Russland, China und der Iran kritisieren Israels Angriff auf Gaza

Das blutige Gemetzel der israelischen Streitkräfte an den Palästinensern im Gazastreifen hat Kritik aus Moskau, Peking und Teheran hervorgerufen. Deutlich wird dadurch allerdings nur eins: die enorme Kluft, die sich zwischen den Klassen aufgetan hat. Während Arbeiter rund um die Welt entsetzt sind über die Gräueltaten, die sich in der Enklave abspielen, sind die Statements der kapitalistischen Regime in Eurasien reine Heuchelei.

Der Kreml, der enge Beziehungen mit Israel unterhält, inszenierte sich als scheinbar neutrale Kraft zwischen Israel und Gaza und forderte das Nahost-Quartett (bestehend aus den Vereinten Nationen, den USA, der EU und Russland) dazu auf, Verhandlungen über ein Friedensabkommen zu führen.

Kinder in Ramallah im Westjordanland mit palästinensischen Flaggen während einer Protestveranstaltung zur Unterstützung der Kinder in Gaza am 20. Mai 2021 (AP Photo/Nasser Nasser)

Der russische Außenminister Sergei Lawrow erklärte: „Wir verurteilen die Angriffe beider Seiten auf Wohngebiete. ... Wir glauben, dass die internationale Staatengemeinschaft dem Geschehen nicht gleichgültig gegenüberstehen darf. Das [Nahost-]Quartett ist als internationaler Vermittler dazu verpflichtet, zur Lösung der Palästinenser-Frage beizutragen.“

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow warnte, das Vorgehen Israels könnte einen größeren Krieg auslösen. Er behauptete, Moskau sei „äußerst besorgt über die zunehmende Anzahl von Todesopfern“ und erklärte verharmlosend: „Die Sicherheit in der Region ist grundsätzlich sehr fragil, es herrscht ein massiver Mangel an gegenseitigem Vertrauen und seit langem besteht Potential für regionale Konflikte, was nicht zur Stabilisierung beiträgt.“

Israel wies eine Erklärung des russischen Außenministeriums zurück, es habe am Mittwoch israelische Diplomaten einbestellt und ihnen erklärt, dass es noch mehr zivile Opfer in Gaza als „inakzeptabel“ betrachte. Als Reaktion darauf erklärte Israel, es lege sich auf keinen Zeitrahmen für eine Beendigung der Angriffe auf Gaza fest.

Vergangenen Sonntag appellierte Peking an Washington, mit Israel in Verhandlungen zu treten. Der chinesische Außenminister Wang Yi forderte die USA während der Debatte des UN-Sicherheitsrats über Palästina dazu auf, „seiner Verantwortung gerecht zu werden und eine gerechte Haltung einzunehmen“. Yi warnte außerdem vor einer militärischen Eskalation und rief dazu auf, „zu verhindern, dass sich die Lage weiter verschlechtert und die Region erneut ins Chaos stürzt“.

Bezeichnenderweise deutete Yi zudem an, dass China Verhandlungen zwischen Israel und Palästina arrangieren könnte: „China bekräftigt seine Einladung an Unterhändler aus Palästina und Israel, sich in China zu einem Dialog zu treffen, und heißt Unterhändler aus Palästina und Israel willkommen, um Gespräche in China zu führen.“

Yi vermied es jedoch, Israel unmittelbar zur Einstellung des Gemetzels aufzufordern, und bat nur darum, „die Blockade und Belagerung von Gaza so schnell wie möglich zu beenden, die Sicherheit und die Rechte der Zivilbevölkerung in den besetzten Palästinensergebieten zu gewährleisten und humanitären Hilfsorganisationen Zugang zu ermöglichen“.

