Wie Reinhard Gehlen den BND zum Staat im Staat aufbaute

Der Süddeutschen Zeitung (SZ) sind über 100.000 Seiten Dokumente des ehemaligen Chefs des Bundesnachrichtendienstes (BND) Reinhard Gehlen (1902–1979) zugespielt worden. In der Ausgabe vom 1. Dezember 2017 berichten die Redakteure Uwe Ritzer und Willi Winkler auf vier Seiten über die Ergebnisse einer ersten Durchsicht dieses Fundes.

Das Archiv enthält Spitzelaufzeichnungen, politische „Lageberichte“, Dossiers über Politiker, Künstler und Persönlichkeiten aus der akademischen Welt, Korrespondenzen, persönliche Aufzeichnungen – alles bis dato unbekanntes, von keinem Historiker erschlossenes Material. Vieles davon scheinen historisch wertlose Schnipsel wie Quittungen zu Tagesausgaben, Kondolenzschreiben, Grußkarten zu sein, manches enthält jedoch brisante Informationen. Gehlen hatte alles im Laufe von zwei Jahrzehnten akribisch gesammelt, bei seiner Pensionierung im Jahr 1968 als Privatarchiv beiseitegeschafft und so für die Geheimhaltung auch nach seinem Tode gesorgt.

Das Material reichert altbekannte Fakten mit unzähligen Fotos, Filmaufnahmen, auf Mikrofilm aufgezeichneten Belegen, Namen und vielen Detailinformationen an. So geht laut SZ daraus hervor, wie und wo Gehlen, der als Leiter der Abteilung Fremde Heere Ost des Generalstabes des Heeres von Hitler mit der Sammlung von Information über das gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Innenleben des Kriegsgegners Sowjetunion beauftragt war, sich schon Wochen vor der Kapitulation auf „die Zeit danach“ vorbereitete.

Es zeigt, wie er mit seinen engsten Mitarbeitern die gesammelten Akten in den oberbayrischen Bergen als Faustpfand für seine persönlichen Verhandlungen mit den Siegermächten vergräbt; wie er kurz nach der Kapitulation seine „Expertenkenntnisse“ der US Army andient, willkommen geheißen und in die USA geflogen wird. Wie er dort einen Deal unterzeichnet, wonach er künftig im Auftrag der CIA in Deutschland einen Geheimdienst aufbauen und leiten soll. „Ohne biographischen Bruch“, schreiben die SZ-Autoren, sei Gehlen auf diese Weise „zu einem der mächtigsten Männer der Bundesrepublik“ aufgestiegen.

Transfergesellschaft für alte Nazis und rechtsradikale Wehrmachtsoffiziere

Dass Gehlen dabei mit Nazi-Verbrechern, Generälen und Offizieren der Wehrmacht und alten Kameraden der SS und des Nazi-Geheimdienstes SD zusammenarbeitete, ist nicht neu. Die Historikerkommission, die vor einigen Jahren zur Aufarbeitung der Geschichte des BND eingesetzt wurde, hat dazu schon Vieles zutage gefördert. Neu sind die Systematik und die schieren Ausmaße, mit denen er dies tat – und dabei von der Adenauer-Regierung aktiv unterstützt und gedeckt wurde.

Die SZ-Autoren selbst schreiben, dass die „Organisation Gehlen“, wie der BND vor 1956 genannt wurde, nach dem Zusammenbruch der Nazi-Diktatur „die beste denkbare Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Ex-Offiziere und alte Nazis“ darstellte. Ebenso passend wäre der Name „Transfergesellschaft“, wobei im Gegensatz zu den heutigen „Transfergesellschaften“ Gehlens Apparat nicht der Beförderung von Arbeiterinnen und Arbeitern in die Arbeitslosigkeit diente, sondern der bruchlosen Überführung des Repressionsapparates und seiner Mitglieder vom Dritten Reich in die Bundesrepublik Deutschland.

Unter Wahrung der räumlichen und örtlichen Kontinuität bezieht die Organisation Gehlen im Dezember 1947, also vor genau 70 Jahren, in der „Reichssiedlung Rudolf Heß“ Quartier, einem völlig abgeschiedenen NS-Villenviertel in der Gemeinde Pullach im Wald südlich von München.

Die alle und alles beseelende Triebkraft dieses Apparates sind der abgrundtiefe Hass auf den „Kommunismus“. Darunter versteht Gehlen nicht so sehr die stalinistischen Herrscher in der Sowjetunion und Osteuropa. Wie aus den Dokumenten ebenfalls hervorgeht, hilft er später seinem engen Vertrauten Berthold Beitz, dem Generalbevollmächtigten des Krupp-Konzerns, gegen Vorbehalte der Bundesregierung wirtschaftliche Kontakte in den Osten anzuknüpfen. Als Gegenleistung dient Beitz dem BND als Informant, indem er nach jedem Besuch ausführlich Bericht erstattet.

