Großbritanniens neue Militärpolitik: Mehr Atomraketen, mehr Kriege und zunehmende Aggression gegen China und Russland

Der britische Premierminister Boris Johnson präsentierte diese Woche den „Gesamtbericht über die britische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik“, ein Dokument zur strategischen Neuausrichtung des Landes nach dem Brexit. Darin kündigt er eine Verschärfung der militärischen Aggression gegen Russland, China und andere Staaten an. Außerdem stellte er eine Erhöhung der Anzahl britischer Atomsprengköpfe um nicht weniger als 40 Prozent in Aussicht.

Der Inhalt des Dokuments ist unverhohlene Kriegstreiberei. Mitten in der Corona-Pandemie behauptet die Regierung, es sei kein Geld für die Bezahlung von Pflegekräften und Ärzten da. Auch wichtige Sozialleistungen werden abgebaut und die Ausbeutung der Arbeiter verschärft. Gleichzeitig verspricht Johnson jedoch die Bereitstellung von Milliarden Pfund für Massenvernichtungswaffen.

Die Torys sind offenbar mit der horrenden Zahl an Todesopfern und dem menschlichen Leid durch ihre Politik der „Herdenimmunität“ noch nicht zufrieden. Sie planen ganz offen überall auf der Welt Kriege zu führen – selbst vor Atomkriegen, die das Überleben der Menschheit gefährden würden, schrecken sie nicht zurück.

„Das globale Großbritannien im Zeitalter des Wettbewerbs: Der Gesamtbericht zu Sicherheits-, Verteidigungs-, Entwicklungs- und Außenpolitik“

Der Gesamtbericht sieht eine Erhöhung der Bestände britischer Atomsprengköpfe von „nicht mehr als 225“ auf „nicht mehr als 260“ vor. Damit verstößt die Regierung gegen eine Verpflichtung aus dem Jahr 2010, bis Mitte der 2020er über nicht mehr als 180 Sprengköpfe zu verfügen. Es wäre außerdem die erste Erhöhung seit dem Ende des Kalten Kriegs.

Die Regierung ersetzt die bestehenden Sprengköpfe, die auf Atom-U-Booten der Trident-Klasse eingesetzt werden können, und plant zudem den Bau von vier neuen U-Booten der Dreadnought-Klasse bis Anfang der 2030er. Diese sollen als Ersatz für die derzeit aktiven Boote der Vanguard-Klasse dienen. Eine Reduzierung sei „nicht mehr möglich“, weil Großbritannien mit dem „vollen Spektrum staatlicher atomarer Bedrohungen“ konfrontiert sei – mit dieser Umschreibung sind offensichtlich China und Russland gemeint. In dem Bericht wird sogar mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht, falls Großbritannien Opfer eines Cyberangriffs oder anderer „Zukunftstechnologien“ werden sollte. Dies stellt einen Verstoß gegen die Verpflichtung dar, Atomwaffen nur für Vergeltungsschläge gegen eine andere Atommacht oder als Reaktion auf extreme chemische oder biologische Bedrohungen einzusetzen.

Großbritannien wird außerdem „umfangreichere Streitkräfte häufiger und für längere Zeit im Ausland einsetzen“.

In dem Dokument ist eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben um mehr als 24 Milliarden Pfund über die nächsten vier Jahre vorgesehen. Damit überschreitet die britische Regierung sogar die von den Nato-Mächten festgelegte Zielvorgabe von zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP). Dazu heißt es stolz, Großbritannien werde „unter den europäischen Nato-Mächten die höchsten Verteidigungsausgaben und die zweithöchsten im gesamten Bündnis vorweisen“. Ferner soll die Größe der Streitkräfte bei über 100.000 verbleiben (eine Reaktion auf Kritik aus dem Militär angesichts der abnehmenden Personalstärke), die nächste Generation von Kriegsschiffen entwickelt und die Kapazitäten der Flugzeugträger-Kampfgruppen durch mindestens 48 Kampfjets vom Typ F-35 bis zum Jahr 2025 erhöht werden.

Geplant ist außerdem eine Verlagerung des Schwerpunkts auf die Indopazifik-Region, die „zunehmend zum geopolitischen Zentrum“ und „Wachstumsmotor der Welt“ wird. Großbritanniens Interessen sollen dort durch militärische und wirtschaftliche Bündnisse gesichert werden.

