Perspektive

Kapitalistische Ökonomie und die Politik des Todes

Trotz der überwältigenden Opposition in der Bevölkerung treiben die Trump-Regierung, eine Mehrheit der Regierungen in den Bundesstaaten, Großkonzerne und die Wall Street die Pläne für eine rasche Wiedereröffnung der US-Wirtschaft voran.

An der Spitze des Rufs nach einer verfrühten und tödlichen Rückkehr an die Arbeitsplätze steht die Autoindustrie. Auf massiven politischen und wirtschaftlichen Druck hin hat die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, die Wiederaufnahme der Produktion von Autozulieferern und Werkzeug- und Karosseriebauern zum gestrigen Montag erlaubt. Die großen Autokonzerne wollen nächste Woche die Produktion in dem Bundesstaat wieder aufnehmen.

Honda nahm am Montag die Produktion in den Vereinigten Staaten und Kanada wieder auf. Dazu gehören Werke in Ohio, South Carolina, North Carolina, Indiana, Georgia und Alabama.

Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom erlaubt dem produzierenden Gewerbe sowie Lager- und Logistikeinrichtungen die Wiedereröffnung am kommenden Freitag.

In Florida, Texas und zahlreichen anderen Bundesstaaten ist der Einzelhandel, darunter Friseurläden, wieder geöffnet worden – oder er wird in wenigen Tagen wieder eröffnet. Missouri erlaubt die Öffnung aller Geschäfte, ebenso wie öffentliche Konzerte.

Tatsächlich sind die Bemühungen, die Ausbreitung der Pandemie innerhalb der Vereinigten Staaten einzudämmen, praktisch zum Scheitern verurteilt. Die Trump-Regierung verfolgt de facto eine Politik der „Herdenimmunität“, die in den kommenden Monaten zu Zehntausenden – und möglicherweise Hunderttausenden – von Todesfällen führen wird, die vermieden werden könnten, wenn geeignete Maßnahmen ergriffen würden, um die Ausbreitung der Pandemie einzudämmen.

Doch die Trump-Regierung, die der Weltgesundheitsorganisation bereits jegliche amerikanische Unterstützung für ihre Tätigkeit entzogen hat, sabotiert aktiv die Bemühungen des Center for Disease Control (CDC), solche Unternehmen, die eine sofortige Rückkehr an den Arbeitsplatz fordern, auch nur mäßig zu beschränken.

Die Wiedereröffnung von Fabriken und anderen Arbeitsstätten findet statt, während die Pandemie weiter außer Kontrolle gerät. Am Wochenende überstieg die Gesamtzahl der Covid-19-Toten in den Vereinigten Staaten 80.000. In den ersten zehn Tagen dieses Monats stieg die Zahl der Todesopfer um mehr als 15.000. Mit der Ausbreitung des Virus in der Bevölkerung manifestiert sich die Krankheit zudem mit neuen Symptomen und erweitert den Kreis ihrer Opfer.

Ärzte, die den ganzen März und April hindurch gekämpft haben, um dem Angriff von Covid-19 auf das menschliche Atmungssystem entgegenzuwirken, haben in den letzten Wochen entdeckt, dass das Virus auch Nieren, Gehirn, Kreislauf und Muskeln angreift.

Die beängstigendste Entwicklung war das Auftreten einer tödlichen Krankheit bei Kleinkindern, deren Symptome denen des Kawasaki-Syndroms ähneln, und die definitiv mit dem Covid-19-Virus in Verbindung gebracht wurde. Epidemiologen berichten, dass die Inkubationszeit bei Kindern zwischen zwei und vier Wochen zu liegen scheint. Das bedeutet, dass Kinder, die im April infiziert wurden, erst in den kommenden Wochen schwer erkranken werden.

Eltern, denen versichert worden war, dass Kleinkinder nicht von der Pandemie bedroht seien, werden von dieser neuen Gefahr zutiefst beunruhigt sein. Arbeiter, die jetzt gezwungen sind, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren, müssen sich mit der sehr realen Möglichkeit auseinandersetzen, dass sie, wenn sie sich während der Arbeit infizieren, die Krankheit auf ihre Kinder übertragen können, mit schrecklichen Folgen.