Nachdem Pekings Appelle an Washington unbeachtet blieben, beklagte sich der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Zhao Lijian am Dienstag, die Vetos der USA würden den Sicherheitsrat lähmen: „Die Menschen kommen nicht umhin, sich zu fragen, ob das die Diplomatie auf Basis von Menschenrechten ist, die die US-Regierung angekündigt hat. Warum verhalten sich die USA so gleichgültig gegenüber den Menschenrechten der Palästinenser, wenn sie gleichzeitig verkünden, die Menschenrechte von Muslimen zu verteidigen?“

Es handelte sich hierbei offenbar um eine verhaltene Anspielung auf die Scheinheiligkeit der USA, die auf der einen Seite den israelischen Krieg im Gazastreifen unterstützt und auf der anderen Seite Peking in einer Lügenkampagne beschuldigt, es würde einen „Völkermord“ an den muslimischen Uiguren in Westchina begehen.

Die chinesische Staatszeitung Global Times klagte, die USA würden sich „vollkommen auf die Konkurrenz zwischen den Großmächten konzentrieren“, und kritisierte Washington bemerkenswerterweise für sein fehlendes Engagement im Nahen Osten: „Washington konzentriert sich auf China und Russland und ist erpicht darauf, sich aus dem Nahen Osten zurückzuziehen. Es will nicht in neue Energien und Rohstoffe investieren, um Frieden zwischen Palästina und Israel zu ermöglichen. ... Aber Washington muss vor Augen geführt werden, dass Gerechtigkeit nicht einfach mit Füßen getreten werden kann.“

Es sind nun dreißig Jahre vergangen, seit die stalinistischen Bürokratien 1989-1991 den Kapitalismus in der Sowjetunion und China wieder eingeführt haben. Seither haben die imperialistischen Kriege im Nahen Osten eines verdeutlicht: Es ist zwecklos, von den USA oder den europäischen imperialistischen Mächten „Gerechtigkeit“ zu fordern. Mit der Auflösung der Sowjetunion wurde das wichtigste militärische Gegengewicht zu Washington beseitigt. Seither wurden immer wieder Angriffskriege geführt, um Regierungswechsel zu erzwingen (u. a. im Irak, in Afghanistan, Libyen und Syrien). Die Folgen waren Millionen Tote und vollkommen zerstörte gesellschaftliche Strukturen.

Die Imperialisten haben die einseitigen Massaker Israels in Gaza immer wieder rückhaltlos unterstützt: 2009, 2012 und 2014 und auch jetzt, im Jahr 2021.

Chinas wirtschaftlicher Aufstieg zum Billiglohnland für transnationale Konzerne hat dessen Einfluss in der Region vergrößert. Wie die Global Times schrieb, ist China mittlerweile mit einem jährlichen Handelsvolumen von fast 240 Milliarden Dollar der größte Handelspartner der arabischen Staaten und importiert rund 250 Millionen Tonnen Rohöl. Die Jerusalem Post bezeichnete den Handel zwischen China und Israel als „himmlische Verbindung“. Das Handelsvolumen zwischen China und Israel ist von 50 Millionen Dollar im Jahr 1992 auf 13,1 Milliarden Dollar im Jahr 2017 gestiegen. China ist damit der drittgrößte Handelspartner Israels. Daneben hat China ein Handelsabkommen mit dem Iran im Wert von 400 Milliarden Dollar und einer Laufzeit von 25 Jahren unterzeichnet.

Der US-Imperialismus bleibt aber weiterhin die dominante finanzielle und militärische Macht im Nahen Osten und unterstützt die Angriffe Israels auf Gaza. Diese Tatsache verdeutlicht den Bankrott jeglicher Verteidigungsversuche des Gazastreifens, die nicht darauf beruhen, die internationale Arbeiterklasse gegen Imperialismus und Krieg zu mobilisieren.

In der israelischen, amerikanischen und internationalen Arbeiterklasse regt sich längst heftiger Widerstand gegen soziale Ungleichheit und die politisch kriminelle Reaktion auf die Corona-Pandemie. Doch Moskau, Peking und Teheran sind nicht in der Lage, an diese Stimmung zu appellieren, und stehen ihr feindselig gegenüber.

