EU verhängt Einreiseverbot für US-Bürger wegen Covid-19-Ausbreitung

Am Freitagabend hat die Europäische Union ein Einreiseverbot für US-Bürger beschlossen. Als Begründung nannte sie Bedenken wegen der Ausbreitung von Covid-19. Die Entscheidung ist ein vernichtender Schlag für das Prestige der USA. Betroffenheit und Ungläubigkeit wachsen, während die USA, das reichste und mächtigste Land der Welt, weiterhin die mit Abstand meisten Infektions- und Todesfälle durch das Coronavirus verzeichnen. Gleichzeitig lehnt die US-Regierung alle Gesundheitsschutzmaßnahmen, die für die Einschränkung der Pandemie wichtig sind, scharf ab.

Trotz der mehr als 2,6 Millionen Fälle und 130.000 Todesopfer haben die USA ihre Zahlungen an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eingestellt und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit abgelehnt, die für die Eindämmung des Virus von entscheidender Bedeutung sind. Während Covid-19 in den Betrieben und Arbeitervierteln wütet, fordert Präsident Donald Trump eine Begrenzung der Tests. Letzte Woche erklärte er bei einer Wahlveranstaltung in Tulsa (Oklahoma): „Wenn man in diesem Ausmaß Tests durchführt, wird man mehr Leute finden, mehr Fälle [...] Deshalb habe ich zu meinen Leuten gesagt: ,Bitte beschränkt die Tests.‘ Sie testen und testen!“

Solche Äußerungen, aus denen die völlige Gleichgültigkeit gegenüber der Gesundheit und dem Wohlergehen der Bevölkerung sichtbar wird, schwächen Washingtons Position im Ausland rapide, mit weitreichenden Folgen.

Die Vertreter der EU legten eine kurze Liste von Staaten vor, in denen sich Covid-19 nicht schneller als in Europa ausbreitet und dessen Staatsbürger deshalb in die EU einreisen dürfen. Dazu gehören Australien, Kanada, Neuseeland, Südkorea, Japan, Ruanda, Thailand, Uruguay, Algerien, Marokko, Tunesien, Georgien, Montenegro und Serbien. Auch Chinesen dürfen in die EU einreisen, sofern Europäer im Gegenzug nach China einreisen dürfen. US-Bürgern wird die Einreise jedoch nicht erlaubt.

Während die Entscheidung vorbereitet wurde, erhielt die New York Times Details über die Diskussionen zugespielt. In einem besorgten Artikel machte sie deutlich, dass es bei dieser Entscheidung um weit mehr als die Frage geht, ob amerikanische Touristen im Sommer auf Sightseeing-Tour durch Europa gehen dürfen.

Die Times schrieb, die Entscheidung würde „amerikanische Besucher in einen Topf mit Russen und Brasilianern als ungebetene Gäste“ werfen und bezeichnete sie als einen „schmerzhaften Schlag für das amerikanische Prestige in der Welt und eine Abfuhr für Trumps Umgang mit dem Virus in den USA“. Die Times betrachtete die Angelegenheit jedoch nicht einfach als Frage der öffentlichen Gesundheit und des verletzten Nationalstolzes. Sie fügte hinzu, die Entscheidung werde „beträchtliche wirtschaftliche, kulturelle und geopolitische Folgen“ haben.

Die französische Tageszeitung Le Monde machte in einem Artikel deutlich, dass die EU die Entscheidung getroffen und sich dem Druck der USA widersetzt habe, um ein Signal auszusenden. Ohne die USA zu erwähnen, hieß es: „Wird diese Entscheidung politische Konsequenzen haben? Zweifellos wurde ein gewisser Druck ausgeübt, und gewisse EU-Staaten hatten aus wirtschaftlichen, strategischen oder touristischen Gründen offenbar Schwierigkeiten dabei, bestimmten Nationalitäten die Einreise zu verbieten. Dennoch wurde laut Diplomaten die Entscheidung für ein ,starkes Bekenntnis‘ getroffen.“

Washingtons imperialistische Rivalen treibt nicht die Sorge um die Auswirkungen von Trumps Politik auf die Gesundheit und das Wohlergehen der Bevölkerung an. Tatsächlich wurden in Europa Dutzende Millionen Arbeiter trotz der Pandemie wieder in die Betriebe zurückgeschickt, während man gleichzeitig ein Einreiseverbot für US-Staatsbürger verhängte. Vielmehr verschärft die Pandemie den rücksichtslosen Kampf zwischen den Großmächten um die Aufteilung der Profite in der Weltwirtschaft.

Die US-Regierung reagierte auf die Pandemie, indem sie den Superreichen Billionen-schwere Rettungspakete geschnürt hat. Für die Gesundheit und das Leben der Arbeiter hatte sie jedoch nur Verachtung übrig. Im Frühjahr kündigte die Federal Reserve an, Billionen von Dollar zu drucken und in das US-Bankensystem zu injizieren, während die US-Regierung weitere Darlehen in Billionenhöhe aufnahm, um ihr Defizit zu finanzieren und so Steuererhöhungen für Reiche zu vermeiden. Durch diese Rettungsaktionen schossen die US-Aktienmärkte in die Höhe, obwohl die wirtschaftliche Aktivität zusammenbrach und sich die Pandemie ausbreitete.

