Massenabschiebung nach Sri Lanka inmitten der Corona-Pandemie

Gestern ist eine ungenannte Anzahl tamilischer Flüchtlinge mit einem Charterflug von Düsseldorf aus nach Sri Lanka ausgeflogen worden. Die genaue Zahl der Menschen ist nicht bekannt, aber tamilische Aktivistengruppen berichteten, dass mehr als 100 Personen abgeschoben wurden. Dies ist offenbar nur der Beginn einer Reihe von derzeit geplanten Sammelabschiebungen.

Die Gruppe „Aktion Bleiberecht“ informiert auf ihrer Webseite über die im April geplanten Sammelabschiebungen von Flüchtlingen in folgende Länder: Aserbaidschan (31.03.), Afghanistan (07.04.), Pakistan, Guinea (20.04.), Tunesien (21.04.), Nord Mazedonien und Serbien (27.04.), Pristina, Kosovo (07.05.). Mitten in der Pandemie plant die deutsche Regierung insgeheim weitere Sammelabschiebungen in Länder, in denen sich die medizinische Versorgung einschließlich der Corona-Impfungen in einem desolaten Zustand befindet.

In einer koordinierten, heimlich organisierten Polizeiaktion werden seit zwei Wochen bundesweit tamilische Flüchtlinge gejagt und in Abschiebegefängnissen festgehalten. Außer den Gefängnissen in Büren und Pforzheim waren die weiteren Orte, an denen Flüchtlinge festgehalten werden, nicht bekannt.

Einige wurden an ihren Arbeitsplätzen verhaftet, andere in den frühen Morgenstunden zu Hause. Andere wurden in der Ausländer-Behörde festgenommen, nachdem man sie aufgefordert hatte, dorthin zu kommen, um ihr Visum zu verlängern. Keiner von ihnen hatte zuvor eine Aufforderung erhalten, Deutschland zu verlassen. Die meisten von ihnen sind berufstätig und leben seit vielen Jahren im Land. Alle hatten bei ihrer Verhaftung gültige Papiere. Einige von ihnen waren mit Ehepartnern und Kindern unterwegs.

Die Abschiebung dieser Flüchtlinge stellt eine reale Bedrohung für ihr Leben dar. Das Ende des 36-jährigen Bürgerkriegs in Sri Lanka im Jahr 2009 hat der staatlichen Unterdrückung der Minderheit der Tamilen und Muslime kein Ende gesetzt. Die tamilische Bevölkerung steht ständig unter der Beobachtung des militärischen Geheimdienstes und ist polizeilicher Brutalität und Willkür ausgesetzt. Die Proteste der Familienangehörigen der verschwundenen Zivilisten werden systematisch überwacht, ihre Anführer bedroht.

Seit den terroristischen Selbstmordattentaten an Ostern im April 2019, bei denen 270 Menschen getötet wurden, wurden Tausende Muslime verhaftet. Die gesamte muslimische Bevölkerung ist rassistischen Anschuldigungen der Regierungs- und Oppositionsparteien ausgesetzt. Die Regierung von Präsident Gotabhaya Rajapakse und Premierminister Mahinda Rajapakse schürte die antimuslimischen Stimmungen, indem sie den muslimischen Opfern des COVID-19-Virus das Recht auf Beerdigung entzogen und ihre Einäscherung erzwangen.

Um den Widerstand der Arbeiter und armen Massen gegen die soziale Krise zu unterdrücken, militarisiert das Regime die zivile Verwaltung mit der Ernennung von 28 pensionierten Generälen in führenden Regierungspositionen, darunter Kamal Gunaratne und Shavendra Silva, die von Menschenrechtsorganisationen als Kriegsverbrecher angeklagt werden.

Während der Verhaftungen der tamilischen Flüchtlinge am 22. März spielte Deutschland eine Schlüsselrolle bei der Verabschiedung einer Resolution des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen (UNHRC) gegen Sri Lanka. Deutschland bildet zusammen mit Großbritannien, Kanada, Nord-Mazedonien, Montenegro und Malawi die „Kerngruppe zu Sri Lanka“, die die Resolution vorbereitet und in der Sitzung des UNHRC vorgestellt hatte. Die Resolution trägt den Titel „Förderung von Versöhnung, Rechenschaftspflicht und Menschenrechten in Sri Lanka“.

