Assange würde in den USA „in der dunkelsten Gefängnisecke“ verschwinden

Letzte Woche enthüllten Vertreter der Organisation Don't Extradite Assange (DEA, „Liefert Assange nicht aus“), dass Julian Assange nach seiner Auslieferung von Großbritannien an die USA in fast vollständige Isolation käme und unter drakonischen Haftbedingungen leben müsste, die normalerweise nur für verurteilte Terroristen gelten.

Die Information stammt aus offiziellen US-Gerichtsunterlagen, die John Rees, ein Vertreter von DEA, in einer Stellungnahme weitergegeben hat. Er hatte nach Assanges Anhörung vor dem Amtsgericht Westminster am 22. Januar vor dem Gerichtsgebäude erklärt, für Assange würden gleich nach seiner Ankunft in den USA und noch vor Beginn eines Prozesses „besondere Haftbedingungen“ (Special Administrative Measures, SAMs) gelten.

WikiLeaks-Gründer Julian Assange in einem Polizeifahrzeug auf dem Weg zur Anhörung [AP Photo/Matt Dunham]

WikiLeaks-Chefredakteur Kristin Hraffnsson erklärte, das US-Außenministerium habe angedeutet, der 1. Zusatzartikel – der wichtigste verfassungsmäßige Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit – würde für Assange nicht gelten, obwohl er nach amerikanischem Recht angeklagt werden soll.

Wenn Assange an die USA ausgeliefert wird, droht ihm dort für die Enthüllung amerikanischer Kriegsverbrechen eine Anklage wegen Spionage und damit eine lebenslange Haftstrafe oder sogar die Todesstrafe. Indem die Vereinigten Staaten den Journalisten und Herausgeber Assange als „Gefahr für die nationale Sicherheit“ behandeln und ihm seine grundlegenden demokratischen Rechte vorenthalten, verstoßen sie gegen Grundsätze des Völkerrechts.

Die besonderen Haftbedingungen, genannt SAMs, wurden 1996 von der demokratischen Regierung unter Bill Clinton eingeführt. Nach dem rechten Terroranschlag in Oklahoma City stimmten beide Parteien, die Demokraten und die Republikaner, für ihre Einführung.

Die SAMs ermöglichen eine umfangreiche Überwachung und Isolation von Gefangenen, die sich bereits in Einzelhaft befinden. Angeblich sollen dadurch Gefahren für die „nationale Sicherheit“ verhindert werden, die etwa in Gewalttaten oder der Veröffentlichung von „vertraulichen Informationen“ bestehen würden. Die ohnehin schon drakonischen Maßnahmen wurden nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 noch verschärft. Den Behörden wurde u.a. das Recht zugesprochen, die vertraulichen Gespräche zwischen Anwälten und Gefangenen abzuhören.

In einer Studie aus dem Jahr 2017 wurden die SAMs als „die dunkelste Ecke des amerikanischen Gefängnissystems“ bezeichnet. An der Studie waren eine Menschenrechts-Klinik (Lowenstein International Human Rights Law Clinic an der Yale Universität) und die Non-Profit-Organisation Center for Constitutional Rights (CCR) beteiligt.

In der Studie heißt es, SAMs verbinden „die Brutalität und Isolation von Hochsicherheitsgefängnissen mit zusätzlichen Einschränkungen, die den Insassen fast jeden Kontakt zur Außenwelt verwehren. Gefangene dürfen nur mit einer Handvoll genehmigter Personen Kontakt haben, und selbst diese wenigen Personen werden weiteren Kneblungen unterworfen. Im Endergebnis unterliegt diese Form von Folter in unseren Gefängnissen keiner wirklichen öffentlichen Kontrolle.“

Die Heftigkeit des amerikanischen Rachefeldzugs gegen Assange wird durch die Tatsache verdeutlicht, dass im Jahr 2017 nur 51 von mehr als 183.000 Insassen der Bundesgefängnisse SAMs-Bedingungen unterworfen wurden. Die meisten von ihnen waren wegen Terrorismus schuldig gesprochen worden und saßen im Super-Hochsicherheitsgefängnis ADX Florence in der Wüste von Colorado. Robert Hood, ein ehemaliger Aufseher, beschrieb diese Einrichtung als eine „saubere Version der Hölle“.

