Sicherheit und die Vierte Internationale, der Gelfand-Prozess und die Aussage von Mark Zborowski

Ein offener Brief von David North an Susan Weissman

Sehr geehrte Frau Weissman, 

mit diesem Brief fordere ich Sie förmlich auf, die unwahren und verleumderischen Behauptungen vollständig, eindeutig und öffentlich zurückzunehmen, die sie am Ende des zweiten Teils Ihres Artikels „Mark ‘Etienne’ Zborowski: Porträt einer Täuschung“ gegen das Internationale Komitee der Vierten Internationale und den Rechtsanwalt Alan Gelfand erheben. Der Artikel erschien in diesem Sommer in der Zeitschrift Critique: Journal of Socialist Theory.[1]

Die von uns beanstandeten Behauptungen stehen unter der Zwischenüberschrift „Postskript“. Es handelt sich dabei nicht um bedauerliche, jedoch unbeabsichtigte faktische Fehler, sondern um vorsätzliche Verzerrungen und um krasse Lügen.

Sie verleumden und diskreditieren die Untersuchung „Sicherheit und die Vierte Internationale“, die das Internationale Komitee 1975 initiiert hat, um das Eindringen von Agenten der sowjetischen Geheimpolizei GPU/NKWD in die Vierte Internationale zu erforschen. Diese Untersuchung ist bis heute die detaillierteste Darstellung der Rolle, die stalinistische Agenten bei der Ermordung führender Vertreter der Vierten Internationale und schließlich von Trotzki selbst gespielt haben. Soweit sich Ihre beiden in Critique veröffentlichten Artikel auf dokumentierte Tatsachen stützen, beruhen sie in hohem Maße auf den Nachforschungen, die das Internationale Komitees vor 40 Jahren angestellt hat. Sie geben diese Quelle allerdings nicht an und erkennen nicht offen an, dass Sie die bahnbrechende Arbeit von „Sicherheit und die Vierte Internationale“ benutzt haben. Das kommt dem Diebstahl geistigen Eigentums gleich.

Ihr Angriff auf Alan Gelfand und auf die Klage, die er 1979 gegen die Socialist Workers Party einreichte, ist vor allem auch deshalb verwerflich, weil seine Anstrengungen zur Freigabe von Dokumenten geführt haben, die in historischen Werken über die kriminellen Aktivitäten der sowjetischen Geheimpolizei ausgiebig zitiert werden, wie beispielsweise der Abschrift der Aussage der GPU-Agentin Sylvia Caldwell (alias Callen, Franklin und Doxsee) vor einer Grand Jury.[2]

Wie unredlich und böswillig Ihr „Postskript“ ist, zeigt auch der Umstand, dass Sie die politischen Beweggründe Ihres Angriffs auf das Internationale Komitee und Alan Gelfand verheimlichen. Auf das Postskript folgt eine „Offenlegungserklärung“, in der es heißt: „Die Autorin hat keine eventuellen Interessenskonflikte gemeldet“.[3] Sie haben eine falsche Offenlegungserklärung abgegeben, Frau Weissman, um den Lesern von Critique bewusst wichtige Informationen vorzuenthalten.

Ihre ausgeprägte Feindschaft gegen die Untersuchung „Sicherheit und die Vierte Internationale“ ist untrennbar mit Ihrer politischen Organisationszugehörigkeit verbunden. Sie sind seit 40 Jahren in pablistischen Kreisen aktiv. Während dieser gesamten Zeit haben Sie die Untersuchung des Internationalen Komitees über das Eindringen der GPU in die Vierte Internationale und über den Mord an Leo Trotzki abgelehnt. Sie sind Mitglied der Organisation Solidarity, die vorwiegend aus ehemaligen Mitgliedern der SWP besteht, und gehören seit 1986 der Redaktion ihrer Publikation Against the Current an. Viele Ihrer engsten politischen Weggefährten haben „Sicherheit und die Vierte Internationale“ nachweisbar als „Verleumdungskampagne“ verurteilt. Sie selbst, Frau Weissman, haben nie Einwände dagegen erhoben, dass die Socialist Workers Party Sylvia Caldwell als „beispielhafte Genossin“ pries. Sie stimmen mit der Auffassung der SWP überein, dass die Aufdeckung und Entlarvung der staatlichen Unterwanderung der Vierten Internationale gleichbedeutend mit „Agentenhatz“ und „Paranoia“ sei.

In privaten Äußerungen haben Sie Lügen über die Nachforschungen des Internationalen Komitees verbreitet. In einem 1996 verfassten Brief an den verstorbenen Albert Glotzer, ein Gründungsmitglied der Socialist Workers Party, bezeichnen Sie „Sicherheit und die Vierte Internationale“ als „Müll“. Sie zeigen sich höchst beunruhigt darüber, dass „Sicherheit und die Vierte Internationale“von anerkannten Historikern gelesen wird. Über das Werk eines bekannten sowjetischen Historikers schreiben Sie an Glotzer: „Sehr beunruhigend am Buch von Wolkogonow ist, dass er sich im Kapitel über den Mord an Trotzki nicht nur auf Sudoplatow stützt, sondern, was schlimmer ist, auf die amerikanischen Healyisten (oder ‚Northisten’) vom ‚Gelfand-Prozess‘.“[4] Wie Sie wissen, spielte Sudoplatow, ein berüchtigter KGB-Killer, bei der Planung von Trotzkis Ermordung eine zentrale Rolle. Dass Sie die „Northisten“ für „schlimmer“ halten als ein GPU-NKWD-Mörder, zeigt nicht nur Ihren maßlosen subjektiven Hass auf das Internationale Komitee, sondern entlarvt auch die politische Ausrichtung ihres Zborowski-Projekts.

Sie verheimlichen vor Ihren Lesern, dass Sie den Ausschluss von Alan Gelfand aus der Socialist Workers Party unterstützt haben. Gelfand wurde ausgeschlossen, weil er gefordert hatte, dass die SWP ihre Verteidigung von Sylvia Caldwell zurücknimmt und dass Joseph Hansen, ein führender Vertreter der Organisation, Dokumente beantwortet, die das Internationale Komitee veröffentlicht hatte und die zeigen, dass Hansen in den 1930er und 1940er Jahren heimliche Beziehungen zur GPU und zum FBI unterhielt. Vor allem aber, Frau Weissman, verteidigen und verschleiern Sie weiterhin, dass die SWP in den Jahren 1981 bis 83 mit allen Mitteln versucht hatte, Alan Gelfands Bemühungen zu vereiteln, Sylvia Caldwell und Mark Zborowski zu eidesstattlichen Aussagen über ihre mörderischen Aktivitäten in den Reihen der trotzkistischen Bewegung zu zwingen.