Die Resolution drückte „tiefe Besorgnis“ über die gegenwärtigen Entwicklungen aus, die zu einer „Verschlechterung der Situation“ bei Menschenrechtsverletzungen in Sri Lanka führen. Die Resolution kritisierte die rassistische Politik der Regierung und das Versagen eines unabhängigen Justizsystems.

Ein Bericht des UNHRC vom Januar, auf den sich die Resolution stützt, dokumentiert „ein Muster der verstärkten Überwachung und Schikanierung von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Menschenrechtsverteidigern und Opfern sowie einen schrumpfenden Spielraum für unabhängige Medien“. Mehr als 40 zivilgesellschaftliche Organisationen „haben von solchen Schikanen durch eine Reihe von Sicherheitsdiensten berichtet – darunter die Kriminalpolizei, die Abteilung für Terrorismusermittlung und Beamte des Staatsgeheimdienstes“.

Die USA, Großbritannien, Kanada und Deutschland, die in den letzten 30 Jahren imperialistischer Interventionen für den Tod von Hunderttausenden von Menschen im Irak, Afghanistan, Libyen und Syrien verantwortlich sind, kümmern sich nicht um demokratische Rechte, die Unterdrückung der Minderheiten oder die Aufdeckung der Kriegsverbrechen in Sri Lanka. Sie haben die Resolution zu Sri Lanka entworfen und verabschiedet, um Präsident Rajapaksa zu zwingen, die Beziehungen zu Peking abzubrechen und sich an der militärischen Vorbereitung des Krieges gegen China zu beteiligen.

Allein die Tatsache, dass die deutsche Polizei im ganzen Land nach tamilischen Flüchtlingen jagt, während die Resolution mit „tiefer Besorgnis“ auf die „Verschlechterung der Situation“ hinweist, zeigt die wahren Interessen des deutschen Imperialismus. Die deutsche Regierung, die voll und ganz die Anti-Einwanderungspolitik der AfD umsetzt, kümmert sich nicht um die Flüchtlinge. Die Verabschiedung der Resolution ist Bestandteil der Intensivierung des deutschen Militarismus.

Als Reaktion auf die Resolution hat die srilankische Regierung mehr als sechs Diaspora-Gruppen verboten, die bereits von der vorherigen Regierung 2015 auf eine entsprechende Liste gesetzt worden waren. Auch mehrere tamilische Einzelpersonen sind weltweit als Terroristen gelistet. Gestern wurden ein 35-jähriger Mann und eine 36-jährige Frau in Jaffna verhaftet, die angeblich eine Website und einen YouTube-Kanal betreiben und die „LTTE-Ideologie im Cyberspace propagieren“. Die Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) war die bewaffnete Organisation der tamilischen Bourgeoisie im Krieg gegen den srilankischen Staat.

Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, schrieb in einem Bericht im Januar: „Überprüfen Sie die Asylmaßnahmen in Bezug auf srilankische Staatsangehörige, um diejenigen zu schützen, die Repressalien ausgesetzt sind, und vermeiden Sie jede Abschiebung in Fällen, die ein reales Risiko von Folter oder anderen schweren Menschenrechtsverletzungen darstellen.“

Die abgeschobenen Flüchtlinge werden vom Militär in Empfang genommen und in ein Militärlager gebracht, wo sie 14 Tage unter Quarantäne stehen. In vielen Städten protestierten Tamilen gegen die Abschiebung. In Düsseldorf, Büren und Pforzheim versammelten sich am Sonntag und Montag Hunderte von Arbeitern und Jugendlichen und forderten, die Abschiebung zu stoppen.

