Bericht über australische Kriegsverbrechen: Eine vernichtende Anklage gegen die Barbarei in Afghanistan

In der vorletzten Woche erschien der offizielle Bericht über die Gräueltaten, die in Afghanistan von australischen Spezialeinheiten begangenen wurden. Obwohl die Schwärzungen der spezifischen und grausigen Details sechs Bände füllen, stellt der Bericht eine verheerende Anklage gegen alle Regierungen und Institutionen dar, die in diesen vom US-Imperialismus geführten verbrecherischen Krieg verwickelt sind – von Washington, London und Berlin bis Canberra.

Alle, die für die militärischen Verbrechen in Afghanistan und den Angriffskrieg selbst verantwortlich sind – darunter aufeinanderfolgende Premierminister der Liberal-Nationalen Koalition und der Labor Party, deren Regierungen sowie das militärische Oberkommando – müssten wie die Nazi-Führer nach dem Zweiten Weltkrieg wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht gestellt werden.

Der Versuch des Berichts, die Kriegsverbrechen so weit wie möglich zu beschönigen und die Soldaten der niederen Ränge – nicht aber ihre Kommandeure und Regierungen – dafür verantwortlich zu machen, muss zudem als Warnung verstanden werden. Der Bericht entstand über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren hinter verschlossenen Türen und ist Teil einer kalkulierten Operation zur kosmetischen „Aufpolierung“ des mittlerweile stark angeschlagenen Rufs der Spezialeinheiten und des gesamten Militärs. Dies dient der Vorbereitung noch schlimmerer und größerer zukünftiger Kriege und der Unterdrückung abweichender Meinungen im Innern.

Selbst in dem stark zensierten Bericht des Generalinspekteurs der australischen Streitkräfte finden sich „glaubhafte Beweise“ dafür, dass Spezialeinheiten der Streitkräfte mindestens 39 Kriegsgefangene oder unschuldige Zivilisten kaltblütig ermordet haben und viele weitere Verbrechen begingen – darunter Fälle von „grausamer“ Behandlung (d.h. Folter), den Einsatz illegaler Waffen und die Schändung der Leichen ihrer Opfer. Afghanische Familien und Organisationen haben öffentlich erklärt, dass noch viel mehr Menschen getötet wurden.

Die Tötungen waren derart systematisch, dass neuen Rekruten der Spezialkräfte in einem „Blut“-Ritual der Befehl erteilt wurde, gefangene Häftlinge zu ermorden. Ein solcher Grad an Verderbtheit, der vom Verfasser des Berichts Paul Brereton – ein Richter und Generalmajor der Armeereserve – bestätigt wird, lässt sich nicht mit den Handlungen isolierter Einzelpersonen in den untersten Rängen der Streitkräfte erklären. Er verweist vielmehr auf die Brutalisierung des gesamten Militärs, um weitere verbrecherische Kriege vorzubereiten.

Dem Bericht zufolge zählen zu den Opfern zwei Jugendliche, denen die Kehlen durchgeschnitten wurden. Über diesen „Vorfall“ heißt es in dem Bericht: „Mitglieder des ‚SASR‘ fuhren eine Straße entlang und sahen zwei 14-jährige Jungen, von denen sie dachten, sie könnten Sympathisanten der Taliban sein. Sie hielten an, durchsuchten die Jungen und schnitten ihnen die Kehle durch. Der Rest der Truppe musste dann ‚die Sauerei aufräumen‘, wozu die Leichen eingetütet und in einen nahegelegenen Fluss geworfen werden mussten.“

Ein weiterer geschwärzter Vorfall wird ohne jedes Detail als „die möglicherweise schändlichste Episode in der australischen Militärgeschichte“ beschrieben. Das unterstreicht erneut die abgrundtiefe Kriminalität dieses Krieges: Wie der Bericht selbst bemerkt, haben australische Kriegsverbrechen – darunter Massaker und die Vernichtung von Dörfern – eine lange Geschichte. Sie reicht vom Zweiten Burenkrieg 1899-1901 bis zu den Schrecken des Vietnamkrieges, der 1975 in der Niederlage der USA endete.

