Investitionsabkommen zwischen EU und China verschärft Spannungen mit den USA

Die Europäische Union und China haben sich auf ein Investitionsabkommen geeinigt, das europäischen Konzernen den Zugang zu den chinesischen Märkten öffnet. Zugleich stellt es eine Gefahr für das erklärte Ziel der künftigen Biden-Reigeurng in den USA dar, seine Verbündeten in einer Front gegen China zu vereinen.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen und der chinesische Präsident Xi Jinping gaben am Mittwoch den Abschluss des Abkommens bekannt. Die Verhandlungen dauerten bereits seit 2014 an, bis vor wenigen Monaten herrschte jedoch scheinbar Stillstand.

Nach der US-Präsidentschaftswahl im letzten November führte eine konzertierte Anstrengung von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Xi jedoch zur Einigung.

Der chinesische Präsident Xi Jinping, Bundeskanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident Emmanuel Macron und Jean-Claude Juncker, Präsident der Europäischen Kommission, am 26. März im Pariser Élysée-Palast (AP Photo/Francois Mori)

Der EU-Handelsbeauftragte Valdis Dombrovskis erklärte gegenüber der Financial Times, der Deal beinhalte die „ehrgeizigsten Ergebnisse“ im Bereich Marktzugang, denen China jemals zugestimmt hat. Die europäischen Unternehmen hätten mehr Sicherheit und Planbarkeit bei ihren Operationen, zudem gebe es „sehr willkommene Änderungen der Spielregeln, weil die Handels- und Investitionsbeziehungen mit China lange Zeit sehr unausgewogen waren.“

Auch der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel erklärte, das Investitionsabkommen würde dazu beitragen, die „Handels- und Investitionsabkommen zwischen der EU und China wieder ins Gleichgewicht zu bringen.“ Europäische Investoren erhielten in beispiellosem Umfang Zugang zu den Märkten, sodass sie den Unternehmen „Sicherheit und Planbarkeit bei ihren Operationen bieten können.“

Der Deal hebt im Bereich Finanzdienstleistungen die Vorbedingungen für die Gründung von Joint Ventures auf, für die Autoproduktion ist dies ebenfalls geplant. Europäische Konzerne sollen weiteren Zugang im Bereich Gesundheitsdienstleistungen, Cloud Computing und Elektrofahrzeuge erhalten. China hat außerdem zugestimmt, europäische Unternehmen bei der Vergabe von Aufträgen nicht gegenüber staatseigenen und staatlich subventionierten chinesischen Firmen zu benachteiligen.

Dombrovskis erklärte, die EU habe im Bereich Finanzdienstleistungen die gleichen Vergünstigungen ausgehandelt wie in dem Handelsabkommen Phase 1, das China im letzten Januar mit den USA ausgehandelt hat.

Um den Widerstand von Ländern und Parteien innerhalb der EU abzuwehren, erklärte sich China bereit, sich an die Bedingungen des Pariser Klimaschutzabkommens zu halten und sich um die Ratifizierung internationaler arbeitsrechtlicher Standards in Bezug auf Zwangsarbeit zu bemühen.

China wird gemäß dem Abkommen größeren Zugang zu einigen Bereichen der Fertigungsindustrie in der EU und der Energiebranche erhalten.

Pekings größter Triumph ist jedoch im politischen Bereich. Xi hatte während der Verhandlungen direkt mit Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron gesprochen. Angesichts der Kritik aus Teilen Chinas, seine Politik habe wegen der Handels- und Wirtschaftskriegsmaßnahmen der Trump-Regierung zur Isolation Pekings geführt, war es ihm wichtig, das Abkommen abzuschließen.

Dieser Druck wird sich unter Biden nicht verringern und könnte sich sogar noch verschärfen. Während Trump auf einen Alleingang der USA gesetzt hat, wollen die Demokraten die europäischen Mächte und weitere Staaten in ihren Kurs gegen China miteinbeziehen.

Xi war es wichtig, das Abkommen noch vor der geplanten Machtübernahme der Biden-Regierung am 20. Januar abzuschließen. Die offizielle chinesische Nachrichtenagentur Xinhua erklärte, Xi habe in seinem Telefonat mit Macron erklärt, die Beziehungen zwischen China und der EU hätten „unter den neuen Umständen eine größere globale und strategische Bedeutung gewonnen.“

Noah Barkin, ein Spezialist für europäisch-chinesische Beziehungen bei dem Beratungsunternehmen Rhodium, erklärte letzten Monat in einer Mitteilung, der Deal sei ein Rückschlag für die transatlantische Kooperation gegen Peking und bezeichnete ihn als „geopolitischen Coup für China.“

Er schrieb: „Eine solche transatlantische Front zu verhindern, hatte für die chinesische Führung immer oberste Priorität und erklärt vermutlich auch, warum Xi Jinping in letzter Minute interveniert hat, um den Deal abzuschließen. Somit erklärt sich auch Pekings Beharren, dass der Deal noch vor Bidens Amtsübernahme abgeschlossen sein muss.“

Von europäischer Seite her ging die Hauptinitiative von Merkel aus, die sich davon zusätzliche Vorteile für die deutschen Autokonzerne wie Daimler und VW bei ihrer industriellen Produktion in China verspricht.

