Diese Woche in der Russischen Revolution

26. Juni – 2. Juli: Auf Großdemonstration in Petrograd dominieren Parolen der Bolschewiki

Die Provisorische Regierung beginnt eine neue Militäroffensive an der Ostfront. Die Menschewiki und Sozialrevolutionäre im Petrograder Sowjet versuchen vergeblich, zu verhindern, dass auf einer Demonstration von hunderttauenden Arbeitern die Forderungen der Bolschewiki (Frieden, Brot, Land) dominieren. Der Sowjet hat selbst zu der Demonstration aufgerufen. Die populärsten Parolen der Bolschewiki lauten: „Nieder mit den zehn Minister-Kapitalisten!“, Nieder mit der Offensive!“ und „Alle Macht den Sowjets!“

London, 26. Juni: Bericht enthüllt horrende Bedingungen für Soldaten

Britischer Soldat im Mesopotamien-Krieg hilft einem halbverhungerten türkischen Soldaten

Die Mesopotamien-Kommission veröffentlicht ihren Bericht über das anfängliche Misslingen des britischen Feldzugs in der Region. Die Kommission wurde im März 1916 eingerichtet, nachdem indische Einheiten unter britischem Kommando bei Kut-al-Amara in Mesopotamien besiegt worden waren. In dem Bericht wird die Verantwortung für die Niederlage General John Nixon zugeschoben. Seine Entscheidung, auf Bagdad vorzurücken, habe sich verheerend ausgewirkt.

Im November 1914 war ein indisches Expeditionskorps in die Golfregion geschickt worden, nachdem die britische Regierung dem Osmanischen Reich den Krieg erklärt hatte. Anfangs sollten nur die Raffinerien, Pipelines und andere Einrichtungen der Anglo-Persian Oil Company geschützt werden. Doch es ging immer auch um weitreichendere Ziele.

Deutschland hatte seine Präsenz im Osmanischen Reich erweitert und mit dem Bau der Bagdad-Bahn seine Handelsbeziehungen in der Region ausgeweitet. Großbritannien fürchtete, dass seine Kolonialherrschaft über Indien, das Kronjuwel des globalen Empires, untergraben würde, wenn es nicht gelänge, die deutsch–osmanische Kontrolle zurückzudrängen.

Die indischen Soldaten stießen rasch vor und nahmen Basra und Kut-al-Amara ein. Aber dann befahl Nixon das Vorrücken auf Bagdad, das mehrere hundert Kilometer weiter nördlich liegt. Verstärkte türkische Truppen stoppten den Vormarsch und besiegten die britischen und indischen Einheiten bei Kut, wo sich im April 1916 über 13.000 Soldaten ergaben.

Der Bericht der Mesopotamien-Kommission weist auf den völlig unzureichenden Lebensmittelnachschub hin. Von 208 Tonnen Lebensmitteln, die die Truppe benötigte, konnten im November 1915 nur 150 Tonnen beschafft werden. Im April 1916 stieg der Bedarf auf 598 Tonnen, von denen nur 259 Tonnen zur Verfügung standen.

General Nixon wird zum Sündenbock gemacht, um von den umfassenden britischen Ambitionen in der Region abzulenken, denen das Vorrücken auf Bagdad in Wirklichkeit vollkommen entspricht. Im März 1917 haben britische Truppen die Stadt denn auch eingenommen. Bis zum Kriegsende werden die Kämpfe sich noch bis Baku im Norden ausdehnen, weil die Londoner Regierung verzweifelt versucht, ihre vorherrschende Stellung zu bewahren.

Berlin, 26. Juni: Sozialdemokraten unterstützen deutschen Anspruch auf Elsass-Lothringen

Ausschnitt aus Karte des deutschen Kaiserreichs, 1871–1918. Elsass-Lothringen ist die rosa markierte Region unten links

Die deutschen Mehrheitssozialdemokraten (MSPD) veröffentlichen im Vorwärts ein Memorandum ihrer Delegation auf der „Stockholmer Friedenskonferenz“. Sie stellen sich darin in allen Punkten, auch im Konflikt um Elsass-Lothringen, hinter die Kriegsziele des Kaisers und seiner Obersten Heeresleitung.