Ihre falsche Offenlegungserklärung diskreditiert nicht nur ihren Angriff auf das IKVI und Alan Gelfand. Sie wirft auch die Frage auf, was sie mit ihrem Forschungsprojekt über die Agententätigkeit Mark Zborowskis in der Vierten Internationale bezwecken. Aufgrund der Unredlichkeit Ihres „Postskripts“ erscheint die Integrität Ihres Zborowski-Projekts in einem höchst fragwürdigen Licht. Der Untertitel Ihres Artikels über Zborowski, „Porträt einer Täuschung“, könnte man auch auf Ihr eigenes Verhalten beziehen.

Untersuchen wir Ihr Postskript im Einzelnen. Der vollständige Text des letzten Absatzes lautet:

1979 fand die Workers League, die amerikanischen Gesinnungsgenossen von Gerry Healys britischer Socialist Labor League und des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, die Adresse Mark Zborowskis in San Francisco heraus und demonstrierte vor seinem Haus. Die Organisation begann eine bizarre, sektiererische Schmutzkampagne gegen Joseph Hansen, einen Führer der amerikanischen Socialist Workers Party, der in der Calle Viena im mexikanischen Coyoacan Sekretär Trotzkis war. Im berüchtigten Gelfand-Prozess – benannt nach dem Anwalt Alan Gelfand, der die Klage gegen die SWP und Joseph Hansen einreichte – erhob die Workers League den Vorwurf, führende Vertreter der SWP seien FBI-Agenten und Joseph Hansen sei ein Agent des FBI und der GPU. Der Prozess war unseriös und unbegründet, doch Healys Organisationen lieferte er Schlagzeilen und Stoff für Artikel. Für die vorliegende Arbeit ist von Bedeutung, dass es Gelfand 1982 gelang, Zborowski unter Eid zu vernehmen. Zborowski hielt Gelfand und seinen Anwalt zum Narren und beantwortete nur Fragen nach seinem Namen, seinem Geburtsort und ob er Geschwister habe. Die Klage wurde schließlich abgewiesen. Zborowski erwies sich wieder einmal als Meister darin, nichts preiszugeben. Er berief sich auf sein Aussageverweigerungsrecht und machte seine Fragesteller lächerlich.[5]

Praktisch jeder Satz in diesem Absatz besteht aus sachlichen Ungenauigkeiten, irreführenden Darstellungen von Ereignissen und Zusammenhängen, Halbwahrheiten und offenen Lügen.

1. „1979 fand die Workers League, die amerikanischen Gesinnungsgenossen von Gerry Healys britischer Socialist Labor [sic] League und des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, die Adresse Mark Zborowskis in San Francisco heraus und demonstrierte vor seinem Haus.“

Zborowski versucht David North daran zu hindern, ihn zu fotografieren (August 1975)

Sie gehen derart nachlässig und böswillig vor, dass Sie nicht einmal die elementarsten Fakten richtig darstellen. Die Workers League fand Zborowskis Adresse in San Francisco nicht 1979, sondern 1975 heraus. Dieser Unterschied von vier Jahren verzerrt den Ablauf der Ereignisse, aufgrund derer Alan Gelfand entschied, nach seinem Parteiausschluss im Januar 1979 einen Prozess gegen die Socialist Workers Party anzustrengen. Außerdem demonstrierte die Workers League nicht vor Zborowskis Haus. Im Auftrag des Internationalen Komitees fotografierte ich Zborowski und seine Frau im August 1975 vor Ihrem Haus. Diese Fotos wurden im ersten Zwischenbericht der Untersuchung „Sicherheit und die Vierte Internationale“ veröffentlicht, der unter dem Titel „Wie die GPU Trotzki ermordete“ erschien.

2.Die Organisation begann eine bizarre, sektiererische Schmutzkampagne gegen Joseph Hansen, einen Führer der amerikanischen Socialist Workers Party, der in der Calle Viena im mexikanischen Coyoacan Sekretär Trotzkis war.

Ihre Darstellung von „Sicherheit und die Vierte Internationale“ als „bizarre, sektiererische Schmutzkampagne gegen Joseph Hansen“ verfälscht und diffamiert den Ursprung und den Charakter der Anschuldigungen, die das Internationale Komitee gegen Hansen erhob. „Wie die GPU Trotzki ermordete“ erschien im August und September 1975 als Artikelserie in der Presse des Internationalen Komitees. Die mit größter Sorgfalt recherchierten historischen Ereignisse lieferten zum ersten Mal in der Geschichte der Vierten Internationale eine detaillierte Darstellung der Verschwörung gegen das Leben Trotzkis. Abgesehen von einem einzigen Bericht, der kurz nach Trotzkis Ermordung verfasst worden war, hatte die Socialist Workers Party nichts unternommen, um das GPU-NKWD-Netzwerk aufzudecken und zu entlarven, das die Vierte Internationale unterwandert und den Mord organisiert hatte. Das Internationale Komitee rekonstruierte auf der Grundlage von Dokumenten von US-Regierungsbehörden, Protokollen von Kongressanhörungen und Zeugenaussagen von Sowjetagenten, die in den 1950er Jahren vor Gericht gestanden hatten, das umfangreiche Netzwerk von GPU-Agenten, das in Paris, New York und Mexiko daran gearbeitet hatte, Trotzki umzubringen und die Vierte Internationale zu zerstören.

„Wie die GPU Trotzki ermordete“ untersuchte die Anfänge der GPU-Verschwörung gegen die internationale trotzkistische Bewegung. Der Bericht befasste sich mit den Aktivitäten der Brüder Sobolevicius (alias Senin und Well) und Mark Zborowskis („Etienne“) in Europa. Das Internationale Komitee entdeckte verstörende Einzelheiten über Lola Dallin (alias Estrine), die sich selbst als Zborowskis „siamesischen Zwilling“ bezeichnet, ihn fast 20 Jahre lang immer wieder vor der Enttarnung geschützt und damit seine Verbrechen begünstigt hatte. Das Internationale Komitee untersuchte, wie Ramon Mercader (alias Frank Jacson) erfolgreich in den Kreis der Vierten Internationale eingeführt worden war und die persönliche Beziehung zu Sylvia Ageloff angebahnt hatte, die dem späteren Mörder direkten Zugang zu Trotzki verschaffte.

