Perspektive

Oberster Gerichtshof Großbritanniens genehmigt Auslieferung von Assange: Eine pseudo-juristische Farce

Am Freitag vergangener Woche hat der Oberste Gerichtshof (High Court) des Vereinigten Königreichs das Auslieferungsverbot gegen WikiLeaks-Gründer Julian Assange an die Vereinigten Staaten gekippt. Es handelt sich um eine abstoßende Verhöhnung juristischer Prinzipien.

WikiLeaks-Gründer Julian Assange (AP Photo/Matt Dunham) [AP Photo/Matt Dunham]

Das Urteil ist das Ergebnis einer zehnjährigen politischen Verschwörung der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs, Australiens und Schwedens gegen den mutigen Journalisten. Assange wird verfolgt, weil er die Verbrechen der imperialistischen Regierungen während der mörderischen Invasion und der Besetzung des Irak und Afghanistans aufgedeckt hat.

Lord Burnett of Maldon, der Lord Chief Justice von England und Wales, sowie Lord Justice Holroyde gaben der Berufung der US-Regierung statt. Sie urteilten, dass die Vorinstanz den USA „die Möglichkeit hätte geben müssen, Zusicherungen“ hinsichtlich der weiteren Behandlung von Assange „einzuräumen“. Die Richter urteilten, dass die Zusicherungen „ausreichend waren, um die Bedenken [über sein Wohlergehen] auszuräumen“. Die erwähnten Zusicherungen wurden dabei von einem Staat gegeben, der, wie im Berufungsverfahrungen deutlich wurde, die „Ermordung, Entführung und Vergiftung“ des Journalisten plante.

Die britische Justiz hat mit diesem Urteil ihre Funktion als gefügiges Instrument der Regierung offenbart und ist bereit, eine kriminelle Kampagne abzusegnen, die grundlegende demokratische Rechte gefährdet.

Julian Assanges Anwälte erklärten, dass von „Zusicherungen“ seitens der USA nicht die Rede sein kann. Sie legten umfangreiche Beweise für die Verfolgung ihres Mandanten durch die CIA vor; darunter eine äußerst glaubwürdige Untersuchung von Yahoo! News sowie eine laufende strafrechtliche Untersuchung in Spanien, wonach die Entführung und Ermordung Assanges auf höchster Regierungsebene geplant war.

Bevor der Oberste Gerichtshof seine Entscheidung fällte, nahm er Bezug auf ebenjene Einwände: „Bloße Meinungsäußerungen von Personen, die das Wohlmeinen der USA in Frage stellen und kein einschlägiges Fachwissen nachweisen können, um eine derartige Meinung zu äußern, haben keinen größeren Wert als eine journalistische Meinung, die aus einer Internetrecherche stammt.“

Die Richter erklärten weiter: „Tatsächlich soll dem Gericht nahegelegt werden, die Zusicherungen der USA entweder mit der Begründung zurückzuweisen, dass diese nicht mit gutem Willen gegeben wurden oder aus anderen Gründen als unzuverlässig zurückzuweisen sind. Dabei würde es sich um eine schwerwiegende Anschuldigung handeln, vor allem wenn man bedenkt, dass das Vereinigte Königreich und die USA seit langem in Auslieferungsfragen zusammenarbeiten…“

Die Richter schlussfolgerten: „Es gibt keinen Grund, warum dieses Gericht nicht davon ausgehen sollte, dass die Zusicherungen das bedeuten, was in ihnen erklärt wird.“

Mit anderen Worten: Das oberste britische Gericht sorgt sich nicht im Geringsten um die demokratischen Rechte, die Assange verwehrt bleiben. Sein eigentliches Interesse besteht vielmehr darin, die Interessen und Beziehungen zwischen dem britischen und amerikanischen Imperialismus zu fördern. Das nun gefällte Urteil bedroht den WikiLeaks-Gründer mit lebenslanger Haft oder Tod, weil er Kriegsverbrechen und weitere Gräueltaten der herrschenden Klasse aufgedeckt hat. Es ebnet den Weg für umfassende Angriffe auf die Presse- und Meinungsfreiheit.

