Wissenschaftlich fundierte Gesundheitsmaßnahmen dämmen in China Ausbruch der Delta-Variante ein

Dass die umfassende Anwendung von wissenschaftlich fundierten öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen in China den aktuellen Ausbruch der Delta-Variante eindämmt, entlarvt auf verheerende Weise die wissenschaftsfeindliche Vorgehensweise von Washington und den europäischen Mächten, die zu Millionen von Infektionen und Todesfällen durch Covid-19 geführt hat. Zudem zeigt sich darin das Potenzial für eine weltweite Kampagne zur Ausrottung des Virus und für ein Ende der Pandemie, wenn der Widerstand der internationalen herrschenden Klassen gegen ein wissenschaftlich begründetes Vorgehen gebrochen werden kann.

Ein Mann und ein Kind mit Gesichtsmasken zum Schutz vor dem Coronavirus laufen am Sonntag, den 15. August 2021 durch ein Einkaufszentrum in Peking (AP Photo/Ng Han Guan)

Nachdem die Epidemie in China letztes Jahr durch eine massive Kampagne von Gesundheitsschutzmaßnahmen beendet worden war, kam es letzten Monat zu einem neuen Ausbruch am Flughafen von Nanjing. Die Delta-Variante, die an Bord des Air-China-Flugs CA910 von Moskau ins Land gebracht wurde, infizierte geimpfte Wartungsarbeiter des Flughafens. Danach breitete sich das Virus schnell in ganz China aus. Es wurde am 20. Juli entdeckt und bis Ende Juli hatten sich bereits 381 Menschen in mehr als einem Dutzend Provinzen angesteckt. Auf dem Höhepunkt des Ausbruchs infizierten sich mehr als 140 Menschen pro Tag. Doch diese Zahl ist jetzt deutlich gesunken, und große Teile des Landes melden keine neuen Fälle.

Am Freitag wurden landesweit nur 29 Fälle von Covid-19 gemeldet. Das ursprüngliche Epizentrum des Ausbruchs, die Provinz Jiangsu, in der sich Nanjing befindet, meldete nur drei neue Fälle. Das benachbarte Shanghai meldete zwei, die südliche Grenzprovinz Yunnan, die nach Jiangsu am zweitstärksten von dem Ausbruch betroffen war, meldete acht Fälle. Das südchinesische Industriezentrum in der Provinz Guangdong meldete neun Fälle. Die Provinz Hunan, die anfangs durch infizierte Touristen aus Nanjing schwer betroffen war, meldete keine neuen Fälle.

Die Lage in China ist zwar weiterhin gefährlich, doch dieser anfängliche Erfolg beweist, dass wissenschaftliche Methoden selbst gegen die ansteckendere Delta-Variante enorme Wirkung zeigen. Impfungen und Lockdowns der betroffenen Stadtteile – sowie Massentestungen ganzer Städte wie Nanjing, Wuhan und Yanghzhou, um die Erkrankten zu finden, zu isolieren und schnell zu behandeln – halten gegenwärtig ein Virus auf, das sich in anderen Erdteilen unkontrolliert ausbreitet.

Bereits der Lockdown, der in Wuhan und in der Provinz Hubei zu Beginn der Pandemie vom 23. Januar bis zum 8. April 2020 eingeführt wurde, war erfolgreich. Der strikte Lockdown, der erst aufgehoben wurde, nachdem keine neuen Fälle mehr auftauchten, konnte die Übertragungsketten des Coronavirus innerhalb von China beenden. Die einzigen neuen Ausbrüche gab es, als das Virus von außen nach China eingeschleppt wurde.

In den imperialistischen Ländern und einem Großteil der restlichen Welt verfolgten die Regierungen jedoch eine genau entgegengesetzte Strategie. Sie lehnten strenge Lockdowns ab oder – sofern sie wie in Italien oder den USA durch spontane Streiks dazu gezwungen worden waren – beendeten sie, bevor das Virus aufgehört hatte, sich auszubreiten und bevor Programme für Massentests und die Nachverfolgung aller neuen Fälle eingerichtet waren.