Die wirkliche Rolle dieser „Friedenskonferenz“ wird damit deutlich: Die Sozialdemokraten versuchen, Druck auf ihre Regierungen auszuüben, damit sie den Krieg zu den für sie günstigsten Bedingungen beenden können. Für den deutschen Imperialismus könnte ein Frieden „ohne Annexionen und Kriegsreparationszahlungen“ recht vorteilhaft sein. Erstens zeichnet sich vor allem seit dem Eingreifen der USA eine katastrophale militärische Niederlage ab. Zweitens wäre der „Verzicht“ auf Reparationszahlungen für die Länder, die der deutsche Imperialismus verwüstet hat, ein unschätzbarer Vorteil. Drittens sehen die MSPD wie auch die deutsche Regierung darin einen Weg, die bei einer militärischen Niederlage drohenden revolutionären Aufstände im Inneren des Reiches zu vermeiden.

Wie Lenin und Rosa Luxemburg vorausgesehen haben, sehen die Delegierten ihre Aufgabe darin, im Auftrag ihrer jeweiligen Regierung Vorverhandlungen für ein solches betrügerisches Friedensabkommen zu führen. Ihr Ziel ist die Rückkehr zum Status Quo, d.h. zu den imperialistischen Verhältnissen von vor 1914 – aber doch nicht ohne für die eigene herrschende Klasse diesen oder jenen Gebietsvorteil herauszuschlagen. Kein Wunder, dass Elsass-Lothringen zum größten Zankapfel in Stockholm wird. Die französischen Delegierten verlangen aus dem fernen Paris von den deutschen Delegierten ultimativ die Rückgabe Elsass-Lothringens an Frankreich. Sie sind in Stockholm nicht persönlich dabei, weil die französische Regierung ihnen das Visum verweigert hat. So verdingen sich die niederländischen Delegierten als Laufburschen, über die die beiden stockfeindlichen „Sozialisten“ ihre Forderungen und wütenden Antworten austauschen.

Philipp Scheidemann erklärt in Stockholm kategorisch: „Elsass-Lothringen war nie ein selbständiges Staatswesen. Ethnographisch 9/10 – deutsch. Kein historisches Recht für Frankreich auf diese Gebiete.“ Eduard David ergänzt, die Elsass-Lothringen-Frage sei „eine innerdeutsche Angelegenheit“.

Elsass-Lothringen war am Ende des Deutsch-Französischen Kriegs von 1870–1871 vom siegreichen Deutschen Reich als Beute gewaltsam einverleibt worden, obwohl sich die Mehrheit der elsässischen Bevölkerung 1871 zu Frankreich und den Zielen der Französischen Revolution bekannt hatte. Friedrich Engels hatte, wie auch Karl Marx, die Annexion 1871 durch Deutschland scharf verurteilt, weil sie unweigerlich zu einem neuen Krieg führen würde. 1892 hatte Engels davor gewarnt, die Frage anders als durch die Machtergreifung des Proletariats in Deutschland, Frankreich und England lösen zu wollen.

Petrograd, 27. Juni (14. Juni): Bolschewiki bereiten sich auf Demonstration des Sowjets vor

Martin Latsis, bolschewistischer Führer im Wyborg-Bezirk von Petrograd.

Die Prawda gibt bekannt, dass die Bolschewiki sich an der Demonstration vom 1. Juli (18. Juni), die der Sowjet von Petrograd organisiert, beteiligen wollen, aber dass sie unter ihren eigenen Parolen marschieren werden. Wie Sinowjew erklärt, planen die Bolschewiki eine „Demonstration in der Demonstration“.