Durch das Urteil könnte die Auslieferung von Assange nun unmittelbar bevorstehen. Auf ein mögliches Berufungsverfahren vor dem Obersten britischen Gerichtshof oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sollte nicht vertraut werden. Die Mühlen einer Auslieferungskampagne, die die herrschende Klasse seit zehn Jahren gegen Assange führt, wurden erneut in Bewegung gesetzt. Seither wurde der Journalist willkürlich inhaftiert, bespitzelt, bestohlen, aus einer ausländischen Botschaft entführt, seines ecuadorianischen Asyls und seiner Staatsbürgerschaft beraubt, psychologisch gefoltert, rachsüchtig schikaniert und jahrelang ohne Anklage im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in Untersuchungshaft gehalten.

Selbst wenn einer Berufung stattgegeben werden sollte, bedeutet ein ausschließlich juristischer Weg in Richtung Freiheit bestenfalls, dass Assange weiterhin in Belmarsh inhaftiert bleibt – zu denselben unerträglichen Bedingungen, denen er bereits seit mehr als zweieinhalb Jahren ausgesetzt ist.

Das Schicksalsurteil über Assange wurde vom Obersten Gerichtshof an dem Tag verkündet, als sein ärgster Verfolger – der amerikanische Präsident Joe Biden – gemeinsam mit einer Bande von Massenmördern einen virtuellen „Demokratiegipfel“ abhielt. Zu den Gästen zählten unter anderem der philippinische Präsident Rodrigo Duterte und Jair Bolsanaro, der Präsident Brasiliens. Biden kündigte eine Plattform zum Schutz von Journalisten an (für die rund 3,5 Millionen Dollar veranschlagt sind), um diesen „bei Gefahr digitale und physische Sicherheitstrainings, psychosoziale Betreuung, Rechtsbeistand und andere Formen der Unterstützung bieten zu können.“

Am selben Tag fand in Großbritannien im Oberhaus eine Debatte über die Bedeutung der Redefreiheit statt. Assange wurde dabei nicht ein einziges Mal erwähnt.

Menschen überall auf der Welt werden von der Heuchelei der herrschenden Klasse in den USA und Großbritannien kaum beeindruckt sein, da sie sich über den verfaulten Charakter der Regierungen bewusst sind und ihn verachten. Die Frage, die sie sich stellen werden, lautet nicht „Wie konnten sie das zu lassen?“, sondern „Wie konnten sie damit durchkommen?“ und „Was muss getan werden, um sie zu stoppen?“

Jede Antwort darauf muss mit einer ernsthaften politischen Einschätzung der bisherigen Ereignisse bis zur jüngsten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs beginnen. Bisher wurde der Kampf um Assanges Freiheit im Großen und Ganzen einer offiziellen Kampagne überlassen, die sich in ihrer Suche nach Gerechtigkeit auf Gerichtsentscheidungen konzentriert. Auf dieser Grundlage appelliert sie an die bankrotten Labour-Bürokratien und an liberale und rechts-libertäre Figuren. Diese Perspektive hat sich als desaströs erwiesen.

Der ehemalige Vorsitzende der Labour-Partei Jeremy Corbyn und die parlamentarische Labour-Gruppe Socialist Campaign Group wurden als wichtigste Verfechter der Freiheit von Julian Assange gefeiert. Doch ihre Unterstützung, die auf die vergangenen zwei Jahre beschränkt ist, bestand lediglich aus besorgten Tweets, Bitten an Premierminister Boris Johnson und Litaneien über die britische Justiz. Corbyns einziger, nichtssagender Tweet, den er am Donnerstag sieben Stunden nach dem Urteilsspruch absetzte, lautete: „Julian Assange sollte nicht ausgeliefert werden, weil er unbequeme Wahrheiten enthüllt hat.“ Damit hat Corbyn höchstens Aufmerksamkeit für die Untätigkeit der Labour-Partei erregt.