Über weitere 39 Verdachtsfälle von Gesetzesverstößen enthält Breretons Bericht nur sehr wenige Informationen. Sie wurden stattdessen mit dem Vermerk „unbestätigt“ oder „eingestellt“ versehen. Dazu gehören Berichte über „Waterboarding“ und Soldaten, die einem Mann ein Messer an die Hoden hielten. Viele weitere Gewalt- und Missbrauchsfälle werden nach wie vor vertuscht. Sie werden von einem anhaltenden „Schweigekodex“ abgeschirmt, der, wie Brereton zugibt, „enorme Herausforderungen bei der Feststellung wahrheitsgemäßer Aussagen“ geschaffen hat.

Die Behauptung des Berichts, dass die Gräueltaten der Spezialkräfte einfach das Werk einer „kleinen Zahl von Patrouillenkommandeuren und ihren Schützlingen“ oder die Folge einer „Kriegerkultur“ waren, die oberhalb der Ebene der Gefreiten und Unteroffiziere völlig unerkannt blieb, ist offensichtlich unplausibel. Wie der Bericht selbst zugibt, begann diese „Kultur“ im Inland, bei der militärischen Ausbildung und Indoktrination, nicht in Afghanistan: „Die Kultur und die Haltung, die Fehlverhalten möglich machten, wurden in den ihnen über- und untergeordneten Einheiten herangezüchtet“, heißt es in dem Bericht.

Trotz ihrer daraus resultierenden psychischen Gesundheits- und Suchtprobleme wurden Soldaten der Spezialeinheiten bis zu 16 Mal in Afghanistan eingesetzt – gerade, weil sie als ausgebildete Killer die Bevölkerung terrorisieren sollten. Ihre Taten ergaben sich zwangsläufig aus der Natur des Krieges selbst: Eine skrupellose Operation, die darauf abzielte, die Bevölkerung zu in Angst und Schrecken zu versetzen und jeden Widerstand gegen die US-amerikanische Herrschaft über das Land zu brechen. Es ist kein Zufall, dass US-Präsidenten wie Barack Obama die australischen Spezialkräfte ausdrücklich gelobt haben.

Die Spezialeinheiten wurden auch deshalb immer wieder entsandt, weil die Labor- und Koalitions-Regierungen gleichermaßen befürchteten, dass es bei einer Entsendung regulärer Truppen zu Verlusten kommen könnte, die die Antikriegsstimmung in der Bevölkerung befeuern würden. Besonders nach den im Fernsehen übertragenen Gräueltaten des Vietnamkrieges und der offen illegalen Invasion des Irak im Jahr 2003 lösten diese Stimmungen überall in Australien und auf der ganzen Welt riesige Antikriegsproteste aus.

Weit entfernt davon, ein „guter Krieg“ für „Freiheit“ und die Auslöschung des Terrorismus zu sein – wie es die Regierungen Bush und Howard mit Unterstützung der Labor Party und der Grünen behaupteten – war und bleibt die Invasion von Afghanistan im Jahr 2001 und die anschließende militärische Besatzung ein schmutziger neokolonialer Krieg. Er wurde lanciert, um die Hegemonie über ein rohstoffreiches und geostrategisch wichtiges Land zu sichern, das sich im Herzen der eurasischen Landmasse befindet und an China und ehemalige Sowjetrepubliken angrenzt.

Zum Beweis des vermeintlichen „Erfolgs“ des nunmehr fast 20 Jahre andauernden Krieges in Afghanistan stützten sich die Regierungen von Canberra und Washington sowie ihre medialen Komplizen genau wie im Vietnamkrieg auf die fabrizierten „Kill Counts“, die von den Spezialeinheiten gemeldet und von der Militärführung herausgegeben wurden.

Bis zum September dieses Jahres hat der Krieg mindestens 175.000 Afghanen direkt das Leben gekostet, viele weitere wurden verstümmelt und mehrere Millionen der 32 Millionen Einwohner des verarmten Landes vertrieben. Der Krieg stand im Zeichen wahlloser US-Bombenschläge, Drohnenmorde, nächtlicher Attacken der Todesschwadronen und der Operationen der 5. Stryker-Brigade der US Army, die systematisch Zivilisten ermordet und ihre Körper verstümmelt hat.

