Der Kriegs-Wahlkampf der Grünen

Wenn die herrschende Klasse in Deutschland eine Kriegs- und Aufrüstungsoffensive vorbereitet, dürfen die Grünen nicht fehlen. So war es 1998, als der grüne Außenminister Joschka Fischer mit der Teilnahme der Bundeswehr am Krieg gegen Serbien den ersten deutschen Kriegseinsatz organisierte, und so ist es heute wieder.

Annalena Baerbock (Foto: Stephan Röhl / CC BY-SA 2.0)

Während die Bundesregierung die Militärausgaben drastisch erhöht, die Nato unter dem Namen „Defender Europe 2021“ eines der größten Manöver seit dem Ende des Kalten Krieges direkt an der russischen Grenze organisiert, die Polizei hochgerüstet wird, um den Widerstand gegen die Corona-Durchseuchungspolitik und soziale Angriffe zu unterdrücken, organisieren die Grünen einen Wahlkampf, in dem sie die Kriegspolitik vorantreiben.

Seit Annalena Baerbock zur Kanzlerkandidatin ernannt wurde, nimmt die Kriegshetze der Grünen regelrecht hysterische Formen an. Es gibt kaum ein abstoßenderes Schauspiel als eine Talkshow oder ein Interview mit Baerbock, in dem die 40-Jährige von ihrer Kindheit auf dem Bauernhof, ihrer frühen Teilnahme mit den Eltern an Menschenketten gegen das Wettrüsten oder ihren beiden Töchtern erzählt, um dann mit einem Lächeln auf den Lippen zu verkünden, dass es dringend notwendig sei, der russischen Aggression Einhalt zu gebieten, die Ukraine militärisch stärker zu unterstützen und sie in die Nato und die EU aufzunehmen.

Man fragt sich unwillkürlich: Ist sie verrückt? Hat sie jemals überlegt, was das bedeutet?

Die Aufnahme der Ukraine in die Nato käme einer Kriegserklärung gegen Russland gleich und würde in Moskau Alarm auslösen. Sie würde die Gefahr eines bewaffneten Konflikts mit der zweitgrößten Atommacht der Welt heraufbeschwören, der in Europa Millionen Tote fordern und die ganze Menschheit auslöschen könnte.

Es ist diese Mischung aus abgehobener Selbstgefälligkeit, Ignoranz und Aggressivität, die die Grünen für die herrschende Klasse so wertvoll macht, um ihre imperialistischen Ziele und Interessen durchzusetzen. Deshalb werden die Grünen gegenwärtig in allen Medien gehypet. Baerbock und ihr Co-Vorsitzender Robert Habeck eilen von einem Interview zum nächsten.

Am Sonntag war es wieder soweit: Groß aufgemachtes Baerbock-Interview in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) und abends Gast bei Anne Will.

Die FAS fasst das Gespräch mit Baerbock mit den Worten zusammen: „Grüne Kanzlerkandidatin plädiert für die Zusammenarbeit mit Amerika, die Eindämmung Chinas und eine härtere Haltung gegenüber Russland.“

Auf die erste Frage, wie sie als Kanzlerin „auf die Erpressung der Ukraine durch Russland“ reagieren und ob sie die Bitte Kiews nach Lieferung von Flugabwehrkanonen unterstützen würde, auch wenn Moskau nun den Truppenaufmarsch wieder reduziere, erwiderte Baerbock: „Die Bedrohung der Ukraine durch Russland ist dennoch weiterhin groß.“

Das Allerwichtigste sei es jetzt, die Umsetzung des Minsker Abkommens sicherzustellen. Der uneingeschränkte Zugang der OSZE-Beobachtermission „zu allen Teilen des russisch besetzten Gebiets“ müsse mit der notwendigen Konsequenz durchgesetzt werden. Dazu seien auch „dringend mehr Mittel für die Luftaufklärung“ nötig.

Auf die Frage, ob sie ein militärisches Eingreifen der Bundeswehr in irgendeiner Region der Welt auch befürworten würde, wenn ein Mitglied des UN-Sicherheitsrat sein Veto einlegt, antwortete Baerbock, dass die Wahl zwischen militärischem „Handeln und Nichthandeln manchmal eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera“ sei. Sie fügte hinzu: „Es gibt Momente, in denen militärisches Agieren Schlimmstes verhindern kann.“

Schon in früheren Interviews hatte sich die grüne Kanzlerkandidatin für eine bessere personelle und materielle Ausstattung der Bundeswehr eingesetzt. In einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung unter der Überschrift „Baerbock will die Bundeswehr stärken“ plädierte sie für eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben, den Aufbau einer gut ausgerüsteten europäischen Armee und eine deutsch-europäische Militärpolitik zur besseren Vorbereitung von Kriegseinsätzen.

