Nur wenige Tage nach ihrer Kapitulation vor der Europäischen Union lässt die von Syriza geführte griechische Regierung ihren Worten Taten folgen. In der Nacht von Montag auf Dienstag präsentierte sie die von Brüssel geforderte Reform- oder besser Sparliste.
Daraufhin sprachen sich die Finanzminister der Eurogruppe für eine Verlängerung des sogenannten Hilfsprogramms für Griechenland bis Ende Juni aus. Ihre schnelle Zustimmung am gestrigen Nachmittag unterstrich, dass die Sparvorschläge der griechischen Regierung im Wesentlichen den Forderungen aus Berlin und Brüssel entsprechen.
Das siebenseitige Dokument des griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis könnte in der Tat auch aus der Feder des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble stammen. Die Tsipras-Regierung bestätigt darin nicht nur ihre vollständige Unterwerfung unter die in Griechenland so verhassten Institutionen der Troika. Sie kündigt Reformmaßnahmen an, die weit über das hinausgehen, was die früheren konservativen und sozialdemokratischen Regierungen je durchsetzen konnten.
In seinem Brief an den Präsidenten der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, schrieb Varoufakis in unterwürfig-geschwollenem Stil: „Zusätzlich zu ihrer Reformagenda und gemäß der programmatischen Erklärung des griechischen Ministerpräsidenten Tsipras verpflichtet sich die griechische Regierung dazu, in enger Übereinstimmung mit den europäischen Partnern und Institutionen sowie dem Internationalen Währungsfonds zusammenzuarbeiten und Maßnahmen zu ergreifen, die der haushaltspolitischen Nachhaltigkeit, der finanziellen Stabilität und der wirtschaftlichen Erholung dienen.“
In der dann folgenden „griechischen Sparliste“, wie sie in den deutschen Medien bezeichnet wird, folgt ein Kürzungsvorschlag dem anderen. Hier sind einige Beispiele:
Im Abschnitt „Öffentliche Ausgaben“ heißt es: „Die griechischen Behörden werden die Ausgaben in allen Bereichen überprüfen und eindämmen (z.B. in den Bereichen Erziehung und Bildung, Verteidigung, Transport, lokale Verwaltung, Sozialleistungen)... Sie werden die Ausgaben eines jeden Ministeriums überprüfen, um Einsparungspotentiale zu identifizieren...“.
Im Abschnitt „Reform der sozialen Sicherheitssysteme“ verpflichtet sich Syriza unter anderem dazu, „das Rentensystem zu modernisieren“. Die Behörden würden „Schlupflöcher und Anreize eliminieren, die zu einer exzessiv hohen Frühverrentungsrate führen“ und „die Rentenfonds konsolidieren und Ausgaben zu sparen“.
Im Abschnitt „Privatisierungen und Management des öffentlichen Vermögens“ erklärt die Regierung, „bereits vollzogene Privatisierungen nicht zurückzunehmen“ und bei bereits eingeleiteten Verkäufen von Staatsbeteiligungen den „laufenden Prozess im Einklang mit den Gesetzen zu respektieren“.
All dies soll dazu dienen, „Investoren in Schlüsselbereichen anzuziehen und das Staatseigentum effizient zu nutzen“, und schließt weitere Privatisierungen nicht aus. Privatisierungen, die noch nicht vollzogen sind, sollen überprüft werden, „um bessere Bedingungen und Einnahmen zu erzielen“ und „die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern“.
Auch die „Arbeitsmarktreformen“ sollen vorangetrieben werden, um ein „besseres Geschäftsumfeld“ zu schaffen. Dazu verzichtet die Regierung de facto auch auf die Erhöhung des Mindestlohns, eines ihrer zentralen Wahlversprechen. „Das Ausmaß und der Zeitpunkt für Veränderungen beim Mindestlohn werden in Absprache mit den Sozialpartnern und den europäischen und internationalen Institutionen bestimmt.“ Mit anderen Worten: die Troika soll darüber entscheiden, ob es höhere Löhne in Griechenland geben wird, nachdem sie diese um über teilweise über 50 Prozent gekürzt hat!
