Trotz Omikron-Variante: Österreich beendet Teil-Lockdown

Am gestrigen Sonntag beendete die österreichische Regierung in fast allen Bundesländern nach nicht einmal drei Wochen den begrenzten Lockdown, der eine leichte Senkung der Infektionszahlen bewirkt hatte. Angesichts der dramatischen Ausbreitung der Omikron-Variante setzt der neue Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) die Durchseuchungsstrategie seines Vorgängers Sebastian Kurz fort.

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) informieren über Corona-Maßnahmen (Bild: BKA/Dragan Tatic)

Die Regierung aus ÖVP und Grünen hatte Mitte November einen Lockdown für Ungeimpfte beschlossen und diesen eine Woche später auf alle ausgedehnt, weil das Infektionsgeschehen völlig außer Kontrolle geraten war. Die Situation in den Kliniken war dramatisch. Wegen der hohen Fallzahlen musste Triage angewendet werden. Die Leichenhallen waren völlig überfüllt. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg über 1000, in mehreren Bundesländern und unter Kindern und Jugendlichen lag sie weit darüber.

Der Lockdown beschränkte sich auf dieselben Regelungen, die bereits früher zur Anwendung gekommen waren: Beschränkungen für das Verlassen der Wohnung, Schließung von Geschäften, die nicht dem täglichen Bedarf dienen, Schließung von Kultur- und Sportstätten im Innenbereich. Schulen und Betriebe blieben dagegen auch weiterhin ohne Einschränkungen geöffnet.

Obwohl die Maßnahmen viel zu spät kamen und von vornherein nicht ausreichten, um das Infektionsgeschehen zu stoppen, führten die Kontaktbeschränkungen zu einem Rückgang der Infektionen von über 15.000 am Tag Mitte November auf zuletzt 5016. Die Inzidenz liegt noch immer bei knapp 400. Da in den Kliniken eine Entlastung erst nach etwa zwei Wochen spürbar ist, kam es hier erst in den letzten Tagen zu einem leichten Rückgang der Corona-Patienten.

In dieser Situation hebt die Regierung nun im Wesentlichen alle Maßnahmen auf. Personen mit einem 2G-Nachweis – also geimpft oder genesen – können wieder in Restaurants, Hotels, Theater, Kinos und anderen Einrichtungen verkehren. Feiern sind mit bis zu 25 Personen in Innenräumen gestatten, im Freien mit weit mehr. In Kinos und Theatern dürfen bis zu 2000 Menschen anwesend sein. Auch die Skigebiete nehmen den Tourismusbetrieb wieder auf.

Dazu passend hat die Staatsanwaltschaft die strafrechtlichen Ermittlungen zur Corona-Ausbreitung in Ischgl eingestellt. In Ischgl und anderen Tiroler Wintersportorten hatten sich zu Beginn der Pandemie in einem Monat nachweislich mehr als 6000 Menschen aus 45 Ländern mit dem Coronavirus angesteckt. 32 der Infizierten starben, das Virus verbreitete sich über ganz Europa.

„Es kommt zu keiner Anklage“, teilte die Staatsanwaltschaft in Innsbruck jetzt mit. Es gebe keine Beweise dafür, „dass jemand schuldhaft etwas getan oder unterlassen hätte, das zu einer Erhöhung der Ansteckungsgefahr geführt hätte“. Ermittlungen waren gegen fünf Amtsträger aus zuständigen Behörden geführt worden.

Die Bundesländer, in denen die Inzidenz und Hospitalisierungsrate noch immer dramatisch hoch, ist verlängern die Maßnahmen nur um wenige Tage: Oberösterreich um eine Woche, Wien, Salzburg, Niederösterreich und die Steiermark um einige Tage.

Ab Februar nächsten Jahres gilt eine allgemeine Impfpflicht für alle über 14 Jahren. Impfverweigerern drohen bis zu 3600 Euro Strafe. Bislang liegt die Impfquote mit rund 67 Prozent viel zu niedrig.

