Nach Separatismusgesetz: Macron plant Zensur der französischen Universitäten

Am 16. Februar genehmigte die französische Nationalversammlung Präsident Emmanuel Macrons „Gesetz zur Stärkung des Respekts vor republikanischen Prinzipien“, auch bekannt als „Separatismusgesetz“. Das Gesetz sieht die Etablierung einer strengen staatlichen Kontrolle über Muslime und ein Prinzip der kollektiven Verantwortung für Vereine und Parteien vor. Damit ist die Polizei schnell in der Lage, diese zu verbieten. Das Gesetz soll das politische und soziale Leben des Landes drastisch und auf reaktionäre Weise ändern.

Macrons Partei La République en Marche und die Mouvement Démocrate (Demokratische Bewegung, MoDem) stimmten für das Gesetz. Die siebzehn Abgeordneten von La France insoumise (LFI) stimmten allesamt dagegen, obwohl sie in parlamentarischen Kommissionen viele seiner Artikel befürwortet hatten. Das gleiche gilt für die konservative Partei Les Républicains (Die Republikaner). Die meisten Abgeordneten der Kommunistischen Partei (KPF) und der Sozialdemokraten, der Parti Socialiste (PS), enthielten sich, ebenso die neofaschistische Abgeordnete Marine Le Pen. Damit bewilligte die Nationalversammlung das Gesetz mit 347 zu 151 Stimmen und 65 Enthaltungen, sodass es im März dem Senat zur Bewilligung vorgelegt werden wird.

Die Äußerungen der Ministerin für Hochschulbildung Frederique Vidal vom gleichen Tag verdeutlichen den zutiefst undemokratischen und faschistischen Charakter des sogenannten „Separatismus“-Gesetzes. Es geht mit einem Frontalangriff auf die akademische Freiheit und die Gewissensfreiheit einher.

Wie Vidal bestätigte, wird die Regierung die nationale Forschungsorgansation Centre national de la recherche scientifique (CNRS) anweisen, alle universitären Forschungsprojekte in Frankreich auf ihre ideologische Annehmbarkeit zu prüfen: „Ja, ich werde tatsächlich eine Einschätzung der gesamten Forschung in unserem Land anfordern, zum Beispiel, wenn es dabei um Postkolonialismus geht“. Sie forderte Maßnahmen zur Bekämpfung der „Radikalisierung von Meinungen und Äußerungen.“

Zuvor hatte Vidal bereits am Sonntag auf CNews erklärt, sie werde das CNRS anweisen, „alle Forschungsgebiete“ in Frankreich auf „Islamo-Linksextremismus“ zu untersuchen und diesen auszumerzen. Sie verlangte, dass „eine Unterscheidung zwischen akademischer Forschung und politischer Militanz und Meinung getroffen wird“.

Die Konferenz der Universitätspräsidenten (CPU) reagierte darauf mit der Veröffentlichung eines Kommuniqués, das Vidals Äußerungen verurteilte: „Die CPU äußert hiermit ihr Erstaunen über die neue sterile Polemik zum Thema ‘Islamo-Linksextremismus’ an den Universitäten. ‘Islamo-Linksextremismus’ ist keine Konzeption, sondern eine Pseudobegrifflichkeit, für die man vergeblich nach einer auch nur ansatzweise wissenschaftlichen Definition suchen würde. Es wäre angemessen, diesen Begriff den Animatoren von CNews oder, allgemeiner, der extremen Rechten zu überlassen, die ihn populär gemacht hat.“

Die CPU kritisierte zudem „die Zweckentfremdung des CNRS. Seine Aufgabe ist es nicht, die Arbeit von Dozenten und Forschern zu bewerten oder klarzustellen, was ‘politische Militanz oder Meinung’ ist. Die CPU fordert mindestens dringend eine Klarstellung, sowohl der ideologischen Grundlage einer solchen Forderung, als auch der Form des Antrags, der das CNRS in Gegnerschaft zu den Universitäten bringt.“

Dennoch sind die Regierung und das CNRS bestrebt, die staatliche ideologische Bewertung der universitären Forschung schnell umzusetzen. Vertreter des CNRS erklärten gegenüber Le Monde, das CNRS diskutiere mit dem Kabinett über „eine Klarstellung der Erwartung der Ministerin.“ Le Monde fügte hinzu, das Ministerium habe, „ohne weitere Details zu nennen“ bestätigt, dass „die Ziele in den kommenden Tagen definiert werden sollen.“

Der Juraprofessor Noé Wagener erklärte: „Abgeordnete der Partei des Präsidenten und der Republicains sind mittlerweile fest davon überzeugt, dass die Hochschulen zu einem Nährboden für ‘Separatismus’ geworden sind. ... Die Vorstellung, dass bestimmte akademische Arbeiten ‘schlecht’ seien, weil sie gefährlich für das soziale Leben seien, hat sich in ihren Hirnen festgesetzt und könnte zu Gesetzesvorhaben führen, die die akademische Freiheit einschränken.“

Aus Angst vor der wachsenden sozialen Wut über Austerität, Kapitalismus und die Pandemiepolitik der „Herdenimmunität“ versucht Macron, Widerstand gegen seine Politik zum Gedankenverbrechen zu erklären. Wenn er die gleichen Begriffe wie neofaschistische Polemiker wie Michel Onfray oder Eric Zemmour benutzt, um akademische Forschung zu bewerten, liegt dies daran, dass sie gemeinsame Feinde im Visier haben: Die Opposition gegen Frankreichs Kriege in der islamischen Welt, gegen Militarismus und Polizeistaat. Macrons Vorhaben richtet sich nicht nur gegen Forscher, sondern gegen die ganze Arbeiterklasse.

