Zehntausende Menschen gehen in Deutschland seit Wochen gegen die ausländerfeindliche Politik der Großen Koalition auf die Straße. Gleichzeitig übernehmen alle etablierten Parteien, einschließlich der Linken, immer offener die Flüchtlingspolitik der AfD. Ein Bericht des Flüchtlingsrats Berlin hat erneut deutlich gemacht, mit welcher Brutalität die Behörden mit Menschen umgehen, die nicht über einen deutschen Pass oder Aufenthaltstitel verfügen.
Der Bericht des Berliner Flüchtlingsrats vom 22. Oktober informiert im Detail über eine „Horror-Sammelabschiebung“ im Juni, bei der 90 Menschen unter Federführung des rot-rot-grünen Berliner Senats nach Spanien abgeschoben wurden.
Im Flug vom 6. Juni 2018 von Berlin-Schönefeld nach Madrid, der auf der Grundlage der Dublin-Zuständigkeit von EU-Staaten erfolgte, saßen 26 abgelehnte Asylsuchende aus Berlin sowie weitere Asylsuchende aus Sachsen (14), Niedersachsen (13), Hessen (9), Thüringen (5), Brandenburg (5), Baden-Württemberg (5), Rheinland-Pfalz (4) und drei weiteren Bundesländern. Die meisten Abgeschobenen kamen aus Syrien sowie aus mehreren afrikanischen Ländern, einer aus Russland, und von 28 Personen war die Staatzugehörigkeit ungeklärt.
Bei der Abschiebung wurden offenbar die Rechte zahlreicher Menschen mit Füßen getreten. Unter den Deportierten befanden sich 23 Minderjährige aus zwölf Familien (insgesamt 41 Personen), zwei schwangere Frauen, neun psychisch traumatisierte Flüchtlinge, ein geistig Behinderter, drei Kranke und ein Folteropfer. Sie alle wurden offenbar ohne Rücksicht auf gesetzliche oder ärztlich attestierte „Schutzbedürftigkeit“ unter brutaler Polizeigewalt abgeschoben. Die genannten Zahlen stammen aus der Antwort der Bundesregierung vom 12. Oktober auf eine kleine Anfrage der Linken im Bundestag.
In seiner Pressemitteilung erhebt der Flüchtlingsrat Berlin auf der Grundlage von Berichten der Geflüchteten, die an Bord der Abschiebemaschine saßen, schwere Vorwürfe von einer „zwangsweisen Verabreichung sedierender Medikamente“, der „Fesselung besonders schutzbedürftiger Geflüchteter“ und der „gewaltsamen Familientrennungen, sowie Schlägen durch die Polizei“. Dann listet der Flüchtlingsrat folgende Anklagepunkte im Einzelnen auf:
· Ein durch die Berliner Ausländerbehörde beauftragter Arzt verabreichte einem 27-jährigen, geistig behinderten Mann aus Berlin gegen seinen Willen ein Beruhigungsmittel. Weder sein gesetzlicher Betreuer noch seine Mutter waren anwesend. (Die Mutter wurde ebenfalls abgeschoben.) Der Arzt erklärte den Mann für flugtauglich, obwohl dieser ein qualifiziertes psychiatrisches Attest mit sich führte, das seine Behinderung und die Reiseunfähigkeit bestätigte.
· Eine Frau mit mehreren Kleinkindern wurde ohne ihren Ehemann abgeschoben. Weil sie laut schrie und nach ihrem Mann rief, wurde sie gefesselt ins Flugzeug getragen. Ihre kleinen Kinder mussten dies mit ansehen und weinten laut.
· Eine andere Frau wurde von Beamtinnen der Bundespolizei vor dem Abflug gewaltsam bis auf die Unterhose entkleidet und durchsucht. Durch Schläge auf die Schulter erlitt sie ein großes Hämatom, das ihr auch Tage später noch Schmerzen bereitete.
· Übereinstimmend berichteten alle Augenzeugen, dass Geflüchtete, die sich nicht hinsetzen wollten, im Flugzeug von den Polizeibeamten geschlagen worden seien. Unter ihnen war auch eine schwangere Frau.
· Ein Mann, der noch im Flughafengebäude, möglicherweise in suizidaler Absicht, versucht hatte, sich selbst zu verletzen, wurde mit dem Festhaltegurt gefesselt ins Flugzeug gebracht. Unter den Abgeschobenen soll auch eine Frau gewesen sein, deren Handgelenke nach einem Suizidversuch nur notdürftig verbunden waren.
· Mehreren aus Berlin Abgeschobenen nahm die Berliner Polizei die Mobiltelefone ab. Sie durften sich keine Rufnummern aus dem Telefon notieren und wurden dadurch jeder Möglichkeit beraubt, Angehörige oder Anwälte zu verständigen. Auf dem Weg zum Flughafen sollen Polizisten Erwachsene und Kinder, die verzweifelt weinten, ausgelacht haben.
„Sieht so der von Rot-Rot-Grün angekündigte Paradigmenwechsel in der Abschiebepolitik aus?“ fragt Martina Mauer vom Berliner Flüchtlingsrat die Berliner Landesregierung, und sie beantwortet selbst die Frage: „Unter Ausschluss der Öffentlichkeit versuchen Behörden mit allen Mitteln, Asylsuchende außer Landes zu schaffen und lassen dabei jede Menschlichkeit außer Acht.“
Die Linke hat auf diese Enthüllungen mit durchsichtigen Ausflüchten, ärmlichen Rechtfertigungsversuchen und ihrem altbekannten Doppelspiel reagiert: Sie verurteilt in der Öffentlichkeit, im Bundestag und im Hessenwahlkampf eine brutale Behandlung von Asylsuchenden, aber gleichzeitig setzt sie überall dort, wo sie selbst Regierungsverantwortung trägt, die Abschiebungen gnadenlos mit durch.