Am 12. (25.) Juni haben die Menschewiki und Sozialrevolutionäre in der Sowjetführung ihrerseits die Bolschewiki in Abwesenheit dafür verurteilt, dass sie für den 10. (23) Juni eine Demonstration angekündigt hatten (die dann nicht stattfand). Auf der gleichen Sitzung fühlte sich der Sowjet bemüßigt, für den 18. Juni eine eigene Demonstration anzukündigen.

In der Vorbereitung auf diesen Marsch organisieren die Bolschewiki „eine geschickte politische Kampagne in einem Land, in dem die Kunst der politischen Massenkampagne relativ unbekannt war“, wie der Historiker Alexander Rabinowitch schreibt. Hunderte erfahrene Agitatoren, die sich wegen des Sowjetkongresses und der Konferenz der bolschewistischen Militärorganisation in Petrograd aufhalten, besuchen Fabriken und Militärstützpunkte in der Stadt. Latsis, ein führender Bolschewik im Industrieviertel Wyborg, schreibt am 15. (28.) Juni in sein Tagebuch: „Intensive Vorbereitungen für die Demonstration. Heute hatten wir ein Meeting von Fabrikdelegierten, auf dem der Beschluss gefasst wurde, dass wir unter denselben Parolen marschieren wollen, die ursprünglich für die abgesagte Demonstration vorgesehen waren.“ Am nächsten Tag schreibt er: „Die Vorbereitungen laufen gut: In allen Fabriken und Armeeeinheiten nehmen Massenversammlungen unsere Parolen an.“

In einem Bericht an den Kriegsminister Kerenski warnt General P.A. Polowtsew, dass sich unter Bedingungen wachsender Unzufriedenheit mit der Provisorischen Regierung eine zunehmende Polarisierung bei den Massen bemerkbar mache: „In dieser Situation ist trotz der getroffenen Maßnahmen nicht auszuschließen, dass die bevorstehende grandiose Demonstration nicht unerwünschte Formen annehmen wird.“

(Beide Zitate aus Alexander Rabinowitch, „Prelude to Revolution“, Indiana Press 1991, S. 105, aus dem Englischen)

Petrograd, 30. Juni (17. Juni): Geheimtreffen Koltschaks mit amerikanischen Diplomaten

Bolschewistische Karikatur von 1919: Koltschak und seine Unterstützer

Alexander Koltschak hält ein geheimes Treffen mit zwei Amerikanern ab: Senator Elihu Root und Admiral James H. Glennon. Beide sind Teilnehmer der diplomatischen Mission in Russland, die sicherstellen soll, dass das ehemalige Zarenreich weiter im Großen Krieg verbleibt. Als Vorwand für das Geheimtreffen dient eine Diskussion über nautische Technik, um Minen und U-Boot-Angriffe abzuwehren.

Glennon fragt Koltschak: „Was halten Sie davon, wenn ich die Regierung darum bitten würde, Sie nach Amerika zu schicken? Denn das Studium dieser Frage benötigt einige Zeit, und wir müssen in wenigen Tagen abreisen.“

Alexander Koltschak ist ein hochdekorierter Marineadmiral und Polarforscher. In monarchistischen und reaktionären Kreisen, wo tiefe Ressentiments gegen die Sozialisten in Petrograd vorherrschen, wächst die Beliebtheit dieses Adligen und überzeugten Autokraten. Kerenski bewilligt Koltschak die vorgeschlagene Amerikamission. Koltschaks Reise wird ihn nach London führen, wo er den Ersten Seelord, Flottenadmiral John Jellicoe, kennenlernt, und dann nach New York, bis er schließlich via Japan nach Russland zurückkehrt.

