovo - das international immer noch als serbische Provinz galt. Die amerikanische Bush-Regierung gewährte eine anfängliche fünf-Millionen-Hilfe und warnte die serbische Regierung vor "ethnischen Säuberungen" im Kosovo.
Die Politik der LDK trug dazu bei, einen echten Apartheid-Staat zu schafffen, in dem Albaner und Slawen so gut wie keinen Kontakt mehr miteinander hatten und sich kaum mehr sahen. So schreibt Miranda Vickers in ihrem Buch "A History of Kosovo" ("Eine Geschichte des Kosovo"): "Obwohl Anfang 1996 einige Albaner und Slawen immer noch zusammen arbeiteten, lebte die große Mehrheit strikt getrennt - sie besuchten unterschiedliche Bars und Restaurants, und während die Serben mit der Bahn fuhren, nahmen die Albaner den Bus. Für Albaner kam es nicht in Frage, innerhalb des Kosovo öffentlich Kontakte zu Serben zu pflegen, und die LDK nutzte ihre Macht, um diejenigen zu isolieren, die sich nicht an dieses ungeschriebene Gesetz hielten. Nur eine kleine intellektuelle Elite konnte es sich leisten, in der Öffentlichkeit an Podiumsdiskussionen mit Serben zusammen teilzunehmen ohne dafür kritisiert zu werden. Andere Albaner berichteten, daß sie von LDK-Mitgliedern gewarnt worden seien, alles zu vermeiden, was wie ein Gespräch mit Serben aussehe." [2]
Der Wendepunkt kam Ende 1995, als die in Bosnien Krieg führenden Parteien das Dayton-Abkommen unterzeichneten, das unter der Ägide der USA zustande kam. Allen Hoffnungen Rugovas zum Trotz verzichtete das Dayton-Abkommen auf jede Erwähnung der Unabhängigkeit für das Kosovo, und nichts deutete darauf hin, daß die USA ihre Position in naher Zukunft ändern würden.
Das Milosevic-Regime diente den USA als Garant für die Durchsetzung des Abkommens, das beinhaltete, daß die bosnischen Serben auf ihre Forderung nach einer Abspaltung von Bosnien verzichten mußten. Jede Bewegung in Richtung Unabhängigkeit für das Kosovo mußte demnach die Grundlage des Dayton-Abkommens erschüttern, weil dieses die Grenzen der ehemals jugoslawischen Republiken durch internationale Anerkennung bestätigte, jedoch keine besonderen Regionen innerhalb dieser Republiken vorsah. Anders ausgedrückt bestand der Kuhhandel zwischen Milosevic und den USA darin, daß die bosnischen Serben im Gegenzug für das Fortbestehen des Status quo im Kosovo als eine Enklave innerhalb Bosniens verbleiben sollten.
Die Widersprüche, die dem Dayton-Abkommen von Anfang an innewohnten, zeigen, daß es ganz und gar unmöglich war, aus den ehemaligen jugoslawischen Republiken ethnisch reine Nationen zu schaffen, wo doch ethnische und religiöse Gruppen vollkommen ineinander vermengt lebten. Ein solches Vorhaben mußte unvermeidlich zu Konflikten, Krieg und "ethnischen Säuberungen" führen, weil nationalistische Führer und ihre Milizen in jedem Gebiet versuchten, ihre eigene rassisch reine Republik zu schaffen.
Als Folge des Dayton-Abkommens saß Rugova im Kosovo auf dem Trockenen. All seine Pläne und Intrigen, internationale Unterstützung für seine "Parallel"-Regierung zu bekommen, hatten sich in Nichts aufgelöst. Kritik an der Rugova-Führung wurde lauter, und die Erbitterung und Enttäuschung über das Dayton-Abkommen ließ Forderungen nach einem aggressiveren Kurs in Sachen Unabhängigkeit aufkommen. Der Aufstieg der UCK kann als Ausdruck dieser Hinwendung zu mehr Militanz gewertet werden.
Der Aufstieg der UCK
Die UCK soll 1993 in Pristina gegründet worden sein. Eine führende Rolle bei ihrer Gründung spielte die Volksbewegung für das Kosovo (LPK) - eine der separatistischen Gruppen, die aus den Kosovo-Protesten von 1981 hervorgegangen waren. Von ihrer Basis in Decani in der Nähe von Pristina führte die UCK mehrere Attentate auf serbische Polizisten und Soldaten aus. 1995 nahmen ihre Aktivitäten ein größeres Ausmaß an, als sie im April eine serbische Grenzpatrouille überfiel und im August beim Angriff auf eine serbische Polizeistation Schnellfeuerwaffen und Handgranaten einsetzte.