Die Regierung sagt nichts darüber, welche Sanktionen sie gegen Akademiker verhängen will, die im Zuge ihrer Untersuchung als „Islamo-Linke“ gebrandmarkt werden. Doch eine derartige Bewertung würde sich unweigerlich zu einer Hexenjagd entwickeln: Akademiker würden durch eine Anklage der Regierung mit Verbrechern gleichgesetzt, die an Terrorakten Mitschuld tragen und damit Volksfeinde seien – obwohl klar ersichtlich ist, dass sie keine terroristischen Taten verübt haben.

Die offizielle Darstellung des Separatismusgesetzes als Verteidigung republikanischer Prinzipien ist eine Farce. Es wurde unter der Ägide von Innenminister Gerald Darmanin entworfen, einem ehemaligen Sympathisanten der rechtsextremen monarchistischen Partei Action Française. Es untergräbt das Säkularismus-Gesetz zur Trennung von Kirche und Staat von 1905, indem es den muslimischen Glauben strenger staatlicher Kontrolle unterwirft. Das Gesetz ermöglicht u.a. die Auflösung von Vereinigungen und Parteien, die faktisch gezwungen sind, sich dem „Anti-Separatismus“-Diktat zu beugen.

Es handelt es sich nicht um die Verteidigung der internationalen Prinzipien „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, die in der Französischen Revolution von 1789 für Menschen jeder Herkunft und Hautfarbe ausgerufen wurden. Tatsächlich wurde dieses Gesetz von Kräften entwickelt, die bewusste Feinde eben jener demokratischen Prinzipien sind, die im achtzehnten Jahrhundert während der Revolutionen in Frankreich und Amerika festgelegt wurden. Ihr Ziel ist es, trotz des wachsenden Widerstandes der Arbeiterklasse eine sozialfeindliche und mörderische Politik im Interesse der Finanzaristokratie durchzusetzen.

Wie es in Frankreich oft der Fall ist, kam die Inspiration für diese reaktionäre Maßnahme von Intellektuellen, die mit Schlüsselpositionen der Macht verknüpft sind und in kleinbürgerlichen antitrotzkistischen Organisationen ausgebildet wurden.

Vidals Vorschlag erinnert an das „Manifest der 100“ vom November 2020, in dem eine Gruppe von rechten Intellektuellen die Regierung aufgerufen hatte, Zensur an Universitäten auszuüben. Zu den Unterzeichnern gehörten Marcel Gauchet, Pierre-Andre Taguieff und der ehemalige Bildungsminister Luc Ferry. Gauchet war ein Schüler von Claude Lefort, dem Mitbegründer der Gruppe Socialisme ou Barbarie, die 1949 mit der Vierten Internationale und dem Marxismus gebrochen hatte. Heute verbreiten sie unablässig Identitätspolitik, um rechten, nationalistischen Widerstand gegen marxistische Klassenpolitik zu propagieren.

Ihr Manifest appelliert an Antiamerikanismus, französischen Nationalismus, kolonialistischen Hass und kaum verhohlenen weißen Chauvinismus, um die Zensur an Universitäten zu rechtfertigen: „Nativistische, rassistische und ‘dekoloniale’ Ideologien (die von nordamerikanischen Universitäten übernommen wurden) sind lebendig und erfreuen sich bester Gesundheit. Sie schüren Hass auf ‘Weiße’ und Frankreich; und gelegentlich greifen sie in ihrer politischen Militanz diejenigen an, die es noch wagen, antiwestlichem Dogmatismus und der multikulturellen Orthodoxie entgegenzutreten.“

Weiter heißt es: „Während sich in den letzten Jahren – neben anderen Symptomen – das Tragen des muslimischen Schleiers ausgebreitet hat, ist es an der Zeit, die Dinge bei ihrem wirklichen Namen zu nennen und sich in der aktuellen Lage der Verantwortung von Ideologien bewusst zu werden, die an den Universitäten entstanden sind und sich dort und im ganzen Land ausgebreitet haben. Die Einführung angelsächsischer Ideologien, von intellektuellem Konformismus’, Angst und politischer Korrektheit sind eine echte Gefahr für unsere Universitäten. ... Deshalb fordern wir die Ministerin auf, Maßnahmen einzuführen, um islamistische Verirrungen aufzuspüren.“

Dass die Regierung zu solchen Maßnahmen greift, zeigt vor allem ihre Schwäche und Panik angesichts der wachsenden Wut der Arbeiterklasse. Es wäre jedoch ein fataler Fehler, die Gefahr einer Diktatur zu unterschätzen, die vom Separatismusgesetz und den Zensurvorschlägen von Vidal, Gauchet et al. ausgeht. Entscheidend ist, Arbeiter und Jugendliche politisch gegen diesen Versuch zu mobilisieren, die Meinungsfreiheit und demokratische Prinzipien zu unterdrücken und einen sozialistischen Kampf gegen die Finanzaristokratie und alle ihre politischen Diener zu führen.

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