Dresden: Rechtsextreme Identitäre greifen IYSSE-Versammlung an

Die rechtsextreme Identitäre Bewegung hat am 12. Juli eine Versammlung der IYSSE an der Technischen Universität Dresden angegriffen. Der Angriff misslang, weil die Veranstaltung kurz vor Beginn wegen des großen Andrangs in einen größeren Saal des Hörsaalzentrums verlegt worden war.

Die Veranstaltung in Dresden

Dennoch ist der Angriff ein Alarmsignal. Er muss entschieden verurteilt und zurückgewiesen werden. Angefeuert durch die Flüchtlingshetze der Medien und die rechte Politik der Großen Koalition fühlen sich Neonazis ermutigt, einen Anschlag auf die Meinungsfreiheit zu verüben und – wie der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund in den 1920er und 30er Jahren – gewaltsam gegen marxistische und linke Studierende vorzugehen.

Der Facebookeintrag des RCDS Dresden

Unterstützung erhalten sie dabei aus dem Regierungslager. Am Tag nach der Veranstaltung schrieb der RCDS, die offizielle Studierendenorganisation von Angela Merkels CDU, auf seiner Dresdener Facebook-Seite, „dass derartige Ideologien nicht an unsere Uni, sondern in die Ermittlungsakten des Verfassungsschutzes gehören“. Seine Begründung für die kaum verhüllte Forderung nach einem Verbot der IYSSE: sie unterschieden „ganz klar zwischen der Gewalt der führenden Klasse und Gewalt der Unterdrückten“ und seien nicht bereit, „sich von Lenin und dessen Verbrechen zu distanzieren“. Eine Graphik, die der RCDS zusammen mit dem Text veröffentlicht hat, erinnert an die antikommunistische Propaganda der Nazis und zeigt Hammer und Sichel neben einem Totenkopf.

Die IYSSE führten in Dresden die letzte von insgesamt sieben Veranstaltungen zum Thema „200 Jahre Karl Marx – Die Aktualität des Marxismus“ durch. Bereits in Berlin, Bochum, München, Bonn, Leipzig, Frankfurt am Main und Karlsruhe waren die Veranstaltungen auf großes Interesse gestoßen. Auch in Dresden kamen weit über hundert Interessierte. Insgesamt hörten sich fast tausend Teilnehmer den Vortrag von Peter Schwarz, dem Sekretär des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, über den Marxismus an und beteiligten sich an der anschließenden Diskussion.

Diese große Resonanz hat offenbar die Identitären mobilisiert, die über ein enges Netz von Beziehungen zur deutschen und internationalen Neonazi-Szene, zur AfD und auch in den Staatsapparat hinein verfügen.

Die Identitären hatten ihren Angriff auf die Veranstaltung sorgfältig vorbereitet. Hinter dem Beamer an der Decke des Raumes hatten sie ein Megafon montiert, das mit einem MP3-Player verbunden war. Etwa 15 Minuten nach Beginn der Veranstaltung begann eine Frauenstimme Marx als Antisemiten und Engels als Rassisten zu denunzieren. Kurz danach drangen fünf Personen mit einem Transparent in den Raum, um die Veranstaltung zu stören. Sie standen jedoch vor leeren Stühlen, da die Veranstaltung in einen größeren Raum verlegt worden war.

Dort saßen in der ersten Reihe drei weitere Personen, ausgerüstet mit einer Kamera. Sie verließen den Raum, als sie merkten, dass der Angriff fehlgeschlagen war, und gesellten sich zu den anderen Fünf. Das Megafon und der MP3-Player wurden vom Hausmeister sichergestellt.

Das an den Beamer montierte Megafon

Die Bedeutung des Angriffs auf die IYSSE und die damit verbundenen Gefahren dürfen nicht unterschätzt werden. Die Identitären, vor 16 Jahren in Frankreich entstanden, existieren inzwischen in mehreren Ländern. Sie verfügen über ein dichtes Netzwerk von Verbindungen zu rechten Parteien und militanten Neonazigruppen, aus denen auch viele ihrer Mitglieder stammen.

