Die International Socialist Organization und die imperialistische Kriegstreiberei gegen Syrien

Am 1. Mai veröffentlichte die US-amerikanische International Socialist Organization (ISO) eine Erklärung unter dem Titel „Solidarität mit der syrischen Revolution“. Das von einer politisch diffusen und dubiosen Ansammlung „syrischer, arabischer und internationaler Aktivisten“ unterzeichnete Dokument erklärt seine Unterstützung für die imperialistische Verschwörung zum Sturz des syrischen Regimes von Bashar al-Assad.

Der völlig reaktionäre und politisch fragwürdige Charakter dieser Stellungnahme liegt geradezu auf der Hand. Sie soll dem Stellvertreterkrieg, den reaktionäre Söldnertruppen mit dem Geld und den Waffen der amerikanischen und europäischen Imperialisten führen, ein zynisches und konstruiertes pseudolinkes Deckmäntelchen umhängen, indem sie sich auf die „Menschenrechte“ beruft. Die ISO verfälscht bewusst sowohl den Charakter der islamistischen Opposition in Syrien als auch die amerikanischen Kriegsziele im Nahen Osten und liefert mit ihrer Erklärung ein machtpolitisches Propagandainstrument.

Der Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung ist politisch bedeutsam: er fällt mitten in eine Propagandakampagne der amerikanischen und europäischen Medien, mit der die öffentliche Meinung auf eine direkte Militärintervention in Syrien und die Schaffung eines Marionettenregimes in Damaskus vorbereitet werden soll. Am Tag nach der Veröffentlichung des ISO-Aufrufs wurde die syrische Hauptstadt von israelischen Luftschlägen erschüttert.

Die Umstände, unter denen das Dokument am Ende des diesjährigen Weltsozialforums im März in Tunis entstand, stinken zum Himmel. Beim Weltsozialforum versammeln sich Hunderte sogenannter „linker“ Organisationen, die im Dunstkreis der großen, von Unternehmen finanzierten Denkfabriken mit Beziehungen zu staatlichen Geheimdiensten operieren.

Das Treffen in Tunis bot diesen kleinbürgerlichen pseudolinken Gruppen Gelegenheit zum freundlichen Chat bei einem Drink, zu Meinungsaustausch und Strategiediskussion mit den anwesenden Geheimdienstlern und bürgerlichen Politikern. An der Veranstaltung beteiligt waren unter anderen die amerikanische Agentur für Internationale Entwicklung, die schon oft als Tarnorganisation für CIA-Operationen in Asien und Lateinamerika gedient hat, sowie die Denkfabriken der beiden führenden bürgerlichen Parteien in Deutschland, die Friedrich Ebert-Stiftung der SPD und die Konrad Adenauer-Stiftung der CDU. Ein besonders prominenter Teilnehmer war der rechte Sozialdemokrat und ehemalige Außenminister der schwarz-roten Koalition von 2005 bis 2009, Frank-Walter Steinmeier.

Es erfordert keine tiefe politische Einsicht zu erkennen, dass die Obama-Regierung und ihre europäischen Verbündeten das Sozialforum als Gelegenheit genutzt haben, um Popularität für die Eskalation ihrer Kriegspläne gegen Syrien zu gewinnen. Die Erklärung der ISO diente diesem Zweck.

Es fällt auf, dass die ISO weder die Autoren des Dokuments noch Details über die Diskussionen vor und während der Erstellung nennt. Genauso wenig informiert sie uns, wie sie die Unterzeichner gewonnen hat.

Aber egal, wie die Erklärung geschrieben wurde oder von wem: Sie ist ein Beispiel für politische Vertuschung, Ablenkung und Betrug. Sie beginnt mit den Worten: „Die folgende Stellungnahme, die von Intellektuellen, Akademikern, Künstlern und Aktivisten aus mehr als 30 Ländern unterzeichnet wurde, erinnert die Welt daran, dass das, was heute geschieht, eine Revolution des Volkes für Freiheit und Würde ist – und aus diesem Grund in jeder Weise unterstützt werden sollte.“

Wenn die Welt „erinnert“ werden muss, dann deshalb, weil das blutige Gemetzel, das die von den Imperialisten unterstützten Söldner in Syrien seit zwei Jahren anrichten, nichts mit einer „Revolution des Volkes“ oder mit „Freiheit und Würde“ zu tun hat.

Washington, seine Nato-Verbündeten und die saudische und katarische Monarchie führen einen blutigen, sektiererischen Krieg und bedienen sich extrem rechter sunnitischer Milizen als Stellvertretertruppen. Amerikanische Regierungsvertreter und die Medien geben zu, dass die führende Kraft der bewaffneten Opposition die Al Nusra-Front ist, die aus der irakischen Al Qaida hervorgegangen ist. Die Terrororganisation ist während der amerikanischen Besatzung des Landes entstanden und hat kürzlich ihre Loyalität für Al Qaida-Chef Ayman al-Zawahiri erklärt.

