Politik und Medien verschärfen Kriegsdrohungen gegen Russland

Die deutschen Medien befinden sich seit Tagen auf einem aggressiven Kriegskurs gegen Russland. Nun verschärfen auch die politischen Vertreter des Landes den Ton. Ihr arrogantes und aggressives Auftreten erinnert an die deutschen Kriegstreiber am Vorabend des Ersten und Zweiten Weltkriegs.

Die grüne Außenministerin Annalena Baerbock nutzte die Zusammenkunft mit ihren britischen, französischen und amerikanischen Amtskollegen gestern in Berlin für neue Drohungen gegen Russland. Jede weiter russische Aggression würde „gravierende Konsequenzen“ haben, erklärt sie bei einem gemeinsamen Auftritt mit US-Außenminister Antony Blinken. Moskau würde dann einen „hohen Preis“ zahlen – „wirtschaftlich, politisch und vor allen Dingen auch strategisch“.

Am Tag zuvor hatte bereits Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der bislang als Verteidiger der Pipeline Nord Stream 2 galt, in einer Rede auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos den Ton gegenüber Moskau verschärft. „Die russische Seite weiß um unsere Entschlossenheit“, erklärte er. „Ich hoffe, ihr ist auch bewusst, dass der Nutzen von Kooperation deutlich höher ist als der Preis weiterer Konfrontation.“

Während Scholz und Baerbock die Lieferung von deutschen Waffen an die Ukraine bislang offiziell ausschließen, wird sie von anderen Vertretern der Regierungsparteien gefordert. „Die Lieferung von Defensivwaffen könnte eine Möglichkeit zur Unterstützung der Ukraine sein“, erklärte etwa die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) in einem Interview mit t-online.de.

Die Ukraine sei „zwar kein Mitglied der Nato. Aber unser westliches Bündnis darf nicht dabei zusehen, wie das Land von Putin mit seinen Panzern überrollt wird. Als Nato müssen wir an der Seite der Ukraine stehen“, fügte sie drohend hinzu. Es sei „an der Zeit, dass wir Europäer uns endlich mehr um unseren eigenen Kontinent kümmern müssen. Wir müssen nicht nur verteidigungsfähig, sondern auch verteidigungswillig sein.“

In einem Interview mit dem Tagesspiegel schlägt der ehemalige Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) ähnliche Töne an und fordert eine aggressivere Reaktion der Bundesregierung und der EU gegen Russland. „Aber wollen wir Europäer das eigentlich so laufen lassen?“, fragt er wütend. „Wo sind all die großen Reden geblieben, dass Europa zum ‚geopolitischen Akteur‘ werden soll und ‚die Sprache der Macht lernen‘ müsse?“

Um die eigenen Welt- und Großmachtambitionen zu rechtfertigen, bemüht auch er die Mär vom „russischen Aggressor“, der dabei sei, nicht nur die Ukraine, sondern womöglich ganz Europa zu überrennen. Russland nutze „die Gelegenheit eines schwachen Europas und eines geschwächten US-Präsidenten…, um seinen Einfluss in Europa zu vergrößern. Wenn wir jetzt dabei mitmachen, wer sagt uns dann, dass übermorgen nicht die nächsten Staaten an der Reihe sind.“

Die pausenlose Propaganda von einem unmittelbar bevorstehenden Angriff Russlands stellt die Wirklichkeit auf den Kopf. Sie entspricht den Lügen, die die herrschende Klasse vor den beiden Weltkriegen verbreitet hat, um ihre eigene Aggression zu rechtfertigen.

Als das Deutsche Reich am 1. August 1914 Russland den Krieg erklärte, begründete Kaiser Wilhelm II. dies mit den Worten: „Will unser Nachbar es nicht anders, gönnt er uns den Frieden nicht, so hoffe ich zu Gott, dass unser gutes deutsches Schwert siegreich aus diesem schweren Kampfe hervorgeht.“

Auch die Nazis stellten ihren von langer Hand geplanten Vernichtungskrieg im Osten, dem 27 Millionen Sowjetbürger zum Opfer fielen, als „Verteidigungskrieg“ dar. Es sei „notwendig, diesem Komplott der jüdisch-bolschewistischen Kriegsanstifter […] entgegenzutreten“, hieß es in einer Proklamation des Führers, die der damalige Propagandaminister Joseph Goebbels kurz nach Beginn des deutschen Überfalls am 22. Juni 1941 im Rundfunk verlas. „Die Aufgabe“ sei „die Sicherung Europas und damit die Rettung aller.“