Gefangene, gegen die SAMs verhängt werden, haben nicht einmal Zugang zu den „begrenzten Formen indirekter Kommunikation über Wasserrohre oder Lüftungsschächte, über die Gefangene in Einzelhaft verfügen“. Sie werden generell in Einzelzellen gehalten, aus denen sie in einer Woche nur für zehn Stunden herausgelassen werden. Ihre „Freizeit“ verbringen sie alleine in einem geschlossenen Raum nahezu ohne jede Ausstattung.

Gefangene unter SAMs dürfen nur mit Anwälten und Angehörigen kommunizieren, die von den Behörden und den Geheimdiensten überprüft worden sind. Sämtliche ein- und ausgehende Post wird vom FBI kontrolliert.

Die Studie des Yale-CCR enthielt Fallstudien von Gefangenen in ADX Florence, die monatelang warten mussten, bevor ihre Briefe an Angehörige freigegeben wurden. Auch Besuchsrechte werden stark eingeschränkt und vom FBI überwacht.

Die Autoren der Studie erklärten offen, die SAMs würden schon vor dem Prozess gegen Gefangene verhängt, damit sie sich schuldig bekennen, was die Unschuldsvermutung grundlegend unterminiert.

Die „Zwangsmittel“ und die „harten Bedingungen“, die gegen Häftlinge vor den Prozessen unter SAMs verhängt werden, sind laut der Studie „kein Zufall: Erfahrungen zeigen, dass das Justizministerium die vollständige Isolation als Mittel benutzt, um Menschen zu brechen, so wie es die CIA im Vorfeld von Internierungen getan hat“.

Weil Gefangene, die unter SAMs festgehalten werden, nicht mit der Außenwelt kommunizieren und keine Informationen beziehen dürfen, können sie sich faktisch nicht an ihrer eigenen Verteidigung beteiligen.

Der Bericht zitierte einen Anwalt, laut dem diese „besonderen Haftbedingungen“ namens SAMs dazu führen, dass „Angeklagte entmenschlicht werden und in eine Lage geraden, in der sie keine aktive Rolle in ihrem Fall mehr einnehmen, sodass sie sich nicht an ihrer eigenen Verteidigung beteiligen können“. Ein anderer wies darauf hin, dass Gefangene unter SAMs vor einem Geschworenengericht aussagen müssen, nachdem sie monate- oder jahrelang mit niemandem sprechen durften.

Gefangene unter SAMs haben keinen Zugang zum Internet, und Zeitungen erhalten sie erst mehrere Wochen nach dem Erscheinungstag und in stark zensierter Form. In vielen Fällen wird ihnen willkürlich der Zugang zu Lesestoff verwehrt. Der Bericht erwähnt einen Fall, in dem ein Gefangener in ADX Florence nicht einmal Bücher des ehemaligen Präsidenten Barack Obama erhalten durfte, weil dies angeblich eine „Gefahr für die nationale Sicherheit“ darstellte.

Gefangene in SAMs dürfen obendrein weder mit Reportern noch mit irgendjemand anderem außer ihren Anwälten und vom FBI genehmigten Familienmitgliedern sprechen. Anwälte dürfen auch nichts weitergeben, was ihnen ihr Klient sagt, oder über die Haftbedingungen reden. Diese drakonischen Bedingungen sollen jede Diskussion über das Schicksal ihrer Klienten oder die Schaffung von öffentlicher Unterstützung für sie unterbinden. Falls sie dagegen verstoßen, droht ihnen selbst eine Strafanzeige.

Im Jahr 2005 wurden die berühmte Bürgerrechtsanwältin Lynne Stewart und ihr arabischer Übersetzer wegen Verschwörung und materieller Unterstützung von Terroristen schuldig gesprochen, nachdem sie Äußerungen ihres Klienten Scheich Omar Abdel-Rahman öffentlich gemacht hatten. Lynne Stewart wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt und später nur wegen ihrer tödlichen Krebserkrankung im Endstadium begnadigt.