Weitere Themen des Papiers sind der „Kampf gegen Korruption“, die Steuerpolitik und das Wohlergehen der griechischen und europäischen Banken.
Varoufakis‘ Papier ist keine Überraschung. Es stammt von einem Mann und einer Regierung, die es von Anfang an als ihre Aufgabe betrachteten, die Europäische Union und mit ihr den europäischen Kapitalismus zu retten. Dazu unterwerfen sie sich wie ihre Vorgängerregierungen dem Diktat der Troika und der internationalen Finanzmärkte, die auch nach fünf Jahren brutaler Austerität immer weitere Opfer von der griechischen Bevölkerung fordern.
Nach Berechnungen der griechischen Zentralbank, die von der griechischen Zeitung Kathimerini veröffentlicht wurden, braucht Griechenland bereits im März weitere zehn Milliarden Euro, die größtenteils direkt auf die Konten der Banken und der internationalen Finanzinstitutionen fließen. Am 6. März werden Staatsanleihen in Höhe von 1,4 Milliarden Euro fällig und am 20. März von weiteren 1,6 Milliarden. Hinzu kommen 1,6 Milliarden an Kreditrückzahlungen an den IWF.
Erst vor kurzem hat der griechische Wirtschaftsblog Macropolis berechnet, dass mit etwa elf Prozent nur ein Bruchteil der bislang aus dem zweiten sogenannten Hilfsprogramm der Troika bereitgestellten 226,7 Milliarden Euro direkt an die griechische Regierung flossen. Der andere Teil diente der Kreditfinanzierung, sprich: er ging direkt an die Banken.
Die neue Sparliste der griechischen Regierung zielt darauf, das Schuldenmemorandum fortzusetzen und die griechische Bevölkerung weiter für das internationale Finanzkapital bluten zu lassen. In den nächsten Wochen werden weitere konkrete Sparvorschläge aus Athen erwartet.
IWF-Chefin Christine Lagarde erklärte am Dienstag, die Pläne der Regierung seien zwar ausreichend, um das Hilfsprogramm fortzusetzen. Sie kritisierte die Vorschläge allerdings als nicht sehr konkret. In vielen Bereichen, „einschließlich der vielleicht wichtigsten“, vermisse der IWF „klare Zusicherungen, dass die Regierung beabsichtigt, die ins Auge gefassten Reformen umzusetzen“.
Der Chef der Euro-Gruppe Dijsselbloem erklärte, dass die von Athen eingereichten Vorschläge nur „eine erste Liste“ und ein „Hinweis auf die Reformen“ seien, welche die Tsipras-Regierung umsetzen wolle. Er glaube jedoch, dass es die neue griechische Regierung „sehr ernst“ mit ihrem Willen zu Reformen meine. Sie habe jedoch „eine ziemlich andere politische Vision“ als die frühere konservative Regierung.
Die jüngste Übereinkunft zwischen Brüssel und Athen unterstreicht, dass Syrizas „andere politische Vision“, d.h. ihre in einige pseudolinke Phrasen verpackte pro-europäische und pro-kapitalistische Politik, von wachsenden Teilen der europäischen Eliten als mögliche Strategie gesehen wird, um die Reformpolitik in Griechenland fortzusetzen.
Führende Ökonomen fordern deshalb, Syriza zumindest einige verbale Zugeständnisse zu machen, damit die pseudolinke Partei die geforderten Maßnahmen angehen kann und sich nicht zu schnell diskreditiert.
In einem Kommentar für die Welt mahnt der Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Marcel Fratzscher: „Griechenland wird nur dann aus der Krise kommen, wenn das Land Eigenverantwortung für die Reformen übernimmt. Dies kann nur gelingen, wenn die Regierung in Griechenland auch mit als Sieger aus den Verhandlungen hervorgehen kann.“
„Selten in den letzten 30 Jahren ist die Unterstützung für eine Regierung im Land so groß gewesen“, so Fratzscher. „Europa sollte diese Chance nutzen und der griechischen Regierung helfen, diese Popularität in ein konstruktives Reformprogramm umzusetzen, indem sie der Regierung ermöglicht, zumindest einige ihrer Wahlversprechen umzusetzen.“