Nach seiner Rückkehr wird sich Koltschak zum obersten Herrscher proklamieren und über den Weißen Terror in Ostrussland befehligen, wobei seine Einheiten sich durch völkermörderische Grausamkeit gegen die Revolution auszeichnen: Sie verbrennen ihre Opfer bei lebendigem Leib, legen Dörfer in Schutt und Asche, wenden brutale Folter, Massenvergewaltigungen und Auspeitschungen an. Trotzki wird Koltschak später als „die Verkörperung aller bisherigen Ungerechtigkeit im russischen Leben“ bezeichnen. Sein Ziel war es, „das ganze Land in ein schreckliches Arbeitslager zu verwandeln, in dem die Schließer und Henker die Ausbeuter wären … und die Gefangenen die Arbeiter und Bauern“.

Perth, Schottland, 30. Juni: Entlassung des Sozialisten und Antikriegskämpfers John MacLean aus dem Gefängnis

MacLean vor einem britischen Gericht wegen seiner Unterstützung der russischen Revolution, 1918

Die britischen Behörden beschließen, den Sozialisten John MacLean freizulassen, da die Demonstrationen für seine Freilassung immer größer werden. Er hat vierzehn Monate einer dreijährigen Haftstrafe wegen Aufruhr verbüßt.

MacLean, ein Befürworter der sozialistischen Revolution, bekämpft den Krieg schon seit seinem Ausbruch 1914 und ist deshalb aufgrund der Ausnahmegesetze des Defence of the Realm Act wegen Agitation gegen den Krieg schon zweimal verhaftet worden.

MacLean ist Mitglied der britischen Socialist Party seit ihrer Gründung 1911. Er hat sich auch im Arbeiterkomitee von Clyde (CWC) stark engagiert. Dieses Komitee ist aus einem Lohnstreik von Munitionsarbeitern im Februar 1915 entstanden, als die Gewerkschaft Amalgamated Society of Engineers (ASE) sich ausdrücklich weigerte, den Streik zu unterstützen. Seither hat das Komitee sich in der Glasgower Schwerindustrie zum Organisationszentrum entwickelt. Dort ist die Antikriegsstimmung in der Arbeiterklasse sehr stark. Auch andere CWC-Aktivisten wie Willy Gallacher sind schon wegen ihrer Ablehnung des Kriegs verhaftet worden.

Im September 1914 ist MacLean gegen diejenigen in der Sozialdemokratischen Föderation (SDF) aufgetreten, die sich auf die Seite des britischen Imperialismus stellten. Über den Kriegsausbruch hat er in der SDF-Zeitung Justice folgendes geschrieben:

Selbst angenommen, Deutschland sei wirklich schuld: Die treibende Kraft sind nicht die Ambitionen des Kaisers, noch die brutale Gesinnung der preußischen Militaristen, sondern der Profit der räuberischen Klasse Deutschlands. Die koloniale Ausdehnung war Deutschland verwehrt, weil sich die Briten, die Russen und die Franzosen die meisten zugänglichen Gebiete der Welt schon angeeignet hatten. Was konnten die Deutschen anderes tun, als eine Armee und Marine auszurüsten, um es mit allen aufzunehmen? Und das tut das Land schon seit einer Generation. Es ist bloße Heuchelei, über deutschen Militarismus zu reden, solange Großbritannien im Marine-Business weltführend ist.

Petrograd, 1. Juli (18. Juni): Parolen der Bolschewiki beherrschen die vom Sowjet ausgerufene Demonstration

Newski-Prospekt, Hauptstraße von Petrograd

Ab neun Uhr morgens demonstrieren Soldaten und Fabrikarbeiter auf dem Newski-Prospekt, der Hauptstraße Petrograds, unter den Klängen der Arbeitermarseillaise. Die Demonstration schwillt rasch auf 400.000 Teilnehmer an.