Die US-Regierung hat zugegeben, dass die Al Nusra-Front allein bis letzten Dezember fast 600 Terroranschläge durchgeführt hat, bei denen Tausende von syrischen Zivilisten ums Leben kamen. Oppositionskräfte haben den Medien selbst erzählt, dass sie plündern und Fabriken zerstören, beispielsweise pharmazeutische Werke und Getreidespeicher rund um Aleppo. Sie sind für religiös motivierte Massaker wie das von Hula vor einem Jahr verantwortlich sowie laut Vertretern der UN für einen Giftgasangriff, bei dem im Dorf Khan al-Asal Dutzende Menschen ums Leben kamen.

Die religiös motivierte Politik der von den USA unterstützten Opposition findet ihren Ausdruck in den blutrünstigen Tiraden des führenden sunnitischen Geistlichen Scheich Adnan al-Arur. Er forderte „harte und schmerzhafte“ Strafen für die Minderheit der Alawiten, aus der sich das Führungspersonal des Assad-Regimes rekrutiert. Wenn sich die Alawiten der Opposition widersetzten, sagte al-Arur, „werden wir sie, bei Allah, durch Fleischwölfe drehen und ihr Fleisch an die Hunde verfüttern“. So viel zum Gerede der ISO über „Freiheit und Würde“.

Was im östlichen Mittelmeer und der Levante vor sich geht, ist kein großes Geheimnis. Der Krieg in Syrien ist das neueste Kapitel in den Bestrebungen des US-Imperialismus, die politischen Verhältnisse im Nahen Osten und Zentralasien mit Hilfe seiner ultrareaktionären Vasallen am Persischen Golf gewaltsam zu verändern. Seine Invasionen in Afghanistan 2001 und im Irak 2003 und die Einsetzung neokolonialer Regime haben bereits Hunderttausende von Toten gefordert. Syrien, das schon unter der Bush-Regierung zur „Achse des Bösen“ gezählt wurde, befindet sich seit mehr als zehn Jahren im Fadenkreuz Washingtons.

Die ISO lügt wie gedruckt, wenn sie diese amerikanische Intervention im Nahen Osten als progressiv hinstellt. Sie schreibt: „Der Kampf in Syrien ist eine Fortsetzung des Kampfes für Freiheit in der Region und der Welt. Er lässt sich nicht trennen von den Kämpfen in Bahrain, Ägypten, Tunesien, Libyen, im Jemen und anderen Ländern, in denen das Volk gegen Unterdrückung und autoritäre Regimes rebelliert hat.“

Diese Worte sind betrügerische Demagogie. Die ISO versucht in ihrem Dokument nirgends konkret zu erklären, warum die Ereignisse in Syrien eine „Fortsetzung des Kampfes für Freiheit in der Region und der Welt“ sein sollen. Tatsächlich führen die Vereinigten Staaten regelmäßig Drohnenangriffe im Jemen durch und ermorden dort Aufständische. Die Proteste in Bahrain werden von den gleichen Regimes des Golf-Kooperationsrates unterdrückt, die eine führende Rolle bei der Finanzierung des Angriffs auf Syrien spielen.

Der Vergleich zwischen den Ereignissen in Syrien und der ägyptischen Revolution ist abstrus. Die Massenbewegung in Ägypten hatte alle Eigenschaften einer echten Revolution. Die ersten Massenproteste entwickelten sich zu einem Generalstreik für den Sturz von Mubarak und für einen höheren Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung. Moslems und Christen beteiligten sich gemeinsam an den Protesten und Streiks. Das sicherste Anzeichen für den fortschrittlichen Charakter dieser Bewegung lieferte die Tatsache, dass der amerikanische Imperialismus sie ablehnte. Die Obama-Regierung unterstützte Mubaraks Versuche, die Proteste niederzuschlagen. Erst nachdem die USA sicher waren, dass Mubarak nicht mehr zu retten war, änderten sie ihre konterrevolutionäre Taktik und unterstützten die Moslembrüder als Alternative zu Mubaraks Diktatur.

Nur eines der Beispiele, die die ISO nennt, hat Ähnlichkeit mit dem aktuellen Kampf in Syrien: die Operation in Libyen im Jahr 2011. Wie mittlerweile klar zutage tritt, war sie ein Probelauf für die Intervention in Syrien. Damals wie heute unterstützten die USA und ihre Verbündeten in der Nato islamistische Terrorgruppen mit Geld und Waffen, um Gaddafi zu stürzen und zu ermorden. Das Ergebnis dieser Verschwörung war nicht „Freiheit und Würde“ für die libysche Bevölkerung, sondern die Zerstörung der Gesellschaft.

