Herr Professor Juan Cole,
Am 5. August behaupteten Sie in einem Eintrag in Ihrem Blog „Informed Comment“, die World Socialist Web Site unterstütze die Anstrengungen des Gaddafi-Regimes, den Osten Libyens zurückzuerobern und heiße den Massenmord an Libyern gut.
In einem Kommentar über mögliche Ergebnisse des seit fünf Monaten andauernden Krieges der USA und der Nato gegen Libyen schreiben Sie:
„Die Verbündeten der UN werden nicht zulassen, dass Gaddafi den Osten Libyens zurückerobert und Tausende massakrieren und einsperren lässt, auch wenn dies Alexander Cockburn, der Tea Party und der World Socialist Web Site recht wäre, oder sie sich zumindest gegen Maßnahmen stellen, dies zu verhindern.“
Wie Sie wissen müssten, ist dies eine üble Fehlinterpretation der Positionen, die die WSWS zum Libyenkrieg vertritt.
Sie zitieren keine einzige Aussage oder keinen Artikel, der auf der World Socialist Web Site erschienen ist – was Sie auch gar nicht könnten – der ein solches Ergebnis begrüßen würde. Seit Beginn der Luftangriffe der USA und der Nato auf Libyen hat die WSWS aus Prinzip diesen imperialistischen Krieg gegen ein ehemaliges Kolonialland abgelehnt, allerdings ohne dabei die rechte bürgerliche Diktatur von Muammar Gaddafi zu verteidigen.
Seit Beginn des Krieges haben wir betont, dass das libysche Volk nicht durch die Bomben und Raketen der Vereinigten Staaten und der Nato befreit werden kann, sondern durch den Kampf der libyschen Arbeiterklasse im Bund mit den arbeitenden Massen im Nahen Osten und in Nordafrika.
Gleichzeitig haben wir eine gründliche und klare Analyse der Interessen des amerikanischen, französischen, britischen und italienischen Imperialismus an diesem Krieg entwickelt. Wir haben enthüllt, welche Rolle das libysche Öl schon seit langem in den strategischen Planungen der imperialistischen Mächte spielt, sowie die zunehmenden Spannungen zwischen diesen Mächten, sowie China und Russland, wegen der überschneidenden Interessen in Libyen und der gesamten Region.
Es ist eine unverschämte Lüge, zu behaupten, wir würden ein Massaker an libyschen Zivilisten gutheißen. Man muss sich auch fragen, was denn jetzt in Libyen passiert, wo immer mehr libysche Zivilisten Nato-Luftangriffen zum Opfer fallen.
Um die falschen Anschuldigungen gegen die WSWS zu verschlimmern, nutzen Sie die unehrliche und plumpe Methode, ein politisches Amalgam zu schaffen. Sie verfälschen nicht nur unsere Positionen zu Libyen, sondern um die Lüge zu verfestigen, vermischen Sie sie mit den völlig unvereinbaren Positionen anderer politischer Kräfte.
Die prinzipielle Gegnerschaft der World Socialist Web Site gegen imperialistische Kriege hat ihre Ursachen in den historischen Erfahrungen mit Kolonialismus und Imperialismus in dieser Region, sowie den althergebrachten Prinzipien der internationalen marxistischen und sozialistischen Bewegung.
Alexander Cockburn, mit dem wir viele politische Differenzen haben, ist als linker Demokrat gegen den Krieg. Seine Gegnerschaft zu imperialistischen Kriegen ist durch seine Karriere als radikaler Journalist bekannt.
Die Tea Party-Bewegung ist ein politisch rechtes Instrument der amerikanischen herrschenden Elite, deren Meinungsverschiedenheiten mit Obama zum Libyenkrieg nichts mit einer Ablehnung des Imperialismus zu tun haben – wie Sie selbst ja geschrieben haben.
Das durchsichtige Ziel dieses Amalgams ist es, jegliche Kritik an der Kriegspolitik der Obama-Regierung als illegitim zu brandmarken. Durch derartige Manöver wird die öffentliche Meinung verschmutzt, Diskussionen über die wahren Fragen im Libyenkrieg unmöglich gemacht und jede objektive Analyse der Geschehnisse abgeblockt. Nur eine Sichtweise ist zulässig – diejenige, die Sie vertreten, um diesen Krieg zu rechtfertigen – alles andere ist inakzeptabel.