Unter „Kommunismus“ versteht Gehlens Apparat alles, was mit der Arbeiterklasse, ihren Organisationen, politischen Führern und Parteien, der Oktoberrevolution und der trotz der stalinistischen Entartung noch bestehende Sowjetunion zu tun hat – kurz alles, was schon Hitler in Mein Kampf pauschal als „Marxismus“ oder „Bolschewismus“ bezeichnet und zum Hauptfeind der Nationalsozialisten erklärt hat.

Dass Politiker oder Persönlichkeiten des kulturellen und wissenschaftlichen Lebens, die schon im Dritten Reich Gegner und Opfer des Nationalsozialismus waren, auch für die „Organisation Gehlen“ erste Zielscheiben der Jagd auf „Kommunisten“ sind, versteht sich da von selbst.

So findet sich in dem Archivmaterial ein sorgfältig geführtes Dossier über den Juristen und Politikwissenschaftler Wolfgang Abendroth, der 1933 als juristischen Referendar wegen seiner sozialistischen Gesinnung ein Berufsverbot erhält, einige Jahre später zu einem Strafbataillon der Wehrmacht eingezogen und im Krieg in Griechenland eingesetzt wird. Weil er dort desertiert ist und sich der griechischen Widerstandsbewegung angeschlossen hat und darüber hinaus 1947 auch noch als Dozent an die Universität Leipzig berufen wird, gehört er in die erste Reihe von Gehlens „Staatsfeinden“. Er wird von dessen Agenten umstellt, die Gehlen fleißig ihre Beobachtungen und Protokollnotizen schicken – wiederzufinden in den 100.000 Akten seines Privatarchivs.

Eine offene Frage ist, zu wie vielen anderen Fällen von Verfolgung und Drangsalierung von Nazi-Gegnern, Sozialisten und auch Trotzkisten durch den BND sich in dem Aktenberg Dokumente finden lassen.

„Unkontrollierter Mitregent der Bundesrepublik Deutschland“

Die wohl spektakulärste Entdeckung beim ersten Durchscannen des Archivmaterials sind die Belege dafür, dass der BND sehr frühzeitig einen Informanten und wohl auch Provokateur in der Führung der SPD eingepflanzt hat. Mit dessen Hilfe observiert er über Jahre hinweg sein prominentestes Opfer, den Parteivorsitzenden Willy Brandt, ab 1966 Außenminister der Großen Koalition und ab 1969 Bundeskanzler der Kleinen Koalition mit der FDP. Der Außenminister wird so vom eigenen Auslandsgeheimdienst observiert.

Der BND sammelt Fotos und anderes Material über Brandts Privatleben, das ihn erpressbar machen könnte – und mit dem er im Mai 1974 als Kanzler auch zur Strecke gebracht wird. Der BKA-Präsident Horst Herold lässt aus diesem Material ein Dossier zusammenstellen. Nach der Enttarnung des Kanzleramtsmitarbeiters Günter Guillaume und dessen Frau als DDR-Agenten wird dieses der FDP- und SPD-Führung sowie Willy Brandt vorgelegt, um dessen angebliche Erpressbarkeit zu beweisen und seinen Rücktritt als unausweichlich darzustellen.

Der BND weiß schon seit 1954 von der Rolle des Ehepaars Guillaume als DDR-Agenten, behält dieses Wissen jedoch für sich, um es 20 Jahre später dafür einzusetzen, mit dem Sturz Brandts eine entscheidende Wende in der westdeutschen Politik einzuleiten. Sein wichtigster Agent in der Spitze der SPD für diese Operationen „hinter den feindlichen Linien“ ist der SPD-Informationsdirektor (!) Fried Wesemann. Wie das Archivmaterial zeigt, übermittelt dieser Gehlen Informationen über die internen Diskussionen, Entscheidungen und Personalien der SPD-Führung und kann diese in seiner Position natürlich auch beeinflussen.