Abgesehen vom nationalsozialistischen Antisemitismus steht die aktuelle Kriegskampagne in dieser Tradition. Auch heute ist nicht Russland der Aggressor, sondern die Politik der imperialistischen Mächte verläuft entlang ähnlicher Linien wie die Deutschlands 1914 und 1941. Seit der Auflösung der Sowjetunion vor 30 Jahren kreist die Nato Russland systematisch ein. Anfang 2014 organisierten Washington und Berlin gestützt auf faschistische Kräfte wie die Swoboda-Partei und den Rechten Sektor einen Putsch in der Ukraine, um dort ein anti-russisches Regime zu installieren.

Seitdem nutzen die imperialistischen Mächte die überwiegend defensive Reaktion Russlands, um ihre Kriegs- und Aufrüstungsoffensive systematisch voranzutreiben. Die Nato hat sogenannte „Battlegroups“ in Polen und den baltischen Staaten stationiert. Nahezu ohne Unterlass finden massive Manöver in der Nähe der russischen Grenze statt. Es geht darum, Russland militärisch einzukreisen und in den Status einer Halbkolonie zu zwingen, die von den imperialistischen Mächten ausgebeutet und dominiert wird.

Den Kriegstreibern in den Medien geht dies offenbar nicht schnell und aggressiv genug. „Deutschland müsste sehr klar auch Härte zeigen“, fordert Stefan Kornelius, der Leiter des Politik-Ressort der Süddeutschen Zeitung in seinem aktuellen Podcast. „In deutschen Ohren“ klinge „das sehr gefährlich und risikoreich“, aber man müsse „sich in die russische Position versetzen und überlegen: was könnte Russland davon abhalten, militärisch die Ukraine noch einmal zu überfallen.“ Und das müssten „tatsächlich Drohungen sein, die Russland wehtun“.

Damit meint Kornelius explizit die Vorbereitung auf Krieg. „Die Art und Weise wie Russland in den letzten Wochen aufgetreten ist“, sollte auch der deutschen „Außenministerin klar gemacht haben, dass man da mit Vernunft und guten Argumenten nicht mehr weiterkommt“, echauffiert er sich. „Wenn man keinen Krieg möchte, muss man sich für den Krieg vorbereiten.“

Kornelius spricht nicht einfach für sich selbst, sondern für eine ganze Riege von Journalisten, die schreiben, als hätten sie ihre Volontariate in den Hetzpostillen der Nazis gemacht.

In einem weiteren SZ-Kommentar erklärt Daniel Brössler, Korrespondent der Süddeutschen im Parlamentsbüro, provokativ diejenigen zur größten Gefahr für den Frieden, die nicht sofort nach Waffen und Krieg rufen. Dass Russland „vom Westen keine wirklich gravierende Antwort zu befürchten“ habe, diene „nicht der Entspannung, sondern steigert die Kriegsgefahr“, schreibt er.

Die Zeit hat ihre ganze aktuelle Ausgabe der Kriegshetze gegen Russland gewidmet. Ein Artikel über die „Verhandlungsreisende“ Baerbock kritisiert, dass die neue Bundesregierung im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine „auf Worte statt Waffen“ setze. Der außenpolitische Korrespondent des Blatts, Michael Thumann, suggeriert in einem Kommentar mit der Überschrift „Auf dem Sprung“, Russland wolle nicht nur die Ukraine, sondern ganz Europa unterwerfen. Und Zeit-Herausgeber Josef Joffe höchstselbst rechtfertigt in einem Online-Kommentar den Vergleich zwischen Putin und Hitler.

Zu den notorischen Kriegstreibern wie Kornelius und Joffe gesellt sich eine junge Schicht von Nachwuchsschreiberlingen, deren geschichtliche und politische Ignoranz nur von ihrer Aggressivität übertroffen wird. In der Welt beklagt sich ein gewisser Gregor Schwung (Jahrgang 1995), dass Europa bereits „die Waffen niederlegt, bevor der Krieg beginnt“.

