Am Freitagmorgen entsandte das griechische Innenministerium Polizeieinheiten in die Technische Universität Athen, um das besetzte Verwaltungsgebäude räumen zu lassen. Der Einsatz ist ein klares Zeichen der Regierung, dass sie sich darauf vorbereitet, die Opposition gegen ihren Sparkurs gewaltsam zu unterdrücken.
Gegen sechs Uhr morgens versuchten die Polizisten den Haupteingang des Verwaltungsgebäudes aufzubrechen. Als dies misslang, stiegen sie über eine Leiter in die Fenster des zweiten Stockwerks ein. Sie nahmen 14 Besetzer fest, die keinen Widerstand leisteten. Vor dem Gebäude hatten sich einige Demonstranten versammelt, um gegen die Polizeiaktion zu protestieren.
Die Anarchisten hatten das Gebäude 19 Tage lang besetzt. Sie wollten damit den Hungerstreik von inhaftierten Mitstreitern unterstützen, die von der Regierung der Koalition der Radikalen Linken (Syriza) eine Abschaffung der Hochsicherheitsgefängnisse und der Antiterrorgesetze fordern.
Auch wenn es am Rande der Besetzung in den letzten Tagen immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten kam, war die Besetzung des Universitätsgebäudes durch eine Handvoll Anarchisten vor allem symbolischer Natur. In der Vergangenheit, etwa im Jahr 2008, hatte es weit umfassendere und längere Besetzungen der Universitäten des Landes gegeben, ohne dass es zu einer Räumung gekommen wäre.
Umso bemerkenswerter ist das scharfe Vorgehen der Syriza-Regierung, das hohen Symbolwert hat. Polizeieinsätze in Universitäten haben in Griechenland eine bedeutende Geschichte. Im letzten Jahr der Obristendiktatur hatten die Machthaber auf dem Campus der Technischen Universität Athen ein blutiges Massaker angerichtet.
Nachdem sich im ganzen Land Studenten und Arbeiter zu Protesten gegen die Diktatur versammelt hatten, stürmten Soldaten der Junta am 17. November 1973 die Universität von Athen und gingen brutal gegen die Demonstranten vor. Mindestens zwei Dutzend wurden getötet.
Seit dem Ende der Militärdiktatur im Jahr 1974 war es Polizisten und Soldaten deshalb verboten, Universitätsgelände zu betreten. Das entsprechende Gesetz wurde erst im Jahr 2011 von der damaligen Regierung der sozialdemokratischen PASOK aufgehoben. Sie regierte damit auf die Massenproteste gegen die Sparmaßnahmen der Regierung, die im ganzen Land stattfanden.
Damals hatte Syriza als Oppositionspartei noch lauthals gegen die Aufhebung des Gesetzes protestiert. Nach weniger als drei Monaten an der Regierung hat sie nun den Protest einiger Anarchisten zum Vorwand genommen, ein deutliches Zeichen zu setzen.
Die Entscheidung ging von höchster Ebene aus. Der Vizeminister für Bürgerschutz, Giannis Panousis, erklärte am Donnerstag, der Regierungschef und Syriza-Vorsitzende Alexis Tsipras habe ihm grünes Licht für die polizeiliche Räumung der Universität gegeben. Er habe sich mit dem Premier auf eine neue Polizeitaktik geeinigt.
Panousis hatte schon in der letzten Woche ein hartes Durchgreifen gegen Proteste gefordert und wurde dabei von Tsipras unterstützt, der erklärte, seine Regierung werde unter allen Umständen für „Recht und Ordnung“ sorgen.
Die Polizeiaktion vom Freitag ist nicht primär gegen die überschaubaren anarchistischen Gruppen gerichtet, die oft enge Verbindungen zum Staatsapparat haben. Die Regierung signalisiert damit ihre Bereitschaft, sich auf die reaktionärsten Traditionen der griechischen Polizei zu stützen, um ihren Kurs der sozialen Angriffe durchzusetzen.
