Eine Antwort auf die Morenoisten und deren Unterstützung für die Militarisierung der Wahlen in Brasilien

Den unten wiedergegebenen Brief erhielt die World Socialist Web Site von einem Führer der brasilianischen Organisation Movimiento Revolucionario de Trabajadores (MRT). Die MRT ist Mitglied der morenoistischen „Trotzkistischen Fraktion“, zu der auch die argentinische Partido de los Trabajadores Socialistas (PTS), die Gruppe Révolution Permanente, eine Fraktion der französischen Nouveau Parti Anticapitaliste (NPA), und die Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO) in Deutschland gehören. Der Brief kritisiert einen Artikel der WSWS vom 27. Oktober 2020 mit dem Titel „Brasilianische Morenoisten unterstützen pro-militärische Parteien bei den Bürgermeisterwahlen“. Darin wurde die Komplizenschaft der MRT bei der pro-militärischen Wahlkampagne der größten pseudolinken Sammelorganisation Brasiliens, der Partei für Sozialismus und Freiheit (Partido Socialismo e Liberdade, PSOL), aufgedeckt. Autor des Schreibens ist André Barbieri, Herausgeber der Website der MRT, Izquerda Diario. Darunter folgt eine Antwort der Socialist Equality Group (Brasilien).

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„Interessiert irgendjemanden, was diese Verrückten von der WSWS sagen? Für mich war es eine archäologische Erfahrung. Nach Jahrzehnten der rohen Degeneration, der vollständigen Abtrennung von der Arbeiterklasse und glatter Opposition gegen den antirassistischen Kampf – was die WSWS im US-Klassenkampf irrelevant gemacht hat – versuchen sie ihr Glück mit Verleumdungen gegen die Trotzkistische Fraktion. Es ist lachhaft. Die Healyisten behaupten, dass die MRT an der Militarisierung der Politik in Brasilien „mitwirkt“. Da sie in Brasilien nicht aktiv arbeiten – oder sonst irgendwo außerhalb von David Norths Büro –, muss die WSWS verschleiern, dass die MRT die einzige linke Organisation auf brasilianischem Boden ist, die sich mit einem prinzipientreuen Kampf gegen die Polizei (auch in den USA, mit Left Voice) und die Militarisierung der Politik stellt, bei der PT und PSOL tatsächlich kollaborieren. Die WSWS muss natürlich anerkennen, dass die MRT ihre Kandidaten bei der Bürgermeisterwahl in Rio de Janeiro zurückgezogen und die Kandidatur eines Militärs für die PSOL abgelehnt hat. Wie Trotzki angesichts der Dummheiten der Stalinisten sagte, müssen selbst Verleumdungen eine gewisse Logik haben. Was für eine erbärmliche Vorstellung dieser leichenhaften politischen Tendenz, die von der WSWS vertreten wird, wenn sie versucht, sich mit episodischen Anfällen stalinistisch anmutender Diffamierungen wiederzubeleben. Möge diesen Leuten die Erde leicht sein.“

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Barbieris verleumderische Tiraden sind ein genaues Maß für die Politik der MRT. Wie das Sprichwort sagt, „Der Stil ist der Mensch“, und Barbieris Stil besteht aus leerem Geschwätz und Beleidigungen, was viel über seine eigene Organisation verrät.

Er fragt zu Beginn: „Interessiert irgendjemanden, was diese Verrückten von der WSWS sagen?“ Seine hastig hingeschmierten Beschimpfungen beweisen hinlänglich, dass es tatsächlich jemanden interessiert und dass die MRT äußerst empfindlich auf das reagiert, was die WSWS über sie sagt. Seit dem Relaunch am 2. Oktober wurde die WSWS von über 2,5 Millionen Lesern weltweit aufgerufen und findet auch in Brasilien ein wachsendes Publikum.

Was die Behauptungen anbelangt, dass die WSWS die Morenoisten von der MRT verleumdet und diffamiert hätte, so bestätigt Barbieri mit seiner Reaktion lediglich die Analyse unseres ursprünglichen Artikels. Darin erklärten wir, dass die brasilianischen Morenoisten „hinter den pro-militärischen Kampagnen der politischen Organisationen stehen, die sich als ‚Opposition‘ gegen den faschistischen Präsidenten Jair Bolsonaro ausgeben. Dazu gehört auch die größte pseudolinke Sammelorganisation Brasiliens, die Partei für Sozialismus und Freiheit (PSOL).“ Auf der Wahlliste der PSOL für die brasilianischen Kommunalwahlen im November ließ MRT auch ihre Kandidaten antreten.