Das Ausmaß der Rücksichtslosigkeit und kriminellen Gleichgültigkeit der Trump-Regierung gegenüber dem Schicksal der Bevölkerung wird durch die Tatsache unterstrichen, dass das Virus im Westflügel des Weißen Hauses wütet.

Ein persönlicher Diener von Trump ist positiv getestet worden. Katie Miller – die Pressesprecherin von Vizepräsident Mike Pence und die Frau eines der Hauptberater von Trump, des Faschisten Stephen Miller – wurde ebenfalls positiv getestet. Drei Spitzenbeamte der Coronavirus-Task-Force des Weißen Hauses – Dr. Anthony Fauci, Dr. Robert R. Redfield und Dr. Stephen Hahn – befinden sich jetzt in Selbstquarantäne, da sie mit infizierten Personen in Kontakt standen.

Es wird berichtet, dass Trump einen Wutanfall bekam, als er erfuhr, dass er dem Virus ausgesetzt gewesen sein könnte. Laut der Washington Post war Trump „verärgert, als er erfuhr, dass Miss Miller positiv getestet worden war, und ist zusehends gereizt gegenüber Menschen, die ihm zu nahe treten...“

Die Post berichtet weiter: „Der Befund der beiden infizierten Mitarbeiter hat das Weiße Haus dazu veranlasst, die Verfahren zur Bekämpfung des Virus zu beschleunigen und mehr Mitarbeiter aufzufordern, von zu Hause aus zu arbeiten, vermehrt Masken zu verwenden und Personen, die den Komplex betreten, strenger zu kontrollieren.“

Die Situation im Weißen Haus entlarvt den Betrug und die Heuchelei, die in Klasseninteressen und Privilegien wurzeln und die alle Aspekte der Reaktion der Trump-Regierung auf die Pandemie kennzeichnen. Obwohl es ihr nicht gelungen ist, die Ausbreitung des Virus bis hinein ins Weiße Haus – das am besten bewachte Gebäude der Welt – zu verhindern, verlangt die Regierung, dass gewöhnliche arbeitende Amerikaner an Arbeitsplätze zurückkehren, an denen es nur wenige oder gar keine wirksamen Verfahren gibt, um weitere Infektionen zu verhindern. Denjenigen, die in der Nähe des Präsidenten arbeiten, wird erklärt, sie sollten von zu Hause aus arbeiten – ein Privileg, das Dutzenden Millionen Arbeitern nicht zur Verfügung steht.

Trumps Aussagen und Handlungen sind die eines Soziopathen. Aber seine Politik wird von den Interessen der wirtschaftlichen Elite bestimmt. Die Forderung nach der „Wiedereröffnung der Wirtschaft“ – der Ausdruck, der zur Legitimierung einer kriminellen Politik verwendet wird – bedeutet nichts anderes als die Wiederaufnahme der hemmungslosen Ausbeutung der Arbeiterklasse, ganz gleich was die menschlichen Kosten sind.

Die Washington Post, die sich im Besitz von Amazon-Chef Jeff Bezos befindet, räumt unverblümt ein, dass die Trump-Regierung „die Amerikaner auffordert, einen verheerenden Vorschlag zu akzeptieren: dass eine stetige, tägliche Anhäufung einsamer Todesfälle ein grausiger Preis für die Wiedereröffnung der Nation ist.“

Tatsächlich wird den Amerikanern erklärt – nicht dass sie gefragt würden–, dass sie unter Bedingungen, die zu massiven Verlusten an Menschenleben führen werden, an ihren Arbeitsplatz zurückkehren sollen. In der jüngsten Pew-Umfrage, die Ende der vergangenen Woche veröffentlicht wurde, erklärten zwei Drittel der Befragten, dass sie sich gegen eine vorzeitige Wiedereröffnung der Wirtschaft aussprechen.

In einer typisch zynischen Erklärung mit dem Titel „Die Katastrophe des wirtschaftlichen Lockdowns“ fragte das Wall Street Journal: „Nun, nach den schrecklichen Arbeitslosenzahlen vom Freitag: wie gefällt Ihnen die Schließung jetzt?“ Die Prämisse, die dieser belasteten Frage zugrunde liegt, ist, dass Dutzende Millionen Amerikaner verarmen und hungern werden, wenn sie nicht wieder arbeiten gehen. Es gibt keine andere Wahl.

