Vor etwas mehr als zwei Jahren, am 11. März 2020, wurde Covid-19 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „Pandemie“ eingestuft. Zwei Jahre nach Beginn dieser globalen Katastrophe haben die kapitalistischen Regierungen die Pandemie de facto für beendet erklärt und die Rückkehr zur „Normalität“ angeordnet, obwohl die Ausbreitung in der Bevölkerung weltweit weiterhin auf hohem Niveau liegt.
Viele Regierungen heben alle Einschränkungen auf und schränken ihre Tests und Impfkampagnen ein. Die globalen Impfquoten liegen unter dem Niveau vom Mai 2021, als die Kampagnen in der Bevölkerung gerade erst begannen. Staaten mit geringem Einkommen leiden weiterhin unter Impfstoffmangel. Die Budgets für die Bekämpfung der Pandemie werden zugunsten massiver Mittel zur Finanzierung des Kriegskurses zusammengestrichen.
Vor zwei Jahren, als weltweit weniger als 5.000 Menschen an Covid-19 gestorben waren, beklagte der Generaldirektor der WHO, Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, die „alarmierende Untätigkeit“ der nationalen Regierungen. Heute, angesichts von offiziell mehr als sechs Millionen Toten, kann das Vorgehen der herrschenden Klasse nur als sozialer Mord bezeichnet werden. Und dieses Verbrechen geht weiter.
Weltweit gelten noch immer internationale Gesundheitsvorschriften, laut denen die Corona-Pandemie eine Gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite (PHEIC) ist. Zu diesen Vorschriften gehören die Überwachung und die verbindliche Meldung von Fällen.
Laut Clare Wenham, die an der London School of Economics zur globalen Gesundheitspolitik forscht, trifft sich die WHO alle drei Monate, um die globale Situation anhand von drei Kriterien zu bewerten. Gegenüber der Financial Times erklärte sie: „Wenn das Komitee zu dem Schluss kommt, dass der Ausbruch nicht mehr ungewöhnlich und unerwartet ist, keine weltweite Ausbreitung mehr droht und keine koordinierte internationale Reaktion mehr notwendig ist, dann endet die PHEIC.“
Die Auswirkungen der Pandemie sind gewaltig. In den USA sind offiziell fast eine Million Menschen gestorben, in Europa 1,7 Millionen, in Asien 1,3 Millionen, in Südamerika 1,2 Millionen und in Afrika mehr als 250.000. Doch diese offiziellen Zahlen sind in Wirklichkeit viel zu niedrig angesetzt. Laut einer Modellrechnung des Economist liegt die Übersterblichkeit durch die Pandemie bei fast 20 Millionen. Diese Zahl wurde durch eine von Experten geprüfte Studie bestätigt, die The Lancet veröffentlicht hat und laut der die Übersterblichkeit durch die Pandemie bis zum 31. Dezember 2021 dreimal höher liegt als die offiziellen Zahlen.
Seit dem Neujahrstag 2022 sind weltweit weitere 600.000 Menschen gestorben, überwiegend an der angeblich „milden“ Omikron-Variante. Der gleitende 7-Tages-Durchschnitt der Todesfälle weltweit liegt weiterhin nahe bei 6.600 pro Tag. Doch die Prognose des WHO-Regionaldirektors für Europa, Dr. Hans Kluge, für die europäischen Staaten könne nach der Omikron-Variante „bald eine lange Periode der Ruhe beginnen“, erweist sich als katastrophal. Der Chefredakteur des Lancet erklärte Mitte Februar: „[Kluges] Worte begünstigen ein falsches Gefühl der Sicherheit, das zu Selbstzufriedenheit und sogar Täuschung führen könnte.“
Die Technische Beratergruppe der WHO zu Covid-19 veröffentlichte am 8. März eine Zwischenbilanz, die ein düsteres Bild zeichnete. Sie warnte, dass die Lage trotz des weltweiten Rückgangs der Fallzahlen angespannt und unbeständig bleibe, da viele Regionen und Länder einen plötzlichen Anstieg gemeldet haben. Sie warnte außerdem, dass die drastische Reduzierung von Tests und finanziellen Mitteln die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie schwer beeinträchtigen würde.
Die Lage ist weiterhin mehr als unberechenbar. Seit der Veröffentlichung der Zwischenbilanz ist die Zahl der neuen Corona-Fälle weltweit stark angestiegen. Am 28. Februar lag die Zahl der neuen Fälle bei 1,15 Millionen pro Tag, bis zum 10. März ist sie jedoch rapide auf 1,82 Millionen angestiegen. Der weltweite 7-Tages-Durchschnitt liegt bei 1,56 Millionen neuen Fällen pro Tag und steigt weiter an.
Zudem erleben viele große europäische Länder „neue Wellen der Omikron-Subvariante BA.2, direkt nachdem die Infektionswellen durch die Subvariante BA.1 abklingen“.