Barbieri bezeichnet diese Feststellung als Verleumdung, weil die MRT bei den Kommunalwahlen in Rio de Janeiro, wo der Rechtsschwenk der PSOL hin zu Militär und Polizei besonders krass war, ihre Kandidaten von deren Liste zurückzog. Die PSOL schickte den ehemaligen Generalkommandanten der Militärpolizei von Rio – die jährlich etwa 1.800 Menschen tötet –, Oberst Íbis Souza, ins Rennen um den Posten des Vizebürgermeisters.

Die Morenoisten rechneten sich in ihrem Zynismus aus, dass die Teilnahme an der Wahlkampagne in Rio ihre politische Kernaufgabe als linkes Feigenblatt der PSOL untergraben würde.

Aber die Wahlkampagne in Rio ist kein bloßer Fehler oder eine zufällige Verirrung. Die PSOL stellt landesweit nicht weniger als 26 Kandidaten aus dem Militär- oder Polizeiapparat auf. In Sao Paulo, wo die MRT ihre Kampagne zu den Kommunalwahlen konzentriert, traf sich der Bürgermeisterkandidat der PSOL, der antimarxistische Scharlatan Guilherme Boulos, Mitte Oktober mit der Polizeigewerkschaft von Sao Paulo und versprach, dass er im Falle seiner Wahl 2.000 weitere Polizisten einstellen werde. Auf diese Unterstützung für einen Ausbau der Polizei von Boulos, mit dem sie auf derselben Liste kandidierte, reagierte die MRT mit dem Wunsch nach „einer offenen Debatte über die Fehler einer solchen Perspektive“.

Während die MRT die PSOL von links abdeckt, verleiht die PSOL ihrerseits dem pro-militärischen Schwenk der Arbeiterpartei (Partido dos Trabalhadores, PT) einen linken Anstrich. Die PT hat 126 Polizei- und Militärangehörige als Kandidaten aufgestellt. Nicht anders verhält sich die PSOL gegenüber der Unterstützung aller übrigen Parteien des bürgerlichen politischen Establishments Brasiliens für das Militär.

Barbieri räumt ein, dass die PSOL tatsächlich mit der Polizei und der Militarisierung der Politik kollaboriert, behauptet aber, dass die MRT einen „prinzipientreuen Kampf“ führe, weil sie einen einzigen Kandidaten in Rio de Janeiro zurückzog, die PSOL jedoch in allen anderen Teilen des Landes weiterhin unterstützt. In der Tat ist Barbieris offene Charakterisierung der PSOL als prinzipienlose und pro-militaristische Organisation in seinem Brief an die WSWS eine Einschätzung, die die MRT vor der Öffentlichkeit verbirgt, wo sie unaufhörlich für die PSOL wirbt und ihre eklatant rechte Politik stets als „Fehler“ abtut.

Wenn die MRT nicht vollständig in die PSOL integriert ist, dann nicht deshalb, weil sie es nicht versucht hätte. Von 2013 bis 2017 richtete sie all ihre Anstrengungen darauf, in die PSOL aufgenommen zu werden. Doch deren Führung entschied, dass es die Mühe nicht wert sei, da die Morenoisten ihr so oder so einen linken Deckmantel boten.

Im Jahr 2017, nachdem die angestrebte Auflösung in der PSOL gescheitert war, schrieb die MRT-Führerin Diana Assunção einen Artikel mit dem verdrießlichen Titel: „Warum will die PSOL-Führung den Eintritt der MRT nicht zulassen?“ Darin räumte sie ein, dass die MRT „keinerlei organisatorische Bedingungen stellt und die Führungspersönlichkeiten, mit denen wir uns trafen, darüber informiert hat, dass wir zunächst keine Führungsposition fordern würden, wenn sie der Ansicht seien, dass dies das innere Kräfteverhältnis der Strömungen verändern würde“. Mit anderen Worten, in Hinterzimmerverhandlungen mit der PSOL-Führung versprachen die Morenoisten, sich der rechten, opportunistischen Politik der PSOL unterzuordnen, wenn sie im Gegenzug Aussicht auf Wahllistenplätze erhielten.