Wie widerlich diese Argumentationsweise ist, sollten Sie, Professor Cole, am besten wissen. Schließlich wurde sie von denjenigen gegen Sie verwendet, die versucht haben, Ihre Kritik an der Politik des Staates Israel mit Antisemitismus gleichzusetzen, und Ihre Schriften über die Politik Israels mit der berüchtigten antisemitischen Fälschung „Die Protokolle der Weisen von Zion“ gleichzusetzen.
Warum greifen Sie jetzt zu ähnlich unehrenhaften Methoden? Die Antwort liegt im Verlauf des Krieges, den Sie während der letzten fünf Monate mit solchem Enthusiasmus unterstützt haben.
Sie waren einer von denen, die sich durch die Kriegspropaganda der Obama-Regierung und der französischen und britischen Regierung täuschen ließen. Sie haben unkritisch die scheinheiligen Behauptungen akzeptiert, diese Mächte würden in dem ölreichen nordafrikanischen Land intervenieren, weil sie um „Menschenrechte“ und „Demokratie“ besorgt seien. Solche Vorwände sind nicht neu. Ähnliche Gründe wurden seit 1914 für jeden imperialistischen Krieg vorgeschoben, von der „Vergewaltigung Belgiens“ bis hin zu den „Vergewaltigungskammern“ von Saddam Hussein.
Ihre Überzeugung, die Obama-Regierung handele nur aus der altruistischen Absicht, libysche Zivilisten zu retten, wurde in keiner Weise dadurch beeinträchtigt, dass die selbe Regierung gleichzeitig Krieg gegen die Zivilbevölkerungen von Afghanistan und Pakistan führt und Unterdrückung der Massen in Bahrain durch die Saudis ebenso verteidigte wie die Ermordung von Palästinensern durch Israel.
Sie lehnten rundheraus die Möglichkeit ab, dass Washington und die westeuropäischen Mächte die Ereignisse in Libyen als Vorwand für eine Militärintervention nutzen, die das Ziel hat, direktere und uneingeschränkte Kontrolle über die beachtlichen Erdölreserven des Landes und den weltweiten Ölmarkt zu erlangen.
Dieser Krieg wurde unter dem Vorwand begonnen, libysche Zivilisten zu schützen, aber durch ihn wurden Tausende von Männern, Frauen und Kindern getötet oder verletzt, die Infrastruktur des Landes zerstört und wirtschaftliches Leid über die Region gebracht, da hunderttausende von ausländischen Arbeitern fliehen mussten, viele von ihnen starben dabei.
Die Elemente, die Sie als „Libysche Freiheitskämpfer“ bezeichnen, waren an Kriegsverbrechen beteiligt, darunter Lynchmorden, Folter und Massaker. Die Fraktionskämpfe im Nationalen Übergangsrat (TNC) in Bengasi, der von CIA-Mitarbeitern, ehemaligen Gaddafi-Funktionären und Al-Qaida-Elementen dominiert wird, sind durch die Ermordung ihres obersten Militärkommandanten General Abdul Fatah Junis ans Licht gekommen, und drohen, die Region in einen Stammeskrieg zu stürzen.
Derweil wird der TNC von den Großmächten als „legitime Regierung anerkannt“. Diese führen auch Verhandlungen mit dem Regime in Tripolis. Wenn aus diesem schäbigen Prozess schließlich ein neues Regime erwächst, wird es eines sein, das sich den räuberischen Interessen der imperialistischen Mächte fügt und gegen die demokratischen und sozialen Erwartungen des libyschen Volkes vorgehen wird.
Die Argumente, die Sie in Ihrem „Offenen Brief an die Linken“ gebracht haben, den Sie kurz nach Beginn des Libyenkrieges veröffentlichten, wurden grundlegend diskreditiert, und die von Ihnen eingenommene Position ist zunehmend unhaltbar geworden.
Anstatt Ihre Fehler zu korrigieren, verbreiten Sie Verleumdungen gegen die World Socialist Web Site, die Ihre Aussagen einer gründlichen Kritik unterzogen hat (Siehe: Libyen, Imperialismus und die Kapitulation der „linken“ Intellektuellen - Der Fall des Professors Juan Cole)
In gewisser Weise zeigt diese Antwort, dass Ihre Position intellektuell und politisch bankrott ist. Sie haben natürlich das Recht, Ihre Ansichten verteidigen, aber Sie haben kein Recht dazu, dabei die World Socialist Web Site zu verunglimpfen.
Sie sind dafür verantwortlich, der WSWS fälschlich unterstellt zu haben, sie würde ein Massaker am libyschen Volk gutheißen. Wir fordern, dass sie diese Behauptung auf Ihrem Blog „Informed Comment“ vollständig zurücknehmen.
Bill Van Auken
Für die World Socialist Web Site