Die 34-jährige Ulrike Franke, Mitarbeiterin des European Council on Foreign Relations, klagt in der Zeit, dass die junge Generation unwillens sei, „in Begriffen von Macht und Interessen zu denken“ und das „Militär als Element, das geopolitischen Einfluss bestimmt“, ablehne.

Man fragt sich, ob einer dieser „Journalisten“ auch nur ansatzweise darüber nachgedacht hat, welche Konsequenzen ihre ständigen Rufe nach „Waffen“, „Militär“ und aktiver Kriegsvorbereitung gegen Russland haben. Was, wenn das russische Militär die Drohungen ernst nimmt und tatsächlich zu Gegenmaßnahmen greift? Eine militärische Konfrontation zwischen der Nato und Russland würde ganz Europa in einen Kriegsschauplatz verwandeln und bei einem möglichen Einsatz von Atomwaffen das Überleben der gesamten Menschheit in Frage stellen.

Der Wahnsinn hat objektive Ursachen. Wie in den 1930er Jahren reagiert die herrschende Klasse auf die tiefe Krise des Kapitalismus mit einer Hinwendung zu Militarismus, Faschismus und Krieg. Wenige Monate nachdem der damalige Außenminister und heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 erklärt hatte, Deutschland sei „zu groß und wirtschaftlich zu stark, als dass wir die Weltpolitik nur von der Seitenlinie kommentieren könnten“, schrieb die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP):

Die Propaganda der Nachkriegsjahrzehnte – Deutschland habe aus den ungeheuren Verbrechen der Nazis gelernt, sei ‚im Westen angekommen‘, habe zu einer friedlichen Außenpolitik gefunden und sich zu einer stabilen Demokratie entwickelt – entpuppt sich als Mythos. Der deutsche Imperialismus zeigt sich wieder so, wie er historisch entstanden ist, mit all seiner Aggressivität nach innen und nach außen.

Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung weiter verschärft. Auch in Deutschland wächst die soziale Wut über die „Profite vor Leben“-Politik. Während seit Ausbruch der Pandemie allein hierzulande mehr als 116.000 Menschen an Covid-19 starben, hat sich eine kleine Schicht an der Spitze der Gesellschaft pervers bereichert. Um die Spannungen nach außen abzulenken und im Inneren den staatlichen Unterdrückungsapparat zu stärken, setzt die herrschende Klasse auf Krieg.

Das Putin-Regime hat keine progressive Antwort auf die Aggression. Es vertritt die Interessen einer mafiösen Oligarchie, die sich seit der Wiedereinführung des Kapitalismus durch die stalinistische Bürokratie enorm bereichert hat. Die russische Regierung fürchtet die wachsende soziale und politische Opposition der Arbeiterklasse genauso wie die imperialistischen Mächte. Auf die Drohungen aus Washington, London, Brüssel und Berlin reagiert sie ihrerseits mit diplomatischen und militärischen Manövern, die die Kriegsgefahr weiter erhöhen.

Um zu verhindern, dass die herrschende Klasse den Planeten in den Abgrund stürzt, muss die überwältigende Opposition in der Bevölkerung auf der Grundlage einer klaren politischen Perspektive gegen Krieg mobilisiert werden. Notwendig ist der Aufbau einer Antikriegsbewegung, die auf den Prinzipien beruht, die das Internationale Komitee der Vierten Internationale bereits 2016 in seiner Erklärung „Sozialismus und der Kampf gegen Krieg“ aufgestellt hat:

  • Der Kampf gegen Krieg muss von der Arbeiterklasse ausgehen, die als revolutionäre gesellschaftliche Kraft alle fortschrittlichen Teile der Bevölkerung hinter sich vereint.
  • Die neue Bewegung gegen Krieg muss antikapitalistisch und sozialistisch sein, denn man kann nicht ernsthaft gegen Krieg kämpfen ohne danach zu streben, der Diktatur des Finanzkapitals und dem Wirtschaftssystem, das die Ursache für Militarismus und Krieg bildet, ein Ende zu setzen.
  • Aus diesem Grund muss die neue Antikriegsbewegung unbedingt vollkommen unabhängig sein von allen politischen Parteien und Organisationen der Kapitalistenklasse und diese ablehnen.
  • Vor allem muss die neue Antikriegsbewegung international sein und dem Imperialismus in einem vereinten globalen Kampf die enorme Kraft der Arbeiterklasse entgegenstellen.
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