„Wie die GPU Trotzki ermordete“ ging auch auf das Netzwerk von GPU-Agenten ein, das die trotzkistische Bewegung in den USA unterwandert hatte, unter ihnen Thomas Black, Floyd Cleveland Miller und Sylvia Caldwell, die zwischen 1938 und 1947 persönliche Sekretärin von James P. Cannon, dem Gründer der SWP gewesen war. Die Untersuchung förderte Informationen über Robert Sheldon Harte zutage, die nahelegten, dass er ein stalinistischer Agent gewesen war. Harte, ein amerikanisches Mitglied von Trotzkis Wache, hatte am 24. Mai 1940 der stalinistischen Bande das Tor zur Villa in Coyoacan geöffnet, die mit Maschinengewehren einen erfolglosen Anschlag auf Trotzki verübte.

Das Internationale Komitee entdeckte auch bisher unbekannte amtliche US-Dokumente, aus denen hervorging, dass sich Joseph Hansen ohne Wissen der Socialist Workers Party nur zehn Tage nach Trotzkis Ermordung mehrmals im Geheimen mit einem Vertreter des FBI in der amerikanischen Botschaft in Mexiko-Stadt getroffen hatte. Beim ersten dieser Treffen informierte Hansen den FBI-Agenten Robert McGregor, dass „er 1938 in New York von einem Agenten der GPU angesprochen worden war, der ihn aufgefordert habe, die Vierte Internationale zu verlassen und sich der Dritten anzuschließen“. Hansen sagte dem FBI, er habe angeblich mit Trotzkis Einverständnis drei Monate lang „mit einem Mann verkehrt, der sich nur ‚John’ nannte und sonst nichts über seine Identität preisgab“.[6]

Angesichts dieser bisher unbekannten Information forderte das Internationale Komitee Hansen auf, eine Erklärung für seine Kontakte mit dem FBI und seine Beziehung zur GPU zu geben.

Hansens Reaktion auf „Wie die GPU Trotzki ermordete“ war erstaunlich. Er tat die Dokumente über sein Treffen mit dem FBI als „Dreckschleuder“[7] ab, ohne den geringsten Beweis zu liefern, dass dieses und weitere Treffen mit Vertretern der „amerikanischen Gestapo“, wie die SWP das FBI in den 1940er Jahren öffentlich nannte, von der Führung der SWP autorisiert worden waren. Auch seine Treffen mit dem GPU-Agenten „John“ konnte Hansen nicht glaubwürdig erklären.

Gleichzeitig verteidigte Hansen Cannons persönliche Sekretärin auf irreführende Weise. „Sylvia Caldwell (so ihr Parteiname)“, schrieb er in einer langatmigen Erklärung, die am 24. November 1975 in der Intercontinental Press der SWP erschien, „arbeitete sehr hart, um ihrer schwierigen Aufgabe gerecht zu werden, das nationale Büro der Socialist Workers Party zu leiten, wozu auch Sekretariatsarbeit für Cannon gehörte. Alle Genossen, die sich zusammen mit ihr diese mühsame Arbeit teilten, nahmen sich an ihr ein Beispiel. Sie waren genauso empört wie sie über die gemeinen Verleumdungen von Budenz.“[8]

Wie Ihnen bekannt ist, Frau Weissman, war Louis Budenz damals Herausgeber der stalinistischen Tageszeitung Daily Worker. Er war in den USA als Agent für die GPU tätig und spielte eine zentrale Rolle in der Verschwörung zur Ermordung Trotzkis. Nachdem er sich von der Kommunistischen Partei abgewandt hatte, lief er zum FBI über und identifizierte Agenten, welche die GPU in die trotzkistische Socialist Workers Party eingeschleust hatte. Zu ihnen gehörte Sylvia Caldwell, die 1947, kurz nachdem Budenz ihre Identität aufgedeckt hatte, aus der SWP verschwand. 1960 wurde Sylvia Callen (Caldwells Mädchenname) im Spionageprozess gegen Robert Soblen als nicht angeklagte Mitverschwörerin genannt. Robert Soblen war, wie Sie wissen sollten, einer der bereits erwähnten Brüder Sobolevicius, die die trotzkistische Bewegung erstmals Anfang der 1930er Jahre unterwandert hatten. Sein Bruder Jack Soble, der in den 1950ern wegen Spionage verurteilt wurde, hatte in seinem Prozess Cannons Sekretärin ebenfalls als GPU-Agentin identifiziert.

Hansen bezeichnete auch die Fragen, die das IKVI über Robert Sheldon Harte aufgeworfen hatte, als „besonders niederträchtig“. „Der Gestank der alten GPU-Verleumdungen gegen Harte“, schrieb er, „durchzieht immer noch die Parteizentrale der Workers Revolutionary Party.“[9]

Nach dem Erscheinen von „Wie die GPU Trotzki ermordete“ entdeckte das Internationale Komitee weitere amtliche Dokumente über Hansens Kontakte zum FBI.[10] Aus ihnen ging hervor, dass Hansens Beziehung zum FBI intensiv und unbefristet war. Hansen gab einseitig Informationen an das FBI weiter und identifizierte verschiedene US-Bürger als GPU-Agenten. Er händigte dem FBI ein geheimes Memorandum von Whittaker Chambers (einem weiteren GPU-Abtrünnigen) aus, laut dem Sylvia Ageloff in Trotzkis Ermordung verstrickt war. Es heißt darin: „Kann nicht an die Unschuld der Ageloff-Mädchen glauben. Nur ein Trottel könnte mit einem GPU-Agenten zusammenleben, ohne etwas zu merken.“ Ob Chambers mit seiner Einschätzung Recht hatte oder nicht, kann man diskutieren. Aber als Hansen dieses Dokument, das eine Parteigenossin belastete, an das FBI weiterreichte, vertrat die Socialist Workers Party öffentlich den Standpunkt, Sylvia Ageloff sei ein unschuldiges Opfer des Doppelspiels des Mörders.

