Jeff Bezos an die Amazon-Beschäftigten: Der Laden muss weiterlaufen

Der Logistik- und E-Commerce-Konzern Amazon verlangt von den Beschäftigten, trotz der COVID-19-Pandemie weiterzuarbeiten und ihr Leben aufs Spiel zu setzen.

Am Samstag, 21. März, richtete sich Amazon-Chef Jeff Bezos auf dem firmeneigenen Blog in einer „Botschaft unseres Vorstandschefs und Gründers“ an die Amazon-Arbeiter. Hinter seiner geheuchelten paternalistischen Besorgtheit um die Beschäftigten verbarg sich eine Botschaft, die man am besten folgendermaßen zusammenfassen kann: „Haltet die Klappe und arbeitet weiter!“

Sein Brief beginnt mit diversen Behauptungen, er sei „dankbar“ für den „wichtigen Dienst“, den seine Logistikarbeiter leisten. Er weist darauf hin, dass die „Leistung [der Arbeiter] von den höchsten Ebenen der Regierung anerkannt wird“, u.a. von Präsident Trump, und dass „das nicht die Normalität ist“.

Als Zugeständnis an die jüngsten Proteste und Forderungen von Amazon-Beschäftigten behauptet Bezos, das Unternehmen werde Priorität auf die Lieferung „wichtiger Güter wie Haushaltsgüter, Desinfektionsmittel, Babynahrung und medizinische Güter“ legen.

Danach kam Bezos – der reichste Mensch der Welt mit einem persönlichen Vermögen von 131 Milliarden Dollar – zum eigentlichen Thema: „Ein Großteil der unbedingt notwendigen Arbeiten kann nicht von zu Hause aus erledigt werden. Wir haben eine Reihe von vorbeugenden Gesundheitsmaßnahmen für Beschäftigte und Mitarbeiter von Fremdfirmen in unseren Einrichtungen in der ganzen Welt eingeführt. Wir haben u.a. die Häufigkeit und Gründlichkeit der Reinigung erhöht und unsere Praktiken in den Logistikzentren angepasst, damit die empfohlenen Richtlinien zur räumlichen Distanzierung erfüllt werden können.“

Jeff Bezos and seine Freundin Lauren Sanchez (AP Photo/Rafiq Maqbool)

Das ist gelogen. Zahlreiche Amazon-Beschäftigte haben in Briefen an die International Amazon Workers Voice die „vorbeugenden Gesundheitsmaßnahmen“ des Unternehmens beschrieben. In New York verbreiteten Lagerarbeiter eine Petition, laut der Amazon „trotz steigender Arbeitsbelastung die Produktivitätsquoten weiterhin durchsetzt und erhöht. Gleichzeitig haben viele Arbeiter schockiert festgestellt, dass ihnen das Unternehmen rechtswidrig den bezahlten Krankheitsurlaub verweigert.“

Außerdem erhalten Arbeiter nur bezahlten Krankheitsurlaub, wenn sie „beweisen“ können, dass sie sich mit dem Coronavirus angesteckt haben. Da Tests kaum verfügbar sind, werden die meisten Arbeiter darauf verzichten und sind gezwungen weiterzuarbeiten.

Weiter erklärt Bezos: „Wir haben Millionen von Gesichtsmasken für unsere Beschäftigten und die Mitarbeiter von Fremdfirmen bestellt, die nicht von zu Hause aus arbeiten können, aber nur wenige dieser Lieferungen sind angekommen.“ Die Arbeiter werden ermahnt, an andere zu denken und zu warten: „Wenn wir mit Masken an der Reihe sind, wird es unsere oberste Priorität sein, sie an unsere Arbeiter und Partner zu verteilen, die damit beschäftigt sind, unentbehrliche Güter an Kunden zu schicken.“

Trotz Bezos' Behauptung, „wir sitzen alle im gleichen Boot“, ist sicher, dass er und der Rest der Wirtschafts- und Finanzoligarchie in keiner Weise „warten, bis sie dran sind“. Sie können von ihren Anwesen aus arbeiten, weit entfernt von den Fabriken und Lagerhäusern. Wenn sie sich tatsächlich mit COVID-19 infizieren, werden sie die beste „Concierge-Medizin“ erhalten, die man für Geld bekommen kann. Der Kontrast zu der miserablen Gesundheitsversorgung, die Amazon-Arbeiter von den Werksärzten erhalten, könnte nicht größer sein. Diese Ärzte schicken die Arbeiter so früh wie möglich wieder zurück in die Logistikzentren.

