“Volkseinheit“ in Griechenland: Das Projekt Syriza 2.0

Noch ehe Syriza die Regierung übernahm, warnte die World Socialist Web Site die Arbeiter in Griechenland und auf der ganzen Welt davor, dass diese Partei die Arbeiterklasse verraten werde, weil sie die Interessen der griechischen herrschenden Elite und wohlhabender Schichten des Kleinbürgertums vertritt. Ihre völlige Kapitulation vor der Europäischen Union und den anderen Institutionen des globalen Kapitalismus hat diese Einschätzung vollauf bestätigt.

Nun hat die „Linke Plattform“ eine neue Partei gegründet. Die Fraktion innerhalb Syrizas war bis vor wenige Wochen selbst an der Regierung beteiligt, für die die griechische Arbeiterklasse einen hohen Preis bezahlte.

Die Volkseinheit, wie die neue Partei heißt, verfolgt die gleiche bankrotte, pro-kapitalistische Perspektive, die ihre Mitglieder innerhalb Syrizas noch bis letzte Woche unterstützten. Die Führung der neuen Partei besteht aus einer Fraktion, die im Zentralkomitee von Syriza Dutzende Mitglieder hatte und im elfköpfigen Politischen Sekretariat der Partei vier Positionen einnahm. Ihre bekanntesten Führer hatten in der Koalitionsregierung aus Syriza und den rechten Unabhängigen Griechen (Anel) wichtige Ministerposten inne.

Der Vorsitzende der Volkseinheit ist Panagiotis Lafazanis, Ex-Energieminister im Kabinett von Premierminister Alexis Tsipras. Weitere Mitglieder sind Costas Isychos, ehemaliger stellvertretender Verteidigungsminister, und Dimitris Stratoulis, der stellvetrtetender Sozialminister war.

Lafazanis war früher Mitglied des Zentralkomitees und des Politischen Sekretariats der erzstalinistischen Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE). Später schloss er sich der eurokommunistischen Gruppe Synaspismos an, die die kapitalistische Restauration in der Sowjetunion und die verheerende „Schocktherapie“ in Osteuropa unterstützte. Synaspismos war seither die dominierende Fraktion innerhalb Syriza.

Bei den Verhandlungen, die Tsipras und Finanzminister Yannis Varoufakis mit den Gläubigern Griechenlands führten, verschafften Lafazanis und die Linke Plattform ihnen einen „linken“ Deckmantel. Sie hatten schon im Februar dem größten Teil der Sparmaßnahmen zugestimmt, die von der Vorgängerkoalition aus Nea Dimokratia (ND) und Pasok ausgehandelt worden waren.

Noch im März antwortete Lafazanis einem Journalisten auf die Frage, warum Syriza nicht die Memoranden in vollem Umfang wie versprochen aufgekündigt habe: „Unser Versprechen, die Memoranden und ihre Umsetzungsgesetze aufzukündigen, ist nach wie vor gültig.“ Er fügte hinzu: „Es wird in den nächsten Monaten erfüllt.“

Aber nach dem überwältigenden „Nein“ im Referendum vom 5. Juli stimmte Syriza hurtig dem noch verheerenderen Kürzungsprogramm der Troika zu. Offiziell votierte die Linke Plattform zwar gegen einige der Maßnahmen, die noch viel weiter gingen als die der Vorgängerregierung, aber gleichzeitig versicherte sie Tsipras ihrer Loyalität. Sie tat alles, um seine Regierung zu retten. Sie ging soweit zu entscheiden, welche ihrer Mitglieder für und welche gegen das Abkommen stimmen, bzw. sich der Stimme enthalten sollten.

Trotz dieses kriecherischen Verhaltens ging Tsipras ab August gegen die Linke Plattform vor. Er trat zurück und machte damit den Weg für vorgezogene Neuwahlen frei. Die Anhänger der Linken Plattform sollten noch vor den Neuwahlen aus der Partei geworfen werden. Erst jetzt beschloss die Linke Plattform, selbst zu gehen und nicht auf den Rausschmiss zu warten.

Das Hauptziel der Volkseinheit ist es, die Arbeiterklasse daran zu hindern, die notwendigen Lehren aus der Rolle Syrizas und ihrer eigenen Beteiligung an dem Verrat zu ziehen. Am 20. August erklärte sie, mit der Ankündigung von Neuwahlen habe Tsipras „sein Gesicht geändert; er ist jetzt plötzlich völlig und radikal gegen die bisherigen Versprechen und Kämpfe Syrizas“. Als hätte es bis dahin keine Anzeichen gegeben, dass er seine Versprechen brechen würde!

