Der Deutsche Bundestag debattierte am 26. April über den 70. Jahrestag der Gründung Israels und verabschiedete eine mehrseitige Resolution, die „die Existenz und legitimen Sicherheitsinteressen des Staates Israel als ein zentrales Prinzip der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik“ bezeichnet und die Bundesregierung auffordert, weiterhin „aktiv“ dafür einzutreten.
Eingebracht hatten den Antrag die Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD sowie die FDP. Auch die Grünen und die AfD stimmten dafür. Die Linke enthielt sich. Sie tat dies aber nur, weil sie vorher zur Ausarbeitung der Resolution nicht eingeladen worden war. Stattdessen legte Die Linke einen eigenen Antrag vor, der sich vom Antrag der Regierungsparteien nur in Nuancen unterscheidet und der auch von den Grünen unterstützt wurde. Auch er fordert die Bundesregierung auf, „weiterhin für die Existenz und die Sicherheitsinteressen des Staates Israel als einem zentralen Prinzip der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik aktiv einzutreten“.
In der Debatte betonten die Redner aller Parteien, dass sich die deutsche Verpflichtung für die Sicherheit Israels aus der Verantwortung für die Shoah, den Mord an sechs Millionen Juden, ergebe.
Die Bundesrepublik sei „anfänglich zögerlich, aber später mit immer größerer Intensität“ zum Schluss gelangt, „dass die Existenz Israels und die Sicherung der Existenz dieses Landes Staatsziel der Bundesrepublik Deutschland sein muss, des Landes, auf dessen Grund und Boden eine andere Regierung zuvor die Vernichtung der jüdischen Existenz zum Staatsziel erhoben hatte“, sagte Martin Schulz (SPD).
Der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland erklärte unter Verweis auf die Schoah: „Gerade weil wir auf diese furchtbare Weise mit dem Existenzrecht Israels verbunden sind, war und ist es richtig, die Existenz Israels zu einem Teil unserer Staatsräson zu erklären.“ Die Grünen-Faktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte: „Wir müssen der Garant Israels als Staat sein.“ Und Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch erklärte: „Für die Linke ist klar: Durch Auschwitz ist Israel zu einer Notwendigkeit geworden. Das Existenzrecht Israels ist selbstverständlich unverhandelbar.“
Tatsächlich hat das Bekenntnis zu den Sicherheitsinteressen Israels nichts mit den moralischen Schlussfolgerungen aus der Shoah zu tun. Stattdessen instrumentalisieren die im Bundestag vertretenen Parteien die Krise des zionistischen Staats, um den deutschen Militarismus zu stärken. Sie betrachten das Bündnis mit Israel als Mittel, bei der nächsten Runde der gewaltsamen imperialistischen Neuaufteilung des Nahen Ostens mit dabei zu sein.
Am deutlichsten zeigte dies die Rede von Alexander Gauland. Der 77-Jährige steht einer rechtsextremen Partei vor, der die braune Vergangenheit aus sämtlichen Poren quillt. In der AfD-Fraktion sitzt Martin Hohmann, der 2004 aus der CDU ausgeschlossen wurde, weil er in einer antisemitischen Rede zum Tag der Deutschen Einheit die Juden mit dem Begriff „Tätervolk“ in Verbindung gebracht hatte. Ein prominenter Führer der AfD ist Björn Höcke, der vor einem Jahr eine 180-Grad-Wende der deutschen Erinnerungskultur verlangt und das Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ bezeichnet hatte. Man kann diese Liste beliebig fortsetzen.
Gauland selbst hatte noch im letzten Bundestagswahlkampf gefordert, einen Schlussstrich unter die NS-Vergangenheit zu ziehen. „Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen unsere Identität heute nicht mehr. Und das sprechen wir auch aus“, hatte er unter dem Beifall johlender Rechtsextremer erklärt. Er hatte ausdrücklich die Wehrmacht gelobt, die bei der Ermordung von Millionen Juden in Osteuropa und der Sowjetunion eine maßgebliche Rolle spielte: „Wenn die Franzosen zurecht stolz auf ihren Kaiser sind und die Briten auf Nelson und Churchill, dann haben wir das Recht, stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen.“
Doch nun hat sich Gauland den Solidaritätsbekundungen für Israel nicht nur angeschlossen, er versucht, die anderen Parteien darin zu übertreffen. Während sich diese zu einer allgemeinen Sicherheitsgarantie für Israel bekannten, forderte Gauland wörtlich, „im Ernstfall einer existenziellen Bedrohung Israels an dessen Seite zu kämpfen und zu sterben“.