Wie 2011 in Libyen, wurden auch im Bürgerkrieg in Syrien die anfänglichen Proteste benutzt, um einen Vorwand für eine größere Militärintervention Washingtons gegen ein Regime zu schaffen, das die USA seit langem als feindlich einstuft. In beiden Kriegen waren Washingtons wichtigste Stellvertreter religiöse sunnitische Kräfte, die mit Al Qaida verbündet waren – Veteranen der Libyschen Islamischen Kampfgruppe in Libyen und die Al Nusra-Front in Syrien.

Die ISO erfindet eine Geschichte, die die Realität auf groteske Weise verzerrt. Es heißt in ihrem Dokument: „Begonnen wurde die Revolte von den Kindern von Deraa und den Sitzstreiks und Demonstrationen der Jugendlichen der Städte, den Bauern der ländlichen Gebiete und den Mittellosen und Randgruppen in Syrien. Sie hatten sich gewaltfrei zu Protesten, Liedern und Gesängen vereint, bevor das Regime sie brutal niederschlug. Seither hat das Regime die gewaltlose Bewegung in Syrien in die Militarisierung getrieben. Deswegen haben die jungen Menschen, vorrangig zur Selbstverteidigung, zu den Waffen gegriffen.“

Die ISO versucht das mörderische Treiben der Al Nusra-Front im bizarrsten postmodernen Jargon zu rechtfertigen, indem sie ihre Terroranschläge als „Negierung des Anderen“ bezeichnet.

Die Darstellung des Krieges durch die ISO entspricht eins zu eins der Propaganda des US-Außenministeriums. In Wirklichkeit war die „Militarisierung“ der Aktivitäten der Opposition in Syrien kein Nebenaspekt ihrer Reaktion auf das Vorgehen des Assad-Regimes, sondern das zentrale Element einer Strategie der Eskalation und des Regimewechsels, auf den sie sich mit ihren ausländischen Finanziers geeinigt hatte.

Nur zwei Tage, nachdem im türkischen Antalya ein von den USA unterstützter Oppositionsrat gebildet worden war, verübten im Juni 2011 die Oppositionskräfte einen Anschlag auf Jisr al-Shughour. Auf ihre erste große Offensive in Aleppo im Februar 2012, die mit einem Terroranschlag begann, den der Direktor des amerikanischen nationalen Geheimdienstes James Clapper Al Qaida zuschrieb, folgte die Meldung, dass Syrien von amerikanischen Drohnen überflogen wurde. Als die Opposition im Spätfrühjahr 2012 ihre Militäraktion gegen Damaskus begonnen hatte, nach einem Autobombenanschlag am 10. Mai und nach dem Massaker von Hula am 25. Mai, bestätigte die New York Times, dass amerikanische Geheimdienste die Opposition mit Waffen belieferten.

Seither sind der gewalttätige Charakter der syrischen Opposition und die Tatsache, dass sie Hilfe und Material von der CIA und ihren Verbündeten im Umfang von Tausenden Tonnen erhält, allgemein bekannt. Aber trotz dieser Unterstützung war die Opposition nicht in der Lage, Assad zu stürzen. Das zeigt, dass ihre rechtsextreme dschihadistische Politik keinen Rückhalt in der Bevölkerung hat.

Es steht außer Frage, dass Bashar al-Assad ein repressives bürgerliches Regime anführt, das zahllose Verbrechen gegen die syrische Arbeiterklasse begangen hat. Wie in allen ehemaligen Kolonialländern im Nahen Osten hat die Unfähigkeit der Bourgeoisie, eine echte demokratische Umgestaltung der Gesellschaft durchzuführen, zur Entstehung von halb-bonapartistischen diktatorischen Regimes geführt, in denen demokratische Rechte gnadenlos unterdrückt werden. Allerdings ist es ein Grundsatz sozialistischer Politik, dass es die Aufgabe der Arbeiterklasse ist, diese Regimes zu stürzen. Der Kampf für Demokratie und Sozialismus kann niemals an die imperialistischen Mächte und ihre Stellvertreter delegiert werden.

Eine sozialistische Perspektive für Syrien ergibt sich historisch aus seinem Charakter als unterdrücktes ehemaliges Kolonialland, dessen religiöse Spaltungen ihre Ursachen in der imperialistischen Aufteilung des Nahen Ostens haben – im Falle Syriens der Aufteilung des Osmanischen Reiches durch Großbritannien und Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg. Diese religiös motivierten Spannungen können nur überwunden und die wirtschaftlichen Ressourcen zum Wohle aller gesichert werden, wenn die Massen des Nahen Ostens vereint für den Sozialismus kämpfen. Dabei fällt die Hauptrolle der Arbeiterklasse zu, wie Leo Trotzki in seiner Theorie der permanenten Revolution erklärte.