Bezos’ Brief zeigt den asozialen Charakter der ganzen Kapitalistenklasse. Er erklärt den Arbeitern, the Show must go on, der Laden muss weiterlaufen. Auch wenn Masken und andere wichtige Schutzausrüstungen nicht zur Verfügung stehen, müssen er selbst und der Rest der Wirtschaftselite doch weiter Profite aufhäufen können. Der Brief bestätigt eindrücklich die Schlussfolgerungen der World Socialist Web Site über die Haltung der Kapitalistenklasse in der Pandemie: „Wenn die Anhäufung unserer Milliarden den Tod von Millionen erfordert, dann sei es so.“

Die Arbeiter nahmen die Erklärung ihres Vorstandschefs, sie seien entbehrlich, mit Abscheu auf. Ein Kommissionierer aus der GSP1-Niederlassung in Spartanburg (South Carolina) erklärte gegenüber der International Amazon Workers Voice (IAWV) zu Bezos' Brief: „Es ist erstaunlich, wie viele Worte ein einziger Mann machen kann, um zu sagen: ,An die Arbeit – ich brauch das Geld!‘.“

Weiter erklärte er: „In Wirklichkeit schreibt er in dem Brief, das er aus dieser Krise Profit schlagen will. Eine echt menschliche Geste wäre es gewesen, wenn er sein Milliardenvermögen benutzt hätte, um Notunterkünfte und Suppenküchen einzurichten.“

Ein anderer Logistikarbeiter aus Baltimore schrieb der IAWV: „Ich habe schon zu meinen Kollegen gesagt, Jeff [Bezos] hat genug Geld, um jeden Amazon-Arbeiter auf COVID-19 testen zu lassen. Wir Arbeiter sind doch wichtig, und was wir jetzt tun, ist sehr wichtig, weil die Leute diese Güter wirklich brauchen. Ich habe selbst Quarantäne-Versorgungsgüter gesehen, die über Amazon geschickt wurden … Aber sie müssen verstehen, dass wir auch Menschen sind, und die Gesundheit kommt zuerst.“

Ein ehemaliger Arbeiter der Amazon-Niederlassung DFW-7 in Texas erklärte der WSWS, Bezos' schöne Worte „bedeuten wenig für die Tausenden Arbeiter, die sich schon Blasenentzündungen zugezogen haben, mehrere Stockwerke tief gestürzt sind, ständig überwacht werden … die obdachlos auf den Parkplätzen vor den Logistikzentren hausen, oder für die Angehörigen derjenigen, die plötzlich gestorben sind.“ Er forderte, Bezos solle sein eigenes Vermögen „an die Arbeiter verteilen, die Wasserkrise in Flint beheben, die Mieten und Rechnungen seiner Arbeiter bezahlen und die Produktionsmittel den Arbeitern übereignen“.

Die WSWS und die IAWV rufen die Arbeiter zur Bildung von unabhängigen Aktionskomitees auf, um ihre Forderungen nach Zugang zu Tests und vollständig bezahlter Gesundheitsversorgung sowie der Schließung sämtlicher nicht lebensnotwendiger Produktion durchzusetzen. Dies muss verbunden werden mit dem Kampf für die Umwandlung von Amazon, UPS, FedEx und anderer großer Logistikfirmen in öffentliche Unternehmen in kollektivem Besitz und unter der demokratischen Kontrolle der Arbeiterklasse. Die technologische Leistungsfähigkeit und das globale Netzwerk des Unternehmens muss benutzt werden, um medizinische Güter, Nahrung und Grundgüter auszuliefern. Gleichzeitig müssen die Arbeiter, die an dieser lebenswichtigen Arbeit beteiligt sind, mit hochmoderner Schutzausrüstung ausgestattet und laufend von professionellen Medizinern überwacht werden. Die Länge der Schichten und die Arbeitsbelastung muss reduziert werden, und die Arbeiter müssen angemessene Löhne sowie eine kostenlose und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung erhalten.

Wir rufen Arbeiter, die unsere Forderungen unterstützen, dazu auf, sich mit der World Socialist Web Site in Verbindung zu setzen.

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