Die WSWS konnte Einzelheiten über den in Büren inhaftierten Thuraiygem Rajeeban in Erfahrung bringen, der mehr als 15 Jahre lang gegen seine Abschiebung gekämpft hat. Er ist verheiratet und Vater von vier Kindern im Alter von zwei bis neun Jahren. Er wurde mit der Auflage abgeschoben, dass er seine Kinder erst nach zehn Jahren wieder besuchen darf.

Die WSWS sprach auch per Telefon mit Perumal M., einem Flüchtling, der im Gefängnis von Pforzheim inhaftiert ist. Er sagte, er sei erst im August 2010 in die Schweiz gekommen, nachdem er am Ende des Bürgerkriegs 2009 verhaftet worden war. Er sei als LTTE-Verdächtiger verhört und gefoltert worden. Im November 2013 wurde er zurück nach Colombo abgeschoben. Am Flughafen sei er verhaftet und so grausam gefoltert worden, dass er nicht mehr laufen konnte. Er wurde freigelassen, nachdem seine Familie eine große Summe Geld an den militärischen Geheimdienst gezahlt hatte.

Er reiste zurück nach Europa und kam über Italien Ende 2015 in Stuttgart an. Mitte 2016 habe er seine erste Arbeit gefunden. Nachdem er in mehreren Restaurants und in der Reinigung gearbeitet hatte, wurde er über eine Leiharbeitsfirma bei Porsche als Staplerfahrer angestellt. Er wurde auf dem Rückweg von der Arbeit verhaftet. Er ist Vater eines zweijährigen Sohnes.

Sein Asylantrag wurde abgelehnt, obwohl er ein ärztliches Attest vorlegte, das Folterungen an seinem Körper bestätigte. Monatelang wurde er von einem singhalesischen Arzt in Sri Lanka behandelt, ein deutscher ihn untersuchender Arzt bestätigte die Richtigkeit des Attestes.

Anträge von Asylsuchenden werden routinemäßig abgelehnt, den meisten wird lediglich eine Aufenthaltsduldung erteilt. Viele von ihnen haben einen Anwalt beauftragt, einige haben sich um ein Aufenthaltsvisum bemüht. Selbst bei Vorlage konkreter Beweise für Verhaftung, Verhör und Folter ist es fast unmöglich, dass ein Asylantrag anerkannt wird. Der Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), der über den Antrag entscheidet, ist darauf trainiert, den Flüchtling wie bei einem Polizeiverhör einzuschüchtern und ihn zu widersprüchlichen Aussagen zu drängen, die dann wiederum zur Ablehnung des Antrags führen.

Von Flüchtlingen wird in irrationaler Weise erwartet, dass sie das Land mit allen notwendigen Dokumenten verlassen, um zu beweisen, dass sie sich in unmittelbarer Lebensgefahr befinden und mit Verhaftung und Folter rechnen müssen. Wenn sie dann im Asylverfahren unter großen Anstrengungen Dokumente nachträglich vorlegen, werden diese nicht selten als unglaubwürdig verworfen.

So heißt es in einem Verwaltungsgerichtsurteil: „Die Kammer ist im Ergebnis überzeugt, dass der Kläger durch sog. gesteigertes Vorbringen versucht, die Aussichten seines Begehrens durch unwahre Angaben zu verbessern. Dies gilt vor allem für die unmittelbar vor der Verhandlung eingereichten Unterlagen. Diese sind nach negativem Ausgang des Verwaltungsverfahrens und des Eilverfahrens offenbar ‚beschafft‘ worden.“

Das Ergebnis dieser menschenverachtenden Rechtsprechung ist die fast durchgängige Ablehnung von Asylanträgen, die über kurz oder lang zwangsläufig die Abschiebung nach sich zieht. Die vor Folter, Mord, Gewalt und Not geflüchteten Menschen stehen so ständig unter dem Druck der Verhaftung und Abschiebung. Die Polizei kann sie jederzeit von der Straße, dem Arbeitsplatz oder aus dem Bett zerren, um sie einzusperren und zusammen mit anderen in Länder auszufliegen, in denen ihnen Tod und Elend drohen – wie die tamilischen Flüchtlinge am gestrigen Dienstag, dem 30. März 2021.

Loading