Die Entwicklung zum „europäischen Partner mit der größtmöglichen und am besten eingebundenen Präsenz im Indopazifik“ wird als Reaktion auf „Chinas wachsende Macht und internationales Selbstbewusstsein“ dargestellt. China sei „heute bei Weitem der wichtigste geopolitische Faktor der Welt“.

Als Reaktion auf Chinas „systemische Herausforderung“ wird Großbritannien Ende des Jahres den Flugzeugträger HMS Queen Elizabeth und die dazugehörige Kampfgruppe in den Indopazifik entsenden, was als „der ehrgeizigste globale Einsatz Großbritanniens seit zwei Jahrzehnten“ bezeichnet wird. Hinzu kommen Pläne für eine vorgelagerte Stationierung von Soldaten und Gerät, darunter Kriegsschiffe im Nahen Osten, den Pazifikregionen, Japan, Australien und Singapur, sowie bestätigte Pläne zur Verdreifachung der Royal-Navy-Präsenz vor der Küste des Oman.

Bei seinem Vorgehen gegen China wird Großbritannien direkt von der Biden-Regierung unterstützt, die ebenfalls ihre Streitkräfte im asiatischen Pazifik aufrüsten und u. a. Raketensysteme im Wert von 4,7 Milliarden Dollar in Japan, Taiwan und den Philippinen stationieren. Die USA werden in dem Dokument als „unser wichtigster bilateraler Verbündeter ... Handelspartner und Binneninvestor“ bezeichnet.

Die verteidigungspolitischen Überlegungen hinter dem Vorgehen der britischen Regierung, stellt der Analyst Con Coughlin im Telegraph dar. Großbritannien sei jetzt „frei von den restriktiven Fesseln der EU ... Ein weiterer beträchtlicher Vorteil für die Regierung ist, dass die Biden-Regierung angesichts der immer dysfunktionaleren EU eher bereit sein wird, sich statt mit Berlin, Paris oder Brüssel mit London zu verbünden.“

Dennoch herrschte bei den Torys beträchtliches Unbehagen angesichts des Versuchs der Regierung, den aggressiven Kurswechsel mit dem weiteren Bekenntnis zu lukrativem Handel mit Peking zusammenzubringen. In dem Dokument heißt es dazu: „Offene, handelsbasierte Volkswirtschaften wie Großbritannien müssen mit China interagieren und für Handel und Investitionen mit dem Land offenbleiben.“

Der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, Julian Lewis, beklagte sich über die „habgierige Naivität“ gegenüber Peking. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Tobias Ellwood erklärte, Johnson hätte China als „die geostrategische Gefahr, die es ist“ bezeichnen müssen.

Als Gegengewicht gegen derartige Kritik kündigt Großbritannien zudem diplomatische und militärische Aggressionen gegen Russland an, das als die „akuteste Gefahr für unsere Sicherheit“ bezeichnet wird. Militärisch bedeutet das, dass sich Großbritannien in der ganzen Euro-Atlantik-Region „bei der Umsetzung des neuen Abschreckungs- und Verteidigungskonzepts der Nato an die vorderste Front stellt ... und andere Staaten der osteuropäischen Nachbarschaft und im Rest der Welt beim Aufbau ihrer Widerstandsfähigkeit gegen staatliche Bedrohungen unterstützt. Dazu gehört auch die Ukraine, wo wir weiterhin die Kapazitäten der Streitkräfte ausbauen werden.“

Laut einem Bericht des Daily Telegraph sind die Aufrüstungsverpflichtungen, die am Dienstag angekündigt wurden, nur ein Vorgeschmack. Am 22. März soll ein Dokument des Defence Command veröffentlicht werden, das Details über einen Modernisierungsplan enthalten soll, durch die „die Streitkräfte für die Kriege der Zukunft vorbereitet werden sollen“. Der Telegraph schreibt von einer „Aufrüstung im Wert von 80 Milliarden Pfund ... über die nächsten vier Jahre. Die Gesamtsumme bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts könnte bei nahezu 200 Milliarden Pfund liegen.“