Aus den Ereignissen in Bosnien und der Unterzeichnung des Dayton-Abkommens schlossen die UCK-Führer, daß die einzige Möglichkeit, ein ethnisch reines Kosovo zu erreichen, darin bestand, die jugoslawische Armee durch terroristische Aktionen zu provozieren, damit sie immer größere Teile der albanischen Bevölkerung angriff und dadurch Bedingungen für eine Militärintervention der Großmächte herbeiführte. Ihre Taktik war unmittelbar für den Tod hunderter albanischer Dorfbewohner durch Aktionen der serbischen Polizei verantwortlich. Sie kalkulierte folgendermaßen: je schrecklicher die Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung sein würden und je mehr Albaner von den serbischen Sicherheitskräften gefangen genommen, geschlagen oder getötet würden, um so mehr würde sie ihre eigene Position festigen und um so stärker werde der Druck auf USA und NATO einzugreifen.
Als der Einfluß von Rugova und der LDK schwand, wurde die UCK verwegener und aggressiver. Im April 1996 übernahm die UCK in einem Brief an den albanisch-sprachigen BBC-Nachrichtendienst zum erstenmal öffentlich die Verantwortung für Übergriffe auf die serbische Polizei und serbische Zivilisten. Ihre rassistische Weltanschauung zeigte sich, als sie wiederholt Flüchtlingslager überfiel, in denen Tausende aus der Krajina vertriebene Serben Zuflucht gefunden hatten. Diese waren im August 1995 im Rahmen der "ethnischen Säuberungen" der von den USA unterstützten kroatischen Armee und Miliz aus Bosnien vertrieben worden. Die kosovarischen albanischen Führer hielten die Ansiedlung von 10.000 der insgesamt etwa 200.000 serbischen Flüchtlinge aus der Krajina im Kosovo für eine Verschwörung Milosevics, um das ethnische Gleichgewicht in der Provinz zugunsten der Serben zu verändern.
1997 verbesserte sich schlagartig das Arsenal der UCK, als nach dem Zusammenbruch des Berisha-Regimes im Nachbarland Albanien ein Bürgerkrieg ausbrach. Verschiedene Fraktionen plünderten die Waffenkammern des Landes und entwendeten Millionen Maschinengewehre, von denen einige direkt in die Trainingslager der UCK wanderten, die Berisha in Nordalbanien, nahe der Grenze zum Kosovo, errichtet hatte.
Im September 1997 führte die UCK ihre bis dahin raffinierteste Militäraktion durch - zehn koordinierte Angriffe, wobei sie Panzerabwehrwaffen einsetzte und an bis zu 150 km auseinander liegenden Stellen gleichzeitig angriff. Im Februar 1998 griff sie serbische Häuser in den Dörfern Klina, Decani und Djakovica an, außerdem ein serbisches Flüchtlingslager in Baboloc, und überfiel serbische Polizisten aus dem Hinterhalt an der Straße zwischen Glogovac und Srbica, wodurch sie endlich eine größere Gegenoffensive der jugoslawischen Sicherheitskräfte gegen UCK-Hochburgen auslöste. Dabei wurden rund achtzig Albaner, darunter auch Frauen und Kinder, in der zentralen Drenica-Region des Kosovo getötet.
Die Allianz der UCK mit den USA
Das "Drenica-Massaker" bewirkte eine scharfe Wende in der Haltung der US-Regierung zum Kosovo und zur UCK. Am Vorabend der serbischen Gegenoffensive besuchte Robert Gelbard, der altgediente Balkan-Experte der USA, Pristina, wo er die UCK als "terroristische Organisation" bezeichnete - eine Bemerkung, die in weiten Kreisen dahingehend interpretiert wurde, daß er der serbischen Repression grünes Licht gab. Aber innerhalb von wenigen Tagen griff Madeleine Albright Milosevic an: "Wir sind nicht bereit, zuzuschauen, wie die serbischen Autoritäten das, was ihnen in Bosnien verwehrt wird, im Kosovo machen." Das Waffen- und Lebensmittelembargo gegen Jugoslawien wurde verschärft und die USA warnten, daß sie sich das Recht vorbehalten würden, einseitige militärische Aktionen gegen Serbien zu ergreifen.
Zahlreiche Journalisten haben bereits darauf hingewiesen, daß sich die UCK nach dem Drenica-Massaker explosiv vergrößerte. Innerhalb von nur ein paar Monaten wuchs die Organisation von ein paar hundert Kämpfern zu einer Armee an, die nach eigenen Angaben über 50.000 Mann verfügt. Sie besaß nun geschulterte Panzerabwehr-Kanonen, Minenwerfer, Gewehre ohne Rückschlag, Maschinengewehre zur Luftabwehr und automatische Sturmgewehre.