Diese Enthüllung ist nicht einfach eine weitere farbige Anekdote einer längst vergangenen Geschichte. Sie ist vielmehr eine ernste Warnung, welch tödlichen Gefahren für die Arbeiterklasse und ihre demokratischen Rechte heute vom BND ausgehen. Zu Recht ziehen die SZ-Autoren aus ihren Aktenfunden den Schluss: die Organisation Gehlen ist zum „unkontrollierten Mitregenten der Bundesrepublik aufgestiegen“. Sie ist ein Staat im Staat, gegründet und aufgebaut von hohen Funktionären und niedrigen Verbrechern des Nazi-Regimes, der seine Mitarbeiter, Agenten und Zuarbeiter ohne die Spur einer demokratischen Kontrolle für seine reaktionären Operationen der massenhaften Observierung, Provokationen, Repression und politischen Einflussnahme rekrutiert und trainiert.

Heute residiert der BND nicht mehr abgeschieden in einer bayrischen Waldsiedlung, sondern mitten in der Hauptstadt Berlin mit über 6.500 „Innendienstlern“ in einem neu erbauten Gebäudekomplex, das größer ist als Bundeskanzleramt und Bundestagsgebäude zusammen. Die Tausenden von Agenten im „Außendienst“ sind dabei nicht mitgezählt.

Und er entzieht sich weiterhin jeder Kontrolle. Erst gestern, am 8. Dezember, berichtete die SZ über einen 39 Seiten dicken, geheimen Bericht des „Unabhängigen Gremiums“ zur Kontrolle des BND, das im Frühjahr eingesetzt wurde, nachdem bekannt geworden war, dass der BND in Zusammenarbeit mit der amerikanischen NSA Milliarden von Internetdaten illegal angezapft, gespeichert und ausgewertet hatte. Die Top-Juristen – zwei Bundesrichter und ein Bundesanwalt – beklagen sich in dem Bericht, sie seien nicht in der Lage, ihren Auftrag zu erfüllen, weil ihnen den Zugang zu wichtigen Informationen versperrt und Einsicht in wichtige Vorgänge vorenthalten werde.

Traditionslinie des BND führt zurück zum Holocaust

Belegen lässt sich jetzt mit Dokumenten des Archives, was seriöse Historiker immer vermutet haben, die CDU und das Bundeskanzleramt aber bis heute bestreiten: dass die Adenauer-Regierung direkt daran beteiligt war, die Verbindung zu Alois Brunner, einem der größten Nazi-Verbrecher, zu halten und für sich selbst zu nutzen.

Brunner war Stellvertreter und rechte Hand von Adolf Eichmann bei der Organisation des Holocausts. Er zeichnete sich über die Anordnung der Massendeportationen und Massenexekutionen hinaus durch eine ganz persönliche sadistische Grausamkeit beim Aufspüren, Jagen, Foltern und Ermorden von Juden, insbesondere von jüdischen Frauen und Kindern in Österreich, Frankreich, Italien und Griechenland aus. Nach dem Krieg arbeitete er unter falschem Namen für die US-Besatzungstruppen, später in Essen auf der Zeche Carl Funke.

Als 1954 seine Identität aufzufliegen droht, verhilft ihm Gehlen mit seinem Apparat zur Flucht nach Syrien, wo er wieder unter falschem Namen lebt, vermutlich bis 2009 oder 2010. 1961 glaubt er eine Gelegenheit zu haben, sich für die deutsche Regierung nützlich machen und dadurch sein Dasein unter falschem Namen in einem fremden Land straffrei beenden zu können: Im Verlauf des Prozesses gegen den 1960 vom israelischen Geheimdienst aus Argentinien entführten Adolf Eichmann gerät Hans Globke, der das Kanzleramt von Konrad Adenauer (CDU) leitet, in größte Gefahr, Ruf und Position zu verlieren.

Globke ist verantwortlich für die Personalpolitik sowie für die Ausrichtung und Abstimmung der Tagespolitik des Bundeskabinetts und damit engster Vertrauter des Bundeskanzlers. Als Verfasser der Rassengesetze von 1936 und des für die „Rechtsprechung“ der Nazis maßgeblichen Kommentars dazu steht er schon immer in der öffentlichen Kritik. Adenauer hält ihn dennoch im Amt mit der Begründung, „man schüttet kein schmutziges Wasser weg, solange man kein sauberes hat.“ Nun aber droht Globke im Prozess gegen Eichmann als dessen Handlanger entlarvt und als Zeuge vor das Gericht geladen zu werden.