FBI-Direktor Edgar Hoover hielt sich ständig auf dem Laufenden über Hansens Treffen mit dem FBI und ordnete an, dass Hansen keinerlei Informationen über die Nachforschungen des FBI zu Trotzkis Tod erhalten sollte.

Vor seiner Rückkehr nach New York bat Hansen schließlich das FBI um eine Vertrauensperson, „der ich ungestraft Informationen übermitteln kann“.[11]

Brief eines US-Beamten, der über Hansens Bitte nach einem vertraulichen FBI-Kontakt berichtet

3. „Im berüchtigten Gelfand-Prozess – benannt nach dem Anwalt Alan Gelfand, der die Klage gegen die SWP und Joseph Hansen einreichte – erhob die Workers League den Vorwurf, führende Vertreter der SWP seien FBI-Agenten und Joseph Hansen sei ein Agent des FBI und der GPU. Der Prozess war unseriös und unbegründet, doch Healys Organisationen lieferte er Schlagzeilen und Stoff für Artikel.“

An dem Rechtsstreit, den Gelfand im Juli 1979 anstrengte, war nichts „unseriös und unbegründet“, und er war auch nicht „berüchtigt“. Er stützte sich auf umfangreiches Beweismaterial. Wäre der Prozess „unseriös und unbegründet“ gewesen, hätte er die drei Anträge der SWP auf Abweisung der Klage nicht überstanden.

Am 12. Juli 1982 entschied Richterin Marianna Pfaelzer gegen die Abweisung der Klage. Sie erkannte damit an, dass Gelfand die rechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt hatte, den Fall einem Gericht zur Entscheidung vorzulegen. Daher wurde der Prozess eröffnet. Juristisch bedeutete diese Entscheidung, dass das Gericht Gelfands Klage weder für „unseriös“ noch für „unbegründet“ hielt. Die Entscheidung widerlegte die von Ihnen bis heute vertretene Behauptung der SWP, „Healy und seine Genossen“ hätten „nicht die geringsten Beweise, Dokumente oder Zeugenaussagen vorgelegt, um ihre verleumderischen Anschuldigungen gegen Hansen und Novack zu untermauern“.[12]

Bevor er 1979 aus der SWP ausgeschlossen wurde und seine Klage einreichte, hatte Gelfand über ein Jahr lang versucht, von Jack Barnes, dem Nationalen Sekretär der SWP, und anderen Parteiführern eine faktisch belegte, schlüssige Erklärung für die belastenden Dokumente zu erhalten, die das Internationale Komitee veröffentlicht hatte. Diese Erklärung blieb aus. Stattdessen verwies man Gelfand auf das Education Bulletin der SWP mit dem Titel „Healys große Lüge“. Darin, behauptete die SWP fälschlicherweise, würden alle vom Internationalen Komitee aufgeworfenen Fragen beantwortet. Tatsächlich beantwortete dieses Bulletin gar nichts, wie jeder feststellen konnte, der es sorgfältig las. Sie, Frau Weissman, gaben sich offenbar damit zufrieden, dass die SWP keine glaubwürdige Antwort auf die Beweise gab, die Sylvia Caldwell als Agentin und Joseph Hansen als FBI-Informanten entlarvten. Gelfand tat es nicht.

In einem Brief an das Nationalkomitee der SWP vom 26. März 1978 befasste sich Gelfand sorgfältig mit den vom Internationalen Komitee entdeckten Dokumenten und Beweisen. Er legte dem Nationalkomitee drei Fragen vor:

1. War Sylvia Franklin, die persönliche Sekretärin von James P. Cannon, eine Agentin der GPU?

2. Hatte die SWP Joseph Hansen 1938 autorisiert, persönlich in Kontakt mit der GPU zu treten?

3. Hatte die SWP Joseph Hansen 1940 autorisiert, sich mit dem FBI zu treffen?[13]

Gelfand, ein erfahrener Rechtsanwalt, ergänzte jede Frage mit einer detaillierten Übersicht über die dokumentarischen Beweise, die das Internationale Komitee vorgelegt hatte. Am Schluss seines Briefes schrieb er:

Ich bin überzeugt, dass ein objektiver Leser meines Briefes zu dem Schluss gelangt, dass Sylvia Franklin eine GPU-Agentin war, und dass Joseph Hansens Beziehungen zur GPU und zum FBI zumindest äußerst fragwürdig waren und sofort und erschöpfend untersucht werden müssen.[14]

Am Ende seines Briefs erhob Gelfand zwei Forderungen:

Dass Joseph Hansen eine vollständige Darlegung seiner Beziehung zur GPU und zum FBI verlangt wird, und dass er der Partei sämtliche Dateien, Memos, Manuskripte, Briefe oder andere Korrespondenz aushändigt, die sich in seinem Besitz oder unter seiner Obhut befinden.[15]

Am 7. April 1978 schrieb Larry Seigle im Auftrag des Politischen Komitees der SWP an Gelfand und warnte ihn:

Du hast uns um unserer Meinung gefragt, wie Du mit Deinen Anschuldigungen gegen Joe Hansen weiter vorgehen kannst. Die Antwort auf diese Frage ist einfach. Die Partei kann und wird in ihren Reihen keine Agentenhatz dulden. Wir werden nicht hinnehmen, dass Du die Verleumdungen der Healyisten wiederholst.[16]

Aus Seigles Brief geht deutlich hervor, dass die Führung der SWP die vom Internationalen Komitee veröffentlichten Beweise nicht beantworten und widerlegen konnte. Ihre einzige Reaktion bestand darin, jenen, die eine Antwort suchten, mit dem Ausschluss aus der SWP zu drohen.