Ideologisch vertreten sie einen rassistisch begründeten, völkischen Nationalismus, wobei sie – damit die Parallele zu den Nazis nicht allzu offensichtlich wird – lieber von „Ethnien“ statt von „Rassen“ und von „Identität“ statt von „Volk“ sprechen. Sie bekämpfen den Einfluss „fremder“ Kulturen als Gefährdung der „eigenen Identität“ und rufen dazu auf, Widerstand gegen den „Bevölkerungstausch“ durch Migration zu leisten.

Die Identitären zeichnen sich durch ihren Aktionismus aus, der von spektakulären Aktionen bis zur Einschüchterung und zu physischer Gewalt gegen politische Gegner und Migranten reicht. So charterten Aktivisten der Identitären Bewegung im vergangenen Jahr das Schiff „C Star“, um Flüchtlinge daran zu hindern, über das Mittelmeer nach Europa zu kommen, und Rettungsmissionen von NGOs zu stören.

In österreichischen Graz stehen derzeit 17 Mitglieder der Identitären Bewegung Österreichs wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung vor Gericht, darunter auch der Führer der österreichischen Identitären, Martin Sellner, der enge Beziehungen zu seinen deutschen Gesinnungsfreunden unterhält und auf Pegida-Kundgebungen in Dresden aufgetreten ist.

Die politischen und persönlichen Verbindungen der Identitären umfassen das gesamte rechtsextreme Lager. So bestehen enge Beziehungen zum „Institut für Staatspolitik“ des rechtsextremen Ideologen Götz Kubitschek, zur Wochenzeitung Junge Freiheit, zum Magazin Compact von Jürgen Elsässer und zum rechten Burschenschaftsmilieu. Auch mit der AfD ist die Identitäre Bewegung vor allem über deren Jugendorganisation Junge Alternative eng verflochten. Viele Identitäre sind staatlich besoldete Mitarbeiter von AfD-Abgeordneten.

Sachsen ist nicht nur eine Hochburg der extremen Rechten – die NPD saß hier von 2004 bis 2014 im Landtag und die AfD lag bei der letzten Bundestagswahl mit 27 Prozent an erster Stelle –, in dem CDU-regierten Bundesland und seiner Landeshauptstadt Dresden ist auch die Verbindung zwischen Polizei, Geheimdienst und rechtsextremer Szene besonders eng. Vom sächsischen Chemnitz aus konnte der rechtsextreme Nationalsozialistische Untergrund (NSU) jahrelang ungestört morden, umgeben von V-Leuten von Geheimdienst und Polizei.

Seit fünf Jahren wird der sächsische Verfassungsschutz von Gordian Meyer-Plath geführt. Meyer-Plath ist Mitglied der schlagenden Studentenverbindung Marchia Bonn und war selbst indirekt am Aufbau des NSU beteiligt. In den 1990er Jahren führte er beim brandenburgischen Verfassungsschutz den V-Mann Carsten Szczepanski (alias Piatto), der zu den gewalttätigsten Neonazis Deutschlands zählte, das rechtsextreme internationale Netzwerk „Blood & Honour“ in Deutschland aufbaute und in enger Verbindung zum NSU-Trio stand, als dieses 1998 in den Untergrund abtauchte. Diesen Verfassungsschutz will der RCDS jetzt auf die IYSSE hetzen.

Angesichts der engen Verflechtung von rechtsextremer Szene, Geheimdienst, Polizei und Politik wäre es naiv, den Angriff auf die IYSSE nur als vereinzelte Initiative lokaler Identitärer zu betrachten. Unter Bedingungen zunehmender sozialer Spannungen und wachsendem Widerstand gegen Militarismus und Flüchtlingshetze mobilisiert die herrschende Klasse rechtsextreme und faschistische Kräfte, um linke Gegner ihrer reaktionären und arbeiterfeindlichen Politik einzuschüchtern und zu verfolgen.

Die IYSSE und die Sozialistische Gleichheitspartei betrachtet die herrschende Klasse dabei als zentrale Gegner, da sie in der Tradition des revolutionären Marxismus stehen und Arbeiter und Jugendliche auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms gegen soziale Ungleichheit, Militarismus und staatliche Repression mobilisieren. Aber der Angriff gegen die IYSSE richtet sich gegen die gesamte Jugend und Arbeiterklasse. Jede bewusste Opposition gegen den Kapitalismus soll im Keim erstickt werden. Wir rufen deshalb alle Leser der WSWS dazu auf, die IYSSE zu verteidigen und den Angriff in Dresden zu verurteilen.