Online-Kundgebung der sri-lankischen SEP zur Corona-Katastrophe in Indien

Am 30. Mai veranstaltete die Socialist Equality Party (SEP) von Sri Lanka eine Online-Kundgebung mit dem Titel „Die Corona-Pandemie und die Notwendigkeit einer sozialistischen Strategie“.

Die Veranstaltung war mehrere Wochen lang über die World Socialist Web Site und die sozialen Medien beworben worden. Fast die Hälfte der 200 Teilnehmer stammten aus Indien. Hinzu kamen Mitglieder und Anhänger der SEP in Sri Lanka und von anderen Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI).

Die Corona-Pandemie und die Notwendigkeit einer sozialistischen Strategie

Die Teilnahme von Rednern der sri-lankischen SEP sowie der amerikanischen, kanadischen und französischen Sektion des IKVI unterstrich den internationalen Charakter der Veranstaltung. Die Beiträge wurden auf Englisch, Tamilisch und Singhalesisch gehalten.

Saman Gunadasa vom Politischen Komitee der sri-lankischen SEP, der die Veranstaltung leitete, erklärte: „Der Ursprung der Pandemie liegt in der Biologie. Aber sie ist nicht nur eine medizinische oder gesundheitspolitische Katastrophe. Sie ist eine soziale Katastrophe und ein soziales Verbrechen, eine von Menschen gemachte Tragödie oder, präziser gesagt, eines der größten politischen Verbrechen des Weltkapitalismus im 21. Jahrhundert.“

Gunadasa erklärte kurz, wie die Modi-Regierung in Indien – wie die Regierungen überall auf der Welt – die Wirtschaft offen hielt, um die Profitinteressen der Milliardäre zu verteidigen, und damit die Ausbreitung der Pandemie zuließ.

Die soziale Katastrophe, so Gunadasa, sei vorhersehbar gewesen und radikalisiere die indischen Arbeiter im Widerstand gegen das Vorgehen der Regierung und der Konzerne. Er fuhr fort:

„Diese Kämpfe müssen mit denjenigen der Arbeiter im Rest der Welt vereint und von einer sozialistischen Perspektive geleitet werden. Nur so kann die Arbeiterklasse der kapitalistischen herrschenden Elite die Kontrolle über die Reaktion auf die Pandemie aus der Hand nehmen und eine Strategie auf wissenschaftlicher Grundlage umsetzen, die der Rettung von Menschenleben Vorrang vor kapitalistischen Profiten einräumt.“

Gunadasa verlas Grüße der Unterstützergruppe des IKVI in Indien und bekräftigte den anhaltenden Kampf des IKVI und aller seiner Sektionen für die sofortige Freilassung der 12 Arbeiter des Autoherstellers Maruti Suzuki, die im März 2017 nach einer Hetzkampagne des Unternehmens und der Regierung wegen fingierter Vorwürfe zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden waren. Diese Arbeiter werden verfolgt, weil sie es wagten, die Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen in der Autofabrik im nordindischen Manesar zu verteidigen.

Der stellvertretende Nationale Sekretär der sri-lankischen SEP, Deepal Jayasekera, der seine Rede auf Singhalesisch mit englischen und tamilischen Untertiteln hielt, gab einen umfassenden Überblick über die Corona-Katastrophe in Indien.

Die Entscheidung von Premierminister Narendra Modi, Unternehmen geöffnet zu lassen und gleichzeitig Arbeitern jede finanzielle und soziale Unterstützung zu verwehren, habe zu Millionen Toten geführt. Selbst angesichts der derzeitigen gefährlichen Welle von Corona-Infektionen weigere sich Modi hartnäckig, einen landesweiten Lockdown auszurufen.