Am 18. Dezember 1978 reichte Gelfand beim Bundesgericht einen Amicus-Curiae-Schriftsatz ein. Er forderte, dass der US-Generalstaatsanwalt „die Namen aller heutigen und früheren Informanten in der SWP preisgibt“.[17]. Kaum einen Monat später, am 11. Januar 1979, reagierte das Politische Komitee der SWP auf diese politisch prinzipielle Forderung mit dem Ausschluss Gelfands aus der SWP. In einer öffentlichen Erklärung der SWP-Führung vom Juli 1979 schrieb Seigle, der Ausschluss Gelfands sei „seit langem überfällig“.[18]

Obwohl Gelfands Fragen zur Unterwanderung der Socialist Workers Party vollständig bestätigt worden sind, verleumden Sie ihn bis heute. Erlauben Sie mir deshalb, Sie auf einige unstrittige Tatsachen hinzuweisen:

Erstens: Die Venona-Papiere und die Dokumente, die nach der Auflösung der Sowjetunion zugänglich wurden, haben bestätigt, dass Robert Sheldon Harte – den Hansen und Novack in den höchsten Tönen gelobt und als unschuldiges Opfer von „Healys großer Lüge“ bezeichnet hatten – von der GPU angeworben worden und am Anschlag auf Trotzki vom 24. Mai 1940 beteiligt gewesen war:

Archivmaterial des KGB, das Wassili Mitrochin in den Westen brachte, hat bestätigt, dass Harte gemeinsame Sache mit den Angreifern machte. In einer 1997 in Russland erschienenen Geschichte des KGB heißt es, Harte habe bereitwillig das Tor geöffnet und sei mit den Angreifern verschwunden. Er sei von der New Yorker Abteilung rekrutiert worden und habe den Decknamen „Cupid“ erhalten.[19]

Die Fragen über Harte, die das Internationale Komitee erstmals in „Wie die GPU Trotzki ermordete“ aufwarf und derentwegen es von Hansen und Novack heftig verunglimpft wurde, waren also vollkommen berechtigt. Sheldon Harte wird übrigens in Ihren Artikeln in Critique nicht erwähnt.

Zweitens: Es steht fest, dass Sylvia Caldwell Agentin der GPU war. Gelfand erreichte mit seiner Klage, dass ihre Aussage vor einer Grand Jury aus dem Jahr 1958 freigegeben wurde. Darin gibt sie zu, dass sie als stalinistische Spionin in der SWP tätig war. Selbst Sie haben schließlich anerkannt, dass sie eine Agentin war. Im Critique-Artikel schreiben Sie:

Mike Cort, auch unter dem Namen Floyd Cleveland Miller bekannt, wurde zum wichtigsten Agenten des KGB in der SWP, zusammen mit Sylvia Callen, die für James Cannon als Sekretärin arbeitete. Diese Stellung verschaffte ihr Zugang zu internen Dokumenten und Informationen über die Aktivitäten der SWP. Sylvia hieß in der trotzkistischen Bewegung Caldwell. Sie war allerdings auch unter den Nachnamen ihrer Ehemänner bekannt, Zalmond Franklin (ebenfalls ein Agent) und später James Doxsee. Im Venona-Funkverkehr wurde sie Satyr genannt. Sie versorgte ihren Führungsoffizier Jack Soble vom NKWD regelmäßig mit maschinengeschriebenen Berichten über die Fraktionskämpfe in der SWP, bat aber ständig darum, von diesen Aufgaben entbunden zu werden, weil sie sie nervös machten. Unter der Leitung von Soble übernahm dann Joseph Katz die Verantwortug für Cort und Caldwell.[20]

Die Venona-Papiere – Abschriften entschlüsselter sowjetischer Spionageberichte, die die US-Regierung nach der Auflösung der UdSSR freigab – fügten wenig Neues zu den Erkenntnissen hinzu, welche die Untersuchung „Sicherheit und die Vierte Internationale“ und Alan Gelfands Rechtsstreit bereits Jahre zuvor zutage gefördert hatten. Ich hatte Caldwell im Mai 1977 in Wheaton, Illinois ausfindig gemacht und festgestellt, dass ihr neuer Ehename Sylvia Doxsee lautete. Im März 1983, ganz am Ende des Gelfand-Prozesses, gab Richterin Marianna Pfaelzer gegen den erbitterten Widerstand der Socialist Workers Party die Abschrift der Aussage von Doxsee vor der Grand Jury frei. Der Anwalt der SWP und erst recht der Nationale Sekretär Jack Barnes waren davon offensichtlich überrascht. Weniger als eine Stunde vor der Freigabe hatte Barnes bekräftigt, wie sehr er Sylvia Franklin bewunderte. Der folgende Wortwechsel zwischen Gelfands Anwalt und Barnes fand am 9. März 1983 in öffentlicher Sitzung statt:

Frage: Waren Sie zu dem Zeitpunkt, an dem Sie Gelfands Brief erhielten, der Meinung, es gebe keinerlei Hinweise, dass Sylvia Franklin Agentin der GPU war?

Barnes: Alles Beweismaterial zeigt das Gegenteil. Ihr gesamtes Auftreten, nicht nur während ihrer Zeit in der Bewegung, sondern alles, was sich seit ihrem Weggang ereignete, zeigt, dass sie das ist, was sie immer war: ein loyales, hart arbeitendes, vorbildliches Mitglied unserer Bewegung.

Frage: Das ist auch heute noch Ihre Meinung?

Barnes: Nun, heute denke ich, dass sie, nach allem was sie in den letzten Jahren durchgemacht hat, zu meinen Heldinnen zählt. Ich bin sogar noch stärker von ihr eingenommen, von ihrem Charakter, als damals.[21]

Drittens: Aus einem Dokument, das Gelfand im Laufe der Ermittlungen erhielt, ging hervor, dass Louis Budenz, der Sylvia Caldwell enttarnt hatte, auch Joseph Hansen als GPU-Agenten bezeichnet hatte. In einem privaten Brief vom 8. Juni 1976 an Joseph Hansen erinnerte sich dessen Freund Vaughn T. O’Brien an folgendes bedeutendes Ereignis:

Vor einigen Jahren, in den späten 40er oder Anfang der 50er Jahre (ich erinnere mich nur dunkel an den Zeitpunkt, aber genau an den Ort: Second Avenue und Seventeenth Street in New York City) traf ich auf der Straße Pearl Kluger. Pearl hatte im Büro des Amerikanischen Komitees zur Verteidigung Leo Trotzkis als Sekretärin gearbeitet und stand ursprünglich, glaube ich, in Verbindung mit A. J. Muste und Louis Bundenz [sic] in der alten American Workers Party. Ich hatte Pearl schon ziemlich lange nicht mehr gesehen, aber sie platzte gleich heraus: „Budenz sagt, Dein Freund Joe Hansen hat für die GPU gearbeitet.“[22]

