Essener Tafel: Nahrungsmittel nur noch für Deutsche

Am Donnertag berichtete die Westdeutsche Allgemeine Zeitung, dass der Essener Ableger der Hilfsorganisation „Tafel“ seit Mitte Januar nur noch Deutsche in ihre Essensausgabe aufnimmt. Wer ohne deutschen Pass um Lebensmittel bittet, wird abgewiesen. Diese offene Diskriminierung wird zum Ausgangspunkt einer breiten fremdenfeindlichen Kampagne in Politik und Medien.

Die ehrenamtlich arbeitenden Tafeln verteilen Lebensmittel an Bedürftige, die von Supermärkten oder Restaurants gespendet wurden. Bisher war der Nachweis des Bezugs von Arbeitslosengeld oder Grundsicherung die einzige Voraussetzung, um sich bei den Hilfsorganisationen zu registrieren.

Die Essener Gruppe kündigte aber schon im Dezember auf ihrer Website an, nur noch Deutsche neu ins Programm aufzunehmen. Aufgrund der Flüchtlingszunahme sei der „Anteil ausländischer Mitbürger bei unseren Kunden auf 75 Prozent angestiegen“, hieß es zur Begründung. Die Einrichtung sehe sich gezwungen, „um eine vernünftige Integration zu gewährleisten, zurzeit nur Kunden mit deutschem Personalausweis aufzunehmen“. Tatsächlich lag der Anteil nicht-deutscher Karteninhaber nie über 61 Prozent. Die Drei-Viertel hatte der Verein hochgerechnet, weil bei Migranten pro Familie mehr Kinder versorgt werden müssten.

Der Vorsitzende des Vereins der Essener Tafel, Jörg Sartor, begründet die Entscheidung offen fremdenfeindlich. Während er versichert, dass nichts „Schlimmes“ passiert sei, unterstellt er den Bedürftigen ohne deutsche Staatsangehörigkeit „mangelnden Respekt gegenüber Frauen“, weil es in einer Schlange mit 120 Personen zu „Geschubse und Gedränge“ gekommen sei. Auf diese Weise sei die „deutsche Oma“ ausgegrenzt worden.

Vom Fernsehsender N-TV gefragt, ob die hohe Zahl von Ausländern bei der Essensausgabe damit zusammen hängen könnte, dass diese überproportional von Armut betroffen seien, winkt der Tafel-Vorsitzende ab. Flüchtlinge bekämen doch in ihren Unterkünften Nahrungsmittel. „Da soll mir keiner was von den armen Flüchtlingskindern erzählen“, so Sartor.

Die offene Diskriminierung von Flüchtlingen und Migranten, die so bisher nur von rechtextremistischen Gruppen wie der griechischen Chrysi Avgi bekannt war, war von Anfang an mit der CDU-regierten Stadt Essen abgesprochen. Doch Sozialdezernent Peter Renzel (CDU) hatte keine Notwendigkeit gesehen, einzuschreiten, auch wenn er jetzt behauptet, er sei „nicht glücklich“ über die Entscheidung gewesen.

Die Ausgrenzung durch die Essener Tafel wird jetzt zum Ausgangspunkt einer widerwärtigen fremdenfeindlichen Kampagne. Die AfD veröffentliche umgehend ein Statement, in dem sie die „mutige und notwendige Entscheidung“ feierte und forderte, die auf ganz Deutschland auszudehnen. Unterstützt wurde die rechtsextremistische Partei sogleich von zahlreichen Kommentatoren in Presse und Fernsehen.

Torsten Krauel behauptet in der Tageszeitung die Welt, dass die Tafeln „nicht für die Flüchtlingshilfe zuständig“ seien. Um Rentner und Alleinerziehende zu schützen, müsste der Zugang für Ausländer begrenzt werden, so der Chefkommentator der Zeitung.

Der öffentlich-rechtliche Westdeutschen Rundfunk erklärt für „mutig und konsequent, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Essener Tafel entschieden haben.“ Diese wüssten am Besten, wie sie „ihre wichtige Arbeit möglichst reibungslos und konfliktfrei machen“ könnten. „Besserwisser und vermeintlichen Menschenrechtler“ sollten sich mit Kritik deshalb zurückhalten, so Ralf Becker auf dem Sender.

Die Osnabrücker Zeitung meint, dass die Entscheidung der Essener Tafel die „effektivste unter vielen falschen“ gewesen sei, weil sie dafür sorge, dass denjenigen geholfen werde, die von „schlimmer Armut betroffen“ seien und sich die Tafel nicht „zu einem Baustein in der Flüchtlingsversorgung entwickelt“. Zumindest sei das Problem nun öffentlich.

In dieser Kampagne werden in rechtsextremer Manier die Schwächsten gegen die Schwachen ausgespielt. Tatsächlich sind sämtliche im Bundestag vertretenen Parteien dafür verantwortlich, dass die Armut in Deutschland wächst. Sie ist das Produkt der perversen Bereicherung einer schmalen Finanzelite und nicht von verzweifelten Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen.

Die rechte Hetze wird im Ruhrgebiet und gerade in Essen seit Jahren vor allem von der SPD vorangetrieben. So hat sie die AfD stark gemacht. Die Sozialdemokraten haben auf die soziale Verelendung, die sie selbst mit verursacht haben, mit einer ausgesprochen ausländerfeindlichen Politik reagiert, indem sie die Verantwortung auf die Schwächsten, die Immigranten und Geflüchteten, abschoben. Schon vor zwei Jahren riefen drei SPD-Ortsvereine im Essener Norden zu einer Demonstration gegen Flüchtlinge auf unter dem Motto „Genug ist genug – Integration hat Grenzen – der Norden ist voll.“ Erst in letzter Minute stoppte die SPD-Führung von Nordrhein-Westfalen die Demonstration.

Nun hat die SPD in der Flüchtlingspolitik auch auf Bundesebene die Forderungen der extremen Rechten übernommen. Im Koalitionsvertrag mit der Union heißt es explizit, man wolle „eine Wiederholung der Situation von 2015 vermeiden“ und „deshalb Anstrengungen zu angemessener Steuerung und Begrenzung von Migrationsbewegungen“ unternehmen. Geplant ist neben einer Obergrenze auch die „Schaffung von Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen für die Beschleunigung von Asylverfahren“ und die „konsequente Abschiebung von vollziehbar Ausreisepflichtigen“.

Widerspruch gegen die abstoßende Kampagne um die Essener Tafel, die an die dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte erinnert, kommt vor allem von den verschiedenen Hilfsorganisationen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisierte den Beschluss als ausländerfeindlich und AfD-lastig. Die Gründerin der Tafel und Vorsitzende der Berliner Tafel e.V. Sabine Werth erklärte eindeutig: „Es kann nicht sein, dass bestimmte Bevölkerungskreise ausgeschlossen werden, aus der Möglichkeit, bei einer Tafel Lebensmittel zu bekommen.“

Die Einrichtung der Tafeln wurde vor 25 Jahren in Berlin gegründet, um die Lage der Obdachlosen zu verbessern. Mittlerweile zählt sie über 930 örtliche Tafeln, deren Funktionieren auf der freiwilligen Mitarbeit von etwa 16.000 Ehrenamtlichen beruht. Bundesweit sind etwa 1,5 Millionen Menschen auf die Tafeln angewiesen, darunter immer mehr Rentner. Nach Angaben des Bundesverbands Tafel Deutschland hat sich die Zahl der Rentner in zehn Jahren auf 350.000 verdoppelt. Mittlerweile ist jeder vierte Kunde der Tafel ein Rentner, wie die Osnabrücker Zeitung im Dezember meldete.

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