Seit Monaten stößt man in fast jeder größeren Stadt in Deutschland auf Werbeplakate, die die Verdienste der Armee anpreisen und zur Verpflichtung aufrufen. An vielen Bus-, S- oder U-Bahnhöfen, sowie vor Schulen, Universitäten und Oberstufenzentren wirbt die Bundeswehr mit provokativen Slogans wie „Mach was wirklich zählt“ oder „Krisenherde löscht du nicht mit Abwarten und Teetrinken“.
Die Werbeoffensive ist Bestandteil der Rückkehr des deutschen Militarismus, die Präsident Gauck und die Bundesregierung auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 verkündet haben. Seitdem arbeitet das Verteidigungsministerium fieberhaft daran, wieder eine schlagkräftige Armee zu schaffen und neue Soldaten für die Kriegseinsätze im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika zu rekrutieren.
Anfang Dezember stellte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die neue „Personalstrategie der Bundeswehr“ vor. Es gehe darum „Frauen und Männer mit der richtigen Qualifikation zur richtigen Zeit am richtigen Ort [zu] haben“, hieß es in ihrem Tagesbefehl. Und weiter: „Damit stellen wir die personelle Einsatzbereitschaft sicher, erfüllen in einem breiten, wechselvollen Einsatzspektrum unsere Aufträge und ermöglichen eine angemessene sicherheitspolitische Rolle Deutschlands“.
Seit der Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht am 1. Juli 2011 hat die Bundeswehr große Nachwuchsprobleme. So klagte der Wehrbeauftragte des Bundestags Hans-Peter Bartels jüngst im Handelsblatt: „Im Juni 2016 hatten wir die kleinste Bundeswehr aller Zeiten.“
Um diesem Trend entgegenzuwirken, wirbt die Bundeswehr vor allem unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Allein im Jahr 2015 hat das Verteidigungsministerium 35,2 Millionen Euro für Nachwuchswerbung ausgegeben. Das sind ganze 23,2 Millionen mehr als noch im Jahr 2010, kurz vor der Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht. Die Kosten für die Nachwuchswerbung haben sich somit nahezu verdreifacht.
Sogenannte Jugendoffiziere gehen an Schulen, um Jugendliche für den Wehrdienst anzuwerben. Sie stellen ihnen dabei eine sichere Lebensgrundlage sowie eine Ausbildung oder ein Studium in Aussicht. Angebote, die auf Grund der sozialen Krise und der miserablen Situation auf dem Arbeitsmarkt durchaus verlockend klingen. Selbst vor Kindern macht die Bundeswehr nicht halt. Als Bilder vom diesjährigen „Tag der Bundeswehr“ veröffentlicht wurden, auf denen Kinder zu sehen sind, die von freundlich lächelnden Soldaten den Umgang mit einem Sturmgewehr gezeigt bekommen, löste dies eine Welle von Protesten aus.
Ein Blick auf die Website der Bundeswehr unterstreicht, dass die Armee ganz gezielt unter Jugendlichen wirbt. Bereits 14-Jährigen wird ein Schülerpraktikum von zwei bis drei Wochen angeboten, und dies sowohl im „zivilen Bereich“ als auch „bei den Streitkräften“. Die Praktikumsplätze befänden sich „in der Regel in militärischen Einrichtungen und die Kollegen auf Zeit sind zu einem großen Teil Soldaten, sodass unsere Praktikanten genügend Gelegenheit haben, Eindrücke über den Arbeitgeber Bundeswehr zu gewinnen“.
Das Deutsche Bündnis Kindersoldaten, dem u.a. Amnesty International und UNICEF Deutschland angehören, kritisiert regelmäßig die Praxis der Bundesregierung, Minderjährige zu rekrutieren. In seinem „Schattenbericht Kindersoldaten“ aus dem Jahr 2013 warnte es: „Es erscheint möglich, dass die Zahl Minderjähriger bei der Bundeswehr zunehmen wird. Die Bundeswehr unternimmt umfassende Werbemaßnahmen, die vermehrt gerade auf Jugendliche zielen.“
Genau dies ist seitdem passiert. Die Zahl der Minderjährigen, die an der Waffe ausgebildet werden, steigt stetig. Traten im Jahr 2010 noch 496 Minderjährige in die Bundeswehr ein, wurden allein diesem Jahr bereits 1576 Minderjährige rekrutiert.
Das Herzstück der Rekrutierungskampagne unter Jugendlichen bildet die neue Webserie „Die Rekruten“. Sie erscheint an fünf Tagen die Woche mit einer neuen Folge auf „Youtube“ und dokumentiert drei Monate lang die Ausbildung zwölf junger Rekruten. 1,7 Millionen Euro hat sich die Bundeswehr die Serie kosten lassen. Hinzu kommen weitere 6,2 Millionen für Werbung auf Facebook und in anderen sozialen Medien und Netzwerken.
Stellenweise erinnert die Serie an die „Doku-Soaps“, die auf einigen Privatsendern zu sehen sind. Unterlegt mit Musik und witzig gemachten Einspielern wird der Alltag der „Rekruten“ nahezu als Abenteuerurlaub mit sportlichen Herausforderungen dargestellt. Während es in den ersten Folgen vor allem um Disziplin und das harte Soldatenleben geht, wird die Armee insgesamt als eine „coole Truppe“ präsentiert, in der alle zusammenhalten und sich unterstützen. Passend dazu der Werbespruch: „Was sind schon 1.000 Freunde im Netz, gegen einen Kameraden?“
Doch all dies kann nicht darüber hinwegtäuschen, wozu die Ausbildung eigentlich dient: eine neue Generation soll in den Auslandseinsätzen der Bundeswehr für die Interessen des deutschen Imperialismus kämpfen und notfalls auch sterben. Während von der Leyen sich mit der angeblich großen Resonanz auf ihre Kampagne brüstet, wächst die Opposition vor allem unter jungen Arbeitern und Studierenden.
Auf „Youtube“ zirkulieren viele Videos, die die Bundeswehr-Serie kommentieren und kritisch hinterfragen. Eine vom „Peng! Collective“ gestaltete Website, die für einen Tag die Bundeswehr-Kampagne medienwirksam kaperte, lag mit über 150.000 Aufrufen bei Suchanfragen schnell vor der offiziellen Kampagnen-Site der Bundeswehr. Auf der täuschend echt nachgestellten Website wurden die Berufsvorschläge der Bundeswehr durch „Arzt“, „Lehrer“, oder „Flüchtlingshelfer“ ersetzt und die Werbesprüche durch Sätze wie „Dein Leben für die Mächtigen“ und „Der Krieg kann dich zerstören“.
Auch an den Universitäten stößt die Kampagne auf wachsenden Widerstand. An der Uni Hamburg hat der offizielle Protest des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) dazu geführt, dass das Studierendenwerk die Bundeswehr-Werbung in den Mensen nicht mehr schaltet.
Ende November hat sich das Studierendenparlament (StuPa) der Berliner Humboldt-Universität gegen die Bundeswehr-Werbung an ihrer Uni ausgesprochen. Die Hochschulgruppe der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) an der HU hatte einen entsprechenden Antrag eingebracht. Der vom Parlament mit großer Mehrheit angenommene Text besagt: „Das Studierendenparlament lehnt jede Form der Werbung für die Bundeswehr an unserer Hochschule ab und fordert das Studentenwerk Berlin und die Universitätsleitung auf, keine Werbemaßnahmen der Bundeswehr auf dem Campus der HU zuzulassen.“