Öffnungspolitik führt zu gefährlichem Anstieg der Covid-19-Fallzahlen und Inzidenzen

In den letzten Tagen ist die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland explodiert. Innerhalb einer Woche stieg sie von 74 auf 110, ein Anstieg um etwa 50 Prozent. Die Zahl der täglichen Neuinfektionen erhöhte sich von rund 2500 auf mehr als 6500. Die Fallzahlen sind damit bedeutend höher als im letzten Jahr zur gleichen Zeit.

Auch die Anzahl der Corona-Infizierten, die intensiv behandelt werden müssen, steigt seit Anfang Oktober stetig an. Aktuell liegen 1622 Corona-Patienten auf der Intensivstation. Innerhalb des letzten Tages wurden 150 neue Hospitalisierungen registriert. Die Hospitalisierungsinzidenz liegt bei 2,77 pro 100.000 Einwohner. Täglich erliegen etwa 70 Menschen dem Virus.

Den stärksten Anstieg verzeichnet das rot-rot-grün regierte Thüringen. Mit 224 ist die Inzidenz mehr als doppelt so hoch wie der Bundesdurchschnitt – ein Anstieg um 85 im Vergleich zur Vorwoche. Auch die Hospitalisierungsinzidenz liegt mit 7,72 pro 100.000 Einwohnern deutlich über dem nationalen Wert.

Besonders Schulen und Kindergärten sind, wie im vergangenen Jahr, erneut zentrale Infektionsherde. Die Altersgruppe der 5- bis 14-Jährigen ist mit einer Inzidenz von 224 die Altersgruppe mit der höchsten Inzidenz, gefolgt von den 15- bis 34-Jährigen mit einer Inzidenz von 138. Die Anzahl der Ausbrüche an Schulen nahm von Anfang August bis Anfang Oktober stark zu, was direkt auf die Öffnung der Schulen ohne ausreichende Sicherheitsmaßnahmen zurückzuführen ist.

In den letzten vier Wochen kam es zu 166 Ausbrüchen an Kindergärten und 758 an Schulen, wobei die letzten zwei Wochen wegen Nachmeldungen noch nicht abschließend bewertet sind. Ende September erreichte die Anzahl der Ausbrüche an Schulen mit 243 pro Woche ein neues Höchstniveau. Bei einem Ausbruch kommt es dabei im Schnitt zu fünf Infektionen.

Trotz dieser katastrophalen Situation sprechen sich alle Bundestagsparteien dafür aus, Schutzmaßnahmen weiter abzubauen. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wiederholte am Sonntag seine Forderung, die „epidemische Lage“ mit ihrem Auslaufen am 24. November zu beenden und damit die Grundlage für die meisten Schutzmaßnahmen zu beseitigen.

Dies entspricht den Interessen aller Parteien der herrschenden Klasse. FDP und AfD sprechen sich schon länger für ein Ende der verbliebenen Schutzmaßnahmen aus, doch auch die nominell „linken“ Parteien sind offene Befürworter der Durchseuchungspolitik.

Die Grünen fordern eine „Übergangsregelung“ zum Ende der epidemischen Lage. Die epidemische Lage unverändert beizubehalten, sei die „falsche Antwort“. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich erklärte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, dass auch die SPD keine Verlängerung der epidemischen Lage anstrebe. Laut Angaben der Welt plädiert auch die Linkspartei für ein Ende der epidemischen Lage.

Führende Vertreter der Linken, wie Parteigründer Oskar Lafontaine oder die ehemalige Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht arbeiten mit rechtsradikalen Corona-Leugnern zusammen und fordern ein Ende sämtlicher Schutzmaßnahmen in Form eines „Freedom Days“. Die Landesregierungen, an denen die Linkspartei beteiligt ist, bauen Schutzmaßnahmen bereits jetzt systematisch ab.

Auch die Gewerkschaften unterstützen die Öffnungspolitik. Maike Finnern, die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), warb gegenüber dem RND für die Offenhaltung der Schulen im Herbst und Winter: „Wird der Präventionsweg weiter konsequent beschritten, können die Schulen geöffnet bleiben,“ erklärte sie zynisch. Tatsächlich unterstützt die GEW selbst den Abbau der letzten verbliebenen Mitigationsmaßnahmen. „Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Masken fallen,“ erklärte Bernd Schauer, GEW-Landesgeschäftsführer von Schleswig-Holstein.

Mit dem Abbau der Schutzmaßnahmen beschwören die etablierten Parteien eine Situation herauf, die das Massensterben im vergangenen Winter noch zu überbieten droht.

Wissenschaftler warnen weltweit vor den dramatischen Konsequenzen. „Das Deltavirus ist so infektiös, dass die Ungeimpften sehr schnell infiziert werden, und das insbesondere jetzt natürlich durch den saisonalen Effekt, wenn alle wieder in die Innenräume gehen,“ warnte Christian Karagiannidis, der wissenschaftliche Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), im Interview mit dem Deutschlandfunk.