In dieser Hinsicht trat die MRT nur in die historischen Fußstapfen des Begründers ihrer revisionistischen Tendenz, des Argentiniers Nahuel Moreno, und seiner brasilianischen Anhänger in der Convergência Socialista, die eine Politik des Entrismus in die Arbeiterpartei (PT) verfolgten. Von den frühesten Anfängen der PT an – bis sie kurzerhand wieder hinausgeworfen wurden – beteiligten sich die Morenoisten am Aufbau dieser Partei, die zum bevorzugten Herrschaftsinstrument der brasilianischen Bourgeoisie wurde und die Interessen der brasilianischen Arbeiterklasse verriet und mit Füßen trat.

Heute spielt die MRT im Wesentlichen die gleiche Rolle in Bezug auf die PSOL, die eine parlamentarische Abspaltung von der PT ist. Sie fordert die Arbeiter und die Jugend auf, „alles daran zu setzen“, diese verrottete Partei nach links zu drücken.

Dieselbe Rolle spielen alle Gruppen, die der morenoistischen „Trotzkistischen Fraktion“ angehören. Ihr politisches Bekenntnis zur Unterordnung der Arbeiterklasse unter die bürgerlichen Parteien und den kapitalistischen Staat fand den offensten Ausdruck jüngst darin, wie auf Izquierda Diario der Sieg der MAS (Bewegung zum Sozialismus) in Bolivien gefeiert wurde.

Die Website begrüßte außerdem die Wahlaussichten des altgedienten imperialistischen Politikers Joe Biden mit den Worten: „Diese Niederlage der Rechten auf dem Kontinent könnte weiter ausgedehnt werden, wenn, worauf alles hindeutet, Trump die Wahlen am 3. November verliert.“ Dieser Einschätzung wohnt eine eindeutige politische Logik inne, da der US-Ableger der Morenoisten, Left Voice, darauf ausgerichtet ist, die Demokratischen Sozialisten Amerikas (DSA) nach links zu drücken, die wiederum eine Fraktion der Demokratischen Partei sind, die Biden unterstützt.

Was die brasilianische MRT in Rage versetzt, ist nicht, dass die WSWS in ihrem Artikel über ihre Politik gelogen hätte – das hat sie nicht –, sondern dass sie es gewagt hat, den Kuhhandel ihres kleinbürgerlich-nationalistischen Wahlkampfs einer objektiven Kritik zu unterziehen, die auf der Perspektive einer wirklich internationalen revolutionären Partei der Arbeiterklasse basiert.

Barbieris Vorwurf, dass die WSWS „irrelevant“ sei, hat aus der Sicht der Politik seiner Tendenz eine klare Logik. Es handelt sich bei der MRT um eine Organisation der kleinbürgerlichen Pseudolinken, die sich an den Interessen der oberen 10 Prozent orientiert. Diese Schicht bildet die hauptsächliche Basis der PSOL und setzt sich aus zunehmend wohlhabenden Teilen der oberen Mittelklasse zusammen: hochqualifizierten Experten, Doktoranden, Akademikern, Gewerkschaftsbürokraten und „linken“ politischen Funktionären. An diese appelliert die MRT auf der Grundlage von Nationalismus sowie Identitäts- und Genderpolitik. Der Kampf für den Aufbau einer revolutionären Partei, die auf der Arbeiterklasse und der Perspektive des sozialistischen Internationalismus basiert, hat in der Tat nicht nur keine „Relevanz“ für die Morenoisten, er ist ihnen ein Gräuel.

Doch es ist die Perspektive, von der sich die revolutionäre Arbeit des IKVI und seiner Unterstützer in Brasilien leiten lässt. Barbieris Behauptung, dass wir in Brasilien „nicht aktiv arbeiten“ würden, ist eine weitere seiner Lügen. Die brasilianische Sozialistische Gleichheitsgruppe (SEG) ist noch jung, aber sie existiert und sie kämpft. Die SEG stützt sich auf das revolutionäre Programm, das vom IKVI im langwierigen Kampf gegen jede Form des politischen Opportunismus, einschließlich des bitteren Verrats der Pablisten und Morenoisten in Lateinamerika, verteidigt wurde. Ihre Arbeit steht in Wechselwirkung mit dem mächtigen objektiven Aufschwung der Kämpfe der Arbeiterklasse, der in Brasilien eine revolutionäre Partei als Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale hervorbringen wird.

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