Die WHO fügte in ihrer Zwischenbilanz hinzu: „Auf globaler Ebene war BA.1 die vorherrschende Omikron-Linie. Doch der Anteil der als BA.2 gemeldeten Sequenzen ist in den letzten Wochen im Vergleich zu BA.1 gestiegen, in mehreren Ländern ist sie die vorherrschende Omikron-Linie.“
Deutschland erreichte am Freitag mit 300.000 gemeldeten neuen Fällen einen Pandemie-Höchststand für das Land. Der 7-Tages-Durchschnitt der Todesfälle durch Covid-19 ist auf über 200 pro Tag angestiegen. Als Reaktion auf diese Entwicklungen erklärte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Freitag: „Wir sind in einer Situation, die ich als kritisch bezeichnen möchte. Wir haben stark steigende Fallzahlen wieder. ...Ich lese immer wieder, die Omikron-Variante sei eine mildere Variante. Das stimmt nur begrenzt.“
Wie viele europäische Staaten konnte auch Deutschland etwa drei Viertel der Bevölkerung vollständig impfen. Mehr als die Hälfte hat eine Booster- oder dritte Impfung erhalten. Die Behauptungen der herrschenden Klasse, der Impfstoff würde die Pandemie beseitigen, haben sich als bankrott erwiesen, da die anhaltende Ausbreitung des Virus zur Entstehung neuer, impfstoffresistenter Varianten führt.
Aktuelle Studien der Subvariante BA.2 der Universitäten von Tokio und Michigan haben bestätigt, dass sie nicht nur um 40 Prozent ansteckender ist als die Vorgängervariante BA.1. Sie kann obendrein die Immunität um 30 Prozent besser umgehen und Menschen erneut infizieren, die sich zuvor bereits mit BA.1 angesteckt hatten. Modellstudien gehen davon aus, dass BA.2 global dominant werden wird, und es gab Forderungen, BA.2 mit einem eigenen griechischen Buchstaben zu benennen.
Eine Fallstudie aus Dänemark verdeutlicht, welche Gefahren es birgt, die Bedrohung durch BA.2 zu ignorieren und alle Mitigationsmaßnahmen zur Eindämmung der Infektionen aufzuheben. Dänemark rühmt sich damit, dass 82 Prozent der Bevölkerung geimpft sind und mehr als 60 Prozent dreifach. Es war auch eins der ersten europäischen Staaten, in denen BA.2 während des Anstiegs der Infektionen im Winter zur dominierenden Variante wurde.
Dänemark verzeichnete die höchsten Zahlen bei Infektionen und Todesfällen seit Beginn der Pandemie. Genau wie in vielen anderen Ländern lautete das offizielle Mantra hier, die Krankheit verlaufe mild und die Mitigationsmaßnahmen seien nicht notwendig, weil ein Großteil der Bevölkerung geimpft sei. Dies hat sich als Katastrophe erwiesen: Die Zahl der Todesfälle ist auf 45 Pro Tag gestiegen, was bei einer Bevölkerung von 5,83 Millionen 2.554 Todesfällen pro Tag in den USA entspricht.
Die autonome chinesische Region Hongkong, ein dicht besiedeltes Gebiet mit fast 7,5 Millionen Einwohnern, konnte das Virus fast zwei Jahre lang in Schach halten. Jetzt erlebt sie jedoch eine massive und tödliche Welle von Infektionen, die die Krankenhäuser überlastet und zum Zusammenbruch des Gesundheitssystems führt.
Der 7-Tages-Durchschnitt bei den Todesfällen steigt weiter an und hat mit 255 pro Tag auf Pro-Kopf-Basis alle anderen Länder übertroffen, einschließlich Perus. In den USA würde dieser Durchschnitt, auf pro Kopf-Basis umgerechnet, mehr als 11.000 Todesopfer am Tag bedeuten, d.h. fast dreimal so viele wie auf dem Höhepunkt der Welle im Winter 2021.
In Südkorea steigen die Fallzahlen weiterhin steil an, am Freitag wurden mehr als 325.000 Infektionen gemeldet, und auch die Zahl der Todesfälle steigt exponentiell. Eine ähnliche Situation bahnt sich in Vietnam an, wo sich die Zahl der Neuinfektionen auf über 150.000 pro Tag erhöht hat und die Zahl der Todesfälle nachfolgt.
Diese Entwicklungen werden beträchtliche Auswirkungen auf die USA haben, wo der Rückgang der Fälle nach dem Höhepunkt der Omikron-Welle benutzt wurde, um im Schnellverfahren praktisch sämtliche Mitigationsmaßnahmen, auch die Maskenpflicht in den Schulen, abzuschaffen. Zudem wurden alle Mittel für Pandemiemaßnahmen schnell zurückgefahren, während den Kriegsmaschinerien hunderte Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt werden.
Inzwischen hat sich die Zahl der Sequenzen der BA.2-Subvariante im letzten Monat um 12 Prozent erhöht. Am höchsten ist sie in New York City, wo bereits die erste Welle der Pandemie verheerende Auswirkungen hatte.
Statt diese Entwicklungen zu berücksichtigen, erklärte der Bürgermeister von New York, Eric Adams, jedoch, es sei erneut „Zeit zum Feiern“, nachdem er alle Vorschriften und strengen Corona-Protokolle aufgehoben hatte. Weiter erklärte er: „Wir werden Covid nicht erlauben, uns zu beherrschen. Wir sind noch nicht außer Gefahr. Covid ist noch da, aber wir schlagen es zurück!“
Doch die Pandemie wird sich nur durch eine Eliminierungsstrategie zurückschlagen lassen, welche die Neuinfektionen auf Null senkt und die kein gefährliches soziales Roulette mit einem ständig mutierenden Virus spielt.