Kommando Spezialkräfte: Verteidigungsministerium schützt faschistische Netzwerke in der Bundeswehr

Am vergangenen Wochenende sprach Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) dem Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr ihr „Grundvertrauen“ aus und verkündete, dass der geheim agierende Kampfverband trotz einer langen Kette rechtsextremer Skandale und schwerer Waffendelikte nicht aufgelöst wird.

„In einer Organisation wie der Bundeswehr“, so die Ministerin, könne man Rechtsextremisten nie „bis ins Letzte ausschließen“ – erst recht „nicht bei den Spezialkräften“. Sie habe veranlasst, das Kommando wieder nach Afghanistan zu entsenden, um dort die Rückverlegung der deutschen Truppen „abzusichern“.

KSK-Einheit am Tag der Bundeswehr 2017 (Bild: Tim Rademacher / CC BY-SA 4.0)

Mit der Entscheidung, das KSK weitgehend unangetastet zu lassen, schützt die Verteidigungsministerin die faschistischen Netzwerke, die sich in der Truppe entwickelt haben. Beim KSK und anderen Sondereinheiten verschwanden umfangreiche Munitions- und Sprengstoffbestände, die in Richtung eines bundesweiten faschistischen Netzwerks abgeflossen sein sollen, das Mitglieder aus dem gesamten Staats- und Sicherheitsapparat rekrutiert und sich auf einen gewaltsamen Umsturz an einem „Tag X“ vorbereitet.

Angesichts detaillierter Zeugenaussagen und Presserecherchen, die das Bild einer „Schattenarmee“ zeichneten, hatte sich das Verteidigungsministerium im Mai 2020 gezwungen gesehen, eine „Arbeitsgruppe KSK“ einzuberufen, die offiziell den Auftrag erhielt, „rechtsextreme Bezüge“ innerhalb der Eliteeinheit aufzuklären. Die „Taskforce“ umfasste KSK-Kommandeur Markus Kreitmayr, Generalinspekteur Eberhard Zorn, sowie die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) und diente in Wirklichkeit dazu, die Einheit mitsamt ihren bewaffneten Parallelstrukturen vor dem kritischen Blick der Öffentlichkeit abzuschirmen.

So hatte Kreitmayr, der gegen die Besitzer des im Kommando „abhanden gekommenen“ Kriegsgeräts vorgehen sollte, stattdessen eine illegale „Munitionsamnestie“ befohlen, in deren Rahmen KSK-Soldaten privat gebunkerte Bundeswehrbestände abgeben konnten, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Die Öffentlichkeit erfuhr davon durch Zufall im Laufe des Prozesses gegen einen der beteiligten Soldaten, der ein unterirdisches Waffenlager unterhielt. Seine zweijährige Haftstrafe wurde im März zur Bewährung ausgesetzt.

Obwohl wegen der Amnestiemaßnahme straf- und dienstrechtliche Ermittlungen gegen den KSK-Kommandeur im Gange sind, soll Kreitmayr nicht suspendiert werden, sondern „turnusgemäß“ eine neue Führungsposition übernehmen. Sein Nachfolger an der Spitze der KSK wird Brigadegeneral Ansgar Meyer, der derzeit das deutsche Einsatzkontingent der Nato-Mission „Resolute Support“ in Afghanistan kommandiert.

Dass Kreitmayrs unverhüllter Versuch der Strafvereitelung nur die Spitze des Eisbergs war, wird von weiteren Einzelheiten belegt, die in den letzten Tagen und Wochen bekannt wurden. So war die straffreie Rückgabemöglichkeit der entwendeten Munition laut einer Meldung des Redaktionsnetzwerks Deutschland „im Verteidigungsministerium (BMVg) offenkundig spätestens seit dem vergangenen Sommer bekannt“.

Der Bundestag jedoch wurde darüber nicht unterrichtet: „Der Generalinspekteur persönlich strich die entsprechende Passage im Bericht an die Abgeordneten“, so die Tagesschau.

Der von Generalinspekteur Zorn unterzeichnete und zu Beginn der letzten Woche veröffentlichte „Abschlussbericht“ der Arbeitsgruppe behauptet nun, dass „mehr als 90 Prozent“ der im letzten Sommer verkündeten „60 Maßnahmen“ der Ministerin „bereits umgesetzt“ seien und „umfassende strukturelle Veränderungen“ stattgefunden hätten, die „faktisch einer Neuaufstellung dieses Verbandes gleichkommen“.

Die World Socialist Web Site hatte die angeblichen „Reformmaßnahmen“ damals wie folgt kommentiert: „Der Vorstoß der Verteidigungsministerin dient vor allem der Schadensbegrenzung. Die diskreditierte rechtsextreme Truppe soll nicht aufgelöst, sondern schlagkräftiger organisiert werden und mehr Einfluss auf die gesamte Bundeswehr erhalten.“

Diese Einschätzung hat sich seither vollständig bestätigt. So heißt es auf den Seiten der Bundeswehr, der „Austausch des KSK mit Spezialkräften anderer Teilstreitkräfte und der Polizei sowie der internationale Austausch in der Ausbildung“ sollten künftig „gezielt gefördert“ werden. Recherchen des ZDF legen aber nahe, dass es just ein solcher regelmäßiger „Austausch mit anderen Spezialkräften“ war, der – unter der Schirmherrschaft der Politik – den Aufbau der bundesweiten Terrornetzwerke begünstigt hatte.