Die Regimes in Russland, China und dem Iran fürchten den wachsenden Widerstand der Arbeiterklasse im eigenen Land. Obwohl die mehr als 400 Milliardäre in China ein Gesamtvermögen von mehr als zwei Billionen US-Dollar angehäuft haben, plant Peking eine Anhebung des Rentenalters und stößt damit auf heftige Ablehnung in der Bevölkerung. Der iranische Präsident Hassan Rohani wies darauf hin, sein Regime befürchtet, dass „Hunger, Armut und Arbeitslosigkeit die Bevölkerung auf die Straße treiben“.

Das iranische Regime sah sich angesichts der pro-palästinensischen Proteste in Teheran und der wachsenden Wut im Nahen Osten dazu gezwungen, sich kritisch zu den Angriffen auf Gaza zu äußern. Im Vorfeld des Kriegs hatten die USA und Israel den Iran provoziert, indem trotz der grassierenden Pandemie wichtige Arzneimittel mit Sanktionen belegt wurden und Israel kriminelle Angriffe auf die iranische Urananreicherungsanlage in Natanz durchführte.

Am Montag kritisierte das katarische Außenministerium Tel Aviv, nachdem es zu einem Angriff Israels auf eine von dem Emirat geleitete Einrichtung des Roten Halbmonds in Gaza gekommen war. Die türkische staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete zudem, dass ihr Fotojournalist Mohammad Dahla am Mittwoch in Gaza von einer israelischen Rakete verwundet wurde. Bereits letzte Woche waren zwei Anadolu-Journalisten verwundet worden, während sie über israelische Angriffe im Gazastreifen berichteten. Israel hat außerdem ein Medienzentrum in Gaza bombardiert, in dem sich Büros von AP und Al Jazeera befanden.

Irans Präsident Hassan Rohani erklärte am Sonntag in einem Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, Palästina „ist die wichtigste gemeinsame Angelegenheit in der islamischen Gemeinschaft“. Laut der Nachrichtenagentur IRNA erklärte er, es sei „von entscheidender Bedeutung, sich den Verbrechen an Palästina entgegenzustellen und die Ermordung unterdrückter und wehrloser Menschen sofort zu beenden... Islamische Staaten sollten zusammenarbeiten, um die Kapazität internationaler Gremien wie der Vereinten Nationen oder der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIZ) zu nutzen und sich der Aggression des zionistischen Regimes entgegenzustellen.“

Der iranische Außenminister Javad Zarif soll einen geplanten Besuch in Wien abgesagt haben, nachdem dort auf Regierungsgebäuden israelische Flaggen gehisst wurden, um Unterstützung für den Krieg Israels zu demonstrieren. Er schrieb auf Twitter: „Während Munition aus amerikanischer Produktion auf unschuldige Palästinenser fällt, beliefern die USA Israel erneut mit ,Präzisionsraketen‘ im Wert von 735 Millionen Dollar, um noch mehr Kinder noch präziser töten zu können.“

Zarif kritisierte auch die reaktionären regionalen Regimes wie Bahrain, Sudan und Marokko, die ihre Beziehungen mit Israel „normalisiert“ haben: „Das jetzige Massaker an palästinensischen Kindern ist das Ergebnis dieser angeblichen Normalisierung.“

Gleichzeitig verhandelt jedoch auch Teheran derzeit über die Wiederherstellung seiner Beziehungen zu Saudi-Arabien, einem wichtigen Architekten dieser „Normalisierung“ und ein führender Verbündeter der israelischen Regierung. Dies verdeutlicht den Zynismus der iranischen Politik und gleichzeitig die dringende Notwendigkeit, eine internationale Antikriegsbewegung in der Arbeiterklasse aufzubauen. Eine solche Bewegung braucht ein sozialistisches Programm.

Loading