F.A.Z. und CDU-Politiker fordern Atomwaffen

Der deutsche Militarismus nimmt immer aggressivere Formen an. Nachdem der Bundestag am Freitag beschlossen hat, den Militärhaushalt in den kommenden Jahren massiv aufzustocken, beginnt nun eine Diskussion über die atomare Bewaffnung der Bundeswehr.

In der Montagsausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung fordert Mitherausgeber Berthold Kohler unter dem Titel „Das ganz und gar Undenkbare“, der neue Außenminister müsse „die deutsche Außenpolitik einer Revision unterziehen, insbesondere was deren sicherheitspolitische Aspekte angeht“. Ein „schlichtes ‚Weiter so‘ entlang der bekannten Pfade“ dürfe es nicht geben.

Die neuen „Pfade“, die Kohler beschreiten will, bestehen in „höhere[n] Ausgaben für die Verteidigung“, der „Wiederbelebung der Wehrpflicht“ und auch im für „deutsche Hirne ganz und gar Undenkbare[n], d[er] Frage einer eigenen nuklearen Abschreckungsfähigkeit“.

Kohlers Forderung verdeutlicht, was hinter dem Rücken der Bevölkerung intensiv diskutiert und vorbereitet wird. Vor wenigen Tagen hatte bereits der CDU-Außen- und Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters den Aufbau einer europäischen atomaren Abschreckung gefordert und dabei vor allem den Ausbau der französischen und britischen Atomwaffen ins Spiel gebracht.

Die F.A.Z. geht nun einen Schritt weiter. Laut Kohler sind die „französischen und britischen Arsenale […] in ihrem gegenwärtigen Zustand zu schwach“. Wie bereits der Spiegel vor den US-Wahlen erhebt er die Forderung nach eigenen deutschen Atomwaffen und begründet dies mit dem angeblichen „Rückzug Amerikas aus der Welt“, der unter dem künftigen Präsidenten Trump weitergehen und China und Russland ermutigen werde, „ihre Herrschaftsgebiete und Einflusszonen auszudehnen“.

In Wirklichkeit ist es der deutsche Imperialismus, der 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs seine Herrschaftsgebiete und Einflusszonen ausdehnen will.

In einem Interview mit der Welt am Sonntag preist auch Präsident Gauck, der mit seiner Rede zum Tag der deutschen Einheit 2013 die außenpolitische Wende eingeleitet hatte, die gegenwärtige Aufrüstungsoffensive als „sinnvoll“. Deutschland müsse sich mit der Frage auseinandersetzen, „was passiert, wenn Amerika sich vor allem mit sich selbst beschäftigt“, erklärt Gauck.

Auf die Frage, wer „denn künftig die Rolle der Führungsmacht der freien westlichen Welt übernehmen“ solle, erwidert der frühere Pastor: „Dann wird mehr Verantwortung auf Europa und damit auch auf Deutschland zukommen. Übrigens: In fast allen Ländern, die ich in den vergangenen vier Jahren bereist habe, wurde mir der Wunsch nach einer größeren Rolle Deutschlands in der Welt entgegengebracht.“ Es sei deshalb „gut, wenn wir ‚Ja‘ sagen zu dieser Rolle“.

Als die deutsche herrschende Klasse das letzte Mal „Ja“ zu „einer größeren Rolle Deutschlands in der Welt“ sagte, beging sie die schlimmsten Verbrechen in der Geschichte der Menschheit. Wenn sie jetzt von eigenen Atomsprengköpfen träumt – Waffen, die in der Lage sind, den gesamten Planeten zu vernichten – muss das ernst genommen werden.

Bereits in den 1950er Jahren hatte die konservative Bundesregierung unter Kanzler Konrad Adenauer (CDU) und Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) eigene deutsche Atomwaffen verlangt. Doch sie musste nach Massenprotesten zurückrudern.

Als Adenauer am 5. April 1957 provokativ erklärte, taktische Atomwaffen seien „nichts weiter als die Weiterentwicklung der Artillerie“, entwickelte sich heftiger Widerstand, dem sich auch einflussreiche Wissenschaftler anschlossen. Am 12. April 1957 kam es zur berühmten Göttinger Erklärung gegen die angestrebte nukleare Aufrüstung der Bundeswehr, die unter anderem von den Nobelpreisträgern Otto Hahn, Max Born und Werner Heisenberg unterzeichnet wurde.

„Glauben Sie mir“, erklärte Adenauer wenige Wochen später kleinlaut vor dem CDU-Bundesvorstand, „die Angst vor der Atombombe ist etwas Emotionales, und dieses Emotionalen Herr zu werden, nachdem das deutsche Volk diesen letzten Krieg hat über sich ergehen lassen müssen, wird sehr schwer sein.“

Seitdem hat der Widerstand gegen Militarismus und Krieg in Deutschland sogar noch zugenommen. Waren 1957 bei Umfragen 67 Prozent der Bundesbürger gegen Atomwaffen, ist es heute nahezu jeder. Im April ermittelte eine von der IPPNW (Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges) in Auftrag gegebene Forsa-Umfrage, dass 93 Prozent der Bevölkerung der Meinung sind, Atomwaffen sollten, ähnlich wie Chemie- und Biowaffen, völkerrechtlich verboten werden.

Anders als damals gibt es heute jedoch keine Gruppe von prominenten Wissenschaftlern, die bereit wäre, gegen die deutsche Aufrüstung zu protestieren. Der Kampf gegen Krieg muss von der Arbeiterklasse ausgehen, die als revolutionäre gesellschaftliche Kraft alle fortschrittlichen Teile der Bevölkerung hinter sich vereint. Die zentrale Aufgabe, die sich stellt, ist der Aufbau einer neuen Antikriegsbewegung auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms, bevor die herrschende Klasse ihre Aufrüstungs- und Kriegspläne umsetzen kann.

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