Sylvia Caldwell (Franklin, Doxsee), 1977 von David North fotografiert

O’Briens Brief zeigte endlich, warum Hansen und die SWP Sylvia Caldwell unermüdlich als „beispielhafte“ Genossin verteidigt hatten, obwohl die Beweise, dass sie GPU-KGB-Spionin war, bereits vor der Veröffentlichung der Grand-Jury-Protokolle von 1958 und der Venona-Papiere überwältigend waren; und weshalb sie Budenz immer wieder des Meineids bezichtigt hatten. Budenz hatte nicht nur Caldwell, sondern auch Hansen enttarnt. Hätte die SWP akzeptiert, dass Budenz’ Vorwürfe gegen Caldwell zutrafen, hätte dies unweigerlich auch ernsthafte Fragen über Hansens Rolle aufgeworfen. Dass Budenz Hansen niemals öffentlich als Agenten entlarvte, hätte zudem zwangsläufig den Verdacht erweckt, dass das FBI sein Veto dagegen eingelegt hatte, weil ihm Hansen seit 1940 als wichtiger Informant diente.

Am 15. April 1983, fünf Wochen nach Ende des Gelfand-Prozesses, erfuhren die Mitglieder der SWP aus der Parteizeitung The Militant zum ersten Mal, was die Führer der SWP schon seit Jahren gewusst hatten: dass Budenz „mehrere SWP-Mitglieder als sowjetische Agenten bezeichnet hatte, darunter Joseph Hansen, ein wichtiger Führer der SWP bis zu seinem Tod 1979“. Das Wort „mehrere“ zeigt, dass die Liste von GPU-Agenten innerhalb der SWP mehr Namen enthielt, als die von Hansen und Caldwell. Trotz diesem erstaunlichen öffentlichen Eingeständnis, das die Untersuchung „Sicherheit und die Vierte Internationale“ und die Bemühungen Alan Gelfands vollauf bestätigte, entschieden die SWP-Führer, Caldwell weiterhin in Schutz zu nehmen. Nur einen Tag nach dem verheerenden Eingeständnis im Militant machte Larry Seigle dem Politischen Komitee der SWP folgenden Vorschlag:

Und schließlich sollten wir einen Artikel über die Haltung der Partei zu den Anschuldigungen gegen Sylvia Caldwell schreiben. Der Artikel sollte der Partei und der internationalen Bewegung unsere politische Auffassung erklären, dass die Partei die Verantwortung hat, sich gegen „snitch-jacket“ Operationen im Cointelpro-Stil[23] zu verteidigen, wie sie jetzt gegen Sylvia Caldwell und die SWP ausgeführt werden. Besonders wichtig ist es, jenen, die es nie gelernt oder vergessen haben, die Verantwortung der Führung der revolutionären Arbeiterpartei zu erklären, unterschiedslos alle Mitglieder loyal gegen solche Verleumdungskampagnen zu verteidigen.[24]

Das Protokoll der Sitzung des Politischen Komitees vermerkt, dass ein Antrag, „die von Seigle skizzierte Linie für den Artikel über Sylvia Caldwell anzunehmen“, einstimmig verabschiedet wurde. Diese „Linie“ fand sich auch im Bericht von Jack Barnes an das Nationale Komitee der SWP vom Mai 1983 wieder, der am 5. August 1983 im Militant veröffentlicht wurde. Barnes lobte darin Caldwell als „Genossin“. Er sagte dem Nationalen Komitee:

Wie wir wissen, wurde Sylvia vom FBI-Provokateur und Spitzel Louis Budenz in den Schmutz gezogen. In den Jahren der Hexenjagd wurde sie vom FBI ständig verfolgt. Sie wurde vor eine Grand Jury des Bundes gezerrt, die sich – wie jene, die die Rosenbergs anklagte – mit sowjetischer „Spionage“ in den 1950er Jahren befasste. Und nun ist sie der Fortsetzung dieser Kampagne durch die WL-WRP ausgesetzt, die so ihre Störmanöver gegen unsere Bewegung hier und international weiterführen.

Barnes behauptete dann, das Protokoll der Grand Jury sei eine Fälschung. „Das ist die perfekte falsche Anschuldigung – ein offizielles Protokoll, in dem die Frau unter Eid selbst sagt, sie habe die Dinge getan, derer sie beschuldigt wird.“ Das Nationale Komitee akzeptierte die verzweifelten und grotesken Behauptungen von Barnes widerspruchslos .

4. „Für die vorliegende Arbeit ist von Bedeutung, dass es Gelfand 1982 gelang, Zborowski unter Eid zu vernehmen. Zborowski hielt Gelfand und seinen Anwalt zum Narren und beantwortete nur Fragen nach seinem Namen, seinem Geburtsort und ob er Geschwister habe. Die Klage wurde schließlich abgewiesen. Zborowski erwies sich wieder einmal als Meister darin, nichts preiszugeben. Er berief sich auf sein Aussageverweigerungsrecht und machte seine Fragesteller lächerlich.“

Dieser Absatz verzerrt und verfälscht vollkommen, was juristisch tatsächlich geschah. Zborowski hielt niemanden zum Narren. Das geht eindeutig aus dem juristischen Verlauf von Gelfands Bemühungen hervor, Zborowski unter Eid zu vernehmen. Am 1. Februar 1982 gewährte Richterin Pfaelzer Gelfand 90 Tage Zeit, Beweise zu beschaffen, während der er Zeugen unter Eid befragen durfte, um für den Fall relevante Informationen zu bekommen. Gelfands Anwälte luden Zborowski vor. Die SWP stellte beim Gericht sofort einen Antrag, um Zborowskis Vorladung zu blockieren. In seiner eigenen eidesstattlichen Aussage im März 1982 gab Jack Barnes für diese Intervention der SWP zugunsten Zborowskis eine außergewöhnliche Begründung.

Frage: Ist es Ihre Aufgabe, Agenten der GPU zu schützen?

Barnes: Meine Aufgabe ist es, die Rechte amerikanischer Bürger durch den Kampf und die Arbeit unserer Bewegung zu schützen und die Rechte unserer Partei zu verteidigen, wenn sie angegriffen werden.

Frage: Werden die Rechte Ihrer Partei angegriffen, wenn im Rahmen des Gesetzes die Aktivitäten der GPU innerhalb Ihrer Bewegung untersucht werden?

