PSG beantwortet Angriff der F.A.Z.

Das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 1. Dezember hat unter der Überschrift „Mobbing, trotzkistisch. Ein Berliner Historiker wird diffamiert“ einen Artikel veröffentlicht, der die Partei für Soziale Gleichheit (PSG) massiv angreift.

Der Ressortleiter für Geisteswissenschaften, Jürgen Kaube, wirft der PSG und ihrer Jugend- und Studentenorganisation IYSSE darin vor, eine Diffamierungskampagne gegen Jörg Baberowski zu führen, der den Lehrstuhl für Geschichte Osteuropas an der Berliner Humboldt Universität leitet.

Der Artikel ist herabsetzend, entstellend und fehlerhaft. Er gibt den Standpunkt Baberowskis wieder, den der Autor von gemeinsamen Auftritten persönlich kennt. Die PSG wurde vor der Veröffentlichung weder kontaktiert noch um eine Stellungnahme gebeten, obwohl die journalistische Sorgfaltspflicht dies dringend geboten hätte.

Der Artikel nennt weder die PSG noch die World Socialist Web Site beim Namen. Er verwendet falsche, frei erfundene Bezeichnungen, zitiert kein einziges Wort aus den Erklärungen der PSG und enthält keinen Link zu ihnen. Er macht es dem Leser so absichtlich schwer, sich selbst zu informieren.

Die PSG und die IYSSE haben die Herausgeber der F.A.Z., Werner D’Inka, Berthold Kohler, Günther Nonnenmacher und Holger Steltzner aufgefordert, ihnen die Möglichkeit zur Darstellung ihrer eigenen Sicht der Dinge zu geben und folgende Stellungnahme im Feuilleton der F.A.Z. zu veröffentlichen.

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Stellungnahme der Partei für Soziale Gleichheit zum Artikel „Mobbing, trotzkistisch“

Unter der Überschrift „Mobbing, trotzkistisch“ wirft Jürgen Kaube der Partei für Soziale Gleichheit (PSG) in der F.A.Z. vom 1. Dezember vor, sie führe eine Diffamierungskampagne gegen Jörg Baberowski, den Inhaber des Lehrstuhls für osteuropäische Geschichte an der Berliner Humboldt-Universität.

Die PSG „diffamiert“ Baberowski nicht. Sie hat lediglich einer breiteren Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht, was dieser selbst gesagt und geschrieben hat. Wenn Baberowski diffamiert wird, dann durch seine eigenen Worte. Diese unterschlägt Kaube jedoch gegenüber den Lesern der F.A.Z. Er zitiert keine einzige Äußerung Baberowskis, die wir öffentlich kritisiert haben. Deshalb seien hier die wichtigsten angeführt.

Im Februar hielt Baberowski im „Spiegel“ (Nr. 7/2014) ein Plädoyer für Ernst Nolte. Er sagte wörtlich: „Nolte wurde Unrecht getan. Er hatte historisch recht“.

Die Bedeutung dieser Worte kann niemandem entgehen, der mit dem intellektuellen Leben Deutschlands während der letzten drei Jahrzehnte vertraut ist. Nolte hatte 1986 mit seiner Verharmlosung des Nationalsozialismus den erbitterten Historikerstreit ausgelöst. Seither ist er in den Dunstkreis neonazistischer Kreise gerückt.

Der Kolumnist der „New York Times“, Roger Cohen, bezeichnete ihn 2000 als „Hitler-Verteidiger“ (NYT 21.6.2000). Der Historiker Heinrich August Winkler bescheinigte ihm im selben Jahr, seine Veröffentlichungen ließen „leider keinen Zweifel daran, dass er sich immer mehr zum Parteigänger der Rechtsradikalen entwickelt hat“ („Die Welt“ 1.7.2000). Die damalige CDU-Vorsitzende Angela Merkel weigerte sich, ihm den Konrad-Adenauer-Preis zu übergeben. Und die F.A.Z. selbst lehnte es schon 1994 ab, seine Artikel zu veröffentlichen.

All das bezeichnet Baberowski nun als „Unrecht“. Er bemüht sich, Nolte zu rehabilitieren, obwohl dieser nicht von seinen rechtsextremen Auffassungen abgerückt ist. Erst kürzlich plädierte Nolte im Magazin „The European“ (4/2014) wieder dafür, das Tabu Hitler zu brechen.

Einen „Hitler-Verteidiger“ zu rehabilitieren heißt, auch Hitler selbst zu rehabilitieren. Baberowski findet im „Spiegel“ seine eigenen beschönigenden Worte für den Nazi-Führer. Er erklärt: „Hitler war kein Psychopath, er war nicht grausam. Er wollte nicht, dass an seinem Tisch über die Judenvernichtung geredet wird.“ Wenn das keine revisionistische Verharmlosung des Nationalsozialismus ist, was dann?