Die Präsidentin des Verbandes der deutschen Autoindustrie, Hildegard Müller, erklärte kurz vor der Bekanntgabe des Abkommens, es würde „die weitere Annäherung der Wettbewerbsbedingungen zwischen diesen wichtigen Automobilmärkten fördern und Anreize für mehr Handel und Investitionen zwischen China und der EU bieten.“

Die künftige Biden-Regierung hat keinen Zweifel daran gelassen, dass sie dies ablehnt.

Im Vorfeld der Ankündigung des Deals twitterte Jake Sullivan, den Biden zum nationalen Sicherheitsberater nominiert hat, die künftige Regierung „würde frühe Konsultationen mit unseren europäischen Partnern über unsere gemeinsamen Bedenken wegen Chinas wirtschaftlichen Praktiken begrüßen.“

Ein ehemaliges Mitglied der Obama-Regierung erklärte gegenüber der Financial Times, Pekings Drängen auf einen Abschluss der Verhandlungen sei Teil bewusster Versuche, die Aussicht auf eine größere Zusammenarbeit zwischen den USA und der EU gegen China unter der kommenden Regierung zu torpedieren. Sullivan hatte praktisch gefordert, die Dinge „zu verlangsamen“, aber das geschehe nicht.

Die Trump-Regierung hatte sich zuvor mit einer Erklärung von John Ullyot zu Wort gemeldet, einem Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates.

„Unsere Verbündeten und Partner sind zunehmend der Meinung, dass die offensichtliche Herangehensweise gegenüber Peking ‚Misstrauen und verifizieren‘ lautet. Jede Verpflichtung [Chinas], die nicht mit klaren Bestärkungs- und Verifizierungsmaßnahmen einhergeht, ist nur ein Propagandasieg für [die Kommunistische Partei Chinas].“

Auch in Teilen der EU herrscht beträchtlicher Widerstand gegen das Abkommen. Der Vorsitzende der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zu China, Reinhard Bütikofer, erklärte letzten Dienstag, das Abkommen sei ein strategischer Fehler. Die EU gebe sich hinsichtlich Pekings Zugeständnissen bei Arbeitnehmerrechten „mit einem Geschwätz zufrieden“, erklärte er im Deutschlandfunk. Menschenrechtsorganisationen werfen China vor, es würde in der Provinz Xinjiang im großen Stil inhaftierte Uiguren als Zwangsarbeiter einsetzen, was Peking leugnet.

Das Abkommen hat die Frage aufgeworfen, ob und wie die EU im Umgang mit China mit der neuen Biden-Regierung kooperieren wird. Ende November veröffentlichte die Europäische Kommission ein Papier, in dem sie ein Bündnis mit den USA forderte, um die Konflikte während der Zeit der Trump-Regierung beizulegen.

Darin hieß es, die Partnerschaft zwischen den USA und der EU brauche „Wartung und Erneuerung“, damit die demokratische Welt ihre Interessen gegen „autoritäre Mächte“ und „geschlossene Wirtschaften“ durchsetzen kann, die „die Offenheit ausnutzen, von denen unsere eigenen Gesellschaften abhängig sind.“

Die Kritiker des Abkommens behaupten, er werde eine Partnerschaft gegen China schwächen. EU-Handelskommissar Dombrovskis erklärte jedoch gegenüber der Financial Times, das Abkommen könnte beiden Ländern helfen, China zu Verpflichtungen zu zwingen.

Er erklärte, die EU wolle „eng mit den USA zusammenarbeiten“ und betrachte weder das Phase I-Abkommen mit der Trump-Regierung noch das Investitionsabkommen mit der EU als eine „Behinderung dieser Zusammenarbeit in irgendeiner Form.“

Das Abkommen muss noch vom Europäischen Parlament ratifiziert werden, bevor es in Kraft tritt. Seine Gegner in den USA werden mit Sicherheit versuchen, die Ratifizierung zu blockieren.

Angesichts der schweren Abfuhr, die die USA durch die Ankündigung des von der EU und Merkel forcierten Abkommens erlitten haben, könnte die Biden-Regierung beschließen, Trumps Kurs fortzusetzen.

Thomas Wright vom einflussreichen Brookings Institute erklärte, die Entscheidung der EU sei „zweifellos schädlich und wird bei vielen die berechtigte Frage aufwerfen, ob es Bidens Zeit wert ist, große Stücke auf Europa zu halten.“

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