Ein politischer Blick auf den Nahen Osten zeigt schnell, wofür Gauland hier „sterben“, d.h. andere in den Tod schicken will. Die israelische Regierung von Benjamin Netanjahu arbeitet systematisch darauf hin, das Atomabkommen mit dem Iran zu Fall zu bringen und eine militärische Konfrontation mit dem Iran zu provozieren. Es tut dies in enger Zusammenarbeit mit der Trump-Administration in den USA. Gauland sieht im Bündnis mit Israel eine Chance für Deutschland, sich einen Anteil an der Beute sichern, wenn Washington den Nahen Osten zerstückelt und die Welt neu aufgeteilt wird.
Alle anderen Bundestagsparteien sehen das ebenso. Derzeit versucht die Bundesregierung zwar noch, das Atomabkommen mit dem Iran zu retten. Doch Bundeskanzlerin Merkel hat bereits bei ihrem letzten Washingtonbesuch Nachverhandlungen zugestimmt, die Teheran kaum erfüllen kann. Sollte es zu einem Krieg mit dem Iran kommen, steht außer Zweifel, auf welcher Seite die Bundesregierung stehen wird. Das zeigen sie Solidaritätsschwüre des Bundestags für Israel. Anders als noch 2003 beim Irakkrieg, würde sich Deutschland einer Kriegsbeteiligung nicht widersetzen.
Das unterstreicht auch die Resolution, die der Bundestag fast einstimmig verabschiedet hat. Es sei „ein Kernanliegen Deutschlands, dass der Iran seinen negativen regionalen Einfluss und insbesondere seine Unterstützung von Organisationen und Strukturen beendet, die das Existenzrecht Israels bedrohen“, heißt es darin.
Der außenpolitische Sprecher der FDP, Alexander Graf Lambsdorff, betonte in der Diskussion, angesichts „des Sich-Heran-Arbeitens des Iran an die israelische Grenze“ und „angesichts gemeinsamer wirtschaftlicher und politischer Interessen“ sei es „das Gebot der Stunde, die Zusammenarbeit mit Israel noch viel stärker auszubauen“. Der CSU-Abgeordnete und Ex-Minister Christian Schmidt betonte die Bedeutung der militärischen Zusammenarbeit mit Israel.
Mit moralischen Schlussfolgerungen aus der Shoah oder Solidarität mit der jüdischen Bevölkerung Israels hat dies alles nichts zu tun. Ein Krieg gegen den Iran, ein Land mit 80 Millionen Einwohnern, würde zu einem regionalen oder sogar globalen Flächenbrand führen und Millionen Menschenleben fordern, auch in Israel.
Es ist bezeichnend, dass niemand im Bundestag die außenpolitischen Provokationen der Netanjahu-Regierung und ihr brutales Vorgehen gegen palästinensische Demonstranten in Gaza kritisierte. Wie wir in einer Perspektive zur Krise Israels am 70. Jahrestag der Staatsgründung aufzeigten, reagiert sie damit auf die „bösartigen Widersprüche, die dem Staat Israel und der zunehmenden Krise seiner Gesellschaft und Regierung zugrunde liegen“.
Israel ist eines der ungleichsten Länder der Welt, der Staat ist von grassierender Korruption und tiefgehenden sozialen Widersprüchen geprägt. „Der zionistische Mythos, die Schaffung eines jüdischen Staates in Palästina – durch die Vertreibung einer dreiviertel Million Palästinenser aus ihrer Heimat – würde den Juden nach dem Grauen des Holocaust Frieden und Sicherheit garantieren, bricht zusammen“, schrieben wir.
Wer wirklich die Lehren aus den Verbrechen der Nazis ziehen will, muss für die Einheit der internationalen Arbeiterklasse im Kampf gegen Krieg, Unterdrückung und ihre Ursache, den Kapitalismus, kämpfen. „In Israel ist, wie in allen anderen Ländern auch, der Klassengegensatz die eigentliche Triebkraft der Entwicklung,“ heißt es in der Perspektive der WSWS. „Der einzige Ausweg ist ein gemeinsamer Kampf der arabischen und jüdischen Arbeiter gegen den Kapitalismus, für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft und die Abschaffung der irrationalen Staatsgrenzen, die die Region zerteilen.“