Auch jetzt betonte sie wieder in der FAS: „Deutschland und Europa müssen sich mehr um ihre eigene Sicherheit kümmern. Aber strategisch auf der Höhe der Zeit.“ Deswegen halte sie „ein europäisches Cyberabwehrzentrum für einen wichtigen Beitrag zur Lastenteilung, den wir Europäer erbringen können“.

Das pauschale Zwei-Prozent-Ziel sei dagegen nicht hilfreich und schaffe nicht mehr Sicherheit. Denn es richte sich ja am Bruttoinlandsprodukt aus, was angesichts des gegenwärtigen pandemiebestimmten Wirtschaftsrückgangs in ganz falsche Richtung führe. „Nach dieser Logik müsste dann ja unsere Ausgabenplanung heruntergefahren werden.“ Das sei doch absurd, erklärte Baerbock.

Die FAS-Frage, ob die Forderung im grünen Grundsatzprogramm nach „EU-Einheiten“ mit gemeinsamer Kommandostruktur der Entwurf einer europäischen Armee sei, bejahte Baerbock: „Das sind Schritte in diese Richtung. Aus meiner Sicht müssen wir unsere Fähigkeiten als Europäer stärker bündeln. Die Militärausgaben Europas sind drei- bis viermal so hoch wie die Russlands, unsere Fähigkeiten aber sind begrenzt, weil wir vieles doppeln. Das ist nicht effizient.“ Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion müsse dringend weiterentwickelt und ausgebaut werden.

Auch die Frage, ob die Ukraine und Georgien, die seit Jahren darauf drängen, in die Nato aufgenommen werden sollten, beantwortete Baerbock positiv. Der Druck auf Russland, damit das Minsker Abkommen eingehalten werde, und die Stabilisierung hätten unmittelbar Priorität, aber: „Souveräne Staaten entscheiden über ihre Bündnisse selbst. Dazu zählt auch die Perspektive einer Ukraine in der EU und in der Nato.“

Baerbock beschwerte sich, dass die Sanktionen gegen Russland durch das Festhalten der deutschen Regierung an der Gaspipeline Nord Stream 2 „permanent konterkariert“ werde. „Ich hätte schon längst Nord Stream 2 die politische Unterstützung entzogen.“

Auch der grüne Ex-Außenminister Joschka Fischer trat in einem Spiegel-Interview für den endgültigen Stopp des Baus der Pipeline und eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland ein. Das „Säbelrasseln“ aus Moskau dürfe nicht länger hingenommen werden, forderte er.

Die Behauptung der Grünen und der Medien, Russland sei eine aggressive und expansive Macht, ist eine groteske Verdrehung der Tatsachen. Am 22. Juni ist es 80 Jahre her, seit die Deutsche Wehrmacht die Sowjetunion überfiel und in einem geplanten „Vernichtungskrieg“ 25 Millionen Zivilisten und Soldaten umbrachte. In Russland sind diese Gräuel in lebendiger Erinnerung. Seit der Auflösung der Sowjetunion vor 30 Jahren rückt die Nato immer dichter an die Grenze Russlands vor. Fast alle osteuropäischen Staaten, die einst mit der Sowjetunion verbündet waren, sowie die ehemaligen baltischen Sowjetrepubliken sind Mitglied des westlichen Militärbündnisses geworden.

Auch die Krise in der Ukraine wurde von den Westmächten gezielt provoziert. Washington und Berlin organisierten Anfang 2014 in Kiew in enger Zusammenarbeit mit faschistischen Kräften einen Putsch gegen den pro-russischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch und ersetzten ihn durch den pro-westlichen Oligarchen Poroschenko. Die Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen spielte dabei eine führende Rolle. Seither versinkt das Land immer tiefer in Bürgerkrieg und Korruption. Die Lage der Bevölkerung hat sich drastisch verschlechtert.

Die Unterstützung des Putsches in der Ukraine war Bestandteil einer gezielten Kampagne für eine aggressivere Außen- und Großmachtpolitik. Deutschland sei „zu groß und wirtschaftlich zu stark, als dass wir die Weltpolitik nur von der Seitenlinie kommentieren könnten“, hatte der damalige Außenminister und heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) auf der Münchner Sicherheitskonferenz erklärt.

Die Grünen hatten sich im Jahr zuvor an der Ausarbeitung des SWP-Papiers „Neue Macht, neue Verantwortung“ beteiligt, das als Blaupause für die Rückkehr des deutschen Militarismus diente. Nun sehen sie ihre vorrangige Aufgabe darin, diese Kriegspolitik gegen die enorme Opposition in der Bevölkerung durchzusetzen.

Die Interviews mit Baerbock und Fischer machen vor allem eines klar: eine Bundesregierung unter Beteiligung der Grünen – sei es im Bündnis mit CDU/CSU, SPD, FDP oder Linkspartei – würde die Politik des Militarismus, der inneren Aufrüstung und des Sozialabbaus verschärfen.

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