Perspektive

Wissenschaftler zerpflücken Verschwörungstheorie vom „Wuhan-Labor“ als Ursprung des Coronavirus

Am 7. Juli veröffentlichten 21 weltweit führende Experten für die Entstehung von Infektionskrankheiten ein Paper, das die Behauptung, das Coronavirus sei künstlichen Ursprungs, restlos widerlegt und damit auch die Verschwörungstheorie entlarvt, die aktuell von der Biden-Regierung in den USA wieder aufgewärmt und von den Medien eifrig verbreitet wird.

Der Virologe Edward Holmes (Foto: Wikipedia)

Das Paper wurde von einem internationalen Team aus Biologen und Virologen unter der Leitung von Professor Edward Holmes (University of Sydney) und Professor Andrew Rambaut (University of Edinburgh) verfasst. Zu den Co-Autoren gehören die Virologin Dr. Angela Rasmussen (Georgetown University) und Kristian G. Andersen, Direktor der Abteilung Infectious Disease Genomics am Scripps Research Translational Institute.

Die Wissenschaftler fassen die Beweise für den Ursprung des SARS-CoV-2-Virus zusammen und gelangen auf dieser Grundlage zu dem Schluss, dass es sich um eine Zoonose handelt – eine Infektionskrankheit, die vom Tier auf den Menschen übergesprungen ist. Die Arbeit mit dem Titel „The Origins of SARS-CoV-2: A Critical Review“ wurde als Preprint auf Zenodo veröffentlicht.

„Unsere sorgfältige und kritische Auswertung der derzeit verfügbaren Daten liefert keinen Beweis für die Vorstellung, dass SARS-CoV-2 in einem Labor entstanden ist“, so Holmes.

„Es gibt keine Hinweise darauf, dass frühe Fälle irgendeine Verbindung zum Wuhan Institute of Virology [WIV] hatten. Dagegen finden sich eindeutige epidemiologische Verbindungen zu Tiermärkten in Wuhan. Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass das WIV vor der Pandemie einen Vorläufer von SARS-CoV-2 in seinem Bestand hatte oder daran arbeitete“, schreiben die Wissenschaftler.

Ihrer Einschätzung nach gibt es „eine beträchtliche Menge an wissenschaftlichen Beweisen, die für einen zoonotischen Ursprung von SARS-CoV-2 sprechen“.

Die Verschwörungstheorie über das „Wuhan-Labor“ wurde im Januar 2020 von dem faschistischen Steve Bannon und seinen Verbündeten wie dem rechtsgerichteten chinesischen Exilanten Miles Guo verbreitet. Sie behaupteten, in den Worten des Trump-Beraters Peter Navarro, es handele sich um eine „Virus-Waffe“.

Dieses Jahr wurde die Theorie wieder aufgegriffen und von Nicholas Wade in eine pseudowissenschaftliche Form gebracht. Wade präsentierte im Bulletin of Atomic Scientists ein Narrativ, wonach US-amerikanische und chinesische Wissenschaftler SARS-CoV-2 am Wuhan Institute of Virology durch Gain-of-Function-Experimente geschaffen hätten. Wade ist Verfasser eines rassistischen und pseudowissenschaftliches Buchs, das 2014 erschienen ist.

Wades Darstellung wurde sofort von der New York Times, der Washington Post und dem Wall Street Journal aufgegriffen. Sie alle veröffentlichten Leitartikel oder Kommentare, in denen sie Wade zitierten, ohne auf seinen Hintergrund hinzuweisen. Laut Wade führten Wissenschaftler aus den USA, China und anderen Ländern heimlich Gain-of-Function-Experimente durch, setzten dabei das Virus versehentlich frei und vertuschten den Vorfall dann so effektiv, dass bis heute kein Beweis für ihre Verschwörung gefunden werden konnte.

Die „Wuhan-Labor“-Theorie besteht darin, wilde Spekulationen zu bündeln und als überzeugendes Argument zu verkaufen. Die Wissenschaftler nehmen sich in ihrem Paper diese Spekulationen (für die es ohnehin keine Belege gibt) einzeln vor und weisen Punkt für Punkt ihre Unmöglichkeit nach.

Das Paper beginnt mit der Feststellung, dass die Übertragung von Tierkrankheiten auf den Menschen nachweislich die Ursache für fast alle früheren Pandemien war. „SARS-CoV-2 ist das neunte dokumentierte Coronavirus, das Menschen infizierte, und das siebte, das in den letzten 20 Jahren identifiziert wurde“, heißt es da. „Alle bisherigen humanen Coronaviren haben einen zoonotischen Ursprung. Das gilt für die überwiegende Mehrheit der Humanviren.“

Und weiter: „Das Auftreten von SARS-CoV-2 trägt mehrere Kennzeichen dieser früheren zoonotischen Ereignisse. Es weist deutliche Ähnlichkeiten zu SARS-CoV auf, das im November 2002 in Foshan in der chinesischen Provinz Guangdong und 2003 in Guangzhou, ebenfalls Guangdong, auf den Menschen übergesprungen ist.“

Die Autoren stellen fest, dass SARS-CoV-2 keine Ähnlichkeiten mit einem Virus aufweist, das theoretisch als „Grundgerüst“ zur Schaffung eines neuen Virus verwendet werden könnte. Weiter heißt es in dem Paper: „In jedem Szenario, das von einem Entweichen aus einem Labor ausgeht, müsste SARS-CoV-2 vor der Pandemie in einem Labor vorhanden gewesen sein, doch es gibt keine Beweise, die für diese Vorstellung sprechen, und es wurde keine Sequenz identifiziert, die als Vorläufer gedient haben könnte.“

Die Wissenschaftler merken an, dass Gain-of-Function-Forschung normalerweise an Labormäusen durchgeführt wird, das Virus aber nicht gut an Nagetiere angepasst ist. Daher sei es „höchst unwahrscheinlich, dass SARS-CoV-2 von Laborarbeitern im Rahmen von viralen Pathogenese- oder Gain-of-Function-Experimenten erworben wurde“.