Trotzki wird sie später in seiner „Geschichte der Russischen Revolution“ so beschreiben:

Die auf dem Marsfeld versammelten Sowjetdelegierten lasen und zählten die Plakate. Die ersten bolschewistischen Parolen wurden halb ironisch aufgenommen. Hatte doch Zeretelli am Vorabend seine Herausforderung so zuversichtlich hingeworfen. Doch die gleichen Parolen wiederholten sich fortwährend. „Nieder mit den zehn Minister-Kapitalisten“, „Nieder mit der Offensive“, „Alle Macht den Sowjets“ – das ironische Lächeln erstarrte auf den Gesichtern, um später völlig zu verschwinden. Die bolschewistischen Banner nahmen kein Ende. Die Delegierten gaben das undankbare Zählen auf. Der Sieg der Bolschewiki war zu offensichtlich. „Ab und zu“, schreibt Suchanow, „wurde die Kette der bolschewistischen Banner und Kolonnen durch spezifisch sozialrevolutionäre oder offizielle Sowjetparolen unterbrochen. Sie gingen aber in der Masse unter.“ Der Sowjet-Offiziosus berichtete am nächsten Tag, mit welcher „Wut man hie und da Banner mit den Parolen des Vertrauens für die Provisorische Regierung in Stücke zerriss“.

So groß ist der Einfluss der Bolschewiki, dass der Kadett Pawel Miljukow später in seinen Memoiren vermerken wird: „Selbst in einer Demonstration, die der Regierung wohlgesonnen war, war es schlicht unmöglich, offen zur Unterstützung der Koalitionsregierung aufzutreten.“

Trotzki schildert den wachsenden Einfluss der Bolschewiki unter den Petrograder Massen:

Gewiss hatten nicht alle Arbeiter und Soldaten der Hauptstadt an der Demonstration teilgenommen, und nicht alle Demonstranten waren Bolschewiki. Aber schon wollte keiner von ihnen die Koalition. Jene Arbeiter, die dem Bolschewismus noch feindlich gegenüberstanden, wussten ihm nichts entgegenzustellen. Das allein verwandelte ihre Feindseligkeit in abwartende Neutralität. Unter bolschewistischen Parolen marschierten nicht wenige Menschewiki und Sozialrevolutionäre, die mit ihren Parteien noch nicht gebrochen, aber den Glauben an deren Parolen bereits verloren hatten.

Die Demonstration vom 18. Juni übte einen gewaltigen Eindruck auf ihre Teilnehmer aus. Die Massen erkannten, dass der Bolschewismus eine Macht geworden war, und die Schwankenden fühlten sich von ihm angezogen. In Moskau, Kiew, Charkow, Jekaterinoslaw und vielen anderen Provinzstädten enthüllten die Demonstrationen das ungeheure Anwachsen des Einflusses der Bolschewiki. Überall wurden die gleichen Losungen aufgestellt, und sie trafen das Februarregime mitten ins Herz.

Galizien, 1. Juli (18. Juni): Offensive der russischen Armee

Russische Gefangene nach den Kämpfen nahe Tarnopol (Polen)

Während hunderttausende Arbeiter und Soldaten in Petrograd gegen den Krieg der Provisorischen Regierung demonstrieren, rücken der Angriff der russischen Siebten und Elften Armee auf die galizische Stadt Lemberg (auch Lwiw oder Lwow) vor, die unter österreichischer Herrschaft steht. Die russische Öffentlichkeit wird erst am nächsten Tag über den Beginn der Offensive in Kenntnis gesetzt. Die Provisorische Regierung hofft, Einfluss auf die wachsende gesellschaftliche Unzufriedenheit im Land zu nehmen, die Moral der Soldaten zu heben und vor dem Eingreifen der amerikanischen Soldaten den Druck von der Westfront zu nehmen.

In den Städten nehmen die Kleinbürger und Vertreter der Oberklassen die Offensive begeistert auf und brechen erneut in Patriotismus aus. Die Führung des Petrograder Sowjets hat dem Vorgehen des Kriegsministers Kerenski am 25. Juni (12. Juni) zugestimmt. Außer der bolschewistischen Prawda unterstützen sämtliche Zeitungen die Offensive, aber unter Soldaten und Fabrikarbeitern ist sie zutiefst verhasst.