Ähnlich nichtssagend und verspätet leiteten die bürgerlichen Medien eine vermeintliche Wende ein und sprachen sich offiziell gegen Assanges Auslieferung aus. Tatsache ist jedoch, dass die Redaktionen des Guardian und der New York Times – egal welche Leitartikel oder Kommentare sie dazu auch veröffentlichen werden – mit einem zufriedenen Lächeln auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshof reagiert haben dürften. Sie haben Jahre damit zugebracht, dem gestrigen Urteil den Weg zu ebnen. Sie werden nun hoffen, endlich nicht mehr an Julian Assange denken zu müssen, der ihre innige Beziehung zu den herrschenden Klassen zu stören drohte.

Es ist bemerkenswert, dass der Guardian einen Bericht über das Urteil – das wohl folgenreichste in der Geschichte des Journalismus seit einem halben Jahrhundert – nur wenige Stunden auf der Titelseite seines Online-Auftrittes beließ, bevor er ihn in die Rubrik „Aus aller Welt“ verbannte, noch unter „Nachrichten aus UK“.

Guardian und Konsorten sprachen erst dann ihre vermeintliche Unterstützung für Assange aus, als die Justiz seinen Fall an sich gerissen hatte. Zuvor hatten die bürgerlichen Medien eine jahrelange Verleumdungskampagne geführt, um Assange von dem entscheidenden Faktor für seine Befreiung zu isolieren: die massenhafte Unterstützung für WikiLeaks überall auf der Welt.

Die Bemühungen, Assange zu einem Ausgestoßenen zu erklären, wurden weltweit von pseudolinken Organisationen unterstützt oder kommentarlos hingenommen. Dazu zählt auch die britische Gruppe Counterfire, deren führendes Mitglied John Rees jetzt die Gruppe Don't Extradite Assange leitet. Die gesamte offizielle Assange-Kampagne orientiert sich an den derzeitigen oder ehemaligen Beteiligten der kriminellen Machenschaften gegen ihn und ist auf eine soziale Schicht ausgerichtet, die nichts im Kampf um demokratische Rechte ausrichten wird.

Dieser Kampf hängt von der internationalen Arbeiterklasse ab. Sie gerät immer offener in Konflikt mit der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, die längst im Gleichschritt Richtung Diktatur und Krieg marschiert. Zahlreiche große Streiks – organisiert gegen den Willen der Gewerkschaftsbürokratie, um die Durchsetzung von konzernfreundlichen Verträgen zu verhindern – markieren eine dramatische Veränderung der Weltlage, seit die Kampagne zur Zerstörung von Assange begann.

Vorangetrieben wird der Klassenkampf von der Corona-Pandemie, von der immer schärferen Ausbeutung der Arbeiterklasse, um der Finanzoligarchie angesichts der sich weiter auftürmenden Leichenberge weiterhin ihre Gewinne zu sichern, und vom Kriegskurs gegen die Atommächte Russland und China, der Millionen weitere Menschen bedroht.

Die Kampagne zur Befreiung von Julian Assange muss sich auf diese enorme soziale Kraft konzentrieren. Der Fall Assange muss zur Parole einer unabhängigen politischen Bewegung der Arbeiterklasse werden, die bereits durch die Gründung zahlreicher Aktionskomitees überall auf der Welt ihren Ausdruck findet. Diese Bewegung wird alle fortschrittlichen sozialen Kräfte hinter sich versammeln, darunter auch Teile der Mittelklasse und der Intellektuellen. Die World Socialist Web Site und die Sozialistischen Gleichheitsparteien werden diesen Kampf weiter vorantreiben.

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