Jayasekera erläuterte die sozialistischen Forderungen, die Arbeiter im Kampf gegen die Herdenimmunitätspolitik der Modi-Regierung und der indischen herrschenden Elite stellen müssen. Notwendig ist der Kampf für Lockdowns und für die Schließung aller nicht systemrelevanten Dienstleistungen bei voller Lohnfortzahlung. Das gilt für alle Arbeiter einschließlich derjenigen im informellen Sektor, Wanderarbeiter, Selbstständige, arme Bauern und Fischer. Alle Arbeiter in systemrelevanten Bereichen sollten Zugang zu vollständigem Schutz vor Covid-19 haben. Außerdem muss Impfstoff für alle kostenlos zur Verfügung gestellt und finanzielle Unterstützung für die Modernisierung des Gesundheitssystems bereitgestellt werden, so Jayasekera.

„Die einzige gesellschaftliche Kraft, die den Kampf für ein solches Programm anführen kann, ist die internationale Arbeiterklasse, da sie an keinen Nationalstaat und kein Privateigentum gebunden ist... Wir rufen die indische Arbeiterklasse auf, sich gemeinsam mit ihren Klassenbrüdern in Südasien und der Welt zu einer gemeinsamen Bewegung gegen den Weltkapitalismus und für internationalen Sozialismus zusammenzuschließen.“

Aus Montreal zugeschaltet war der Nationale Sekretär der kanadischen SEP, Keith Jones, der auch Mitglied der internationalen Redaktion der WSWS ist. „Indiens angeblicher kapitalistischer Aufstieg“, so Jones, „der in den westlichen Medien gefeiert wird, hat eine kranke Gesellschaft geschaffen, die insgesamt die Dysfunktionalität, Brutalität und Kriminalität des Kapitalismus im 21. Jahrhundert verkörpert. Die derzeitige Krise hat offengelegt, was die so genannte neue Wirtschaftspolitik in Indien in den letzten drei Jahrzehnten angerichtet hat.

Vor 30 Jahren, im Juli 1991, ließ die indische Bourgeoisie ihr Projekt einer staatlich gelenkten Entwicklung fallen. Diesen Weg – eine nationalistische Strategie auf der Grundlage von Importsubstitution, die sie zynischerweise Sozialismus nannte – hatte sie nach der Unabhängigkeit von Großbritannien eingeschlagen. Aber Anfang der 1990er Jahre begann Indiens vollständige Einbindung in die kapitalistische Weltordnung unter der Führung der USA.“

Jones beschrieb die verräterische politische Rolle der indischen Stalinisten, der Kommunistischen Partei Indiens (Marxisten) oder KPM und der Kommunistischen Partei Indiens (KPI):

„In den letzten 30 Jahren haben sowohl die KPM als auch die KPI die Kongresspartei – die historische Partei der indischen Bourgeoisie – und zahlreiche rechte regionale chauvinistische und kastenbasierte Parteien als säkulare und demokratische Bollwerke gegen die BJP dargestellt. Sie haben erklärt, die Arbeiterklasse müsse diese Parteien unterstützen, um die hindu-chauvinistische Rechte zu schlagen.“

Der Nationale Sekretär der US-amerikanischen SEP, Joe Kishore, erklärte, wie Präsident Biden die reaktionäre Politik der Trump-Regierung hinsichtlich Covid-19 und der Kriegsvorbereitungen gegen China fortsetzt.

„Trotz des immensen Reichtums [der USA] und ihrer Kontrolle über die modernsten Technologien der Welt hat die Pandemie entlarvt, dass ihr soziales und politisches System die Bedürfnisse der großen Mehrheit der Bevölkerung nicht erfüllen kann.“

Kishore bezeichnete die Politik der herrschenden Elite Amerikas als verbrecherisch. Sie diene nicht der Rettung von Menschenleben und der Ausmerzung der Pandemie, sondern der Fortsetzung des Aktienbooms und den geostrategischen Interessen des amerikanischen Imperialismus.