Als Antwort auf das Wall Street Journal stellt die Socialist Equality Party eine andere Frage: Angesichts der katastrophalen Verluste an Menschenleben und der sozialen Verwüstung, von der Millionen von Menschen betroffen sind – wie gefällt Ihnen die Rettungsaktion für die Wall Street jetzt?

Von den frühesten Stadien der Pandemie an wurde die Reaktion der Trump-Regierung von den Interessen der Oligarchie aus der Wirtschaft und der Finanzwelt bestimmt. Die Priorität der Regierung war die Rettung von Wall-Street-Investitionen und von kapitalistischem Reichtum, nicht die Rettung von Menschenleben. Tatsächlich sind die beiden Ziele – Schutz von Aktionären und Spekulanten an der Wall Street oder Bekämpfung der Pandemie und Schutz der arbeitenden Bevölkerung – völlig unvereinbar.

Dieser grundlegende sozioökonomische Widerspruch – d.h. der unversöhnliche Konflikt zwischen der Kapitalistenklasse und der Arbeiterklasse – findet seinen obszönsten Ausdruck in der Korrelation zwischen der Zahl der Toten, Arbeitslosen und Verarmten einerseits und dem explosionsartigen Anstieg der Aktienwerte an der Wall Street andererseits.

Seit der Verabschiedung des milliardenschweren Rettungspakets Ende März ist der Dow Jones um etwa 35 Prozent gestiegen. Der Nasdaq-Index befindet sich auf seinem Höchststand von 2020. In den ersten zehn Mai-Tagen stieg die Zahl der Toten um etwa 15.000, während der Dow mehr als 600 Punkte hinzu gewann.

Je schrecklicher die Berichte über Tod und menschliches Leid, desto ekstatischer die Reaktion der kapitalistischen Märkte. Der Kontrast zwischen der „Wall Street“ und der gewöhnlichen Straße ist so extrem, dass er jetzt in der Finanzpresse ausführlich kommentiert wird.

Der Grund für den explosionsartigen Anstieg der Aktienwerte ist hinlänglich bekannt. Die Trump-Regierung verpflichtete sich mit der einstimmigen Unterstützung der republikanischen und demokratischen Abgeordneten – darunter auch Senator Bernie Sanders – mit Billionen von Dollar zur Rettung der Wall Street.

Aus berufenem Munde heißt es über die Euphorie an der Wall Street seitens des Economist in dessen jüngster Ausgabe:

Ein großer Teil der verbesserten Stimmung ist auf die Fed zurückzuführen, die dramatischer als andere Zentralbanken gehandelt und in ungeahntem Ausmaß Vermögenswerte aufgekauft hat. Sie hat sich verpflichtet, noch mehr Unternehmensschulden zu kaufen, einschließlich hochverzinslicher „Schrott-Anleihen“. Der Markt für Neuemissionen von Unternehmensanleihen, der im Februar eingefroren war, hat sich in spektakulärer Weise wieder geöffnet. Unternehmen haben in den vergangenen sechs Wochen Anleihen im Wert von 560 Milliarden Dollar ausgegeben, doppelt so viel wie üblich. Sogar gestrandete Kreuzfahrtgesellschaften waren in der Lage, Bargeld zu beschaffen, wenn auch zu einem hohen Preis. Eine Kaskade von Konkursen bei großen Firmen wurde verhindert. Die Zentralbank hat in der Tat den Cashflow der Amerika GmbH aufgefangen. Der Aktienmarkt hat den Wink aufgenommen und ist gestiegen.

Nachdem sie unbegrenzte Geldsummen ausgegeben hat und weiterhin ausgibt, um die herrschende Elite zu retten und damit die Staatsverschuldung massiv erhöht, fordert die Trump-Regierung sowie das politische Establishment und die bürgerlichen Medien, dass die Masse der arbeitenden Menschen wieder an die Arbeit geht. Es ist kein Geld da, um die Pandemie zu bekämpfen und die Arbeitslosen zu unterstützen. Das Wall Street Journal zitiert zustimmend die Worte des demokratischen Gouverneurs von New York, Andrew Cuomo: „Die Regierung hat alles getan, was sie konnte.“

Tatsächlich hat sie nichts getan. Die Forderung der Trump-Regierung nach einer Rückkehr an die Arbeitsplätze hat deutlich gemacht, dass der Kampf gegen die Pandemie nicht nur an der medizinischen Front geführt werden darf. Die Arbeiterklasse ist vor allem mit einem politischen und sozialen Kampf gegen das kapitalistische System konfrontiert.

