Stellantis streicht 1.800 Stellen im kanadischen Montagewerk Windsor

Der globale Autokonzern Stellantis, zu dem auch Fiat Chrysler Automobiles Canada gehört, kündigte am Freitag die Entlassung von 1.800 Arbeitern im Montagewerk Windsor (Ontario) an. In dem Werk, das nächst der Grenze zu den USA und der Stadt Detroit (Michigan) liegt, wird mit den Entlassungen ab dem 17. April 2022 die zweite Schicht wegfallen.

Schichtwechsel im FCA-Werk in Windsor, März 2020 (WSWS Media)

Als Rechtfertigung für das Arbeitsplatzmassaker erklärte das Management: „Die globale Autoindustrie ist weiterhin mit beträchtlichen Schwierigkeiten konfrontiert; dazu gehören der anhaltende Halbleitermangel und die langfristigen Auswirkungen der Corona-Pandemie. Als Reaktion auf diese Faktoren wird Stellantis den Betrieb in seinem Fertigungswerk Windsor anpassen.“

Weiter heißt es, die angekündigten Entlassungen hätten keine Auswirkungen auf die versprochene Investition von 1,3 bis 1,5 Milliarden Dollar in das Werk in Windsor, um bis 2024 die Produktion auf Elektrofahrzeuge umzustellen.

Es stimmt zwar, dass der weltweite Mangel an Halbleitern die Autoproduktion zeitweise beeinträchtigt. In Kanada ist die Menge der produzierten Autos im vergangenen Jahr um fast sieben Prozent zurückgegangen. Seit dem letzten Februar produzieren die verbliebenen Fertigungswerke nur sporadisch. Das Werk in Windsor beispielsweise war im Jahr 2021 nur drei Monate lang in Betrieb, und auch das Fertigungswerk in Brampton war längere Zeit geschlossen. Auch die Werke von Ford, General Motors, Toyota und Honda waren in ähnlichem Ausmaß betroffen. Das CAMI-Werk von GM nahe London (Ontario), eins der besonders betroffenen Werke, war in den letzten neun Monaten nur drei Wochen lang in Betrieb.

Dennoch ist Stellantis' Versuch, die Entlassungen in Windsor mit den unerwarteten Problemen der Zulieferung zu erklären, ein zynischer Betrug. In Wirklichkeit hat das Management seine Angriffe auf Arbeitsplätze und –Bedingungen mit Hilfe der Gewerkschaften schon lange vor der Fusion von FCA und PSA geplant. Davon sind auch Peugeot, Opel, Vauxhall und Fiat betroffen, die ebenfalls zu Stellantis gehören.

Die World Socialist Web Site hat schon früh darauf hingewiesen, dass der Riesenkonzern Stellantis heute 410.000 Arbeiter beschäftigt und Werke auf fast allen Kontinenten betreibt. Wir schrieben schon bei der Fusion im Januar 2021:

Die FCA–PSA-Fusion wurde durch einen erbitterten Kampf zwischen mehreren Autogiganten um die Vorherrschaft an den Märkten vorangetrieben, wie auch durch das Wettrennen, das sie sich in den neuen Technologien und der Entwicklung elektrischer wie autonomer Fahrzeuge liefern. Der Zusammenschluss selbst wird andere Unternehmen ermutigen, weitere Konsolidierung und Kostenersparnis anzustreben. Die großen Banken und Investoren üben seit mehreren Jahren unerbittlichen Druck auf die Autohersteller aus. Sie verlangen immer neue Kürzungen und Restrukturierungspläne mit dem Ziel, jeden möglichen Tropfen Gewinn aus der Arbeiterklasse herauszuquetschen.

Stellantis-Vorstandschef Carlos Tavares ist als Sanierer und Kostensenker berüchtigt und verantwortlich für die Vernichtung von Tausenden von Arbeitsplätzen in den europäischen PSA-Niederlassungen in Frankreich, Deutschland und Großbritannien. Jetzt setzt er ähnliche Angriffe weltweit durch, damit Stellantis weiterhin hohe Dividenden an Aktionäre auszahlen und sich im rapide wachsenden Elektrofahrzeugmarkt gegen seine Rivalen durchsetzen kann.