Auf internationaler Ebene werden außerordentliche Anstrengungen unternommen, um diese Verbrechen zu vertuschen. Im September verkündete US-Außenminister Mike Pompeo neue Sanktionen, die sich persönlich gegen den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs richteten, weil dieser eine Untersuchung der Kriegsverbrechen ins Spiel gebracht hatte, die in Afghanistan und anderswo von US-Streitkräften und Geheimdienstagenten im Namen des „Kriegs gegen den Terror“ begangen wurden.

Es ist angesichts des Charakters dieses Krieges kein Zufall, dass nahezu jede Regierung der US-geführten Koalition – die USA, Kanada, Neuseeland, Großbritannien, die Niederlande und Dänemark – der Verübung von Kriegsverbrechen beschuldigt wurde. Die offiziellen Ermittlungen in diesen Ländern haben selten oder nie zur Einleitung von Strafverfahren geführt und „es ist zu erwarten, dass die australische Strafverfolgung auf ähnliche Hindernisse stoßen könnte“.

In der Tat richtet sich die einzige australische Anklage gegen den ehemaligen Militäranwalt David McBride. Er wird sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit einem Prozess stellen müssen, weil er im Jahr 2017 der Australian Broadcasting Corporation (ABC) angeblich Dokumente zugespielt haben soll, die eine lange Reihe von Kriegsverbrechen aufdeckten. Darüber hinaus hat die australische Bundespolizei im ABC-Hauptquartier eine Razzia durchgeführt und zwei Journalisten von ABC, Dan Oakes und Sam Clarke, mit Strafverfolgung gedroht.

Der WikiLeaks-Herausgeber Julian Assange, der im Jahr 2010 mit der Veröffentlichung von 75.000 Dokumenten aus den „Kriegstagebüchern“ der US-Army für die größte Aufdeckung von Kriegsverbrechen der USA und verbündeter Staaten in Afghanistan verantwortlich war, ist nach wie vor in einem Covid-verseuchten britischen Gefängnis inhaftiert. Er steht vor der Auslieferung in die Vereinigten Staaten, wo er aufgrund erfundener Spionagevorwürfe lebenslang inhaftiert oder hingerichtet werden soll.

Wie Brereton einräumt, wurde sein Bericht in enger Zusammenarbeit mit den USA und ihren Verbündeten erstellt. Um sie zu konsultieren, bereiste er ihre Hauptstädte. Der Zweck der daraus resultierenden Schönfärberei besteht nicht nur darin, sämtliche Militärgeneräle und Regierungen vor der Untersuchung der Kriegsverbrechen abzuschirmen und sie vor etwaiger strafrechtlicher Verfolgung zu schützen.

Vielmehr soll das Militär vor allem darauf vorbereitet sein, unter US-amerikanischer Führung in Kriegen zu kämpfen, die gegenwärtig gegen China und andere wahrgenommene Bedrohungen für Washingtons nachlassende wirtschaftliche und geostrategische Macht vorbereitet werden. Die Spezialeinheiten würden in einem solchen Krieg ein Schlüsselelement jedes australischen Militärbeitrags darstellen. Mit den Worten Breretons: „Australien benötigt Spezialkräfte, die chirurgischer und präziser vorgehen können“.

Jahrelang wurden diese Kriegsverbrechen auf höchster Ebene vertuscht, auch von Militäranwälten und Geheimdienstbeamten. Beweismaterial von afghanischen Opferfamilien und sogar offizielle Beschwerden der US-hörigen Marionettenregierung Afghanistans wurden beiseitegeschoben oder man versuchte, sie durch erbärmliche „Blutgeld“-Zahlungen zu bestechen. Das setzte sich so lange fort, bis der schiere Umfang des von mutigen Informanten veröffentlichten Materials im Jahr 2016 schließlich zur Einberufung der Brereton-Untersuchung führte.

In der Zwischenzeit wurden einige beteiligte Schlüsselfiguren – wie der ehemalige Spezialkräfteoffizier Andrew Hastie (Liberale Partei) und der ehemalige Oberst der Militärjustiz Mike Kelly (Labor Party) – ins Parlament erhoben. Die derzeitigen und vorherigen Generalgouverneure Australiens wurden aus den Reihen ehemaliger Militärführer rekrutiert. Zudem fanden endlose Versuche der Regierung und der Medien statt, den Mythos der heldenhaften und ehrenhaften Streitkräfte zu propagieren – von den jährlichen Gedenkfeiern zum Anzac Day bis hin zu Fernsehspots, die den Special Air Service (SAS) verherrlichen.

