Der ehemalige Vorsitzende der österreichischen Grünen, Alexander Van der Bellen, hat die österreichische Bundespräsidentenwahl gegen seinen Kontrahenten Norbert Hofer von der rechtsextremen Freiheitlichen Partei (FPÖ) gewonnen. Der 72-jährige Van der Bellen erzielte laut Hochrechnung 53,3 Prozent der Stimmen, Hofer nur 46,7 Prozent. Die Hochrechnung berücksichtigt auch die 700.000 Briefwahlstimmen, die erst am Montag ausgezählt werden.
Van der Bellens Vorsprung ist damit wesentlich höher als im Mai, als der die Stichwahl zum höchsten Staatsamt mit 50,4 zu 46,7 Prozent gewann. Damals hatte die FPÖ die Wahl aufgrund von Unregelmäßigkeiten erfolgreich angefochten. Ein weiterer Wahltermin am 2. Oktober wurde verschoben, weil Umschläge für die Briefwahl nicht richtig klebten und eine erneute Anfechtung befürchtet werden musste. Diesmal gestand FPÖ-Kandidat Hofer seine Niederlage bereits eine halbe Stunde nach Schließung der letzten Wahllokale ein und gratulierte Van der Bellen zu seinem Sieg.
Grund für den eindeutigen Erfolg Van der Bellens war eine um zwei Prozent erhöhte Wahlbeteiligung von rund 75 Prozent und eine merkliche Gegenbewegung gegen Hofer. Vor allem jüngere Wähler in den Städten stimmten diesmal für Van der Bellen. In der Hauptstadt Wien, wo fast jeder fünfte Österreicher lebt, erhielt der Grüne 65 Prozent der Stimmen und damit 1,6 Punkte mehr als bei der ersten Stichwahl. Auch zahlreiche Wähler, die sich bei der letzten Wahl der Stimme enthalten hatten, machten diesmal ihr Kreuz bei Van der Bellen, um den rechtsradikalen Kandidaten zu verhindern.
Die Wahl in Österreich galt europaweit als Test, ob der Wahlerfolg von Donald Trump in den USA den Ultrarechten in Europa weiteren Auftrieb verleihen würde. Zumindest in Österreich scheint nun das Gegenteil eingetreten zu sein. 30 Prozent der Wähler Van der Bellens gaben an, sie hätten für ihn gestimmt, um einen Rechtsruck zu verhindern.
Viele führende europäische Politiker äußerten sich erleichtert über den österreichischen Wahlausgang. Der deutsche SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel twitterte: „Sieg der Vernunft“ und „Mir fällt ein Stein vom Herzen.“ Der französische Ministerpräsident Manuel Valls und voraussichtliche Präsidentschaftskandidat der Sozialistischen Partei schrieb: „Der Populismus ist kein unabwendbares Schicksal für Europa.“
Hofer verkörpert in der Tat extrem rechte, nationalistische Positionen, obwohl er im Wahlkampf zeitweise versuchte, sich als moderater bürgerlicher Politiker darzustellen. Er ist Mitglied der Burschenschaft „Marko Germania“, die das Nachkriegs-Österreich für eine „geschichtswidrige Fiktion“ hält. Immer wieder trug er die blaue Kornblume am Revers – sie war das Erkennungszeichen der Nazis in Österreich, als diese in den dreißiger Jahren verboten waren.
Der österreichische Bundespräsident hat zwar weitgehend repräsentative Funktionen. Die Verfassung gibt ihm aber das Recht, die Regierung eigenmächtig entlassen, und Hofer hatte im Wahlkampf damit gedroht, anders als alle seine bisherigen Vorgänger die Tradition des zurückhaltenden Stils an der Staatsspitze aufzugeben.
Hofer und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hetzten im Wahlkampf gegen Flüchtlinge und attackierten die Europäische Union. Hofer bedankte sich bei den rechten Regierungen im Balkangebiet für die Abriegelung der Flüchtlingsrouten, forderte eine rasche Abschiebung von Flüchtlingen aus Österreich und verlangte den Ausschluss ausländischer Arbeiter aus dem Sozialsystem.
Van der Bellens Wahlerfolg bedeutet aber keineswegs ein Ende der Angriffe auf Flüchtlinge und die arbeitende Bevölkerung, im Gegenteil. Der ehemalige Grünen-Vorsitzende wurde von der Mehrheit der wirtschaftlichen und politischen Eliten des Landes und Europas unterstützt, weil sie davon ausgehen, dass sich ihre verhasste Kürzungs- und Sparpolitik unter Van der Bellen leichter durchführen lässt.
Die Sozialdemokraten (SPÖ) und die konservative Volkspartei (ÖVP), die in Wien gemeinsam regieren und in den letzten siebzig Jahren alle Bundespräsidenten stellten, unterstützten mehrheitlich Van der Bellen, nachdem ihre eigenen Kandidaten bereits in der Vorrunde ausgeschieden waren. Sie haben der FPÖ mit ihrer arbeiterfeindlichen Politik den Weg geebnet und werden dies auch weiter tun.
Van der Bellen selbst ist im Lauf des elfmonatigen Wahlkampfs deutlich nach rechts gerückt. Noch vor wenigen Tagen hatte er bekräftigt, Österreich könne keine “Wirtschaftsflüchtlinge” aufnehmen. Er ist außerdem ein vehementer Verteidiger der Europäischen Union und ihrer Austeritätspolitik.
Gleichzeitig löst die Wahl Van der Bellens keines der Probleme, die zum Aufstieg der FPÖ geführt haben. Beide Regierungsparteien der großen Koalition sind tief gespalten. Ein Teil der ÖVP trat für die Wahl Hofers ein. Ebenso gibt es in der ÖVP einen starken Flügel, der für die Auflösung der jetzigen Koalition und Neuwahlen steht. Gleichzeitig wird am Stuhl von Parteichef Mitterlehner gesägt. Immer mehr Parteigrößen sprechen sich für den notorisch rechten Außenminister Sebastian Kurz aus.
Auch die Sozialdemokraten (SPÖ) unter Kanzler Christian Kern haben sich rasch nach rechts orientiert. Wenige Tage vor der Bundespräsidentenwahl hat die SPÖ den Weg für eine Zusammenarbeit mit der FPÖ frei gemacht. Van der Bellen begrüßte die mögliche Zusammenarbeit von SPÖ und FPÖ.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es bereits vor dem regulären Wahltermin im Oktober 2018 zur Neuwahl des Parlaments kommt, ist groß. Der Wiener Standard bemerkte unter dem Titel „Nach der Wahl ist vor der Wahl“: „Die Bundesregierung wird nicht halten. Die beiden Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP bereiten sich auf alle Eventualitäten vor.“
In den jüngsten Umfragen ist die FPÖ mit über 30 Prozent der Stimmen mit Abstand stärkste Partei. Sie würde nach einer Wahl voraussichtlich den Kanzler stellen. Van der Bellen würde dem nicht im Wege stehen.