Eine Impfpflicht ist nötig, aber die Regierung rückt damit nicht von ihrer kriminellen Politik ab. Zum einen ist der Februartermin viel zu spät. Zum anderen unterstreicht das Auftreten der Omikron-Variante, dass Impfungen alleine die Pandemie nicht stoppen können. Und das ist auch nicht das Ziel der Regierung.

Laut Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne), selbst ein Mediziner, soll das Gesetz zwei Jahre gültig bleiben. So wolle man auf weitere Wellen der Pandemie vorbereitet sein. Mückstein war bisher immer als Gegner einer Impfpflicht in Erscheinung getreten. Nun erklärt er, dass man über den Verlauf der Pandemie und über Verfahren zu ihrer Eindämmung keine Prognosen mehr machen werde.

Wissenschaftler und Mediziner kritisieren die Lockerungen heftig. Die prognostizierte „Atempause“ werde wohl eine kurze sein, so die Generaldirektorin für die Öffentliche Gesundheit, Katharina Reich.

Die Corona-Kommission, ein beratendes Expertengremium, geht davon aus, dass sich die Lage wegen der Ausbreitung der Omikron-Variante bald wieder verschlechtern wird, wie aus einem Protokoll hervorgeht. Mehrere Kommissionsmitglieder verweisen dabei auf die weiterhin kritische Situation in den Intensivstationen. Es seien derart viele Operationen verschoben worden, dass es äußerst schwierig sein werde, alle nachzuholen.

Der Molekularbiologe Ulrich Elling, der aus medizinischer Sicht sowohl die Impfpflicht wie den Lockdown begrüßt, sieht angesichts der Lockerungen die Gefahr, dass sich bereits im Januar oder Februar eine fünfte Welle entwickeln könnte, die noch weit schlimmer ist als die bisherigen. Laut ersten Berechnungsmodellen ist ab diesem Zeitraum mit Auswirkungen durch Omikron zu rechnen. Experten gehen davon aus, dass die Belegung der Intensivstationen dann noch zu hoch ist, um eine neuerliche Infektionswelle bewältigen zu können.

Die Volkspartei und die Grünen sind sich darüber vollständig bewusst. Mückstein erklärte noch Anfang des Monats im Parlament, die Infektionszahlen befänden sich weiterhin auf einem sehr hohen Niveau und die Lage in den Krankenhäusern sei dramatisch. Triagen fänden nicht nur bei leichten Operationen, sondern auch bei Operationen für Krebspatienten statt. In manchen Fällen müsse darüber entschieden werden, welcher Patient mehr Überlebenschancen habe.

Die Kaltschnäuzigkeit, mit der Mückstein über die brutalen Auswirkungen der eigenen Politik spricht, ist bezeichnend für die ganze Regierung. Der neue Bundeskanzler Karl Nehammer, ein ehemaliger Berufssoldat, gilt als innenpolitischer Hardliner und wurde in der Presse nicht grundlos als „Abschiebekönig“ bezeichnet.

Dass nach Nehammer nun Gerhard Karner (ÖVP) das Innenministerium leitet, zeigt, dass sich die Regierung angesichts ihrer skrupellosen Politik auf eine Konfrontation mit der Arbeiterklasse vorbereitet. Karner gilt als Anhänger und Verteidiger des Austrofaschismus. Im niederösterreichischen Texingtal, wo Karner bis zuletzt Bürgermeister war, steht ein Museum zu Ehren von Engelbert Dollfuß.

Dollfuß hatte 1933 das Parlament ausgeschaltet und ein autoritäres Regime errichtet, dass sich an den italienischen Faschismus Mussolinis anlehnte und sich auf die katholische Kirche und die Heimwehr stützte, die sich aus faschistischen Kreisen des Militärs und deklassierten Elementen aus ländlichen Gebieten rekrutierte. Wie der deutsche und italienische Faschismus richtete sich das Regime Dollfuß gegen die Arbeiterklasse und deren sozialdemokratischen und kommunistischen Vertreter.

Das Museum wird von Historikern seit Langem wegen seiner „Huldigung“ des faschistischen Ständestaates kritisiert. Karner unterstützte und förderte das Museum als Bürgermeister und verwehrte sich gegen jede Kritik. Auch als Innenminister verweigert er jede Stellungnahme dazu.

Loading