Butte (Montana) und Bisbee (Arizona), 1. Juli: IWW-Streik legt amerikanische Kupferproduktion lahm

Ein Streik unter Führung der Metallgrubengewerkschaft Metal Mine Workers Industrial Union, einer Abteilung der kämpferischen Industrial Workers of the World (IWW), hat die Kupferbergwerke von Montana, Arizona und Alaska zum Erliegen gebracht. Bestreikt werden auch Hüttengesellschaften in Utah und Zinkminen in Montana. Der Streik betrifft einige der größten Kupferkonzerne der USA, darunter Anaconda in Butte, Phelps Dodge in Bisbee (Arizona) und Kennecott in Alaska.

Die Streiks „bedrohen die Regierungspläne“, schreibt die New York Times, „die eine große Menge Kupfer für die Kriegswaffenproduktion beschaffen muss“. Die Times vermutet deutsche Machenschaften. Der Streik, so behauptet ihr Informant, „geht von deutschen Quellen aus und wird mit deutschem Geld bezahlt“. Charles Spalding Thomas, ein Demokrat aus Colorado, bringt sogar im US-Senat den Verdacht auf, dass Deutschland und Österreich hinter dem Streik stecken könnten.

Petrograd, 2. Juli (19. Juni): Provisorische Regierung lässt die Villa Durnowo räumen

Villa Durnowo in den 1880er Jahren

Um drei Uhr früh dringen Polizeikräfte der Provisorischen Regierung in die Villa Durnowo ein, die im Wyborger Bezirk von Petrograd liegt, und in der sich seit der Februarrevolution Anarchisten einquartiert haben.

Die Razzia ist eine Reaktion darauf, dass am Tag zuvor Kaustow, der Herausgeber der Zeitung der Bolschewistischen Militärorganisation, aus dem Wyborger Gefängnis entlassen wurde. Von der Demonstration in der Innenstadt hat sich eine Gruppe radikaler Arbeiter und Soldaten abgetrennt und ist nachmittags um drei zum Gefängnis marschiert, um die sofortige Freilassung Kaustows zu verlangen, der seit dem 22. Juni (9. Juni) inhaftiert ist. Die Menge von 1500 bis 2000 Menschen erzwingt seine Freilassung mit vorgehaltener Waffe.

Kaustow, ein Offizier der Siebten Armee, ist den Bolschewiki 1917 beigetreten und hat sich, in Raskolnikows Worten, „eine instinktive Neigung zum Anarchismus und zur Rebellion“ bewahrt.

Die Razzia in der Villa Durnowo provoziert bei den Arbeitern und Soldaten des Vyborger Bezirks von Petrograd einen erneuten Ausbruch von Streiks und Protesten, die auch auf andere Industriezentren übergreifen.

East St. Louis, 2. Juli: Rassistisches Pogrom fordert zahlreiche Todesopfer

Während des Aufruhrs steigt aus East St. Louis Rauch auf

Ein rassistischer Mob bringt zahlreiche Afroamerikaner brutal um. Die Industriestadt East St. Louis ist ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt in Süd-Illinois. Hier stehen eine Menge Soldaten und Polizisten untätig daneben, als Häuser und Geschäfte in Flammen aufgehen, und die Schwarzen auf der Straße zu Tode geprügelt oder erschossen werden. Die meisten von ihnen sind erst vor kurzem aus dem amerikanischen Süden zugewandert.

Die Zerstörung ist so durchgreifend – und die Vertreibung der Afroamerikaner so radikal – dass man niemals feststellen wird, wie viele Menschen zu Tode kommen. Die Schätzungen reichen von 40 bis zu weit über 200 Personen. Schwarze, die aus brennenden Häusern fliehen, werden mit Äxten niedergemetzelt. Das Feuer brennt noch bis in die frühen Morgenstunden des 3. Juli. Das ghettoartige „Black Valley“-Viertel wird völlig vernichtet, und auch weitere, von afroamerikanischen Migranten bewohnte Stadtteile entlang der Railroad Avenue werden zerstört.