„Die Arbeiter in Indien und der ganzen Welt müssen von diesen wichtigen Entwicklungen erfahren. Die USA sind nicht nur der US-Imperialismus, der einen Krieg gegen China plant und als Bollwerk zur Unterstützung der reaktionären Kräfte in allen Ländern agiert – wozu auch die wichtige Unterstützung von Trump und Biden für die rechte Regierung von Narendra Modi gehört. Es gibt auch die amerikanische Arbeiterklasse, die natürlichen Verbündeten der Arbeiter auf der ganzen Welt.“

M. Devarajah vom Politischen Komitee der SEP Sri Lankas betonte, dass sich die Arbeiter und unterdrückten Massen in Indien und anderen südasiatischen Ländern zunehmend gegen die mörderische Politik der „Herdenimmunität“ und gegen die Angriffe auf demokratische Rechte zur Wehr setzen. In diesem Zusammenhang ging er auf die reaktionäre Rolle der Gewerkschaften ein.

„Die Arbeiter sind mit der Bedrohung durch den Kapitalismus konfrontiert, der sich in Todesagonie befindet, und müssen sich weltweit vereinen. Dazu müssen sie jede Form von Kommunalismus und Nationalismus ablehnen, die von den Kapitalistenklassen und ihren Regierungen geschürt werden, um die Arbeiterklasse zu spalten und zu lähmen.“

V. Gnana, der stellvertretende Nationale Sekretär der französischen SEP, wies in seiner Rede aus Paris darauf hin, dass in Europa mehr als eine Million Menschen an Covid-19 gestorben sind, weil sich die Regierungen geweigert haben, die von Ärzten und Wissenschaftlern geforderten Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit umzusetzen. Er verwies auch auf den jahrzehntelangen Kampf der SEP in Sri Lanka für den „Trotzkismus und die Vereinigung der Arbeiter über alle Grenzen von Hautfarbe, Religion, Sprache und Kaste im Kampf für den Sozialismus“.

Der letzte Sprecher, der Generalsekretär der sri-lankischen SEP, Wije Dias, der auch der internationalen Redaktion der WSWS angehört, bezeichnete die Online-Veranstaltung als „neues Stadium“ im Kampf für den Aufbau einer indischen Sektion des IKVI.

Er zitierte aus Leo Trotzkis offenem Brief an die indischen Arbeiter am Vorabend des Zweiten Weltkriegs: „Eine völlige Unabhängigkeit von der Bourgeoisie ist für das Proletariat unerlässlich, vor allem, um Einfluss auf die Bauernschaft, die Hauptmasse der indischen Bevölkerung, auszuüben. Nur das Proletariat ist in der Lage, ein kühnes, revolutionäres Agrarprogramm voranzutreiben, Millionen und Abermillionen von Bauern wachzurütteln, um sich zu scharen und gegen die einheimischen Unterdrücker und britischen Imperialisten in den Kampf zu führen.“

Dias erklärte, dass heute nur noch das IKVI Trotzkis Theorie der permanenten Revolution vertritt und gegen „die falschen Versprechen der indischen Bourgeoisie und den nackten Verrat der stalinistischen Kommunistischen Parteien und ihrer pseudolinken Anhängsel“ ankämpft.

Er ging kurz auf die revisionistische Politik des Pablismus ein, der sich an die Vereinbarungen nach dem Zweiten Weltkrieg und den bürgerlichen Nationalismus angepasst und die Liquidierung des Trotzkismus in Indien betrieben hatte. Er schilderte den Kampf des IKVI für die revolutionäre Kontinuität des Trotzkismus in Sri Lanka und der Region.

Die Gründung der World Socialist Web Site im Jahr 1998, so Dias, habe den Kampf der SEP Sri Lankas für den Aufbau der trotzkistischen Bewegung in Indien enorm gestärkt. „Durch die WSWS wurde der Kampf des IKVI zum Aufbau der Weltpartei der sozialistischen Revolution erstmals ins Bewusstsein der arbeitenden Bevölkerung auf allen Kontinenten gebracht.“

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