Eine weitere Äußerung Baberowskis, die die PSG kritisiert hat, fiel am 1. Oktober im Rahmen der Schlüterhof-Gespräche des Deutschen Historischen Museums zum Thema „Interventionsmacht Deutschland?“. Baberowski sagte dort zur Bekämpfung der Taliban und des Islamischen Staats: „Und wenn man nicht bereit ist, Geiseln zu nehmen, Dörfer niederzubrennen und Menschen aufzuhängen und Furcht und Schrecken zu verbreiten, wie es die Terroristen tun, wenn man dazu nicht bereit ist, wird man eine solche Auseinandersetzung nicht gewinnen, dann soll man die Finger davon lassen.“

Das ist eine ziemlich gute Beschreibung dessen, was die Nazis als „Vernichtungskrieg“ bezeichnet haben. Wegen solcher völkerrechtswidriger Methoden wurden die Kriegsverbrecher in Nürnberg 1946 zum Tode verurteilt.

Man muss aus Baberowskis Äußerung, „Nolte wurde Unrecht getan“, schließen, dass alle, die ihn kritisiert haben, der „Diffamierung“ schuldig sind. Es gehörte stets zum Rüstzeug der äußersten Rechten, ihren Kritikern Diffamierung vorzuwerfen. Das tut selbst der Holocaustleugner David Irving. Neu ist, dass sie dabei hochrangige Unterstützung erhalten.

Das Institut für Geschichte der Humboldt Universität hat sich mit einer öffentlichen Stellungnahme hinter Baberowski gestellt. Es setzt „Lehrende und Studierende der Humboldt-Universität“ unter Druck, „der Kampagne gegen Professor Baberowski entgegenzutreten“, und versteigt sich zur absurden Behauptung, unsere Kritik an seinen rechten Äußerungen verletze die „grundgesetzlich geschützte Freiheit der Lehre“.

Folgt man dieser Auffassung, dann schützt die akademische Freiheit die Verharmlosung Hitlers und die Befürwortung von Kriegsverbrechen, während Kritik an diesen reaktionären Standpunkten gegen die akademische Freiheit verstößt. In Wirklichkeit geht es hier nicht um akademische Freiheit, sondern um Gleichschaltung. Wenn es über diese Fragen keine öffentliche Diskussion geben darf, kann über nichts mehr diskutiert werden. Wenn die Kritik an derartigen Aussagen Diffamierung ist, dann gibt es keine Meinungsfreiheit mehr.

Jürgen Kaube unterstützt in der F.A.Z. die skandalöse Stellungnahme des Instituts für Geschichte und verteidigt auch einen früheren Versuch Baberowskis, politische und wissenschaftliche Kritik zu unterdrücken.

Dieser hatte im Februar den britischen Historiker Robert Service zu einem öffentlichen Kolloquium eingeladen. Er sollte dort seine Trotzki-Biografie vorstellen, ein „zusammengeschustertes Machwerk“, dem internationale Experten Hunderte Fehler und Fälschungen nachgewiesen hatten – unter ihnen Stanford-Professor Bertrand Patenaude in der renommierten „American Historical Review“ (June 2011), 14 bekannte deutschsprachige Historiker in einem Brief an den Suhrkamp Verlag und der Chefredakteur der World Socialist Web Site, David North, in einem umfangreichen Buch.

Als die PSG ankündigte, sie werde Service auf dem Kolloquium kritische Fragen zu seiner Trotzki-Biografie stellen, reagierte Baberowski, indem er das Kolloquium an einen geheimen Ort verlegte, öffentlich die Lüge verbreitete, es finde nicht statt, und allen, die er verdächtigte, kritische Fragen an den Referenten zu stellen, den Zugang verwehrte.

Kaube rechtfertigt diesen unerhörten Akt der Zensur. Obwohl er zugibt, dass die PSG ihre Fragen Service vorher schriftlich zugestellt hatte, also eine inhaltliche Debatte anstrebte, findet er es völlig in Ordnung, dass Baberowski alle Teilnehmer „die fanden, dass Service’ Buch besser nicht erschienen wäre“, mit Hilfe eines Sicherheitsdiensts ausschloss. Unter den Ausgesperrten befand sich nicht nur David North, der einzige, den Kaube namentlich erwähnt, sondern auch ein Professor der Potsdamer Universität, der den Brief an den Suhrkamp Verlag unterzeichnet hatte, sowie mehrere Studenten der Humboldt Universität.

Es stellt sich die Frage, warum niemand Baberowskis empörenden Äußerungen entgegentritt und warum er hochrangige Unterstützung findet. Was hat zu dieser Veränderung geführt?

Unserer Meinung nach hängt dies mit der anhaltenden Neuorientierung der deutschen Außenpolitik zusammen. Das „Ende der militärischen Zurückhaltung“ erfordert eine neue, reaktionäre Interpretation der Geschichte. Ansichten, die lange diskreditiert waren und abgelehnt wurden, finden nun Zustimmung und stehen außerhalb jeglicher Kritik. Wer sie angreift, wird der „Diffamierung“ beschuldigt.

Wer die Stellungnahme des Instituts für Geschichte der Humboldt-Universität und den Artikel von Jürgen Kaube sorgfältig liest, kann keinen Zweifel haben, dass es hier um die Zukunft nicht nur der Humboldt Universität, sondern des akademischen Lebens in ganz Deutschland geht. Bleiben die Universitäten Zentren der Wissenschaft und der freien Auseinandersetzung? Oder werden sie wieder – wie schon früher in der deutschen Geschichte – zu staatlich gelenkten Kaderschmieden für rechte und sogar neofaschistische sowie militaristische Ideologie?

Ulrich Rippert, Vorsitzender der PSG

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