Dieses schnelle Wachstum fiel zeitlich mit den Vorbereitungen von USA und NATO auf ein militärisches Eingreifen im Kosovo und in ganz Jugoslawien zusammen. Das Szenario, das sich nun entfaltete, weist auffallende Ähnlichkeit zu den Operationen auf, die die NATO 1995 in Bosnien-Herzegowina organisiert hatte. Dort war eine NATO-Bombardierung von Stellungen der bosnischen Serben durch Bodenattacken unterstützt worden, die von der kroatischen Armee und Miliz ausgeführt wurden - finanziert, bewaffnet und trainiert von den USA und einer Gruppe pensionierter amerikanischer Offiziere. Daß die UCK insgeheim finanzielle Unterstützung, Waffen und Ausbildung von den USA erhielt, kann aus Berichten über die Beteiligung der CIA, aus ihren immer häufigeren Kontakten mit erfahrenen US-Politikern wie Gelbard und Richard Holbrooke und aus dem ganzen folgenden Verlauf der Ereignisse geschlossen werden.
Schon im Mai 1998 begann die NATO, ihre Militärpräsenz sowohl in Albanien als auch in Mazedonien aufzustocken. NATO-Repräsentanten sagten der albanischen Regierung militärische Hilfe sowie die Lieferung von Fahrzeugen und Kommunikationstechnik zu. Mitte Juni führten achtzig NATO-Kampfflugzeuge Übungen über Albanien und Mazedonien durch, und im August und September nahmen NATO-Truppen an gemeinsamen Manövern in beiden Ländern teil.
Gary Dempsey vom konservativen amerikanischen Cato-Institut bemerkte im Oktober 1998: "Die Clinton-Regierung hat fleißig alles für eine Intervention Notwendige an Ort und Stelle vorbereitet. In der Tat haben die amerikanischen NATO-Planer Mitte Juli die Pläne für den Interventionsfall abgeschlossen, welche Luftschläge und die Entsendung von Bodentruppen beinhalten. Es fehlte nur noch ein ausreichend brutales oder tragisches Ereignis, um den Prozeß auszulösen. So sagte ein erfahrener Sprecher des Verteidigungsministeriums am 15. Juli zu Reportern: ‘Wenn ein bestimmtes Niveau von Grausamkeit erreicht wird, könnte das nicht länger toleriert werden, - und das wäre dann wahrscheinlich ein Auslöser'."
Dieser "Auslöser" wurde wiederum von der UCK geliefert, die ihre wachsende Stärke und Feuerkraft nutzte, um anzugreifen und sich in einem beträchtlichen Teil des Kosovo zu verschanzen. Laut einer Schätzung des amerikanischen Military Analysis Network kontrollierte die UCK Mitte 1998 zwischen 25 und 30 Prozent der Provinz, stellte ihre eigene Regierung und errichtete eigenmächtig Straßensperren und Befestigungsanlagen. Ihre Kräfte operierten in einem noch größeren Umkreis, besonders nachts. Die Expansion der UCK und ihre ständigen Übergriffe auf serbische Kräfte und Zivilpersonen provozierten eine weitere jugoslawische Militäroffensive, welche die UCK nicht nur aus vielen Regionen verjagte, sondern sie überhaupt auszulöschen drohte.
Ende September nahm die NATO Berichte über ein Massaker an zehn Frauen und Kindern im Dorf Gornje Obrinje zum Anlaß, um Luftschläge gegen Jugoslawien anzudrohen. Die Drohungen wurden erst in letzter Minute abgeblasen, als Milosevic die Bedingungen unterzeichnete, die Holbrooke in einem Abkommen vom 20. Oktober niedergelegt hatte, welches die Reduzierung jugoslawischer Truppen im Kosovo auf das Niveau aus der Zeit vor der Offensive vorsah.
Die UCK, die selbst nicht an den Gesprächen teilnahm, nutzte die Feuerpause, um ihren Einfluß zurückzugewinnen und nicht nur auf die Dörfer, sondern auch auf die Städte auszuweiten. Sie begann außerdem ihre eigenen "Säuberungen", die sich gegen die Gorani richteten - 12.000 Slawen, die Muslime sind und albanisch sprechen, aber nicht als ethnisch reine Albaner gelten. Die UCK beschuldigte die Gorani, von denen viele Rugovas LDK unterstützten, "serbische Kollaborateure" zu sein. Unter den Ermordeten befand sich ein enger Vertrauter von Rugova, Enver Maloku, ein Halb-Gorani, der Mitte Januar in Pristina erschossen wurde - Gerüchten zufolge waren die Killer von der UCK.