Durch den Stellenabbau im Werk Windsor, wo der Minivan Chrysler Pacifica, der Pacifica Hybrid, der Grand Caravan und der Chrysler Voyager gebaut werden, schrumpft die Belegschaft bis zum nächsten Frühjahr auf etwa 2.200. Das Werk war jahrelang der größte Arbeitgeber in der Stadt Windsor, die einmal als „Autobau-Hauptstadt Kanadas“ bekannt war, aber durch den stetigen Rückgang der Autoproduktion zugrunde gerichtet wurde. Noch im Jahr 2020 arbeiteten 6.000 Autoarbeiter in drei Schichten in diesem Werk. Durch die Streichung der dritten Schicht wurden dann etwa 1.500 Arbeitsplätze eingespart.

Damals weigerten sich die Funktionäre des Gewerkschaftsverbands Unifor, zu dem auch die kanadische Autogewerkschaft CAW gehört, die Autoarbeiter gegen diese Entlassungen zu mobilisieren. Der Präsident des Unifor-Ortsverbands 444, Dave Cassidy, erklärte im Tonfall eines Unternehmensvorstands, die Streichung der dritten Schicht sei „eine rein wirtschaftliche Entscheidung auf der Grundlage des Pacifica“.

Am letzten Freitag verteidigte der nationale Unifor-Präsident, Jerry Dias, die Entlassungen praktisch in denselben Worten, wie es das Stellantis-Management zuvor getan hatte. Er sagte:

Das Computerchip-Debakel hat alle möglichen Probleme verursacht. Alle Unternehmen überdenken ihre Prioritäten. Die unangenehme Tatsache ist, dass Pickup-Trucks und SUVs bevorzugt werden. Und es ist eine Katastrophe für uns, weil wir auf etwas ganz anderes gesetzt haben, auf Minivans. Aber man kann wegen der Computerchips nicht kontrollieren, wie der Markt läuft. Das ist eine schöne Bescherung. Ich bin ehrlich enttäuscht.

Das ist eine schäbige Ablenkung von der Tatsache, dass Unifor selbst eine zentrale Rolle dabei spielt, die kanadischen Arbeiter am Widerstand gegen die globalen Umstrukturierungspläne der großen Autokonzerne zu hindern.

Während der Tarifverhandlungen mit den „Detroit Three“ (GM, Ford und Chrysler) haben Dias und seine Unterhändler letztes Jahr den massiven Angriff auf Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen unterstützt. Sie haben die Provinz- und die Bundesregierung aufgefordert, im Namen von „Kanadas Wettbewerbsfähigkeit“ hunderte Millionen Dollar an FCA, Ford und GM zu überweisen und so neue Investitionen anzulocken. Gleichzeitig verschärften sie ihre üble nationalistische Propaganda, indem sie den Autoarbeitern in Windsor, Oakville und Brampton weiszumachen versuchten, ihre Arbeitsplätze ließen sich nur sichern, wenn sie ihren Kollegen in den USA, Mexiko und dem Rest der Welt einen Unterbietungswettkampf lieferten.

Letzten Herbst trat Dias zum Ende der Tarifverhandlungen als Retter der kanadischen Autoindustrie auf und behauptete, die Verpflichtung der „Detroit Three“, in Zukunft etwa fünf Milliarden Dollar in die Produktion von Elektrofahrzeugen in Ontario zu investieren, würde den Autoarbeitern sichere, angemessen bezahlte Arbeitsplätze garantieren. Die Abschaffung der zweiten Schicht in Windsor, kaum ein Jahr nach der Streichung der dritten Schicht, widerlegt dieses Geschwätz. Wenn die kanadische Autoindustrie „gerettet“ wird, dann auf Kosten der Autoarbeiter und der Kommunen, in denen sie arbeiten und leben. Die einzigen, die davon profitieren, sind die Autobauer und ihre superreichen Aktionäre sowie deren Berater und Co-Manager in der Unifor-Bürokratie.