Die offizielle Propaganda, man könne auf Grund der Impfquote öffnen, wies er mit der Warnung vor überfüllten Intensivstationen zurück: „Wir sehen zum einen ja einen wirklich deutlichen Anstieg seit ungefähr zehn Tagen mit erheblichen Wachstumsraten in den Inzidenzen … und die Inzidenzen sind weiterhin extrem eng gekoppelt an die Aufnahmen auf die Intensivstationen, und das bereitet uns doch erhebliche Sorgen.“

Bereits jetzt sei die Lage schlimmer als zur gleichen Zeit im vergangenen Jahr. Aktuell seien schon rund 1500 Covid Patienten in den Intensivbetten im Vergleich zu 360 im Herbst 2020. Die Anzahl freier Betten habe im letzten Oktober noch 8000 betragen. Aktuell liege sie nur bei 2500.

Karagiannidis wies auch die offizielle Behauptung zurück, Covid-19 sei „weniger dramatisch“ für junge Menschen. Und das in zweifacher Hinsicht. Erstens sei „natürlich diese Schwere der Erkrankung enorm hoch und die Last auch für die Intensivstationen durch die Beatmungsfälle enorm hoch.“ Aber es sei „auch so, dass dadurch, dass die jungen Menschen so gut überleben, einfach auch die Belegung auf den Stationen sehr lange hochgehalten wird.“

Auch auf der Onlineveranstaltung der WSWS und der internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees vom 24. Oktober How to end the pandemic“ warnte eine Reihe von international renommierten Wissenschaftlern vor den katastrophalen Folgen der Öffnungspolitik, die aktuell von fast allen Regierungen weltweit verfolgt wird. Die WSWS wird in den nächsten Tagen ausführlicher darüber berichten.

Damit wird die Frage einer Strategie zur Ausrottung des Virus immer dringender. Seit der letzten Veranstaltung der WSWS zur Ausrottung des Virus, Ende August, ist die Anzahl der offiziellen Todesfälle um mehr als eine halbe Million auf nunmehr fast fünf Millionen angestiegen, die Zahl der Infizierten um mehr als 30 Millionen auf 244 Millionen. Anstatt weniger gefährlichen Varianten – wie es die Verteidiger einer Strategie der Herdenimmunität oder Mitigation behaupten – bildet das Virus immer infektiösere und tödlichere Mutationen.

Das zeigt die enorme Bedeutung der Veranstaltung, die einen klaren Weg zur Ausrottung des Virus und Beendigung der Pandemie aufzeigte. In seiner Einleitung zum Webinar fasste der Vorsitzende der internationalen Redaktion der WSWS, David North, die Grundelemente einer wissenschaftlich fundierten Strategie zur weltweiten Eliminierung des Virus zusammen:

1. Sars-CoV-2 – das Virus, das Covid-19 verursacht – nimmt nicht einzelne Personen ins Visier, sondern ganze Gesellschaften. Die Übertragungsweise des Virus ist darauf ausgerichtet, Massen von Menschen zu infizieren. Sars-CoV-2 hat sich biologisch so entwickelt, dass es Milliarden von Menschen befällt und dabei Millionen tötet.

2. Daher ist die einzig wirksame Strategie eine global koordinierte Kampagne, die auf die Ausrottung des Virus auf jedem Kontinent, in jeder Region und in jedem Land abzielt. Eine wirksame nationale Lösung für diese Pandemie gibt es nicht. Die Menschheit – Menschen jeder Herkunft, Hautfarbe und Nationalität – muss sich dieser Herausforderung stellen und sie durch eine große kollektive und selbstlose globale Anstrengung überwinden.

3. Die von praktisch allen Regierungen seit dem Ausbruch der Pandemie verfolgte Politik muss zurückgewiesen werden. Die Unterordnung dessen, was die unbestrittene Priorität von Gesellschaftspolitik sein sollte – der Schutz des menschlichen Lebens – unter die Profitinteressen der Konzerne und die Anhäufung von privatem Reichtum – kann nicht weiter zugelassen werden.

4. Die Initiative für eine entscheidende Wende, hin zu einer auf die globale Auslöschung ausgerichteten Strategie, muss von einer sozial bewussten Bewegung von Millionen Menschen ausgehen.

5. Diese globale Bewegung muss sich auf die wissenschaftliche Forschung stützen. Die Verfolgung von Wissenschaftlern – von denen viele unter Gefahr für ihren Lebensunterhalt und sogar ihr Leben arbeiten – muss beendet werden. Die weltweite Ausrottung des Virus erfordert ein enges Arbeitsbündnis zwischen der Arbeiterklasse – der großen Mehrheit der Gesellschaft – und der wissenschaftlichen Gemeinschaft.

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