Um 20 Uhr verhängt General Frank S. Dickson das Kriegsrecht. Über 500 weiße Aufrührer werden verhaftet. Hunderte Schwarze suchen im Rathaus Schutz.

Schon am 28. Mai hat ein „Rassenaufruhr“ stattgefunden, mehrere Schwarze getötet und viele Häuser zerstört. Seither kommt es immer wieder zu Übergriffen weißer Banden in East St. Louis. Der Pogrom vom 2. Juli bricht aus, nachdem schwarze Anwohner auf weiße Polizisten geschossen und zwei getötet haben, vielleicht im irrtümlichen Glauben, es seien weiße Bandenmitglieder.

Die ungezügelte Brutalität des Aufruhrs weist auf eine Beteiligung von Polizei und Militär hin. „Alle unvoreingenommenen Zeigen stimmen darin überein“, heißt es im St Louis Post-Dispatch, „dass die Polizei sich entweder gleichgültig und inaktiv verhalten oder die barbarischen Akte noch ermutigt hat. Auch der größte Teil der Nationalgarde war gleichgültig und inaktiv. Kein organisierter Versuch wurde unternommen, die Schwarzen zu schützen oder die Mörderbanden zu zerstreuen … Zehn entschlossene Polizisten hätten das Schlimmste verhüten können. Hundert Männer mit Autorität und Tatkraft hätten die Ausschreitungen ganz verhindern können.“

Der Große Krieg hat die amerikanische Industrie von ihrer gewohnten Quelle billiger Arbeitskraft abgeschnitten: der aus Europa vertriebenen Bauernschaft. An ihrer Stelle wandern Hunderttausende Afroamerikaner in einem Zug nach Norden, den man später die „Great Black Migration“ nennen wird. Sie fliehen vor der aufgezwungenen Naturalpacht, vor dem Lynchen und den Rassengesetzen („Jim Crow“-Gesetze) im Süden und schließen sich der multinationalen Arbeiterklasse im industriellen Norden an.

Im Gewerkschaftsdachverband American Federation of Labor sind sie nicht willkommen, und viele angeschlossene Gewerkschaften praktizieren rassistische Ausgrenzung. Auch die Demokratische Partei wird durch ihre langjährigen Verbindungen zur Südstaaten-Elite eine vorrangige Bastion des Rassismus im Norden.

Alle diese Elemente sind in East St. Louis präsent. Die vorwiegend Demokratischen Stadtpolitiker und der Central Labor Council versuchen den schwarzen Zuwanderern die Schuld an Übervölkerung und Lohnstagnation zu geben. Viele Schwarze arbeiten bei der Aluminium Ore Company oder bei der American Steel Company.

Athen, 2. Juli: Griechenland erklärt den Mittelmächten den Krieg

Das Triumvirat der Regierung der Nationalen Verteidigung: Venizelos, General Panagiotis Danglis und Admiral Pavlos Kountouriotis

Nach der Abdankung des deutsch-freundlichen Königs Konstantin I. Anfang Juni auf Druck Frankreichs und Großbritanniens kehrt der neu-bestellte griechische Premierminister Eleutherius Venizelos aus Athen zurück und gibt den Eintritt Griechenlands in den Ersten Weltkrieg bekannt.

Seit neun Monaten führt Venizelos schon eine Alternativregierung in Thessaloniki, die mit den Alliierten zusammenarbeitet. Die Kriegserklärung wird offiziell von König Alexander, Konstantins zweitem Sohn, verlesen. Dieser hat nach der Abdankung seines Vaters die Krone übernommen.

