Kramp-Karrenbauer droht Russland und China

In einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) hat Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer eine weitere Erhöhung der Verteidigungsausgaben und eine massive Aufrüstung der Bundeswehr in den nächsten Jahren angekündigt. Sie droht Russland und China und unterstreicht den Anspruch des deutschen Imperialismus, seine wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen weltweit mit militärischen Mitteln durchzusetzen – auch unabhängig von den USA und gegen sie.

„Eines vorweg, es geht um unsere eigene Sicherheit und um unser eigenes Interesse. Es ging doch nie darum, den USA einen Gefallen zu tun. Wir müssen für unsere eigene Sicherheit sorgen,“ betont sie gleich zu Beginn des Interviews. „Die amerikanische Außenpolitik“ sei zwar unter dem neuen Präsidenten „jetzt wieder verlässlicher“. Allerdings bleibe „es auch unter Biden bei zentralen außenpolitischen Schwerpunktsetzungen, etwa im Indopazifik. Klar ist auch, dass für die USA die Lastenteilung in der Nato unverändert auf der Tagesordnung steht – selbst wenn nun ein anderer Stil gepflegt wird.“

Tatsächlich bereiten die Biden-Administration und das US-Militär eine Eskalation der militärischen Konfrontation mit den Nuklearmächten Russland und China vor. Sie haben die provokativen Operationen für die „Freiheit der Schifffahrt“ in von China beanspruchten Gewässern im Südchinesischen Meer verstärkt und planen die Stationierung von Offensivraketen entlang mehreren dicht besiedelten Inseln, darunter Japan, Taiwan und den Philippinen.

Auch gegenüber Moskau hat Biden seit seiner Amtsübernahme den Kriegskurs verschärft. Mitte März bezeichnete er den russischen Präsidenten Wladimir Putin als Mörder und drohte Moskau mit Vergeltungsmaßnahmen. Seitdem eskaliert das ukrainische Regime von Präsident Wolodymyr Selenskyj mit Rückendeckung Washingtons, der Nato und der Europäischen Union den Kriegskurs gegen die pro-russischen Separatisten in der Ostukraine.

Der deutsche Imperialismus reagiert auf die Gefahr eines Atomkriegs mit einer eigenen, massiven Kriegsoffensive. Inmitten der Pandemie behauptet die herrschende Klasse, es sei kein Geld für die notwendigen Schutzmaßnahmen und höhere Löhne für Pflegekräfte da. Sozialleistungen werden zusammengestrichen und die Ausbeutung der Arbeiterklasse verschärft. Gleichzeitig sollen weitere Milliarden in die militärische Aufrüstung fließen.

Es sei „gut“, dass die Bundeswehr „noch einmal 2,5 Milliarden Euro zusätzlich für das nächste Jahr“ bekomme, erklärt Kramp-Karrenbauer im Interview. Damit steigen die Verteidigungsausgaben im nächsten Jahr um weitere fünf Prozent auf offiziell 49,3 Milliarden Euro. Obwohl sie damit fast so hoch sind wie der Gesundheits- und der Bildungshaushalt zusammen, ist das der herrschenden Klasse nicht genug.

Die Summe sei „nicht einmal annähernd ausreichend für die Weiterentwicklung unserer Fähigkeiten, um den Bedrohungen wirksam begegnen zu können,“ klagt die Verteidigungsministerin und stellt eine weitere Erhöhung spätestens nach den Bundestagswahlen im September in Aussicht. Die „nächsten Koalitionsverhandlungen“ seien „entscheidend“. „Darin müssten „die großen Rüstungsprojekte für die Zukunft abgesichert werden. Sicherheit ist eine zentrale Aufgabe für die gesamte Regierung.“

Hinter dem Rücken der Bevölkerung arbeitet die Große Koalition an der größten deutschen Rüstungsoffensive seit der Hochrüstung der Wehrmacht am Vorabend des Zweiten Weltkriegs. Man habe „eine konsolidierte Planung dafür vorgelegt, was für unsere Sicherheit nötig ist“. Darin seien „die großen Rüstungsprojekte enthalten, die wir auch europäisch zugesagt haben und die daher Priorität genießen. Diese Projekte müssen – neben dem normalen Verteidigungsetat – über ein Planungsgesetz abgesichert werden, weil sie sich teilweise über zehn oder 15 Jahre erstrecken.“ Man werde „auf jeden Fall mehr Geld in die Hand nehmen müssen“.

Die Zahlen und Projekte, die Kramp-Karrenbauer und dem Verteidigungsministerium vorschweben, sind gigantisch. „In der Summe ergibt sich bis 2025 gegenüber unserem errechneten Bedarf eine Differenz im deutlich zweistelligen Milliardenbereich.“ Man habe „15 Rüstungsprojekte inklusive der dazugehörigen Summen benannt“. Dazu gehörten neben den insgesamt mehrere hundert Milliarden teuren „deutsch-französischen Projekten wie FCAS [Future Combat Air System] und MGCS [Main Ground Combat System] etwa die Nachfolge des Kampfflugzeuges Tornado, der Ersatz der veralteten Flottendienstboote, die Beschaffung von Luftfahrzeugen zur U-Boot-Abwehr sowie ein Taktisches Luftverteidigungssystem“.

Die Aufrüstung dient dabei nicht, wie es die Verteidigungsministerin glauben machen will, der „Sicherheit“ und dem „Wohlstand“ der deutschen Bevölkerung, dem „Kampf gegen den Terror“ oder gar der Durchsetzung von „Frauenrechten“ und „Demokratie“. Es geht um die Verfolgung der geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen des deutschen Imperialismus mit kriegerischen Mitteln.