Weder eine Biden-Regierung in den USA noch eine Labor-Regierung in Australien würde einen weniger militaristischen Kurs einschlagen. In der Tat ereigneten sich die meisten der berichteten Übergriffe in Afghanistan während der Truppenverstärkung der Obama-Administration, die die Zahl der US-Soldaten von 30.000 auf 60.000 verdoppelte und die volle Unterstützung von Julia Gillards Regierung (Labor Party) genoss, die wiederum von den australischen Grünen unterstützt wurde.

Als die Morrison-Regierung im August 2019 ihren Anteil an der US-Konfrontation mit China massiv ausweitete, kündigte sie zugleich an, die Mittel für die Spezialkräfte im Verlauf der nächsten zwei Jahrzehnte um drei Milliarden US-Dollar zu steigern. Dies ist Bestandteil einer massiven Erhöhung der Militärausgaben, die im Verlauf eines Jahrzehnts insgesamt 575 Milliarden Dollar betragen werden.

Die erneute massive Stärkung des Militärs ist inmitten erschütternder wirtschaftlicher Ungleichheit und Kriegsvorbereitungen auch eine Vorbereitung auf die Unterdrückung der politischen und sozialen Unzufriedenheit im eigenen Land. Die Gräueltaten in Afghanistan sind eine Warnung vor den Methoden, die im Innern zur Anwendung kommen werden. Im Jahr 2018 wurden mit Unterstützung der Labor Party Gesetze verabschiedet, die den Regierungen und militärischen Generälen erweiterte Befugnisse einräumen, um Truppen zur Unterdrückung von „Gewalt im Innern“ zu mobilisieren. Nach den beispiellosen Militäreinsätzen während der Buschbrandkrise und der Covid-19-Pandemie, mit denen die öffentliche Meinung an die Präsenz von Truppen auf den Straßen gewöhnt werden sollte, werden derzeit weitere solcher Befugnisse gesetzlich verankert.

Es gibt nur einen Weg, die Gewalt und Barbarei des australischen Militärs zu beenden und der Gefahr eines Krieges Einhalt zu gebieten, der noch viel katastrophaler wäre. Dieser Weg ist mit dem Kampf für das Ende des kapitalistischen Profitsystems verbunden, das für den imperialistischen Krieg und all seine Verbrechen die volle Verantwortung trägt.

Die Bilanz unserer Partei ist eindeutig. Am 9. Oktober 2001 – zwei Tage, nachdem Washington seine Invasion in Afghanistan begann und dabei von einer Flut von Kriegspropaganda der Medienkonzerne begleitet wurde – veröffentlichte die World Socialist Web Site eine Erklärung mit dem Titel „Weshalb wir gegen den Krieg in Afghanistan sind“. Wir erklärten, dass es sich um einen „imperialistischen Krieg“ handelt, in dem Washington danach trachtet, „Hegemonie aus[zu]üben“ – und zwar nicht nur über Afghanistan, sondern über die gesamte Region Zentralasien, wo „die zweitgrößten nachgewiesenen Vorkommen an Erdöl und Erdgas weltweit“ lagern.

Das Antikriegsprogramm des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) wurde im Jahr 2016 inmitten der eskalierenden US-Kriegsvorbereitungen gegen China und Russland in der Erklärung „Sozialismus und der Kampf gegen Krieg“ weiter ausgearbeitet. Sie betont, dass eine echte Antikriegsbewegung aufgebaut werden muss, um einen neuen Weltkrieg zu verhindern. Diese Bewegung muss sich über nationale Grenzen hinweg auf den politisch unabhängigen Kampf der internationalen Arbeiterklasse gründen, die für die Abschaffung des kapitalistischen Nationalstaatensystems und die Schaffung einer sozialistischen Weltföderation kämpft.

Wir fordern unsere Leser auf, diesen Kampf auf Leben und Tod aufzunehmen, indem sie der Socialist Equality Party (Australien) und ihren internationalen Schwesterparteien im IKVI beitreten.

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