Venizelos, der die griechische Teilnahme am Krieg auf Seiten der Alliierten seit 1914 befürwortet, hat seine Pläne sorgfältig mit den Franzosen und Briten abgestimmt, die mehrere Monate lang eine Seeblockade gegen Griechenland aufrecht erhalten. Nach einem Ultimatum an Konstantin sind französische Gruppen im Isthmus von Korinth eingefallen, und weitere Alliierte sind an der griechischen Küste gelandet.

Die neue Regierung zwingt Konstantins Anhänger entweder ins Exil oder verhaftet sie und hält sie in Gefangenschaft.

Griechische Soldaten werden jetzt zu den britischen, französischen, italienischen und serbischen Kräften stoßen, die an der mazedonischen Front gegen die deutschen, österreich-ungarischen und bulgarischen Kräfte kämpfen. Athen wird neun Divisionen mobilisieren, um an den Kämpfen teilzunehmen, und schätzungsweise 5000 Griechen werden dabei den Tod finden.

Auch in dieser Woche: Anhaltende Streikwelle im Habsburger Reich

Munitionsherstellung in der Metallfabrik Enzensfeld südlich von Wien, 1917

Seit Mai hält in allen Industriezentren des Habsburger Reichs eine große Streikwelle ungebrochen an. Betroffen sind vor allem das imperiale Wien, Pilsen (Skoda-Werke), Ostrava (Metall- und Schwerindustrie im Osten Tschechiens) und die riesigen Munitionsfabriken in Steinfeld südlich von Wien. Die Streiks werden meist nicht von den Gewerkschaften geführt, da diese durch ihre Zusammenarbeit mit der Regierung diskreditiert sind, sondern von Streikkomitees in den Fabriken. Oder sie brechen auch ganz spontan und ohne erkennbare Organisatoren aus.

Der Stadtkommandant von Prag, Feldmarschallleutnant Eduard Zanantoni, notiert in diesen Tagen:

Vom 31. Mai [1917] an verging kein Monat mehr, in dem ich nicht manche böse und schwere Tage in Prag erlebt hätte. Streik folgte auf Streik, insbesondere bei den Metallarbeitern, denen vornehmlich auch die Erzeugung der Munition oblag. Wiederholt lagen alle Fabriken in Prag stille, und nur mit Gewalt konnten die Arbeiter zur Wiederaufnahme der Arbeit verhalten werden … ich hatte die Aufgabe, selbst mit Waffengewalt Ordnung zu schaffen, wenn es in den Fabriken drunter und drüber ging.

Die Arbeiter fordern den Achtstundentag, eine bessere Lebensmittelversorgung und höhere Löhne. Die Eisenbahner treten in den Ausstand, obwohl das Eisenbahnwesen militarisiert worden ist. Erst nach der Androhung schwerster Bestrafung wird der Streik abgebrochen. Aber die Streikwelle ist so gewaltig, dass selbst wiederholte drastische Streikverbote immer wirkungsloser bleiben. Die Armee geht dazu über, die Arbeiter regelrecht aus ihren Betten zu holen und gewaltsam zum Arbeitsplatz zu schleppen.

Zanantoni in seinem Tagebuch:

Dass eine Arbeit unter solchen Auspizien keine gedeihliche und ersprießliche sein konnte, ist selbstverständlich, deshalb war ich für solche Gewaltmaßnahmen nie recht zu haben und folgte nur dem höheren Befehle und nicht dem eigenen Triebe. So musste ich die Arbeiter wiederholt mit Gendarmerie und Militärpatrouillen zeitlich früh (5 Uhr) aus ihren Wohnungen holen und in die Fabriken abführen lassen. Welche umfassenden Detailverfügungen hierzu nötig waren, wird jeder ermessen können, der weiß, dass es sich immer um Tausende und aber Tausende von Arbeitern handelte, welche in den Vorstädten Prags und in den zuweilen auch recht entfernten Dörfern der Umgebung in Hunderten von Häusern wohnten. (Zitiert nach Manfried Rauchensteiner, „Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburger Monarchie“, Wien-Köln-Weimar 2013, S. 753–754)

Loading