Der Kampf gegen die Pandemie erfordert ein sozialistisches Programm, das unversöhnlich gegen die wirtschaftlichen Interessen der Kapitalistenklasse und des kapitalistischen Systems als Ganzes gerichtet ist.

Angesichts einer beispiellosen nationalen und globalen Krise, bei der unzählige Millionen Menschenleben auf dem Spiel stehen, können die Interessen der Arbeiterklasse – der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung – nur durch ein Ende der Diktatur der Finanzeliten in der Sozialpolitik und die Umschichtung wirtschaftlicher Ressourcen auf der Grundlage der sozialistischen Neuordnung des Wirtschaftslebens durchgesetzt werden.

In dieser entscheidenden Situation stellt die Socialist Equality Party folgende Forderungen:

  • Die Ablehnung aller Forderungen nach einer Rückkehr an den Arbeitsplatz, bis die Ausbreitung der Pandemie gestoppt ist und sichere und gesunde Bedingungen an allen Arbeitsplätzen geschaffen werden können.
  • Die Bereitstellung eines monatlichen Einkommens für alle Familien, in einer Höhe, die ausreicht, um einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten, bis eine Rückkehr zur Arbeit möglich ist. Dieses Einkommen sollte durch eine Aussetzung von Hypotheken, Mieten, Zinszahlungen und Strom-, Gas- und Wasserrechnungen sowie durch den Erlass der Schulden der Studenten ergänzt werden.
  • Die Bereitstellung von Hilfsleistungen für kleine Unternehmen in einer Höhe, die ausreicht, um die wirtschaftliche Lebensfähigkeit des Unternehmens und die Löhne und Gehälter seiner Mitarbeiter bis zur Wiederaufnahme des Betriebs aufrechtzuerhalten.
  • Die sofortige Ablehnung der Banken- und Konzernrettung und die Rückgabe aller an private Banken und Unternehmen ausgezahlten Mittel.
  • Die Enteignung aller großen Banken und Konzerne und ihre Umwandlung in demokratisch kontrollierte öffentliche Betriebe.
  • Eine massive Erhöhung des Steuersatzes auf mindestens 90 Prozent auf Gehälter und alle unverdienten Einkünfte aus spekulativen Investitionen für die reichsten fünf Prozent der Bevölkerung.
  • Die Demontage des gesellschaftlich zerstörerischen militärisch-unternehmerischen Komplexes und die Umleitung seines massiven Budgets zu sozial fortschrittlichen Zwecken.

Dieses Programm kann nicht durch die bestehenden politischen Parteien und institutionellen Strukturen der Kapitalistenklasse verwirklicht werden. Es muss durch die unabhängige politische Mobilisierung der Arbeiterklasse erkämpft werden. Der Zweck dieses Programms ist nicht die Reform des kapitalistischen Systems, sondern seine Ersetzung durch ein sozialistisches Wirtschaftssystem, das auf demokratischen Herrschaftsformen beruht, die von der Arbeiterklasse im Laufe des Kampfes geschaffen werden.

Vor allem muss die amerikanische Arbeiterklasse, wenn sie für dieses Programm kämpft, aktiv um die Unterstützung der Arbeiter in der ganzen Welt werben, die ihre natürlichen Verbündeten im Kampf gegen den globalen Kapitalismus sind. Die Pandemie, die Arbeiter in allen Ländern betrifft, zeigt die Notwendigkeit der Vereinigung der internationalen Arbeiterklasse im weltweiten Kampf für den Sozialismus.

Die Socialist Equality Party kandidiert für die Präsidentschaftswahlen 2020. Ihre Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftskandidaten – Joseph Kishore und Norissa Santa Cruz – werden die durch diese Kampagne gebotene Gelegenheit nutzen, um für dieses revolutionäre sozialistische Programm zu kämpfen.

Wir appellieren an Arbeiter und Jugendliche, an die Leser der World Socialist Web Site und an die Unterstützer der Socialist Equality Party, sich an diesem entscheidenden Kampf aktiv zu beteiligen, von dem die Zukunft der Menschheit abhängt.

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