Ein führendes Mitglied der Linken Plattform, Stathis Kouvelakis, erklärte zeitweise, es sei nicht angemessen, Tsipras’ Vorgehen einen Verrat zu nennen. Vielmehr sei die Perspektive eines „linken Europäertums“ gescheitert. Dieses „linke Europäertum“ habe in dem Glauben bestanden, Zugeständnisse zu Gunsten Griechenlands seien möglich, würde man nur als gute Europäer auftreten.

Die Linke Plattform tritt für eine noch entschiedenere nationalistische Agenda ein. Sie erklärt, Tsipras hätte mit einem Plan B drohen und damit Zugeständnisse erstreiten müssen. Dieser Plan B hätte einen Austritt aus dem Euro, Kapitalverkehrskontrollen und die Wiedereinführung der Drachme beinhaltet.

Das ist keine Anti-Austeritätsagenda. Würde sich Griechenland unter kapitalistischen Verhältnissen aus dem Euro zurückziehen, dann würde das nur bedeuten, dass statt der EU die griechische Bourgeoisie Austerität durchsetzen würde.

Die Linke Plattform macht sich zum Sprecher bedeutender Teile der griechischen Bourgeoisie, die glauben, dass die Bedingungen, denen Tsipras zugestimmt hat, zu weit gehen und ihren Interessen zuwiderlaufen. Dazu gehören Maßnahmen gegen Steuergeschenke an die Reedereien und die Tourismusbranche. Die Volkseinheit befürwortet eine nationale, autarke Lösung „mit größerer nationaler Unabhängigkeit, Souveränität, Wiederaufbau und einen neuen fortschrittlichen Kurs“.

Lafazanis und Konsorten verlassen sich darauf, dass pseudolinke Gruppen für die Volkseinheit die gleiche Rolle als politischer Deckmantel spielen werden wie vorher für Syriza. Vor ihrer Spaltung mit Syriza hatte die Linke Plattform schon die Dienste von Vertretern von dreizehn pseudolinken Gruppen in Anspruch genommen. Dazu gehörten Antonis Davanellos von der Linksfraktion Internationalistische Arbeiter (DEA) innerhalb der Linken Plattform, sowie Andreas Pagiatsos von der Xekinima-Tendenz.

Die DEA gehört der US-amerikanischen Gruppe International Socialist Organisation an, und Xekinima dem Komitee für eine Arbeiterinternationale. Sie haben auch die Unterstützung einiger Gruppen in der pseudolinken Koalition Antarsya. Die pablistische Zeitschrift International Viewpoint veröffentlicht jede Erklärung der Volkseinheit und ihres Vertreters Kouvelakis.

Nur wenige Stunden nach Bekanntgabe der Gründung der Volkseinheit gab Lafazanis bekannt, dass er eine Wahlvereinbarung mit der Partei „Plan B“ von Alekos Alavanos abgeschlossen habe. Alavanos stand bis 2007 an der Spitze von Syriza. Aber die Volkseinheit betont, ihre breite „Anti-Austeritätsfront“ werde sich nicht auf die „Linke“ beschränken.

In einem Artikel vom 21. August mit dem Titel „Die Volkseinheit ist geboren“ erklärt Kouvelakis: „Die Bewegung kommt der Wiedergeburt der radikalen griechischen Linken gleich… Aber das Ziel der Front ist noch breiter. Sie soll gesellschaftlichen Kräften Ausdruck verleihen, die sich nicht notwendigerweise als Teil der 'Linken' verstehen, aber gegen Austerität kämpfen wollen“.

Das ist für die Linke Plattform nichts Neues. Zu den Abgeordneten, die Syriza verlassen haben, gehört Rachel Makri, einst führendes Anel-Mitglied. Sie hat erst wenige Tage vor der Wahl im Januar ihre Bereitschaft erklärte, für Syriza zu kandidieren.

Die Linke Plattform hat sich besonders enthusiastisch für eine Koalition mit Anel eingesetzt. Isychos von der Linken Plattform war Stellvertreter von Anel-Chef Panos Kammenos in seinem Amt als Verteidigungsminister.

Die Arbeiterklasse in Griechenland sollte der Behauptung der Volkseinheit, sie sei eine Alternative zu den Verrätereien ihrer Mutterorganisation, keinen Glauben schenken. Sie ist praktisch das Projekt „Syriza 2.0“.

Notwendig ist der Aufbau einer neuen revolutionären und sozialistischen Führung, einer griechischen Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale. Diese Aufgabe beginnt damit, sich die starke politische Bilanz der World Socialist Web Site gegen die Politik von Syriza zu eigen zu machen.

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