Die Behörden dürfen außerdem private Unterhaltungen zwischen Anwälten und ihren SAMs-Klienten überwachen. Laut den offiziellen Vorschriften darf dieses Material der Staatsanwaltschaft nicht zur Verfügung gestellt werden. Allerdings stellt es faktisch einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip auf ein ordentliches Verfahren (Zusatzartikel 5) und das Recht auf einen Verteidiger (Zusatzartikel 6) dar, wenn der Staat die Strategie der Verteidigung überwachen darf.

Die Studie zitierte außerdem Anwälte, die erklärten, sie hätten während der Vertretung von SAMs-Gefangenen unter totaler staatlicher Überwachung gestanden. So wurden sie u.a. auf die Beobachtungslisten für Flughäfen gesetzt. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Anwälte einzuschüchtern und SAMs-Insassen juristischen Beistand vorzuenthalten.

Die Studie dokumentiert auch die erschütternden Bedingungen, unter denen verurteilte Insassen leben, die nach jahrelanger Isolation unter psychologischen Störungen leiden. In mehreren Fällen haben Gefangene ein fast katatonisches Stadium erreicht, in dem sie nicht mehr kommunizieren oder irgendwelche Aktivitäten, wie etwa Lesen, ausüben können.

Weiter heißt es: „Die physischen Bedingungen in den Einrichtungen, in denen SAMs-Inhaftierte vor ihrem Prozess festgehalten werden (d.h. wenn sie zwar angeklagt, aber noch keines Verbrechens schuldig gesprochen worden sind) sind ebenfalls unmenschlich. Im Metropolitan Correctional Center (MCC) in Manhattan, wo wegen Terrorismus Angeklagte oft vor Beginn ihres Prozesses einsitzen, herrschen besonders harte Bedingungen. Häftlinge in der MCC-Einrichtung ,10 South‘, wo ,hochrangige‘ Angeklagte und auch SAMs-Inhaftierte einsitzen, haben kaum Zugang zu Sonnenlicht und keine Möglichkeit, ihre Freizeit im Freien zu verbringen. Die ,Freizeit‘ findet in einem geschlossenen Raum statt, der identisch mit der Zelle des Inhaftierten ist. Sie können keine Fenster öffnen und keine Zeit im Freien verbringen und haben keinen Zugang zu frischer Luft.“

Im Fall von Assange würden die SAMs-Maßnahmen noch dadurch verschärft, dass sein Prozess vor dem Eastern District Court in Virginia stattfinden soll. Die Regierung bevorzugt diesen Gerichtshof für Fälle im Zusammenhang mit „nationaler Sicherheit“, da er sich in der Nähe des Pentagons und der CIA befindet. Hier sitzen außerdem die meisten Geheimdienstmitarbeiter der ganzen USA. Die dortigen Prozesse enden in mehr als 98 Prozent aller Fälle mit einem Schuldspruch.

Die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten verfolgen Assange schon seit fast zehn Jahren. Er war fast sieben Jahre lang gezwungen, sich in der ecuadorianischen Botschaft in London aufzuhalten, weil Großbritannien mit seiner sofortigen Verhaftung drohte, sobald er die engen Räumlichkeiten verließe. Seit er von der britischen Polizei am 11. April aus der Botschaft gezerrt wurde, befindet er sich im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, wo sich seine Gesundheit so weit verschlechtert hat, dass der UN-Berichterstatter für Folter warnt, er könne sterben.

Die Enthüllung, dass gegen Assange die besonderen Haftbedingungen namens SAMs verhängt werden sollen, unterstreicht einmal mehr, dass seine Auslieferung an die USA einem Todesurteil gleichkäme. Im Jahr 2015 warnte Assange selbst, nach einer Auslieferung an die USA werde er wahrscheinlich unter SAMs-Bedingungen festgehalten werden, und er bezeichnete sie als „eine Art lebendiger Tod“.

Der kriminelle Charakter der Bestrebungen der USA, Assange vor Gericht zu bringen, macht die Dringlichkeit der Lage deutlich: Arbeiter, Studenten, Jugendliche und alle Verteidiger demokratischer Rechte müssen seine Auslieferung verhindern. Die Sozialistischen Gleichheitsparteien in Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland haben im Februar Veranstaltungen und Kundgebungen angesetzt, um vor Beginn der Auslieferungsanhörungen die breite Unterstützung für Assange zu einer politischen Bewegung für seine Freilassung zu machen.

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