Barnes: Wenn Individuen von Organisationen schikaniert werden, deren einziges Ziel es ist, sie zu schikanieren, dann werden ihre Rechte beeinträchtigt. Sie erwähnten vorhin Herrn Zborowski. Er hat unter Eid ausgesagt, dass er mit Agenturen in Verbindung stand, die unserer Bewegung fremd sind. Selbst Herr Zborowski hat die gleichen Rechte wie jeder andere Bürger dieses Landes.[25]

Es ging nicht darum, ob Zborowski Rechte hat, sondern ob er gezwungen werden sollte, in einer rechtmäßigen Vernehmung unter Eid über seine Rolle als stalinistischer Agent auszusagen. Gelfands Anwälte reagierten auf den Versuch der SWP, die Vernehmung Zborowskis zu verhindern, indem sie in einem Schriftsatz vom 12. März 1982 die Bedeutung von Zborowskis Zeugenaussage erklärten.

Herr Zborowskis eidesstattliche Vernehmung wird wertvolle Hinweise auf den Charakter der GPU-Aktivitäten in der amerikanischen trotzkistischen Bewegung geben. Er wird nach den Namen seiner Kollaborateure in dieser Bewegung und seinen eigenen Aktivitäten innerhalb der SWP befragt werden. Aufgrund seiner Laufbahn in der Vierten Internationale kann Herr Zborowski einen entscheidenden Einblick in die Aktivitäten von GPU-Agenten und ihren Modus Operandi geben. Diese Frage ist für die Bewertung der heutigen Aktivitäten der SWP-Angeklagten von großer Bedeutung. Die Bedeutung von Herrn Zborowskis eidesstattlicher Aussage liegt auf der Hand. Angesichts seiner Geschichte als Spion in der trotzkistischen Bewegung ist es wirklich sonderbar, dass die Beklagten der SWP seine Aussage durch eine Schutzanordnung des Gerichts zu seinen Gunsten blockieren wollen.[26]

Richterin Pfaelzer lehnte die Anträge der SWP ab, und Zborowskis eidesstattliche Vernehmung begann am 15. April 1982. Endlich sollte dieser Mörder durch einen Anwalt vernommen werden, der die trotzkistische Bewegung vertrat. Jeder Sozialist hätte dies aus vollem Herzen begrüßt. Doch für die Socialist Workers Party, die Zborowskis Vernehmung hatte verhindern wollen, war sie eine Bedrohung. Rechtsanwalt James Larson, der Mark Zborowski vertrat, arbeitete eng mit Anwälten der SWP zusammen, um die Befragung Zborowskis zu beenden. Die US-Regierung zeigte großes Interesse für die Vernehmung. In Vertretung von CIA-Direktor William Casey, FBI-Direktor William Webster und Generalstaatsanwalt William French Smith war eine Anwältin der Regierung, Linda Cromwell, bei der Vernehmung anwesend. John Burton befragte Mark Zborowski als Anwalt von Alan Gelfand.

Nachdem er Angaben zu seiner Person gemacht hatte, wurde Zborowski gefragt, wann er Russland verlassen habe. Er antwortete: „Auf Anraten meines Anwaltes verweigere ich die Aussage, weil die Antwort mein Recht, mich nicht selbst zu belasten, verletzen könnte.“ Er berief sich bei allen weiteren Fragen Burtons auf dieses Recht, auch bei folgender wichtigen Frage:

Frage: Wenn ich Ihnen Fragen stellte über die Umstände Ihrer Einreise in die USA im Dezember 1941, würden Sie dann dieselbe Antwort geben?

Zborowski: Ja.

Wie Sie wissen, Frau Weissman, konnte Zborowski aus dem profaschistischen Vichy-Frankreich fliehen und in die USA einreisen, weil Lola Dallin und George Novack außerordentliche Anstrengungen zu seinen Gunsten unternahmen. Eine Antwort auf diese Frage hätte Licht in Zborowskis Beziehung zu Lola Dallin gebracht. Arbeitete sie mit ihm bei seinen GPU-Aktivitäten zusammen? Gehörte George Novack einem Netzwerk stalinistischer Sympathisanten und Agenten in der SWP an?

Burton fragte Zborowski, ob er sich auch im weiteren Verlauf der Vernehmung auf sein Recht aus dem Fünften Verfassungszusatz, sich nicht selbst zu belasten, berufen werde.

Frage: Wenn ich sie nach Aktivitäten frage, die sie möglicherweise vom Zeitpunkt Ihrer Einreise in die Vereinigten Staaten bis in die Jahre 1954 und 1955 im Auftrag der sowjetischen Geheimpolizei innerhalb der trotzkistischen Bewegung und der Socialist Workers Party der Vereinigten Staaten ausübten, würden Sie dieselbe Antwort geben?

Zborowski: Ja.

Frage: Wenn ich Sie frage, was sie möglicherweise aus persönlicher Kenntnis oder vom Hörensagen über den internationalen Apparat der sowjetischen Geheimpolizei in der trotzkistischen Bewegung seit 1930 wissen, würden Sie dieselbe Antwort geben?

Zborowski: Ja.[27]

Weshalb schreiben Sie, Zborowski habe „Gelfand und seinen Anwalt zum Narren“ gehalten, weil er sich auf Anraten seines Rechtsbeistands auf sein Recht, sich nicht selbst zu belasten, aus dem Fünften Verfassungszusatz berief? Wieso machte dieses feige Schweigen „seine Fragesteller lächerlich“? Im Rahmen des gesamten Rechtsstreits betrachtet stützte Zborowskis Weigerung, Fragen zu beantworten, weil seine Aussage zu einem Prozess gegen ihn führen könnte, Gelfands Vorwurf, die Socialist Workers Party sei auf hoher Ebene vom Staat unterwandert.

Mark Zborowski und seine Frau in San Francisco, 1975

Gelfands Anwälte versuchten, Zborowski gerichtlich zur Aussage zu zwingen. Die Anhörung zu ihrer Einlassung gegen Zborowskis Berufung auf den Fünften Verfassungszusatz fand am 4. Januar 1983 vor dem Amtsrichter am Bezirksgericht J. Steele Langford statt. Der Amtsrichter beantwortete John Burtons Einlassung mit dem Hinweis auf eine neue Rechtslage, wonach es strafbar sei, Informationen preiszugeben, die zur Enttarnung von staatlichen Agenten führen könnten.