Die griechische Regierung hatte sich bereits am 20. Februar bereit erklärt, mit der Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission über die Auszahlung der letzten Tranche an Hilfskrediten über 7,2 Milliarden Euro zu verhandeln. Die Troika fordert im Gegenzug weitere Sozialkürzungen, Arbeitsmarktreformen und Privatisierungen.
Am Donnerstag erhöhten verschiedene Vertreter der Troika-Institutionen den Druck auf Athen, den Kürzungen rasch zuzustimmen. IWF-Chefin Christine Lagarde traf sich am Donnerstag mit dem griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis in Washington. Auf der anschließenden Pressekonferenz machte sie unmissverständlich deutlich, dass Griechenland keinen Aufschub der fälligen Kredite des IWF erhalten werde.
„Wir haben noch nie den Fall gehabt, dass uns ein entwickeltes Land um einen Zahlungsaufschub gebeten hat“, sagte sie. Eine Stundung der griechischen Kreditrückzahlungen sei nichts, was man in der aktuellen Situation empfehlen könne, machte Lagarde deutlich. Die griechische Regierung muss dem IWF im Mai und Juni mehr als zwei Milliarden Euro überweisen. Andernfalls droht dem Land der Bankrott.
Auch die Europäische Kommission drohte der griechischen Regierung. „Wir sind zu diesem Zeitpunkt nicht mit den bereits erzielten Fortschritten zufrieden“, teilte ein Sprecher der Behörde mit. „Die Arbeit muss intensiviert werden.“
Noch deutlicher wurde der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble. „Wir haben in Europa gute Gründe, ohne entsprechende Gegenleistungen keine Finanzhilfen bereitzustellen“, sagte Schäuble auf einer Veranstaltung der Brooking Institution in Washington. In der anschließenden Diskussion bekräftigte er, dass er keine Ansteckungsgefahren für die Weltwirtschaft sehe, sollte Griechenland aus der Eurozone austreten. Die Entscheidung liege bei Griechenland.
Eigentlich soll am kommenden Montag eine Liste von Kürzungen fertiggestellt werden und Ende nächster Woche den Finanzministern der Eurogruppe bei ihrem Treffen in Riga vorgelegt werden. Das nächste Treffen der griechischen Regierung mit ihren Geldgebern ist am heutigen Samstag geplant.
Die griechische Regierung reagiert auf die Drohungen, indem sie ihre Kompromissbereitschaft und Sparabsichten bekräftigt. Tsipras betonte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, er sei zuversichtlich, dass es bis zu dem Treffen in Riga eine Einigung mit den Institutionen geben werde.
Varoufakis nutzte seine Reise nach Washington, um für diese Position zu werben und demonstrierte Unterwürfigkeit. Er sprach ebenfalls auf der Veranstaltung der Brooking Institution, allerdings nach seinem deutschen Amtskollegen und ohne diesen persönlich zu treffen. Er ging mit keinem Wort auf dessen Drohungen ein.
Stattdessen bekräftigte er die Sparabsichten seiner Regierung. „Ich glaube nicht, dass der Graben zwischen dem, was unsere Partner wollen und was die griechische Regierung umsetzt, so groß ist“, erklärte er zu Beginn der Diskussion.
Konkret sagte Varoufakis umfassende Privatisierungen von Staatsbetrieben zu. „Die Privatisierungen der letzten Jahre waren ein Desaster“, erklärte er und versprach, dass Syriza das ändern werde. „Wir sind nicht gegen Privatisierungen, wir sind gegen einen Ausverkauf.“ Syriza wolle sicherstellen, dass es bestimmte Minimalstandards bezüglich Arbeitsrechten und Umweltschutz gebe, so Varoufakis. Griechenland habe großes Interesse daran, zu einer schnellen Einigung mit den Geldgebern zu gelangen. „Wir sind absolut vorbereitet, dafür Kompromisse einzugehen“, sagte er.
Um ein solches Programm gegen die Arbeiterklasse durchzusetzen, bereitet sich Syriza darauf vor, Proteste und Streiks, wie sie in den letzten Jahren massenhaft ausbrachen, mit Polizeigewalt zu unterdrücken.