Das Tarifabkommen zwischen FCA und Unifor hat Dias letztes Jahr als „den besten Deal seit 25 Jahren“ bezeichnet. Die Unifor-Mitglieder sollten umfassende Kürzungen als Gegenleistung für das Versprechen großer Investitionen hinnehmen. Das Management hatte versprochen, bis zu 1,5 Milliarden Dollar zu investieren, um Windsor auf die Produktion von Elektrofahrzeugen umzustellen, und damit sollten über mehrere Jahre hinweg 2.000 Stellen geschaffen werden.

Die WSWS warnte die Arbeiter damals:

Der Vertragsentwurf der FCA an Unifor fasst die Unklarheiten zusammen, die in Bezug auf die Pläne des Autobauers weiterhin bestehen. FCA erklärte, die Investitionen würden auf ,wettbewerbsfähigen Betriebspraktiken‘ und ,angemessener finanzieller Unterstützung durch die Regierung‘ basieren, um ‚eine starke, lebensfähige Basis für künftige Investitionen zu schaffen‘. Weiter heißt es, alle Investitionen hängen (…) von der Marktnachfrage, den Präferenzen der Verbraucher, den Anforderungen der Geschäftsstrategien, der Zustimmung der Vorstände und den wirtschaftlichen Bedingungen ab‘.

Der springende Punkt, auf den hier das Augenmerk gerichtet werden muss – wie es die WSWS damals tat – ist, dass für alle Arbeitsplatzgarantien die „Zustimmung der Vorstände“ notwendig sei. Diese Klausel beweist, dass Unifor schon kurz nach der Gründung von Stellantis bewusst ein Abkommen ausgehandelt hat, das perfekte Voraussetzungen für den lange geplanten Angriff auf Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen schuf. Gleichzeitig lähmt Unifor ihre Mitglieder mit der Lügenpropaganda, künftig seien die Arbeitsplätze sicher.

Um diese Verschwörung aus Unternehmen und Gewerkschaft zu bekämpfen und ihre Arbeitsplätze zu verteidigen, müssen die Autoarbeiter in Windsor und ganz Kanada die Sache selbst in die Hand nehmen. Sie müssen Aktionskomitees aufbauen, um Unifors nationalistische und unternehmensfreundliche Agenda zu bekämpfen und sich mit ihren Kollegen in den USA, Mexiko, Europa und dem Rest der Welt zusammenzuschließen.

Die Autoarbeiter in Kanada können sich an dem eindrucksvollen Beispiel orientieren, das Zehntausende von Arbeitern in den USA gerade geben: Sie revoltieren offen gegen die Konzerne und deren Juniorpartner in den Gewerkschaften UAW und USW.

Diese Gewerkschaften haben in den letzten Monaten üble Tarifverträge vorgelegt, welche die Arbeiter bei Volvo Trucks, dem Zulieferer Dana und dem Landmaschinenhersteller John Deere rundheraus zurückgewiesen haben. Bei John Deere hat die Rebellion von über 10.000 Arbeitern zum ersten Streik seit 35 Jahren geführt. Er ist außerdem der größte einer ganzen Streikwelle in den Vereinigten Staaten seit Jahrzehnten.

Diese Arbeiter haben unabhängig von den korrupten Gewerkschaften Streikkomitees gegründet, um auf globaler Ebene die mächtigste Kraft der Welt zu mobilisieren: die Arbeiterklasse. Wir rufen die Stellantis-Arbeiter in Windsor und alle Arbeiter dazu auf, sich noch heute mit der World Socialist Web Site in Verbindung zu setzen, um mehr über den Aufbau eines Aktionskomitees an ihrem Arbeitsplatz zu erfahren.

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