Gehlen kann zwar mit Unterstützung von Adenauer in Israel beim Ankläger durchsetzen, dass es nicht soweit kommt. Die SZ zitiert Gehlens Notiz: „Generalstaatsanwalt Hausner erklärte mir bereits am dritten Prozesstage, dass für ihn Dr. Globke tabu sei.“

Aber dann wird in mehreren Tageszeitungen die Zeugenaussage des ehemaligen Wehrmachtsoffiziers Max Merten veröffentlicht: Globke persönlich habe die Deportation von ungefähr 20.000 Juden aus dem griechischen Saloniki angeordnet, sei also direkt auch an dem Massenmorden des Holocaust beteiligt gewesen. In dieser kritischen Situation bietet sich Alois Brunner als „Entlastungszeuge“ für Globke an. Gehlen stellt den Kontakt zum Bundeskanzleramt her, bespricht mehrmals mit Globke das Für und Wider, organisatorische und rechtliche Fragen bei Annahme des Angebots.

Am Ende entscheidet man sich für den Einsatz einer anderen Waffe aus dem Arsenal des BND, die nachhaltigeren Erfolg verspricht und mit weniger Risiko behaftet ist: eine gezielte Medienkampagne. Gehlen notiert in seinen Akten: „Staatssekretär (Globke) stimmte den vorgetragenen Gedanken zu, unabhängig vom Wahrheitsgehalt den Versuch zu machen, aufgrund der vorhandenen Erkenntnisse Merten als Mittelsfigur der Ostpropaganda herauszustellen.“

Einfluss auf die Medien

Diese Methode, einen ernstzunehmenden Gegner, der die Wahrheit über die Rolle Globkes im Dritten Reich aufzudecken droht, in den Medien als „Agenten von Pankow“ zu verleumden – Pankow ist damals der Regierungssitz der DDR-Regierung – und in den finanziellen Ruin zu treiben, diese Methode wird auch gegen eine andere Gefahrenquelle angewandt: Reinhard Strecker, der seit 1958 mit einer Wanderausstellung „Ungesühnte Nazijustiz“ in ganz Deutschland dokumentiert, wie zahllose NS-Richter in der Bundesrepublik unter Adenauer und Gehlen wieder zu Amt und Würden gekommen oder darin geblieben sind. Gestützt auf intensive Archivrecherche in Polen und der Tschechoslowakei veröffentlicht er 1961 ein Büchlein mit dem Titel „Dr. Hans M. Globke. Aktenauszüge. Dokumente“, in dem Globke als aktiver Mitorganisator des Holocaust entlarvt wird.

Der BND setzt eine riesige Medienkampagne zur Diffamierung Streckers in Bewegung und wendet – in heutigen Geldwert umgerechnet – mehrere Hunderttausende Euro auf, um die Verbreitung der Publikation erfolgreich zu verhindern. Der BND verfolgt Strecker noch jahrzehntelang, nach Streckers eigenen Angaben bis ins Jahr 2014, doch sind über diese Zeit natürlich keine neuen Erkenntnisse aus den Akten zu erwarten.

Was sich aber an den neuen Akten aus der Amtszeit Gehlens offenbar anschaulich studieren lässt, ist, wie dieser sich in den Redaktionen deutscher und wohl auch ausländischer Medien ein Netzwerk willfähriger Schreiberlinge, Informanten und Denunzianten aufbaut und immer wieder zum Einsatz bringt, um Einfluss auf die Politik zu nehmen.

So berichten die SZ-Autoren über den Kampf des BND gegen Willy Brandt, als dieser Anfang der 1960er Jahre von der SPD als Kanzlerkandidat gegen Adenauer aufgestellt wird und erste Überlegungen über eine „Entspannungspolitik“ gegenüber der Sowjetunion und der DDR ins Spiel bringt: „In den Aufzeichnungen in Gehlens Geheimunterlagen taucht immer wieder die Frage auf, ob man Brandt irgendwie diskreditieren könne.“

Ein Mittel, ihn in den Augen von katholischen, stark konservativen oder von Nazi-Ideologie verseuchten Bevölkerungsschichten zu diffamieren, wird schließlich gefunden: Brandts Herkunft als uneheliches Kind – er heißt ursprünglich Herbert Frahm – wird als „zwielichtig“, „sündhaft“, auf alle Fälle nicht ehrbar hingestellt. Sein Engagement in seiner Jugend als Sozialist gegen das Franco-Regime in Spanien und gegen Hitler sowie sein Exil in Norwegen, wo er den politischen Namen Willy Brandt annimmt, werden als „Vaterlandsverrat“ denunziert. Der Autor dieses Artikels kann sich noch gut an die infamen Wahlkampfreden von Konrad Adenauer erinnern, der immer wieder von „Brandt alias Frahm“ spricht. Heute können wir in den Akten nachlesen: Adenauer spielt auf der Geige, die ihm sein Schattenmann Gehlen gestimmt hat.