Am 15. Januar 1999 fand ein angeblich serbisches Massaker im Dorf Racak statt, welches sich als endgültiger "Auslöser" für die heutigen NATO-Luftschläge erweisen sollte. Es ist bis heute nicht geklärt, ob die Toten von Racak einem Massaker oder einer Schießereien zwischen serbischen Kräften und UCK-Guerillas zum Opfer fielen. Belgrad besteht darauf, daß das "Massaker" eine gestellte Inszenierung der UCK gewesen sei, das vom amerikanischen Chef der OSZE-Beobachter, William Walker, unterstützt wurde, der ein langjähriger US-Beauftragter ist und früher stark in US-Aktivitäten in Mittelamerika involviert war.
Die französischen Tageszeitungen Le Monde und Figaro äußerten auf ihren Seiten starke Zweifel an der Darstellung Walkers, die in den internationalen Medien groß aufgemacht wurde. Zwei Fernsehjournalisten von Associated Press waren zuvor von serbischen Sicherheitskräften aufgefordert worden, einen Angriff auf die Hochburg der UCK in Racak zu filmen. Ihre Berichte und diejenigen anderer Journalisten vor Ort legen nahe, daß das Dorf, welches ganz verlassen war, nicht zum Schauplatz eines Massakers, sondern eines Kampfs zwischen serbischer Polizei und der UCK wurde.
Bereits am nächsten Morgen wurden zahlreiche albanische Leichen in Zivilkleidern in einem Graben aufgereiht gefunden. Walker behauptete nun ohne irgend ein Untersuchungsergebnis oder beweiskräftige Indizien, es habe "ein serbisches Massaker" stattgefunden, und veranlaßte den Abzug seines Beobachterteams aus dem Kosovo. Viele Fragen über das Massaker von Racak sind bis heute nicht geklärt, es gibt jedoch aufschlußreiche Hinweise - darunter das völlige Fehlen von Blut und herumliegenden Patronen an der Stelle, wo der Massenmord angeblich stattgefunden hat - welche nahelegen, daß die UCK nach dem Abzug der serbischen Soldaten und der Reporter ihre eigenen Toten in Zivilkleider steckte und sie in den Graben legte.
Das "Massaker von Racak" wurde als Grund für neue Drohungen der USA und der NATO gegen das Milosevic-Regime genommen. Aber diesmal war klar, daß die Gespräche bloß das Vorspiel für einen militärischen Angriff auf Serbien sein würden. Man stellte Forderungen an die Milosevic-Regierung, die sie gar nicht erfüllen konnte - die langfristige Stationierung einer umfangreichen NATO-Truppe im Kosovo und freier Zugang für das gesamte NATO-Militär zu allen Teilen Jugoslawiens, auch Serbien und Montenegro.
In Rambouillet überrundete die UCK zum erstenmal die LDK. Nicht nur bestanden die USA darauf, daß die UCK-Vertreter anwesend waren, sondern es war der UCK-Führer Hashim Thaci und nicht Rugova, der die kosovarisch-albanische Delegation leitete. Was die Clinton-Regierung betraf, war der einzige Haken bei diesem Treffen, daß Thaci sich weigerte, die Autonomie-Bedingungen so zu akzeptieren, wie sie in dem Abkommen vorgesehen waren. Aber bei der zweiten Runde der Gespräche im März war die UCK-Führung wieder auf Linie gebracht und beteiligte sich planmäßig an der Vorbereitung für den NATO-Bombenkrieg.
Was heute im Kosovo und in ganz Jugoslawien stattfindet, ist die Verwirklichung der UCK-Perspektive. Trotz der schrecklichen Konsequenzen für hunderttausende albanischer Flüchtlinge ist die UCK-Taktik, wie sie selbst sagt, "erfolgreich". Für die USA und die NATO ist die UCK zu einem entscheidenden Mittel geworden, ihr Ziel zu erreichen und das Kosovo auf Jahre hinaus zum Militärstützpunkt für Operationen in dieser Region zu machen. Was auch immer für angebliche "Führungspositionen" für die UCK bei einem solchen "unabhängigen Kosovo" herausschauen mögen, so wird es doch bloß ein Marionetten-Regime sein und in wirtschaftlicher sowie militärischer Hinsicht vollkommen von den USA abhängen. Dies ist die unausweichliche Logik der ethnischen und nationalistischen Politik.
Quellen:
1. Michel Chossudovsky, "Kosovo ‘Freedom Fighters' Financed by Organised Crime"
2. Miranda Vickers, "A History of Kosovo", Hurst, London 1989, S. 289