Notwendig ist die revolutionäre Vereinigung der Arbeiter in Syrien, dem Irak, Israel, Ägypten und der arabischen Halbinsel über alle ethnischen und religiösen Grenzen hinweg, der Sturz der reaktionären Scheichtümer am Persischen Golf, die einen Großteil der Ölreserven der Region monopolisiert haben, und ein gemeinsamer Kampf mit der amerikanischen und europäischen Arbeiterklasse gegen die Bedrohung durch imperialistische Intervention.

Indem sich die ISO auf die Seite der islamistischen Opposition in Syrien und ihrer Unterstützer in Washington stellt, zeigt sie ihre Feindschaft gegenüber diesen Perspektiven. Sie hilft, die Geldgeber der Opposition – die Monarchen vom Persischen Golf und ihre amerikanischen und europäischen Herren – zu verteidigen und trägt damit zur Verschärfung der sektiererischen Spannungen in der Region bei, die die Oppositionskräfte mit Massakern und rechter Propaganda schüren. Die Interessen, denen die ISO dient, sind nicht progressiv, sondern reaktionär.

Das Wall Street Journal benannte in einem Leitartikel vom 6. Mai offen die Agenda hinter den amerikanischen Kriegsanstrengungen. Es schrieb: „Das unmittelbare Ziel wäre es, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen einzudämmen, aber das strategisch wichtigste Ziel ist weiterhin der Sieg über den Iran, unseren wichtigsten Gegner in der Region. Das Risiko eines Sieges der Dschihadisten in Damaskus ist real, zumindest kurzfristig, aber die Türkei und Israel können sie kontrollieren.“

Das Wall Street Journal betrachtet demnach einen Sieg der Islamisten in Syrien als Schritt zu Washingtons wichtigstem strategischen Ziel: dem Sieg über das iranische Regime und der vollständigen Errichtung der Hegemonie der USA über den ölreichen Nahen Osten. Diese Hegemonie würde sich an erster Stelle gegen Washingtons geopolitische Rivalen Russland und China richten, die Assad bislang unterstützen. Diese internationalen Konflikte, die dem Krieg in Syrien zugrunde liegen, widerlegen die Behauptung der ISO, sie unterstütze eine Revolution.

Die ISO versucht, ihr Bündnis mit dem Imperialismus durch ironische Kommentare herunterzuspielen: „Angesichts der syrischen Revolution steht die Welt Kopf. Angebliche Freunde der Araber wie Russland, China und der Iran unterstützen die Ermordung des Volkes, während Staaten, die nie Unabhängigkeit oder Demokratie unterstützt haben, wie die USA oder ihre Verbündeten am Golf, die Revolutionäre unterstützen.“

Nicht die Welt steht Kopf, sondern die Analyse der ISO. Muss man wirklich erklären, dass die Wall Street, das Pentagon, die Ölkonzerne und die gekrönten Häupter der Scheichtümer am Persischen Golf nicht für eine Revolution kämpfen? Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass die ISO, genau wie so viele andere pseudolinke kleinbürgerliche Organisationen, eine politische Linie verfolgt, die vom amerikanischen Außenministerium vorgegeben wird?

Was die Unterzeichner des Briefes angeht, so haben wir schon angemerkt, dass die ISO nicht erklärt, wie sie diese uneinheitliche Gruppe gesammelt und dazu gebracht hat, sich im Interesse des Imperialismus politisch zu prostituieren.

Zu den Unterzeichnern gehören Personen wie Tariq Ali, Gilbert Achcar, Sherry Wolf und Michael Löwy, die seit langem in die reaktionären politischen Intrigen der immer weiter nach rechts rückenden pseudolinken Parteien verstrickt sind. Viele andere wurden jedoch zweifellos mit dem betrügerischen Vorwand der Menschenrechte geködert und haben die Erklärung deshalb unterzeichnet, vermutlich ohne sie vorher zu lesen oder viel über die Vorgänge in Syrien zu wissen. Diese Personen sollten ihre Beziehung zu dieser reaktionären Pro-Kriegs-Propagandagruppe überdenken und ihre Namen von der Liste der Unterzeichner entfernen lassen.

Die ISO hat sich mit ihrem Dokument voll und ganz und unwiderruflich als Instrument des US-Imperialismus gezeigt. Mit Lügen und Euphemismen schürt sie Aggressionen gegen Syrien. Sie leistet politische Beihilfe zu den Verbrechen, die am syrischen Volk verübt werden, und ist ein direkter Komplize des Imperialismus.

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