Der daraus resultierende Unterschied bei den gesundheitlichen Folgen ist überwältigend. In China sind weniger als 5.000 Menschen an Covid-19 gestorben, in den USA jedoch mehr als 643.000, in Europa 1.155.000. Der Kontrast wird noch deutlicher für die Zeit seit der Aufhebung der Lockdowns im Frühjahr 2020.

Seit dem 1. Mai 2020, nach dem Lockdown in Wuhan, sind in ganz China nur zwei Menschen an Covid-19 gestorben. In den USA hingegen gab es mehr als 500.000 Todesfälle, in Europa mehr als 950.000. In Indien, das eine vergleichbar große Bevölkerung wie China hat, sind laut Schätzungen von Demografen zwischen 2,9 und 5,8 Millionen Menschen gestorben, die jedoch größtenteils nicht gezählt wurden.

Die Pandemie zu bekämpfen und auszurotten erfordert jedoch eine internationale Strategie. Der Ausbruch in Nanjing verdeutlicht wieder einmal, dass es unmöglich ist, die Pandemie im nationalen Rahmen zu beenden. Da das Virus schnell mutieren kann und hoch ansteckend ist, müssen wissenschaftliche Maßnahmen ergriffen werden, um es weltweit auszulöschen. Andernfalls werden sich unweigerlich neue Varianten entwickeln und sich erneut auf Gebiete ausbreiten, in denen es bereits ausgerottet wurde.

Das größte Hindernis ist die Weigerung der imperialistischen Finanzaristokratie in Nordamerika und Europa, eine wissenschaftliche Politik zu verfolgen. Sie mästeten sich stattdessen an Billionen Dollar, Euro und Pfund, die sie durch Banken- und Unternehmensrettungen kassierten, und forderten, dass Leben geopfert werden, damit Arbeiter weiter Profite erzeugen können. Während Millionen Menschen einen vermeidbaren Tod starben, erklärte der britische Premierminister Boris Johnson: „Keine verfluchten Lockdowns mehr, sollen sich doch die Toten zu Tausenden auftürmen!“

Nun, da die Delta-Variante droht, zu einem bisher unerreichten weltweiten Verlust von Menschenleben zu führen, beginnen die amerikanischen und europäischen Medien eine Kampagne mit dem Ziel, die chinesische Gesundheitspolitik zu diskreditieren. Es ist im Grunde offensichtlich, dass sich diese Kampagne nicht nur gegen China richtet, sondern auch gegen den Widerstand der internationalen Arbeiterklasse gegen die Politik des unnötigen Massensterbens.

In einem Bericht mit dem Titel „Delta-Ausbruch in China scheint sich zu verlangsamen“ forderte CNN Peking dazu auf, nicht länger zu versuchen, die Seuche einzudämmen. Der Bericht räumte zwar ein, dass das „‚Null-Infektionen-Modell‘... sich bisher als sehr wirkungsvoll bei der Eindämmung eines größeren Infektionsgeschehens erwiesen“ habe, erklärte aber: „Diese Vorgehensweise erfordert jedoch repressive und bestrafende Maßnahmen, die laut vielen Beobachtern langfristig nicht aufrecht zu erhalten sind, vor allem wenn sich neue Varianten ausbreiten und sich andere Länder wieder öffnen. Experten sagen, dass abgeschottete Gebiete letztendlich von dieser Strategie abrücken müssen – sie können sich nicht für immer von der Welt abschotten.“

Die imperialistischen Medien versuchen obendrein, die politische Krise in China – verursacht durch die Pandemie – auszunutzen, um eine wissenschaftliche Vorgehensweise zur Rettung von Menschenleben zu diskreditieren. In Frankreich behauptete die konservative Tageszeitung Le Figaro, chinesische Wissenschaftler und Ärzte würden Pekings Politik ablehnen und wollten die Forderung von Präsident Emmanuel Macron übernehmen „zu lernen, mit dem Virus zu leben“. Le Figaro berief sich auf die jüngste Kontroverse in China über die Aussagen des führenden Virologen Dr. Zhang Wenhong.