Für die „Horrorabschiebung“ im Juni trägt Die Linke zweifellos eine große Mitverantwortung, denn diese wurde unter Führung der Berliner Behörden „in Amtshilfe für das BAMF“ durchgeführt. Obwohl Die Linke schon sehr früh Kenntnis davon hatte und am 31. August eine kleine Anfrage an die Bundesregierung richtete, entrüstet sie sich erst heute in der Öffentlichkeit darüber.
Am 22. Oktober, also erst vor drei Tagen, haben die Fraktionschefin der Linkspartei, Katina Schubert, und die Grünen-Abgeordnete Bettina Jarasch den Innensenator Andreas Geisel (SPD) aufgefordert, für Aufklärung zu sorgen, denn „der Ausländerbehörde scheint egal zu sein, was im Koalitionsvertrag steht“ (so Schubert). Sollten die Vorwürfe sich als richtig erweisen, müssten diese im Koalitionsausschuss thematisiert werden, so Schuberts Kommentar. Sie behauptet, der Innensenator könne sich „offenbar nicht gegen die Ausländerbehörde durchsetzen“.
In Wirklichkeit entspricht es nicht nur der Politik der SPD – die in der Großen Koalition Seehofers Masterplan einschließlich der Ankerlager zugestimmt hat – sondern auch derjenigen der Grünen und der Linken, dass abgelehnte Asylbewerber mit aller Härte abgeschoben werden.
So wurden nicht zufällig bei der „Horrorabschiebung“ und bei sehr vielen anderen Abschiebungen auch geflüchtete Menschen aus Thüringen deportiert, wo Die Linke mit Bodo Ramelow selbst den Ministerpräsidenten stellt. Bei den Abschiebungen nimmt Thüringen sogar relativ gesehen den zweiten Platz hinter dem Saarland ein, noch vor Bayern.
Auch in Thüringen gehen die Behörden mit außerordentlicher Brutalität vor. So berichten mehrere Zeitungen, dass am 10. Oktober in Saalfeld acht Polizeibeamte und ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde einen Mann im Kreißsaal verhafteten und zur Abschiebung nach Frankfurt deportierten, während seine Frau in den Wehen lag. Bereits im Mai hatten Beamte versucht, eine Nigerianerin aus einer Klinik in Arnstadt abzuführen, die dort wegen einer Risikoschwangerschaft war. Die Ärzte hatten die Abschiebung in letzter Minute verhindert.
Die Linken-Vorsitzende Sahra Wagenknecht hat die Maxime der Linken in dieser Beziehung auf den Punkt gebracht, als sie konstatierte, offene Grenzen seien „weltfremd“ und „unrealistisch“.
Die sozialdemokratische Innenverwaltung der Berliner Landesregierung hat den Vorwürfen des Berliner Flüchtlingsrates widersprochen. Sie behauptet, der Polizeiärztliche Dienst habe „keine von sich aus sedierenden Medikamente verabreicht“. Sollte dies in Einzelfällen doch passieren, so „geschieht das auf Anforderung des Patienten“, wie eine Sprecherin behauptete, die von der Grünen-nahen Tageszeitung (taz) ausführlich zitiert wird mit den Worten: „Die erhobenen allgemeinen Vorwürfe physischer Gewaltanwendungen durch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte können nicht bestätigt werden.“
Weiter schreibt die taz: „In nur [sic!] drei Fällen sei es zur Trennung von Familien gekommen … die Zuständigkeiten dafür lägen allerdings jeweils bei Behörden anderer Bundesländer.“ Mobiltelefone seien zwar abgenommen worden aber, „um Befreiungsversuchen vorzubeugen“.
Der Tagesspiegel zitiert die ehemalige Ausländerbeauftragte Berlins, Barbara John (CDU), die den Vorgang als Vorsitzende der „unabhängigen Abschiebebeobachtung“ beobachtet hatte. John räumte zwar ein, dass es „keine reibungslose Abschiebung“ gewesen sei. Es habe jedoch „starke Abwehrreaktionen der Flüchtlinge“ gegeben. Von Seiten der Bundespolizei sei „kein Fehlverhalten“ zu verzeichnen, behauptet John.
Diese Aussagen der Innenbehörden, der beauftragten Beobachterin und der Politiker, auch derjenigen der Grünen und der Linken, verdienen nicht die geringste Glaubwürdigkeit. Sie alle akzeptieren die reaktionären Asylgesetze des Bundes, der Länder und der EU als rechtmäßig. Dem 2013 gegründeten „Forum Abschiebebeobachtung“ gehören Vertreter der Sicherheitsorgane, der Polizei, anderer Staatsstellen, der Kirchen sowie mehrerer NGOs wie Amnesty International an. Die Aufgabe dieser „Beobachter“ besteht einzig und allein darin, die Regierungen reinzuwaschen.
Die Berliner Landesregierung aus SPD, Grünen und Linkspartei setzt immer offener die rechte AfD-Politik der Abschiebungen um. Im letzten Jahr 2017 hat die rot-rot-grüne Landesregierung mehr als 1600 Abschiebungen organisiert, und dieses Jahr mittlerweile schon mehr als 800. Im Bund insgesamt wurden im gleichen Zeitraum insgesamt 23.966 Menschen abgeschoben, von Januar bis Juni 2018 waren es 12.261 Abschiebungen.
Nur die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) tritt als einzige Partei für das menschliche Grundprinzip der Offenen Grenzen ein. Sie fordert das bedingungslose Recht für jeden Menschen, egal welcher Herkunft, im Land seiner Wahl zu leben und zu arbeiten.