Gericht: Warum sollte das Gericht Herr Zborowskis Haltung, sich nicht selbst zu belasten, nicht akzeptieren?

Burton: Euer Ehren, wir –

Gericht: – Schließlich sollen durch seine Aussage, wenn ich das richtig verstehe, verschiedene Personen identifiziert werden, die in der Socialist Workers Party als verdeckte Agenten, vielleicht als Agenten des Geheimdienstes der Vereinigten Staaten, aktiv sind oder waren?

Burton: Das ist der Grund für unsere Klage, Euer Ehren, das zu beweisen, und genau das wollen wir in dem Prozess am 1. März erreichen. Sind Sie der Meinung, dass das den Intelligence Identities Protection Act verletzt?

Gericht: Ja.[28]

Amtsrichter Langford entschied zugunsten von Zborowski mit der Begründung, er könnte strafrechtlich verfolgt werden, falls seine Aussage zur Entlarvung von Agenten in den Reihen der SWP führe.

Ich habe den Eindruck, dass Herr Zborowski aufgrund des Charakters dieses Falles möglicherwiese Gefahr laufen würde, Paragraph 601 (a) der Verordnung Protection of Certain National Security Information zu verletzen, die dieses Jahr Gesetzeskraft erlangt hat, wenn er gefragt würde, namentlich, durch Beschreibung oder auf andere Weise etwas zu identifizieren, was zur Enttarnung von Geheimdienstagenten führen könnte, die vielleicht in dieser Socialist Workers Party aktiv sind.[29]

Zborowski hielt Gelfand und seinen Anwalt nicht zum Narren und machte sie auch nicht lächerlich. Er wurde nach einer zähen juristischen Auseinandersetzung und dank der Unterstützung der Socialist Workers Party durch ein neues Bundesgesetz, das die Identifizierung von Agenten unter Strafe stellt, davor bewahrt, ihre Fragen beantworten zu müssen. So verstrich die letzte und einzige Möglichkeit der trotzkistischen Bewegung, Mark Zborowski zu befragen.

In einem Brief, den sie am 1. März 1997 an Albert Glotzer schrieben, beklagen Sie sich: „Ich versuchte Zborowski mehrere Male zu sehen und rief ihn mindestens viermal an, ehe er starb, aber er legte jedes Mal auf oder schlug mir die Tür vor der Nase zu. Das Schwein!“ Ihre Empörung war fehl am Platze. Weshalb waren Sie überrascht, Frau Weissman? Glaubten Sie wirklich, dass Zborowski, ein stalinistischer Agent mit Blut an den Händen, mit Ihnen in angenehmer und informativer Atmosphäre über seine Morde plaudern würde? Glaubten Sie, er werde Ihnen sein Herz ausschütten und Ihr Verständnis suchen? Mit Ihren naiven Annäherungsversuchen an Zborowski sind Sie es, die sich lächerlich macht.

Zweiunddreißig Jahre sind seit dem Ende des Gelfand-Prozesses vergangen. In den letzten Jahren haben Sie sich als Wissenschaftlerin vermarktet, die unermüdlich danach strebt, die Wahrheit über die Rolle von Mark Zborowski aufzudecken. Sie haben in ermattetem Ton geschrieben, Sie hätten sich „durch ein regelrechtes Labyrinth der archivarischen Zensur und Dokumentation hindurch verhandeln“ müssen. Überheblich verkünden Sie: „Geheimnisse zu lüften ist niemals leicht.“ Erzählen Sie das Alan Gelfand und dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale, Frau Weissman! Statt sich dafür zu schämen, dass sie die Lügen und Vertuschungsmanöver von Hansen, Novack und Barnes unterstützt haben, setzen Sie diese fort.

Abschließend fordere ich Sie erneut auf, die verleumderischen Entstellungen und unwahren Behauptungen im Postskript Ihres Artikels über Mark Zborowski öffentlich zurückzunehmen.

Hochachtungsvoll,

David North
Nationaler Vorsitzender der Socialist Equality Party (USA)
Leiter der Internationalen Redaktion der World Socialist Web Site

Anmerkungen

[1] Critique: Journal of Socialist Theory, Volume 43, No. 2, pp. 189-209

[2] Siehe u.a.: Herbert Romerstein und Eric Breindel,The Venona Secrets: Exposing Soviet Espionage and American Traitors; Harvey Klehr, John Earl Haynes und Alexander Vassiliev,Spies: The Rise and Fall of the KGB in America

[3] Critique,op. cit, S. 209

[4] Brief an Albert Glotzer vom 13. Dezember 1996

[5] Ebd.

[6] How the GPU Murdered Trotsky, London: New Park, 1981, S. 217-218

[7] Healys Big Lie: The Slander Campaign Against Joseph Hansen, George Novack, and the Fourth International, New York: National Education Department, 1976, S. 13

[8] Ebd. S. 9

[9] Ebd., S. 9-11

[10] Die Texte dieser Dokumente finden sich in: The Gelfand Case, Volume 1, New York: Labor Publications, 1985, S. 7-30

[11] Ebd., S. 21

[12] Healys Big Lie, S. 63

[13] The Gelfand Case, Volume 1, S. 52-70

[14] Ebd., S. 69

[15] Ebd., S. 70

[16] Ebd., S. 74

[17] Ebd., S. 91

[18] Ebd., S. 103

[19] Harvey Klehr, John Earl Haynes, Alexander Vassiliev: Spies: The Rise and Fall of the KGB in America, Kindle Locations 7502-7505, Kindle Edition

[20] Critique, op. cit., S. 192

[21] The Gelfand Case, Volume 2, S. 635

[22] Ebd., S. 651

[23] Im Rahmen des Programms Cointelpro hatte das FBI zwischen 1956 und 1971 politische Organisationen systematisch unterwandert und manipuliert. Eine seiner Techniken, snitch-jacketing, die Seigle hier anspricht, bestand darin, dass Agenten andere Mitglieder in den Verdacht brachten, sie seien Informanten, um so Unfrieden zu stiften.

[24] SWP Political Committee Meeting No. 8, April 16, 1983

[25] The Gelfand Case, Volume 2, S. 422

[26] The Gelfand Case, Volume 1, S. 152-153

[27] The Gelfand Case, Volume 2, S. 434-435

[28] Ebd., S. 465-466

[29] Ebd., S. 469

Loading