Le Figaro behauptete: „Der bekannte Shanghaier Experte für Infektionskrankheiten, Zhang Wenhong, äußerte Ende Juli Zweifel an Chinas Null-Covid-Strategie und forderte, ‚zu lernen, mit dem Virus zu leben‘.“ Weiter hieß es, diese Äußerung „stellt die Machbarkeit von Chinas Pandemiemanagement in Frage“ und habe „erbitterte Debatten im Land ausgelöst“.

In Wirklichkeit ist Zhang kein Unterstützer der politisch kriminellen Herangehensweise der europäischen Regierungen an die Pandemie. Ihn als einen solchen darzustellen, ist Betrug. In seinem jüngsten Post auf der Internetplattform Weibo stellte sich Zhang unmissverständlich hinter Chinas Gesundheitspolitik: „Die internationale Situation bei der Pandemiebekämpfung ist noch immer sehr ernst, und China ist noch immer mit enormen epidemischen Herausforderungen konfrontiert. Aber wir müssen fest davon überzeugt sein, dass die Strategie der Pandemiebekämpfung unseres Landes momentan die beste Strategie für uns ist. Man muss einen Schuh anziehen, um zu wissen, ob er passt.“

Le Figaro zitierte einen von Zhangs Posts auf Weibo vom 29. Juli, der in China kritisiert wurde. Danach nahm sein Arbeitgeber, die Fudan-Universität in Shanghai, eine Untersuchung zu möglichen Plagiaten in Zhangs Doktorarbeit auf. Die imperialistische Pressekampagne fand in den chinesischen sozialen Netzwerken ein verzerrtes Echo in einer nationalistischen Kritik an Zhang, weil er die westliche Kultur unterstütze.

In dem früheren Post vom 29. Juli hatte Zhang geschrieben: „Bei der Koexistenz mit dem Virus hat jedes Land der Welt seine eigene Reaktion. Chinas Reaktion war sehr schön. Nach dem Ausbruch in Nanjing werden wir sicherlich noch mehr dazulernen. China muss eine gemeinsame Zukunft mit der Welt aufbauen, mit dem Rest der Welt kommunizieren und zum normalen Leben zurückkehren und gleichzeitig seine Bürger gegenüber der Angst vor dem Virus schützen. China sollte so viel Weisheit besitzen.“

Zhangs Äußerung ist zweideutig, weil sie es vermeidet, die politisch kriminelle Reaktion der imperialistischen Länder und ihrer Verbündeten auf die Pandemie direkt zu verurteilen. Diese Uneindeutigkeit geht jedoch nicht nur auf Zhangs individuelle Meinungen zurück. Zhang ist kein Politiker, sondern Arzt und spricht unter dem Eindruck der Einschränkungen, die ihm seine Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) auferlegt. Die bürokratische stalinistische Partei hat 1989 den Kapitalismus in China wieder eingeführt und unterhält heute enge wirtschaftliche und finanzielle Beziehungen zum Weltimperialismus.

Weil sie in die kapitalistischen Verhältnisse eingebunden ist und zunehmend die eigene Arbeiterklasse fürchtet, hat die KPCh es weitgehend vermieden, die Gesundheitspolitik der imperialistischen Staaten offen zu verurteilen. Allerdings hat die KPCh Zhang und andere chinesische Gesundheitsexperten nicht daran gehindert, in China Maßnahmen umzusetzen, die Millionen Menschenleben gerettet haben.

Daraus ergeben sich zwei wichtige Schlüsse. Zum einen, dass Zhang und andere chinesische Wissenschaftler, die an der Ausrottung von Covid-19 arbeiten, weder Unterstützer der reaktionären Pandemiepolitik der imperialistischen Mächte noch Agenten „des Westens“ gegen China sind. Die Arbeit, die sie und die arbeitende Bevölkerung Chinas geleistet haben, ist ein großer Dienst für Arbeiter im Rest der Welt: Sie zeigt, dass Wissenschaft und eine kollektive Mobilisierung die Pandemie beenden können.

Zweitens zeigt sich, dass die Eindämmung der Pandemie eine bewusste internationale Mobilisierung der Arbeiterklasse für Sozialismus und gegen Imperialismus und Stalinismus erfordert. Um eine wissenschaftlich fundierte Politik zur Rettung von Menschenleben durchzusetzen, muss der kapitalistischen Finanzaristokratie die Macht entrissen werden.

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