In allen großen Tageszeitungen hat der BND seine Spitzel und Sprachrohre, von Gehlen „Sonderverbindungen“ genannt. Von der Herausgeberin der Wochenzeitung Die Zeit, Marion Gräfin von Dönhoff, liest man in den Akten, dass sie vom Charme des Hitler-Generals Gehlen und seiner Pflege „alteuropäischer Umgangsformen überwältigt“ ist. Die Gräfin revanchiert sich mit besonders schleimigen Lobeshymnen auf Gehlen und seinen ehrenwerten Dienst im kritischen Jahr 1963, als dessen Ruf auch infolge der Globke-Affäre besonders stark angeschlagen ist.

Von hochaktueller Bedeutung ist in diesem Zusammenhang folgende Passage im Bericht von Willi Winkler und Uwe Ritzer: „Die Unterlagen aus Gehlens Nachlass dokumentieren, wie gut die Zusammenarbeit mit bundesdeutschen Journalisten lief, die sich bereitwillig als Zuträger der Pullacher Bruderschaft einspannen ließen. Die wichtigste Verbindung bestand schon bald zum Nachrichtenmagazin Der Spiegel, auch dies bestätigen die Unterlagen. Immer wieder rühmt sich Gehlens Dienst in seinen Berichten, wie viele Spiegel-Geschichten man gefüttert, umgeschrieben oder ganz verhindert habe.“

Mit Fug und Recht kann man den Spiegel dann wohl als Zentralorgan des Bundesnachrichtendienstes bezeichnen. Sklavische Ergebenheit gegenüber dem BND zeigt z.B. Hans Detlev Becker, führender Redakteur und später Verlagsdirektor. Aber auch der Gründer, Eigentümer und Chefredakteur Rudolf Augstein lässt wichtige Artikel von sich aus vom BND gegenlesen. So auch den berühmten Bericht über den Zustand der Bundeswehr „Bedingt abwehrbereit“ im Jahr 1962, der die Spiegel-Affäre auslöst. Drei weitere Agenten in der Spiegel-Redaktion werden in den Aufzeichnungen Gehlens für die Fünfziger und frühen Sechziger Jahre angeführt.

Wenn die Zahl der Außendienst- oder Inoffiziellen Mitarbeiter des BND in den Medienredaktionen seit jener Zeit genauso dramatisch angewachsen ist, wie die der „Innendienstler“, dann kann man sich das Ausmaß der Infiltration der Medien durch den BND zwecks Meinungsmache und Politikgestaltung vorstellen.

In diesem Zusammenhang ist es äußerst bemerkenswert, dass die Enthüllungen der Süddeutschen Zeitungenvon allen anderen Tageszeitungen mit vielsagendem Schweigen übergangen werden. Nur in der Welt meldet sich Felix Kellerhoff, der sich schon öfters als warmer Fürsprecher von Globke hervorgetan hat, fünf Tage spätermit einem Kommentar zu Wort. Darin meint er, dass die angeblichen neuen Erkenntnisse nichts Besonderes seien.

Dass Willy Brandt als Außenminister und Bundeskanzler wie ein Staatsfeind bespitzelt worden ist? Das sei doch nicht überraschend. Adenauer habe den BND schon sehr früh nach dem Werdegang des damals noch Regierenden Bürgermeisters von Berlin gefragt. Da musste ja der BND, folgt man der Argumentation Kellerhoffs, zu solchen Mitteln greifen. Man könne das nur als „folgerichtig“ und „konsequent“ bezeichnen.

Dass Gehlen Globke geschützt und verteidigt hat? Kellerhoff: „Auch bei der CIA gab es Überlegungen, Globke gegen die ständigen Attacken aus Ost-Berlin in Schutz zu nehmen, wie schon seit 2006 für jedermann im Internet nachzulesen ist – die allerdings zu nichts führten.“ Nach Kellerhoff zu schließen sind CIA-Überlegungen allein schon eine Rechtfertigung für einen unkontrollierten Staat im Staat und seine illegalen Operationen.

„Dass der BND oder die CIA Eichmann geschützt hätten, wie hin und wieder von Autoren unterstellt wird, zeigen die dafür als Beleg angeführten Unterlagen dagegen eben gerade nicht.“ Die Autoren der SZ haben weder diese Behauptung aufgestellt noch Unterlagen vorgelegt, die das belegen sollten. Sie haben aber von einer reibungslosen Zusammenarbeit des BND mit willigen Journalisten gesprochen, die sich bereitwillig als Zuträger und Sprachrohre des von den Nazis gegründeten und aufgebauten Geheimdienstes einspannen lassen – und von zahllosen Belegen, die sie dazu gefunden haben. Dazu nimmt Felix Kellerhoff keine Stellung.

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