Seit seiner Entstehung habe „SARS-CoV-2 wiederholt Mutationen durchgemacht, die seine virale Fitness erhöht haben“, so das Paper. Dies widerlegt die Behauptung, dass Covid-19 von vornherein optimiert worden sei, um Menschen zu infizieren. „Zusammengenommen zeigen diese Ergebnisse, dass für die Entstehung oder frühe Ausbreitung von SARS-CoV-2 keine vorab erfolgte spezifische Anpassung an den Menschen erforderlich war, und die Behauptung, dass das Virus bereits hochgradig an den menschlichen Wirt angepasst war... trifft in keiner Weise zu.“

Die Wissenschaftler schlussfolgern: „Wie bei der überwiegenden Mehrheit der Humanviren ist die naheliegendste Erklärung für den Ursprung von SARS-CoV-2 ein zoonotisches Ereignis... Die dokumentierte epidemiologische Geschichte des Virus ist vergleichbar mit früheren, mit Tiermärkten assoziierten Ausbrüchen von Coronaviren über den direkten Weg der Exposition von Menschen.“

Die Schlussfolgerungen der weltweit führenden Wissenschaftler bestätigen die Analyse der WSWS, die unter anderem in einer dreiteiligen Serie letzten Monat vorgestellt wurde: „How science demolishes the right-wing fiction of a Wuhan ‘lab leak’ as the source of coronavirus“.

Hintergrund der Veröffentlichung des Papers ist die starke Intensivierung der Kampagne in den US-Medien, China für die Covid-19-Pandemie verantwortlich zu machen.

Am Mittwoch veröffentlichte die Washington Post einen Leitartikel, in dem sie eine offizielle Untersuchung der US-Regierung zur Pandemie befürwortet. Die Zeitung, die für tonangebende Teile der amerikanischen herrschenden Klasse spricht, machte deutlich, dass der Schwerpunkt dieser Untersuchung keineswegs die kriminelle Reaktion der US-Regierung sein soll, die zu Hunderttausenden unnötigen Todesfällen geführt hat. Vielmehr soll versucht werden, China die Schuld an der Pandemie in die Schuhe zu schieben.

„Chinas Widerstand ist ein fortdauerndes Hindernis“, klagte die Post. Sie erhebt den Vorwurf, dass die chinesische Regierung „eine massive Kampagne der Verleugnung, Vertuschung, Ablenkung, Verzögerung und Desinformation initiiert hat“.

In Wirklichkeit ist es Washington, das die Pandemie geleugnet, vertuscht, ihre Bekämpfung verzögert und Desinformationen verbreitet hat. Das Verhalten des US-Kapitalismus hat zwischen 600.000 und 1 Million Amerikaner das Leben gekostet. Wenn Washington „Lehren aus einer globalen Katastrophe“ ziehen will, sollte es in den Spiegel schauen.

Im Laufe des letzten Jahres wurde in Dokumentarfilmen, Untersuchungen und Zeugenaussagen aufgezeigt, dass die US-Regierung die Pandemie gezielt vertuschte und zuließ, dass sie sich im ganzen Land ausbreitete, bevor die Öffentlichkeit sich der Gefahren überhaupt bewusst wurde.

Ab April 2020 setzte sich die Trump-Administration über ihre eigenen Gesundheitsexperten hinweg, um die Betriebe wieder zu öffnen, während die Pandemie noch wütete – eine Politik, die unter Biden fortgesetzt und intensiviert wurde.

Mit dem Wiederaufflammen der Pandemie infolge der Delta-Variante verlangen die Regierungen weltweit, dass die Bevölkerung mit dem Coronavirus „leben“ soll. In Großbritannien gibt die Regierung Johnson offen zu, dass ihre Politik die Zahl der Covid-19-Fälle, Krankenhauseinweisungen und Todesfälle in die Höhe treiben wird. Aber Johnson drückt nur in besonders klarer Form die Politik aller kapitalistischen Regierung aus, die darauf abzielt, Menschenleben dem Schutz der Unternehmensgewinne zu opfern.

Die Theorie vom Wuhan-Labor war nie eine echte „Theorie“ im Sinne einer wissenschaftlichen Annahme auf der Grundlage empirischer Beweise. Sie geht auf rein politische Erwägungen zurück. Sie dient dazu, von den Verantwortlichen abzulenken und die Fortsetzung einer Politik zu rechtfertigen, die zu Millionen von Toten geführt hat. Außerdem dient sie als Munition im geopolitischen Konflikt gegen China.

Aber die Versuche, China für die Toten verantwortlich zu machen, die auf das Konto des amerikanischen Kapitalismus mit seiner unersättlichen Gier und seinen soziopathischen Tendenzen gehen, werden bei den arbeitenden Menschen auf der ganzen Welt auf Verachtung stoßen. Die Arbeiter in den Vereinigten Staaten und international werden, wenn sie den Kampf zur Verteidigung ihres Lebens und ihrer Existenz aufnehmen, die Schuld dort suchen, wo sie hingehört: bei der herrschenden Klasse und dem kapitalistischen System, das sie verteidigt.

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