Die vorgeblichen Verbündeten der USA in Europa reagierten auf diese Maßnahmen deutlich verärgert. Gideon Rachman von der Londoner Financial Times erklärte am 13. April in einer Kolumne mit dem Titel „Das Coronavirus und die Bedrohung der amerikanischen Vormachtstellung“, die Reaktion der USA auf das Coronavirus könnte „das Vertrauen der Welt in den Dollar auf die Probe stellen“.

Rachman schrieb weiter: „Durch das Konjunkturpaket im Wert von zwei Billionen Dollar, das gerade verabschiedet wurde, erhöht sich die Staatsverschuldung der USA noch weiter, nachdem sie unter Trump ohnehin stark angestiegen ist. Gleichzeitig steigt auch die Bilanz der Federal Reserve weiter enorm an, da sie nicht nur Staatsanleihen kauft, sondern auch Unternehmensanleihen. Wenn sich ein Land der ,Dritten Welt‘ so benehmen würde, dann würden die klugen Köpfe in Washington warnen, dass eine Krise unmittelbar bevorsteht. Selbst die US-Währung läuft irgendwann Gefahr, das Vertrauen der Welt zu verlieren.“

Die Fähigkeit der amerikanischen Bourgeoisie, trotz der katastrophalen Folgen ihrer Politik ihre eigenen Reichen zu retten, ist nicht grenzenlos. Diese Politik löst nicht nur soziale Wut in der internationalen Arbeiterklasse aus, sondern auch gefährliche Spannungen mit anderen Großmächten. Diese Spannungen stehen im Zusammenhang mit der Rolle des US-Dollars als weltweiter Reservewährung, die von anderen Ländern gehalten und für internationale Transaktionen beim Handel mit Gütern, Dienstleistungen und Finanzprodukten benutzt wird.

Diese Rolle wurde 1944 am Ende des Zweiten Weltkriegs, aus dem der US-Kapitalismus als vorherrschende Wirtschaftsmacht hervorging, im Finanzsystem von Bretton Woods festgelegt. Seine damals hochgradig wettbewerbsfähige Industrie hatte den Krieg überstanden, der auf dem Boden anderer Länder ausgetragen wurde. Die USA kontrollierten die Hälfte der weltweiten Industrieproduktion und besaßen außerdem massive Goldreserven, mit denen sie den Wert des Dollars stützten. Wer Dollars besaß, konnte Gold für 35 Dollar pro Unze kaufen. Nach dem Krieg waren Dollars stark und stabil, und viele Länder wollten sie besitzen, um heiß begehrte US-Produkte zu kaufen.

Doch als die Rivalen des US-Imperialismus stärker wurden, löste der Dollar zunehmend Widerstand aus. Im Jahr 1965 verurteilte der damalige französische Finanzminister Valéry Giscard d’Estaing das „exorbitante Privileg“, das die USA besaßen, weil ihre Landeswährung die weltweite Reservewährung war.

Das US-Finanzsystem kann immense Vermögenswerte auf den Weltmärkten aufkaufen, indem es Dollars druckt, die nicht durch realen, aus der Arbeit der Arbeiterklasse extrahierten Wert gedeckt sind – bis irgendwann die Rechnung fällig wird. Oder, wie es der US-Ökonom Barry Eichengreen formulierte: „Es kostet das [US] Bureau of Engraving and Printing nur ein paar Cent, einen 100-Dollar-Schein zu drucken, aber andere Länder müssen tatsächlich Waren und Dienstleistungen im Wert von 100 Dollar liefern, um einen zu bekommen.“

Dieses „exorbitante Privileg“ war lange Zeit der Grund für erbitterte inter-imperialistische Rivalitäten. In den 1960ern begannen französische und europäische Regierungsvertreter, Gold aus Amerika abzuziehen, wenn sie Dollars verdienten. Daraufhin beendete US-Präsident Richard Nixon im Jahr 1971 die Bindung des Dollar an den Goldpreis. Als europäische Regierungsvertreter sich beschwerten, die rapiden Preisanstiege in Amerika würden über den Dollar auf ihre Volkswirtschaften übertragen, erklärte ihnen US-Verteidigungsminister John Connally offen, der Dollar „ist unsere Währung, aber euer Problem“.