Die weltweite militärische Aggression wird mit politischer und sozialer Unterdrückung im Inland einhergehen. Der Bericht verbindet den Hinweis auf „die Verschärfung des Wettbewerbs zwischen Staaten“ mit „nichtstaatlichen Akteuren“ (darunter „große Technologiekonzerne“). Diese könnten von feindlichen Staaten als „Stellvertreter in Konflikten“ genutzt werden, und „die Schwachstellen in demokratischen Systemen attackieren ... und damit die Grenze zwischen Krieg und Frieden auf die Probe stellen.“

Behauptungen über die Einflussnahme ausländischer Staaten auf die Innenpolitik und das gesellschaftliche Leben werden als Vorwand für neue Überwachungs- und Propagandainstitutionen benutzt, darunter auch eine National Cyber Force. Sie soll „unsere Gegner aufspüren, behindern und abschrecken“ sowie für die Entwicklung von Cyberwaffen, einem Antiterror-Operationszentrum und einem Lagezentrum im Kabinett dienen.

Dieser Unterdrückungsapparat geht weit über alle Maßnahmen zur angeblichen Bekämpfung ausländischer Einflussnahme hinaus. Das Dokument erwähnt indirekt den „Niedergang von Demokratie und Pluralismus, der sich durch Covid-19 verschärft hat“ und einen „Anstieg der sozialen und politischen Unzufriedenheit“. Anschließend wird folgende Warnung ausgesprochen: „Regierungen könnten Probleme damit bekommen, die Forderungen der Bevölkerung nach Sicherheit und Wohlstand zu erfüllen.“

Die Reaktion darauf wird ein weiterer Angriff auf demokratische Rechte sein. Die innere Bedrohung durch „Terrorismus“ geht laut dem Dokument nicht nur von islamistischen und nordirischen Gruppen aus, sondern auch „von rechts- und linksextremem, anarchistischem und monothematischem Terrorismus“. Diese umfassende Definition ermöglicht die staatliche Unterdrückung aller Formen von politischem und sozialem Widerstand, vor allem der neu ausgewiesenen Bedrohung von „links“.

Dass es nicht den geringsten Widerstand gegen die Kriegsverbrecher von den Torys gibt, ist typisch für die vergiftete politische Atmosphäre, die die Krise des britischen und des Weltimperialismus geschaffen hat. Die heuchlerische Kritik der Labour Party konzentriert sich auf Beschwerden, die Maßnahmen gegen China gingen nicht weit genug, und die Militärausgaben müssten noch weiter erhöht werden.

Die wenigen Kritikpunkte der Labour Party an dem Bericht unterscheiden sich kaum von denen aus den rechten Reihen der Tories. Labour-Parteichef Sir Keir Starmer stellte die Frage nach dem Grund für die Vergrößerung des Atomarsenals, betonte aber zuvor, Labours Unterstützung für die atomare Abschreckung sei nicht verhandelbar.

Als Außenminister Dominic Raab sich gegen eine „Mentalität des Kalten Kriegs“ gegenüber China aussprach, antwortete Starmer, die Tories würden „die Menschenrechtsverletzungen in China ignorieren und das Land dazu einladen, unsere Infrastruktur aufzubauen“. Er warf den Torys außerdem vor, sie hätten „in den letzten zehn Jahren jedes Jahr die Mittel der Streitkräfte gekürzt“ und seien damit für „eine Ära des Rückzugs“ verantwortlich.

Arbeiter müssen die Erklärung, dass ein Atomkrieg nicht nur eine Option ist, sondern als Kernelement der „Verteidigungs“- und Außenpolitik aktiv geplant wird, als Warnung vor den grundsätzlichen Gefahren verstehen, mit denen sie konfrontiert sind.

Der Kapitalismus hat die ganze Welt in ein Pulverfass verwandelt, während Politiker versuchen, die Bevölkerung durch das ständige Schüren von Chauvinismus und Fremdenfeindlichkeit auf ungezügelten Militarismus und Eroberungskriege vorzubereiten.

Die Arbeiterklasse muss die Lehren aus der Geschichte ziehen und als Reaktion auf den Kurs der imperialistischen Mächte auf einen dritten globalen Konflikt eine vereinte weltweite Bewegung gegen Imperialismus und Krieg und für die sozialistische Revolution aufbauen.

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