Im Interview verteidigt Kramp-Karrenbauer die Ende März vom Bundestag beschlossene Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan und bereitet die Leser auf eine massive Verschärfung der Kampfhandlungen in dem zentralasiatischen Land vor. Sie habe „in Absprache mit den militärischen Spitzen angeordnet, die Schutzmaßnahmen zu verstärken. Verstärkungskräfte, zusätzliche Bewaffnung, Ausrüstung und Munition werden schnell dorthin gebracht.“ Auch „bewaffnete Drohnen“ hätte sie „gern zur Verfügung“.

Die brutale Besatzung und Ausplünderung Afghanistans durch die imperialistischen Mächte ist für die herrschende Klasse dabei nur der Auftakt für noch umfassendere Kriege. Die Bundeswehr habe „aus 20 Jahren Afghanistan militärisch sehr viele Lehren gezogen“, so Kramp-Karrenbauer. „Politisch“ wolle sie „eine umfassende Debatte über diesen gesamtstaatlichen Einsatz“. Das sei man „allein denjenigen schuldig, die in Afghanistan getötet oder verletzt worden sind“. Auch müsse man „mit Blick auf das nächste deutsche Engagement, zum Beispiel in der Sahelzone, von Anfang an deutlicher machen, was realistische Ziele sind und was nicht“.

Mit der charakteristischen Hybris der deutschen Bourgeoisie, die in zwei Weltkriegen barbarische Verbrechen begangen hat, um sich zur Weltmacht aufzuschwingen, droht Kramp-Karrenbauer den Atommächten Moskau und Peking. Russland sei „mit seinem Waffenarsenal anders als China für uns eine sehr greifbare Bedrohung, sowohl konventionell als auch atomar“. Allerdings habe auch „China einen sehr ehrgeizigen Plan, nämlich die eigene Armee zur größten und modernsten der Welt zu machen“. Und es habe „erkennbar den Anspruch, die Weltordnung in seinem Sinne zu prägen und dafür Schwächere zu bestimmtem Verhalten zu zwingen. Wir, das heißt Europa und der Westen, dürfen nicht die Schwächeren sein.“

Das ist unmissverständlich. Deutschland und Europa rüsten auf, um Moskau und Peking in die Schranken zu weisen – bis hin zu einem atomar geführten Krieg. Dabei sind in Wirklichkeit nicht Russland und China die Aggressoren, sondern die imperialistischen Mächte. Die Nato kreist Russland seit der Auflösung der Sowjetunion systematisch militärisch ein und verschärft nun auch den Kurs gegenüber Peking. Deutschland spielt dabei, trotz der engen Wirtschaftsbeziehungen zu beiden Ländern, eine zunehmend aggressive Rolle.

Nachdem Berlin bereits 2014 den rechten Putsch in der Ukraine unterstützt hat, um in Kiew ein pro-westliches Regime zu installieren und Russland zu schwächen, schielt es nun noch weiter östlich. Bereits im vergangenen September hatte das SPD-geführte Auswärtige Amt offizielle „Leitlinien zum Indo-Pazifik“ veröffentlicht, in denen es heißt: „Der Himalaya und die Straße von Malakka mögen weit entfernt scheinen. Aber unser Wohlstand und unser geopolitischer Einfluss in den kommenden Jahrzehnten beruhen gerade auch darauf, wie wir mit den Staaten des Indo-Pazifiks zusammenarbeiten.“ Als global agierende Handelsnation dürfe Deutschland sich dort auch in militärischer Hinsicht „nicht mit einer Zuschauerrolle begnügen“.

Nun soll diese Politik umgesetzt werden. „Die Situation im Indopazifik geht uns natürlich etwas an“, betont Kramp-Karrenbauer gegenüber dem RND. Deutschland werde in den nächsten Monaten „eine Fregatte in den Indopazifik entsenden“. Schließlich „sei die Einhaltung der Regeln für freie Handelswege und territoriale Unversehrtheit, die Stärkung unserer demokratischen Partner in der Region wie Australien, Japan, Südkorea oder Singapur im deutschen und europäischen Interesse“. Man rede „nicht nur über die Freiheit von Seewegen, die von China gefährdet wird, sondern wir sind auch bereit, etwas dafür zu tun“.

Die tiefere Ursache für das rücksichtslose Vorgehen der imperialistischen Mächte ist die tiefe Krise des kapitalistischen Systems, die sich durch die Corona-Pandemie weiter verschärft hat. Wie die mörderische „Profite vor Leben“-Politik, die allein in Deutschland bereits mehr als 75.000 Menschen den Tod gebracht hat, wird der Kriegskurs dabei von allen Bundestagsparteien unterstützt – auch von den nominell linken. In ihrem Wahlprogramm plädieren die Grünen für die massive Aufrüstung der Bundeswehr, der Nato und der europäischen Streitkräfte und drohen Russland und China. Und auch die Linkspartei hat längst klargestellt, dass sie in einer möglichen rot-rot-grünen Bundesregierung den aggressiven außenpolitischen Kurs voll unterstützen würde.

Im Wahlkampf tritt nur die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) der Rückkehr des deutschen Militarismus und der Gefahr eines Dritten Weltkriegs entgegen und kämpft für ein internationales sozialistisches Programm, um der wachsenden Opposition von Arbeitern und Jugendlichen eine Perspektive zu geben. In ihrer Wahlerklärung schreibt die SGP: „Inmitten der Corona-Pandemie bereiten sich alle Großmächte auf neue Kriege vor, um ihre wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen… Millionen sollen sterben, um die imperialistischen Interessen der deutschen Finanzelite mit militärischer Gewalt zu verfolgen. Wir fordern: Sofortige Beendigung aller Auslands- und Kriegseinsätze! Auflösung der Nato und der Bundeswehr! Milliarden für Bildung und Arbeit statt Rüstung und Krieg!“

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