Was die großspurig verkündete „Auflösung“ einer Kompanie des KSK betrifft, in der die rechtsextremen Umtriebe besonders umfassend dokumentiert waren, so erweist sich diese als bloße Umgruppierung. Die Bundeswehr erklärt auf ihren Seiten dazu, die „formale Auflösung“ der Kompanie sei nicht etwa mit der Suspendierung und Entwaffnung ihrer Mitglieder verbunden, sondern Auftakt zu „Personalentscheidungen“, die „Versetzungen aus dem Kommando heraus oder in einen anderen Bereich des KSK“ umfassen können.

Parallel zu diesen Manövern richtete auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) – der direkt dem Verteidigungsministerium unterstellt ist – einen „Arbeitsschwerpunkt“ zum KSK ein und erhielt weitreichende Befugnisse zur Telekommunikationsüberwachung. Das Ministerium stärkte damit die Behörde, unter deren Augen sich die bewaffneten Kommandostrukturen entwickelt hatten: Sowohl Robert P. alias „Petrus“ (ein KSK-Soldat und Administrator der Chatgruppe „Nord“), als auch André S. alias „Hannibal“ (ein ehemaliger KSK-Ausbilder und mutmaßlicher Kopf der Gruppe) waren zumindest zeitweise „Auskunftspersonen“ des Militärgeheimdienstes.

Im Jahr 2018 hatte sich der MAD-Agent und ehemalige KSK-Soldat Peter W. vor Gericht verantworten müssen, weil er im Verdacht stand, seinen Informanten „Hannibal“ über die laufenden Ermittlungen gegen dessen Netzwerk gewarnt zu haben – denn W. fungierte damals zugleich als offizieller „Ansprechpartner“ für den ermittelnden Generalbundesanwalt und das Bundeskriminalamt (BKA).

Im Juni 2020 berichteten verschiedene Medien schließlich, dass acht KSK-Soldaten offenbar regelmäßig von mindestens einem MAD-Agenten mit Informationen über den Prozess gegen ihren Kameraden versorgt worden waren. „Der Chef der Auswertung im MAD“ habe „Interna aus laufenden Ermittlungen an einen Soldaten des KSK weitergegeben“, der diese anschließend weitergeleitet habe, berichtete die Tagesschau.

Ein solches Vorgehen entspricht offenbar der gängigen Praxis eines Geheimdienstes, der es in seinem Jahresbericht unumwunden als seine Aufgabe bezeichnet, Bundeswehrsoldaten mit Kontakt zu mutmaßlichen Rechtsextremisten „vor ungerechtfertigtem Verdacht zu schützen“.

Dass das von Rechtsextremisten und Geheimdienst-Akteuren durchsetzte KSK wieder in dem Land eingesetzt wird, in dem es an Folter und Mord gewöhnt wurde, spricht Bände.

Die Einheit hatte im Jahr 2001 im Rahmen der „Operation Enduring Freedom“ als erste deutsche Truppe Fuß auf afghanischen Boden gesetzt. Nur Wochen später sollen KSK-Soldaten den in Bremen geborenen und aufgewachsenen Murat Kurnaz auf einem US-Luftwaffenstützpunkt in der Provinz Kandahar misshandelt haben, bevor dieser in das Foltergefängnis von Guantánamo überstellt wurde, wo er anschließend mit Wissen der Bundesregierung für fünf Jahre ohne Anklage inhaftiert wurde.

Amerikanische Spezialkräfte, die in der Folge bei der „Bearbeitung“ sogenannter „Capture-or-Kill“-Listen mit dem KSK zusammenarbeiteten, berichteten später von „Musik aus dem Zweiten Weltkrieg“ auf den ausschweifenden Trinkgelagen der deutschen Truppe.

Bezeichnend ist, dass der scheidende KSK-Kommandeur Kreitmayr zum 1. September den Posten des Abteilungsleiters Ausbildung in der Streitkräftebasis übernehmen wird, den Brigadegeneral Georg Klein zuvor innehatte. Klein, der wiederum innerhalb des Kommandos Streitkräftebasis befördert wurde, ist verantwortlich für das bisher blutigste Kriegsverbrechen der Bundeswehr.

Der damalige Bundeswehr-Oberst hatte im Jahr 2009 in enger Zusammenarbeit mit Angehörigen des KSK die Bombardierung zweier Tanklastwagen in der afghanischen Provinz Kundus befohlen, wodurch zwischen 100 und 140 Menschen – darunter viele Kinder im Grundschulalter – zu Tode kamen. Wie Dokumente der Enthüllungsplattform Wikileaks später zeigten, hatte die Einsatzführung im Voraus gewusst, „dass der Bombenabwurf zu zahlreichen Toten und Verletzten führen wird, ohne dass unmittelbar vor und nach dem Vorfall adäquat gehandelt wurde“.

Die Rehabilitierung des KSK durch Kramp-Karrenbauer ist ein Alarmzeichen. Angesichts wachsender sozialer Spannungen brauchen die herrschenden Kreise solche Kräfte und Methoden, um ihre Interessen nach außen durchzusetzen – und zugleich den wachsenden Widerstand im Inneren zu unterdrücken.

Der ehemalige KSK-Kommandeur und Brigadegeneral Dag Baehr bezeichnete bereits im Jahr 2017 einen „KSK-Einsatz im Inland“ öffentlich als Szenario, das dringend geprobt werden müsse. Im Juni vergangenen Jahres berichtete ein Whistleblower, dass Soldaten der Einheit von Vorgesetzten beauftragt wurden, Aufsätze über einen „Einsatz des KSK im Innern“ zu verfassen. Im letzten Monat trat ein ehemaliger Bundeswehr-Oberst, der das KSK laut einem Bericht des ZDF „mit aufgebaut“ hatte, auf einer Anti-Lockdown-Demonstration in der Hauptstadt auf und erklärte, man solle „das KSK mal nach Berlin schicken“, um dort „ordentlich aufzuräumen“.

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