Durch die Pandemie haben diese Widersprüche des Weltkapitalismus eine neue, bösartige Intensität angenommen. Seit 1971 hat sich die industrielle und finanzielle Position Amerikas unablässig verschlechtert. Vor allem seit der Auflösung der Sowjetunion durch die Stalinisten im Jahr 1991 wurde die US-Wirtschaft durch die Verschwendung von Billionen Dollar für blutige und zerstörerische Kriege im Nahen Osten geschwächt. Der Dollar ist immer noch die Reservewährung, aber nicht weil der Großteil der industriellen und finanziellen Vermögenswerte amerikanisch wäre oder weil die Welt Dollar braucht, um Exportgüter aus den USA zu kaufen, sondern weil eine Alternative fehlt.

Angesichts der Pandemie erreicht Washingtons finanzielle Rücksichtslosigkeit jedoch neue Höhen. Es benutzt sein „exorbitantes Privileg“, um in beispiellosem Ausmaß Dollars zu drucken, während es sich gleichzeitig Billionen aus dem Ausland leiht und Trump droht, seine Schulden an China – und möglicherweise auch an andere ausländische Gläubiger – nicht mehr zu bezahlen. Die herrschenden Kreise in Europa und Asien reagieren mit Forderungen nach einer Alternative zum Dollar, was eine explosive politische und militärische Reaktion in Washington auslösen könnte.

Zwei Tage nachdem Rachman seine Kolumne in der Financial Times veröffentlicht hatte, gaben die Regierungschefs von Italien, Portugal, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und Spanien in Europa sowie Äthiopien, Ruanda, Mali, Kenia, Südafrika, Senegal, Ägypten und der Demokratischen Republik Kongo in Afrika eine gemeinsame Erklärung in der Financial Times heraus. Darin riefen sie den Internationalen Währungsfonds (IWF) auf, Sonderziehungsrechte (SZR) zu schaffen, die nicht auf dem Dollar, sondern auf einem Korb aus mehreren nationalen Währungen basieren, um Afrikas Ausgaben im Kampf gegen die Pandemie zu finanzieren.

Sie schrieben: „Um diesen Prozess zu unterstützen und zusätzliche Liquidität für die Beschaffung von Grundgütern und wichtigen medizinischen Mitteln zu unterstützen, muss der IWF sofort über die Bereitstellung von Sonderziehungsrechten entscheiden.“ Sie riefen „die WHO, die Weltbank, die ADB [Asiatische Entwicklungsbank] und andere relevante Gesundheitsorganisationen auf, [...] auf der Grundlage ihrer jeweiligen Mandate einen gemeinsamen Aktionsplan zu entwickeln, um relevante Maßnahmen zu ergreifen.“

US-Finanzminister Steven Mnuchin legte jedoch einen Tag später beim IWF sein Veto ein und behauptete, Sonderziehungsrechte seien „kein effektives Mittel, um auf dringende Bedürfnisse zu reagieren“.

Von besonderer Bedeutung sind die geopolitischen Auswirkungen von Chinas zunehmendem wirtschaftlichem Gewicht. Die Beteiligung der EU an der chinesischen Asiatischen Entwicklungsbank für Infrastruktur (AIIB), die chinesische Investitionen in ganz Eurasien finanziert, hat zu Spekulationen über einen schnellen Zusammenbruch des US-Dollars geführt.

Letztes Jahr veröffentlichte die dänische Saxo-Bank einen Bericht, laut dem die AIIB eine „neue Reservewährung namens Asian Drawing Right oder ADR einführen könnte. Ein ADR entspräche dabei zwei US-Dollar, sodass der ADR die größte Währungseinheit der Welt wäre.“ In diesem Szenario würde eine Abwicklung des eurasischen Handels in ADR „dem US-Dollar schnell einen beträchtlichen Teil des Welthandels wegnehmen, sodass die USA noch weniger Kapitalzufluss haben, um ihre zweistelligen Defizite zu finanzieren. [...] Der US-Dollar würde innerhalb weniger Monate 20 Prozent gegenüber dem ADR und 30 Prozent gegenüber dem Gold verlieren.“

Solche Szenarien werfen ein grelles Licht auf die finanziellen Interessen, die hinter den Kriegen der letzten drei Jahrzehnte stehen, mit denen die USA Regionen im Nahen Osten und Zentralasien und damit die eurasische Landmasse kontrollieren wollten.

Natürlich sind alle derartigen Szenarios nur Hypothesen. Doch bereits die Tatsache, dass sie aufgestellt und diskutiert werden, verdeutlicht die brisanten politischen Konflikte, die angesichts der Pandemie und der größten Wirtschaftskrise seit der Großen Depression der 1930er entstehen. Sie zeigen, dass ein katastrophaler Zusammenbruch der Beziehungen zwischen den Großmächten eine reale und immer wahrscheinlichere Möglichkeit ist. Er wird den Ausbruch eines neuen Weltkriegs beschleunigen, falls die internationale Arbeiterklasse keine revolutionäre Bewegung aufbaut, um ihn zu verhindern.

Siehe auch:

Offener Konflikt zwischen USA und Europa in München
[19. Februar 2020]

Rolle rückwärts: Die Krise der geopolitischen Nachkriegsordnung
[3. Juni 2017]

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